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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 28.11.2005
Aktenzeichen: 34 Sch 19/05
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 1061 Abs. 1 | |
ZPO § 1062 Abs. 1 Nr. 4 |
Tatbestand:
Die Antragsgegnerin, ein in Bayern ansässiger Malereibetrieb in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, beauftragte die Antragstellerin, ein in Großbritannien ansässiges Bauunternehmen, Anfang September 2003, in Großbritannien an Außenmauern bestimmter Gebäude Verputzarbeiten durchzuführen. Im Verlauf der Arbeiten kam es zum Streit über deren Qualität und den richtigen Abrechnungsmaßstab. Die Antragsgegnerin verweigerte die Bezahlung der abgerechneten Leistungen und machte im Gegenzug für Nachbesserungsarbeiten Ersatzansprüche geltend. Am 15.12.2003 trafen die Parteien eine schriftliche Schiedsabrede.
Am 23.1.2004 erließ der von den Parteien bestellte Einzelschiedsrichter folgenden Schiedsspruch:
1. Ich entscheide, dass es keine mündliche Vereinbarung für die zum Zeittarif zu leistenden Arbeiten gab.
2. Ich entscheide, dass W W. erst am 23. September 2003 Kritik an der von der S. C. Ltd. geleisteten Arbeit übte.
3. Ich entscheide, dass die S. C. Ltd. nicht zur vollen Zahlung ihrer Rechnung vom 22. September 2003 berechtigt ist, dass sie aber berechtigt ist, Zahlung für die von ihr ordnungsgemäß zu den Vertragssätzen geleistete Arbeit zu erhalten.
4. Ich entscheide, dass die S. C. Ltd. zur Zahlung eines Betrags in Höhe von £ 5.600,00 an sie durch W W. berechtigt ist.
5. Ich entscheide, dass die Parteien ihre eigenen Kosten in diesem Schiedsfall zu tragen haben.
6. Ich entscheide, dass W W. für die Zahlung meines Honorars und meiner Auslagen in Höhe von £ 2.585,00 inkl. MwSt. verantwortlich ist.
7. Ich verfüge, dass W W. innerhalb von sieben Tagen ab dieser Entscheidung an die S. C. Ltd. einen Betrag in Höhe von £ 5.600,00 zuzüglich MwSt. in Übereinstimmung mit den geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu entrichten hat.
8. Ich treffe keine Kostenentscheidung.
9. Ich verfüge, dass W W. innerhalb von sieben Tagen ab dieser Entscheidung an die S. C. Ltd. einen Betrag in Höhe von £ 1.100,00 als Rückzahlung von einer Hälfte meines Honorars in diesem Schiedsfall (zuzüglich der MwSt. in Höhe von £ 192,50, wenn diese von der S. C. Ltd. nicht wieder einziehbar ist) zu entrichten hat, der von der S. C. Ltd. an mich gezahlt worden ist.
10. Ich verfüge des Weiteren, dass W W. innerhalb von 14 Tagen ab dem Datum des Honorarbescheids mein Resthonorar in Höhe von £ 1.295,50 inkl. MwSt. an mich zu entrichten hat.
Die Antragstellerin hatte zunächst beim Bayerischen Obersten Landesgericht beantragt, den Schiedsspruch gegen W. W. (Geschäftsführer der Komplementär-GmbH) für vollstreckbar zu erklären. Diesen Antrag hat sie unter dem 31.3.2005 zurückgenommen.
Die Antragstellerin beantragt nunmehr, den Schiedsspruch gegen die Firma W. W. Malereibetrieb GmbH & Co. KG für vollstreckbar zu erklären. Die Antragsgegnerin stellt ihre Passivlegitimation nicht in Abrede; sie widersetzt sich jedoch dem Antrag und weist darauf hin, dass sie bereits am 17.2.2004 auf die Hauptsache 987 £ und die gesamte Kostenerstattungsforderung (bezeichnet mit 1.292,50 £) bezahlt habe. Im Übrigen habe das Schiedsgericht verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass das von der Schiedsklägerin angeführte Aufmaß mit 1.000 m² von ihr bestritten worden sei. Sie habe vor Erlass des Schiedsspruchs dazu vorgebracht, dass der schriftliche Vertrag keine Aufmaßangaben enthalten habe, die dem Geschäftsführer der Antragstellerin gezeigte und zu bearbeitende Fläche nur etwa 150 m² aufgewiesen und die Antragstellerin auch zu keinem Zeitpunkt ein überprüfbares Aufmaß vorgelegt habe. Diesen Sachvortrag habe der Schiedsrichter übergangen.
Die Antragstellerin hat zuletzt die Teilleistungen auf den Schiedsspruch bestätigt und ihren Antrag dementsprechend angepasst.
