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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 27.01.2006
Aktenzeichen: 33 Wx 68/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 64 Abs. 2 Satz 3
Das Vormundschaftsgericht hat seine Entscheidung, wen es zum Bezugsberechtigten des Kindergeldes erklärt, nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Hierbei hat es entscheidend das Kindeswohl zu berücksichtigen.
Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 2 und 3 sind die seit Juni 1999 getrennt lebenden Eltern des am 4.10.1988 geborenen Beteiligten zu 1. Ihre Ehe wurde am 27.9.2001 geschieden. Der Beteiligte zu 1 besuchte von September 2000 bis Ende Juli 2003 ein Internat in N. Die Heimfahrtswochenenden verbrachte er abwechselnd zu gleichen Anteilen bei den Beteiligten zu 2 und 3. Seit August 2003 wohnt er im Wesentlichen bei der Beteiligten zu 2 und besucht seit September 2003 ein Gymnasium in M.

Da sich die Beteiligten zu 2 und 3 über die Kindergeldbezugsberechtigung nicht einigen konnten, bestimmte das Amtsgericht am 22.9.2004 auf Antrag des Beteiligten zu 3 diesen zum Berechtigten zum Empfang des Kindergeldes. Als Begründung führte es aus, dass dieser mehr Leistungen für das Kind erbrachte. Auf Beschwerde der Beteiligten zu 2 änderte das Landgericht den Beschluss am 16.3.2005 dahingehend ab, dass diese für den Zeitraum von September 2000 bis Ende Juli 2003 bezugsberechtigt sei.

Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde ist unbegründet

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Die Bezugberechtigung für das Kindergeld bestimme sich nach dem Obhutprinzip, weshalb derjenige bezugsberechtigt sei, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen habe und dadurch am meisten durch den Kindesunterhalt belastet sei. Obhut bedeute Betreuung, Erziehung und Versorgung im Haushalt des Berechtigten. Werde die Obhut im Haushalt mehrerer und zwar gleichartiger Berechtigter, nämlich von Eltern, einem Elternteil und dessen Ehegatten, Pflegeeltern oder Großeltern gewährt und bestimmten diese untereinander keinen Alleinberechtigten, so habe das Vormundschaftsgericht auf Antrag diese Bestimmung nach den Grundsätzen des Kindeswohles zu treffen. Unter Berücksichtigung des Kindeswohles sei das Kindergeld demjenigen zu gewähren, der tatsächlich für das Kind sorge und nach seiner Person die beste Gewähr dafür biete, dass er das Kindergeld auch zum Wohle des Kindes verwende. Das Kindergeld solle eine Hilfe für denjenigen sein, der die Kinder aufziehe und damit die Lasten des Unterhalts und der Erziehung trage. Am meisten durch den Kindesunterhalt belastet sei nicht zwangsläufig derjenige, der materiell den größeren Beitrag hierfür aufwende. Dies könne allerdings Entscheidungskriterium sein, wenn weitere Kriterien nicht ersichtlich seien. Nach Ansicht der Kammer könne die Frage, wer die Lasten des Unterhalts und der Erziehung der Kinder trage, jedoch nicht aufgrund eines isolierten Zeitraums von knapp drei Jahren beurteilt werden. Da der Beteiligte zu 1 seit August 2003 wieder bei der Beteiligten zu 2 wohne und nur alle zwei Wochen von Donnerstag Nachmittag bis Montag Morgen bei dem Beteiligten zu 3 lebe, ergebe die gebotene Gesamtbetrachtung, dass es die Beteiligte zu 2 sei, die das Kind aufziehe. Zu beachten sei auch, dass eine Kindergeldzuweisung in dem relevanten Zeitraum an den Antragsteller eine Rückforderung der Familienkasse größeren Umfangs von der Antragsgegnerin zur Folge habe. Eine solche Rückforderung von der Beteiligten zu 2, in deren Haushalt das Kind inzwischen wieder wohnt, würde möglicherweise dessen Wohl widersprechen. Im Sinne einer Kontinuität sei deshalb für eine Bestimmung der Beteiligten zu 2 als Kindergeldberechtigten zu entscheiden.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Zu Recht und von keinem Beteiligten beanstandet ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Beteiligte zu 1 sowohl im Haushalt der Beteiligten zu 2 als auch des Beteiligten zu 3 im Zeitraum von September 2002 bis Ende Juli 2003 aufgenommen war und eine übereinstimmende Bestimmung der Bezugsberechtigung nicht vorlag. Damit waren die Voraussetzungen für eine Bestimmung durch das Vormundschaftsgericht nach § 64 Abs. 2 Satz 3 EStG gegeben.

b) Die genannte Vorschrift enthält keine Vorgaben, nach welchen Grundsätzen das Vormundschaftsgericht die Bezugberechtigungsbestimmung zu treffen hat. Es ist daher in seiner Entscheidung frei (Herrmann/Bergkemper, Kommentar zur Einkommenssteuer und Körperschaftssteuer, Stand August 2002 § 64 Rn. 11 EStG). Dies bedeutet, dass die Bestimmung nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen hat. Das Gericht der weiteren Beschwerde kann die von den Gerichten der Tatsacheninstanz getroffene Ermessensentscheidung nur begrenzt nachprüfen, nämlich ob sie von ihrem Ermessen einen rechtlich fehlerhaften, dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch gemacht haben, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen sind oder wesentliche Umstände unerörtert gelassen haben (BayObLGZ 1965, 348/352 f und st. Rspr.; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 27 Rn. 23; Keidel/Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl., § 27 Rn. 23 f). Soweit dem Senat danach eine Prüfung möglich ist, sind Rechtsfehler nicht zu erkennen.

