Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 23.02.2007
Aktenzeichen: 34 Sch 31/06
Rechtsgebiete: UN-Ü, ZPO


Vorschriften:

UN-Ü Art. V Abs. 2 lit. B
ZPO § 1062 Abs. 1 Nr. 4
Die Vollstreckbarerklärung einer im Schiedsspruch tenorierten und auch auf das Schiedsrichterhonorar bezogenen Kostenerstattungsanordnung für die Parteien untereinander ist jedenfalls dann unbedenklich, wenn Streitwerthöhe und Schiedsrichterhonorar unstrittig und zudem vollständig durch Vorschüsse der Parteien abgedeckt sind; ein Verstoß gegen den ordre public liegt dann nicht vor.
Gründe:

I.

Die Parteien, drei in Österreich ansässige Gesellschaften, schlossen am 20.6.2001 einen Vertrag über die Nachbearbeitung von Filmen. Laut Vertrag sollte die Antragstellerin gegen Entgelt Produktdienstleistungen hinsichtlich bestimmter TV-Filme erbringen. Wegen der Bezahlung des Entgelts kam es zu Streitigkeiten zwischen den Parteien. Unter Ziff. X des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages war eine Schiedsvereinbarung getroffen worden. Aufgrund dessen erhob die Antragstellerin am 21.12.2004 Schiedsklage, über die das österreichische Schiedsgericht mit dem oben wieder gegebenen Schiedsspruch am 26.6.2006 entschied. Unter Nr. 1 des Schiedsspruchs ist dabei über die Hauptsache nebst Zinsen und unter Nr. 2 über die Kosten des Schiedsverfahrens entschieden. Die Schiedsklägerin hatte Vorschüsse in Höhe von 41.156 EUR und die Schiedsbeklagten in Höhe von 13.000 EUR an das Schiedsgericht geleistet. Im Schiedsspruch wurde der obsiegenden Schiedsklägerin ein Erstattungsanspruch gegen die Schiedsbeklagte in Höhe der verauslagten 41.156 EUR zugesprochen. Der Schiedsspruch erging gegen die Antragsgegnerin zu 2 unter deren früheren Namen.

Die Antragstellerin hat durch Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 20.12.2006 beantragt, den Schiedsspruch in Deutschland für vollstreckbar zu erklären. Sie hat dabei vorgetragen, die Antragsgegnerinnen hätten auf den Schiedsspruch bisher keine Leistungen erbracht. Sowohl die Antragsgegnerin zu 1 als auch die Antragsgegnerin zu 2 hätten Ansprüche gegen die im Landkreis München ansässige B. M.-GmbH auf Ausschüttung von Verwertungserlösen.

Die Antragsgegnerinnen haben vorgetragen, der am 26.6.2006 durch das Schiedsgericht ergangene Schiedsspruch werde von ihnen durch Klage beim Landesgericht S./ Österreich bekämpft, da es sich bei dem Schiedsspruch um eine Fehlentscheidung handele. Sie haben deswegen angeregt, vor einer Entscheidung das Ergebnis dieses Verfahrens abzuwarten.

II.

1. Für den Antrag, den Schiedsspruch vom 26.6.2006 für vollstreckbar zu erklären, ist das Oberlandesgericht München zuständig (§ 1025 Abs. 4, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 8 der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz in der Fassung vom 16.11.2004 = GVBl S. 471).

Die Antragstellerin hat schlüssig und unbestritten geltend gemacht, dass die Antragsgegnerinnen Forderungen gegen Drittschuldner mit Sitz im Zuständigkeitsbereich des Oberlandesgerichts München haben. Ein Missbrauch des durch das Vermögen begründeten Gerichtsstandes (§ 1062 Abs. 2 ZPO, vgl. BGH NJW 1997, 325/326) ist nicht ersichtlich.

2. Eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des österreichischen Landesgerichts S. kommt nicht in Betracht, da es dafür an einer Rechtsgrundlage fehlt. Die im Rahmen der Klage vor dem Landesgericht S. geltend gemachten Einwendungen gegen den Schiedsspruch sind überdies nicht beachtlich im Sinne des § 1059 ZPO.

3. Maßgeblich für die Anerkennung des in Österreich ergangenen Schiedsspruchs ist das UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 (BGBl 1961 II Seite 122 - UN-Ü; vgl. § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dies ergibt sich aus Art. 12 Abs. 1 des deutsch-österreichischen Vertrages über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 6.6.1959 (vgl. Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Auflage Kap. 59 Rn. 23). Nach Art. 12 Abs. 1 dieses Vertrages bestimmt sich die Anerkennung und die Vollstreckung von Schiedssprüchen nach dem Übereinkommen, das zwischen beiden Staaten jeweils in Kraft ist. Österreich und die Bundesrepublik Deutschland sind jeweils Vertragsstaaten des UN-Übereinkommens und des EU-Übereinkommens über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961. Das EU-Übereinkommen enthält dabei keine eigenen Regelungen über die Vollstreckbarerklärung (vgl. auch Schwab/ Walter Kap. 57 Rn. 26; Abdruck des EU-Ü bei Schwab/Walter Anhang A I. Nr. 4).