Gründe:
Für den Antrag, den Schiedsspruch vom 23.1.2004 für vollstreckbar zu erklären, ist das Oberlandesgericht München zuständig (§ 1025 Abs. 4, § 1062 Abs. 2 und 5 ZPO i.V.m. § 8 GZVJu vom 16.11.2004, GVBl S. 471). Die Antragsgegnerin hat ihren Sitz in R. (Oberbayern). Maßgeblich für die Anerkennung des in Großbritannien ergangenen Schiedsspruchs ist das UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 (BGBl 1961 II S. 122 - UN-Ü; vgl. § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
1. Der Antrag ist zulässig (§ 1025 Abs. 4, § 1061 Abs. 1 Satz 1, § 1064 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO). Der Schiedsspruch wurde in Urschrift vorgelegt. Die Antragstellerin hat auch die von einem Büro in Großbritannien gefertigte deutsche Übersetzung einer "qualifizierten Übersetzerin" vorgelegt. Soweit Art. IV UN-Ü weitergehende Anforderungen an die Vorlage von Urkunden und deren Qualität stellt, gilt nach Art. VII Abs. 1 UN-Ü das Günstigkeitsprinzip (BGH NJW-RR 2004, 1504). Das nationale Recht ist in § 1064 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 ZPO anerkennungsfreundlicher und geht demnach vor (Zöller/Geimer ZPO 25. Aufl. Anh. § 1061 Art. IV UN-Ü Rn. 1).
2. Der seiner Qualität nach abschließende und endgültige Schiedsspruch ist zwischen der Antragstellerin als Schiedsklägerin und der Antragsgegnerin als Schiedsbeklagter ergangen. Zwar bezeichnet die Schiedsentscheidung die Beklagtenpartei durchgängig als "W W", was dazu führte, dass die Antragstellerin zunächst ihren Antrag auf Vollstreckbarerklärung gegen die natürliche Person "W W", den Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Antragsgegnerin, richtete. Gegenstand des Schiedsspruchs ist jedoch ein unternehmensbezogenes Geschäft (siehe Palandt/Heinrichs BGB 64. Aufl. § 164 Rn. 2). Der Schiedsspruch selbst bezeichnet unter Rn. 1 "W W" als Bauunternehmen (firm of Contractors). Der zugrunde liegende Bauvertrag weist als "client" die Antragsgegnerin aus. Ebenso verhält es sich mit der gesondert abgeschlossenen Schiedsvereinbarung vom 15.12.2003, deren "parties" die Antragstellerin und die Antragsgegnerin sind. Dies bestätigend hat der verantwortliche Schiedsrichter auf Veranlassung der Antragstellerin am 8.4.2005 noch erklärt, dass in seiner Entscheidung alle Hinweise auf "W W" tatsächliche Hinweise auf das Unternehmen (die GmbH & Co. KG) und nicht auf eine Einzelperson mit dem Namen "W W" seien. Die Antragsgegnerin hat dies im Anerkennungsverfahren nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil lautete die in dem früheren beim Bayerischen Obersten Landesgericht anhängig gewesenen Verfahren gegen den Geschäftsführer ihrer Komplementärin gegebene Einlassung dahin, dass Vertragspartner des Werkvertrags wie der Schiedsvereinbarung stets nur die Antragsgegnerin gewesen sei; der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH habe die Vereinbarung nicht in eigenem Namen, sondern für das Unternehmen abgeschlossen. Aus den von der Antragsgegnerin eingereichten Unterlagen ergibt sich weiter, dass sie selbst einen unstreitigen Teil der Forderung beglichen hat. Aus alledem schließt der Senat, dass das Schiedsverfahren tatsächlich unter den Parteien des Anerkennungsverfahrens geführt und auch der Schiedsspruch die Antragsgegnerin zur Leistung verpflichtet hat, während es sich bei deren Bezeichnung im schriftlichen Schiedsspruch selbst nur um eine unvollständige und mehrdeutige Bezeichnung handelt. Der englische Schiedsspruch ist jedoch hinsichtlich der Person der Antragsgegnerin unzweifelhaft und eindeutig bestimmbar; er kann vom Senat im Rahmen der Vollstreckbarerklärung klarstellend gefasst werden (vgl. dazu Musielak/Voit ZPO 4. Aufl. § 1058 Rn. 10; § 1060 Rn. 14; § 1063 Rn. 8; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 28 Rn. 7).
3. Die Vollstreckbarerklärung ist in dem Umfang, wie zuletzt beantragt, auszusprechen, weil Gründe, die Anerkennung und Vollstreckung zu versagen (Art. V Abs. 1 und Abs. 2 UN-Ü, § 1061 Abs. 2 ZPO), nicht vorliegen.
a) Versagungsgründe nach Art. 5 Abs. 1 UN-Ü sind nicht vorgebracht, geschweige denn nachgewiesen.
b) Der Vollstreckbarerklärung steht auch Art. 5 Abs. 2 b UN-Ü (ordre public) nicht entgegen. Danach ist die Anerkennung und Vollstreckung zu versagen, wenn das Gericht feststellt, dass die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs der öffentlichen Ordnung dieses Landes widersprechen würde (vgl. auch § 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO).