c) Es entspricht dem Sinn und Zweck des Gesetzes, das Wohl des Kindes zu berücksichtigen (Littmann/Pust, Das Einkommensteuerrecht Stand Mai 2004, § 64 Rn. 110 EStG), so dass im Rahmen der Ermessensentscheidung regelmäßig das Vormundschaftsgericht denjenigen zum Berechtigten zu bestimmen hat, der in seiner Person die Gewähr dafür bietet, dass er das Kindergeld zum Wohle des Kindes verwendet (Littmann/Pust aaO). Nicht hingegen ist Zweck der Norm, einen Ausgleich unter den Eltern wegen verschieden hoher Unterhaltsleistungen herzustellen. Letzteres ist Sache des Unterhaltsrechts (vgl. hierzu § 1612 b BGB). Dies gilt auch, wenn die Leistungen eines Elternteils auf einer Vereinbarung beruhen. Dem § 64 Abs. 3 Satz 2 EStG lässt sich auch keine Einschränkung des Ermessens dahingehend herleiten, dass derjenige das Kindergeld erhalten solle, der den größeren Unterhaltsbeitrag leiste. Dies gilt nämlich nur dann, wenn das Kind nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen ist. In diesem Fall ist durch die Bezugsberechtigung des Kindergeldes das Kindeswohl nämlich nicht berührt, so dass andere Kriterien entscheidend sein müssen.

Diese Grundsätze hat das Landgericht beachtet. Bei der Frage des Kindeswohls kann auch nicht nur auf den Zeitraum von September 2002 bis Ende Juli 2003 abgestellt werden. Vielmehr sind alle Auswirkungen auf das Kindeswohl im Zeitpunkt des Beschlusses der Tatsacheninstanz zu berücksichtigen. Die vom Vater beabsichtigte Darlehensrückzahlung stellt keine Verwendung des Kindergeldes zum Wohle des Kindes dar. Es würde ferner dem Wohl des Kindes widersprechen, wenn der Elternteil, der nunmehr nach übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten überwiegend die Obhut über den Beteiligten zu 1 hat, erheblichen Rückforderungen der Familienkasse ausgesetzt wäre, da sich die Zahlungsverpflichtung der Beteiligten zu 2 auch auf die Versorgung des Beteiligten zu 1 auswirken würde.

d) Soweit sich der Beteiligte zu 3 darauf beruft, dass eine Auszahlung an die Beteiligte zu 2 nicht erfolgt sei, kann er hiermit im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht gehört werden. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG i.V.m. § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind für das Gericht der weiteren Beschwerde die in der angefochtenen Entscheidung rechtsfehlerfrei festgestellten Tatsachen, d.h. der bei Erlass der Beschwerdeentscheidung gegebene Sachverhalt maßgebend (Keidel/Meyer-Holz aaO § 27 Rn. 42 m.w.N.). Neue Tatsachen und Beweismittel können in Bezug auf die Sache grundsätzlich weder durch die Beteiligten noch durch das Gericht der weiteren Beschwerde eingeführt werden; dies gilt sowohl für Tatsachen, die bei Erlass der Beschwerdeentscheidung schon bestanden haben, aber nicht vorgebracht wurden, als auch für erst nachträglich eingetretene (Keidel/Meyer-Holz aaO § 27 Rn. 45 m.w.N.).

Das Landgericht hat die Tatsachen verfahrensfehlerfrei festgestellt. Es hat im Wege der Amtsermittlung (§ 12 FGG) durch Nachfrage bei der Familienkasse festgestellt, dass das Kindergeld in dem hier maßgebenden Zeitraum zunächst an die Beteiligte zu 2 ausgezahlt worden sei, anschließend nach Erlaß des amtsgerichtlichen Beschlusses ein weiteres Mal an den Beteiligten zu 3 und dass es seitens der Familienkasse von der Beteiligten zu 2 zurückgefordert werde. Dass das Landgericht, indem es telefonisch bei der Familienkasse nachgefragt hat, den sog. Freibeweis angewendet hat, ist nicht zu beanstanden (Keidel/Schmidt aaO § 12 Rn. 195 f). Zu den Ermittlungen hat es den Beteiligten auch das rechtliche Gehör gewährt. Mit Hinweisbeschluss vom 16.2.2005 hat es nämlich dem Beteiligten zu 3 Gelegenheit gegeben, zu diesen Amtsermittlungen Stellung zu nehmen; eine Reaktion auf diesen Beschluss erfolgte nicht.

Die Tatsachenfeststellung im Beschwerdeverfahren ist daher für den Senat bindend.

3. Die Entscheidung über die notwendigen Auslagen der Beteiligten zu 2 im Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.

4. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO. Es ergibt sich folgende Berechnung:

Zeitraum|Monatsanzahl|monatl. Kindergeld|Gesamtbetrag Sept. 2000 - Dez. 2001|16|138,05 EUR|2.208,80 EUR Jan. 2002 - Sept.2003|19|154,00 EUR|2.926,00 EUR |||5.134,80 EUR

Ende der Entscheidung

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