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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 07.09.2005
Aktenzeichen: 34 Sch 23/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91a
ZPO § 269
ZPO § 788
ZPO § 1060 Abs. 1
1. Eine einseitig gebliebene Erledigungserklärung des Antragstellers kann unter bestimmten Voraussetzungen als Antragsrücknahme mit Antrag auf Kostenentscheidung nach billigem Ermessen ausgelegt werden.

2. Bei einer durch Schiedsspruch zuerkannten unbedingten Zahlungsverpflichtung gibt eine mehrwöchige Untätigkeit des Schuldners dem Gläubiger regelmäßig Anlass, einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung zu stellen. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Antrag verfrüht gestellt ist, sind auch die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.


Tatbestand:

Zwischen den Parteien war im Inland ein Schiedsverfahren wegen Werklohnforderungen der Antragstellerin betreffend Fassadenarbeiten an einer Werkshalle der Antragsgegnerin anhängig. Am 30.5.2005 erging gegen die Antragsgegnerin und Schiedsbeklagte ein auf Zahlung von 6.224,39 EUR nebst Zinsen lautender Schiedsspruch. In Ziffer II dieses Schiedsspruchs wurden der Antragsgegnerin die Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens auferlegt. Diese Kosten wurden durch Kostenschiedsspruch vom 27.6.2005 auf 1.426,40 EUR zuzüglich Zinsen festgesetzt.

Unter dem 30.6.2005 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs sowie des Kostenschiedsspruchs beantragt. Der Antrag ist am 8.7.2005 beim zuständigen Oberlandesgericht München eingegangen und dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 14.7.2005 zugestellt worden. Unter dem 7. bzw. 11.7.2005 überwies die Schiedsbeklagte die geschuldeten Beträge. Die Zahlungen wurden der Schiedsklägerin jeweils am 12.7.2005 gutgeschrieben.

Die Antragstellerin hat daraufhin die Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die Antragsgegnerin hat der Erledigung nicht zugestimmt und begehrt kostenpflichtige Abweisung des Antrags.

Gründe:

Die einseitig gebliebene Erledigungserklärung der Antragstellerin, die hier als Antragsrücknahme im Sinne von § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO ausgelegt werden kann, führt dazu, dass der Senat die Verfahrenskosten der Antragsgegnerin auferlegt.

1. Durch Gutschrift der geschuldeten Beträge auf dem Konto der Schiedsklägerin hat die Schiedsbeklagte die geschuldete Leistung bewirkt (Palandt/Heinrichs BGB 64. Aufl. § 362 Rn. 9), so dass am 12.7.2005 tatsächlich eine Erledigung der Hauptsache eingetreten ist. Die Erledigung ist allerdings vor Zustellung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung am 14.7.2005 und somit vor Rechtshängigkeit (§ 253 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 261 Abs. 1 ZPO) eingetreten, weshalb nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 83, 12; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 26. Aufl. § 91 a Rn. 36), der sich der Senat anschließt, eine Erledigung des Antrags in der Hauptsache auf einseitige Erklärung der Antragstellerin nicht ausgesprochen werden kann. Von daher scheidet eine Feststellung der Erledigung mit einer sich hieran anschließenden Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin von vornherein aus. Gerade diese Kostentragungspflicht aber ist das erklärte Ziel der Erledigungserklärung, zumal die Tatsache der zwischenzeitlichen Erfüllung unter den Beteiligten unstreitig ist. Nach Auffassung des Senats erscheint es daher vor dem Hintergrund dieser offen zutage tretenden Interessenlage gerechtfertigt, die Erledigungserklärung der Antragstellerin im Sinne einer Antragsrücknahme verbunden mit einem Antrag nach § 269 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 ZPO auszulegen (so auch OLG Köln OLG-Report 2004, 79; Zöller/ Vollkommer ZPO 26. Aufl. § 91a Rn. 42).

2. Billigem Ermessen sowie dem bisherigen Sach- und Streitstand entspricht es, der Antragsgegnerin die Verfahrenskosten aufzuerlegen. Denn der Antrag auf Vollstreckbarerklärung war nach der formlosen Übersendung der Schiedssprüche an die Parteien (§ 1054 Abs. 4 ZPO; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 20 Rn. 11) zulässig und seinerzeit auch begründet.

Der grundsätzlich auch für Verfahren auf Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen anwendbare Rechtsgedanke, dass das Kostenrisiko voreilig gestellter Anträge den Antragsteller treffen muss (vgl. § 788 Abs. 1 ZPO und § 91 ZPO; Beschluss des Senats vom 14.3.2005, 34 Sch 003/05 sowie OLG Düsseldorf OLG-Report 2004, 326), führt zu keiner anderen Beurteilung.

Der Hauptsacheschiedsspruch vom 30.5.2005 ist der Schiedsbeklagten ihrer eigenen Einlassung zufolge am 31.5.2005 zugegangen. Bei Antragstellung war ca. ein Monat verstrichen, innerhalb dessen die Schiedsbeklagte die Zahlung hätte bewirken können. Die mehrwöchige Untätigkeit der Antragsgegnerin gab der Antragstellerin daher Grund zu befürchten, dass sie zur Durchsetzung des Schiedsspruchs staatliche Hilfe in Anspruch nehmen muss (BayObLG Beschluss vom 12.1.2005, 4Z Sch 20/04). Einer vorherigen Mahnung und Fristsetzung bedurfte es nicht. Eine längere Wartezeit brauchte im Hinblick auf die den Gegenstand des Ausgangsverfahrens bildende Werklohnforderung im Verhältnis zweier Gewerbetreibender nicht eingehalten zu werden (vgl. Zöller/Stöber § 788 Rn. 9b). Dies gilt umso mehr, als es sich bei dem gegenständlichen Verfahren nicht um ein Vollstreckungsverfahren handelt (Zöller/Geimer § 1060 Rn. 1), sondern um ein der Vollstreckung vorgelagertes Erkenntnisverfahren besonderer Art, welches keine unmittelbare Befriedigung oder Sicherung des Gläubigers bewirkt.

Hinsichtlich des der Antragsgegnerin am 28.6.2005 formlos übermittelten Kostenschiedsspruchs vom 27.6.2005 ist der Antrag zwar unmittelbar nach der Entscheidung des Schiedsgerichts gestellt worden. Er ist aber unter den gegebenen Umständen gleichwohl nicht als verfrüht anzusehen. Da die Schiedsbeklagte bezüglich der Hauptsache zum Zeitpunkt der Antragstellung noch keine Leistung erbracht hatte, brauchte die Schiedsklägerin auch bezüglich der Kosten nicht von einer zeitnahen "freiwilligen" Leistung der Schiedsbeklagten auszugehen. Insofern erschien es aus der Sicht der Antragstellerin vertretbar, den Antrag für beide Schiedssprüche gleichzeitig zu stellen. Gegenteiliges folgt auch nicht aus § 798 ZPO. Die Bestimmung, die hier allenfalls entsprechend anwendbar wäre, soll vor überraschenden Vollstreckungsmaßnahmen schützen. Um solche eine Befriedigung oder jedenfalls Sicherung des Gläubigers bewirkende Maßnahmen geht es aber, wie ausgeführt, im vorliegenden Verfahren nicht.

Ende der Entscheidung

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