Gegen den ordre public verstößt ein Schiedsspruch dann, wenn er eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens regelt oder wenn er mit deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht (BGHZ 39, 173/176; 48, 327; Schwab/Walter Kap. 30 Rn. 21). Auch die grundlegenden Prinzipien des Verfahrensrechts sind Bestandteil des deutschen ordre public. Dazu gehört als besondere Ausprägung eines fairen Verfahrens der Anspruch auf rechtliches Gehör (Schwab/Walter Kap. 30 Rn. 25; Musielak/Voit § 1061 Rn. 24 und 26), dessen Gewährung nach den Grundsätzen des deutschen Rechts zu prüfen ist (vgl. auch BGHZ 96, 40/48 f.). Maßgeblich ist, ob das konkrete Ergebnis der Anwendung des ausländischen Gesetzes vom Standpunkt des deutschen ordre public zu missbilligen ist (BGHZ 48, 327/333).
Ein solcher Verstoß des Schiedsgerichts liegt nicht vor.
(1) Die Antragsgegnerin hat nicht bewiesen, dass die fragliche e-Mail vom 14.1.2004 dem Schiedsrichter nicht vor seinem Schiedsspruch zur Kenntnis gelangt ist. Dies erscheint auch unwahrscheinlich, weil offenbar als Anlage dazu das "statement" übermittelt wurde, das im Schiedsspruch (Rn. 5) ausdrücklich Erwähnung findet.
(2) Auch dass sich das Schiedsgericht nicht ausdrücklich mit dem Vorbringen in der e-mail vom 14.1.2004 auseinander gesetzt, sondern das von der Schiedsklägerin mit 1.000 m² bezeichnete Aufmaß als unbestritten bestätigt hat, begründet keinen Verstoß gegen den ordre public.
Zu diesen Maßangaben der Schiedsklägerin hat die Antragsgegnerin dort nur erklärt, dass in dem Vertrag keine Gesamtquadratmeterzahl erwähnt war und die Fläche des ersten Bauabschnitts ca. 150 m² umfasst habe. Im Übrigen hat sich die Antragsgegnerin noch dahin eingelassen, keine Möglichkeit zu besitzen, den Umfang der gesamten Arbeiten mangels Aufmaßes zutreffend einzuschätzen. Einen solchen Vortrag nicht als ein Bestreiten zu bewerten verstößt nicht gegen unverzichtbare Grundsätze des rechtlichen Gehörs. Denn schon nach deutschem Verfahrensrecht können unter bestimmten Voraussetzungen Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, als zugestanden angesehen werden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Ob das Schiedsgericht die Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten (Reichold in Thomas/Putzo ZPO 27. Aufl. § 138 Rn. 16) überspannt hat, kann auf sich beruhen. Denn ein derartiger Fehler berührt die Anerkennungsfähigkeit nicht.
c) Soweit der Schiedsspruch neben dem Hauptsachebetrag auch "Mehrwertsteuer in Übereinstimmung mit den geltenden gesetzlichen Bestimmungen" zuerkennt, kann die Frage der Bestimmtheit (oder Bestimmbarkeit) auf sich beruhen. Denn die Frage, ob ein Schiedsspruch eine vollstreckungsfähige Verurteilung enthält, bleibt im Vollstreckbarerklärungsverfahren regelmäßig offen und ist erst im Verfahren auf Erteilung der Vollstreckungsklausel zu prüfen (BayObLG BB 1999, 1948 m.w.N.; ebenso OLG München Beschluss vom 7.9.2005, 34 Sch 021/05).
d) Für vollstreckbar zu erklären ist der tatsächliche Leistungsausspruch in seiner konkreten Form, wie ihn das Schiedsgericht getroffen hat. Deshalb findet eine Umrechnung einer in ihm verlautbarten ausländischen Währung in Euro nicht statt (siehe auch Senat, Beschluss vom 4.7.2005, 34 Wx 009/05).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 269 Abs. 3 Sätze 2 und 3 ZPO. Die Antragstellerin hatte zunächst einen umfassenden Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs gestellt, ohne zu berücksichtigen, dass bereits vor Antragstellung die Kosten und ein Teil der Hauptsache beglichen waren. Überdies erfasste der ursprüngliche Antrag auch das festgesetzte Resthonorar des Schiedsrichters; dies hätte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt für vollstreckbar erklärt werden können (BGH NJW 1985, 1903/1904).
Ende der Entscheidung
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