a) Der Antrag ist zulässig (§ 1025 Abs. 4, § 1061 Abs. 1 Satz 1, § 1064 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO). Soweit Art. IV UN-Ü über § 1064 Abs. 1 und 3 ZPO hinausgehende Anforderungen an die Vorlage von Urkunden, Übersetzung und deren Qualität stellt, gilt nach Art. VII Abs. 1 UN-Ü das Günstigkeitsprinzip (BGH NJW-RR 2004, 1504). Das anerkennungsfreundlichere nationale Recht verlangt zwingend auch für ausländische Schiedssprüche jedoch nur die Vorlage des Schiedsspruchs im Original oder in einer beglaubigten Abschrift, § 1064 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Antragstellerin hat diesen Voraussetzungen genügt, indem sie den Schiedsspruch vom 26.6.2006 in notariell beglaubigter Kopie vorgelegt hat.

b) Dieser endgültige Schiedsspruch ist gemäß § 1061 Abs. 1 ZPO für vollstreckbar zu erklären, weil Versagungsgründe nicht vorliegen. Gründe, die Anerkennung gemäß Art. V UN-Ü zu versagen, sind weder dargetan noch ersichtlich. Der Streitgegenstand, die Entgeltzahlung aufgrund erbrachter Leistungen, ist schiedsfähig (vgl. Art. V Abs. 2 lit. a UN-Ü). Die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs widerspricht nicht der deutschen öffentlichen Ordnung (Art. V Abs. 2 lit. b UN-Ü). Es ist nicht ersichtlich, dass das gewählte Schiedsverfahren grundlegende Prinzipien des deutschen Verfahrensrechts verletzt hätte oder sonst ein Verstoß gegen den deutschen ordre public vorliegt. Der Einwand der Antragsgegnerinnen, die Entscheidung des Schiedsgerichts sei "eine Fehlentscheidung, weil eine klare vertragliche Formulierung vom Schiedssenat sinnwidrig und nicht nachvollziehbar umgedeutet wurde", stellt keinen im Rahmen der Vollstreckbarerklärung zu berücksichtigenden Einwand dar. Eine revision au fond, d. h. eine Überprüfung der Richtigkeit der Entscheidung, findet im Anerkennungsverfahren nicht statt.

Die nach innerstaatlichem Recht gegebene Möglichkeit, den endgültigen Schiedsspruch im Rahmen der Wiederaufnahme aufzuheben, hindert die Vollstreckbarerklärung nicht (vgl. § 1061 Abs. 3 ZPO, Art. V Abs. 1 lit. e UN-Ü, auch Zöller/Geimer ZPO 26. Aufl. § 1061 Rn. 15).

c) Eine Vollstreckbarerklärung kann auch hinsichtlich des festgesetzten Erstattungsanspruchs der Parteien betreffend die Schiedsrichtervergütung erfolgen. Der Kostenausspruch ist als Teil des Schiedsspruchs der Vollstreckbarerklärung grundsätzlich fähig, §§ 1060 ff. ZPO (vgl. Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 33 Rn. 8). Hier hat das Schiedsgericht zwar nicht nur eine Kostengrundentscheidung getroffen, sondern in den Gründen des Schiedsspruchs die Kosten des Schiedsgerichts bereits der Höhe nach festgestellt und gemäß der Kostentragungslast den vollständig unterlegenen Schiedsbeklagten beziffert auferlegt. Eine Entscheidung in eigener Sache, die gemäß § 1061 Abs. 2 ZPO, Art. V Abs. 2 lit. b UN-Ü (vgl. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO) nicht anerkannt werden könnte, liegt dennoch nicht vor. Zwar dürfen Schiedsrichter ihr Honorar nicht selbständig festsetzen, auch nicht mittelbar, weil dem das Verbot des Richters in eigener Sache entgegensteht (BGHZ 94, 92/95 f.; BGH MDR 1977, 383; Zöller/Geimer § 1057 Rn. 4; vgl. auch Kröll SchiedsVZ 2006, 203/212; ausführlich Wolff SchiedsVZ 2006, 131 ff.). In dieser Hinsicht ist die getroffene Kostenausgleichung aufgrund des vom Schiedsgericht und den Parteien gewählten Verfahrens jedoch unbedenklich. Das Schiedsrichterhonorar ist durch die Vorschüsse vollständig abgedeckt, so dass mit dem bezifferten Kostenschiedsspruch zulässigerweise nur noch über den Erstattungsanspruch der Parteien untereinander entschieden wurde (so auch Zöller/Geimer § 1057 Rn. 5; vgl. auch Musielak/Voit ZPO 5. Aufl. § 1057 Rn. 5; Wolff SchiedsVZ 2006, 131/141; OLG Dresden SchiedsVZ 2004, 44). Streitwerthöhe und Honorar sind außer Streit.

Der Senat verkennt nicht, dass dadurch das Prinzip, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf, aufgelockert wird (vgl. auch Zöller/Geimer § 1057 Rn. 5). Dies erscheint in den Fällen, in denen ein Interessenkonflikt der Parteien und der Schiedsrichter nicht vorliegt, weil sowohl der Streitwert als auch die Kosten des Schiedsgerichts unstreitig und die Vorschüsse vollständig erbracht sind, vertretbar. Zudem liegt darin zugleich eine Angleichung an die internationale Praxis (vgl. Wolff, SchiedsVZ 2006, 131/133).

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 1064 Abs. 2 ZPO und die Streitwertfestsetzung aus § 3, 6 ZPO. Dem Hauptsachebetrag hinzuzurechnen ist auch der zugleich zuerkannte Kostenbetrag (vgl. Senat Beschluss vom 4.5.2005, 34 Sch 11/05).

Ende der Entscheidung

Zurück