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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 15.03.2006
Aktenzeichen: 34 Sch 6/05
Rechtsgebiete: UN-Ü, ZPO


Vorschriften:

UN-Ü Art. V Abs. 1 Buchst. d)
ZPO § 1061
Im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs kann sich der Schiedsbeklagte regelmäßig nicht mehr auf die entgegen der Schiedsvereinbarung vorgenommene Besetzung des Gerichts berufen, wenn er diese trotz Kenntniserlangung durch einen entsprechenden Hinweis des Gerichts im schiedsgerichtlichen Verfahren nicht gerügt, sondern sich vorbehaltlos auf das Verfahren eingelassen hat.
Tatbestand:

Die in der Ukraine ansässige Antragstellerin und die inzwischen in Liquidation befindliche Antragsgegnerin schlossen am 17.11.2001 einen Vertrag, in dem sich die Antragstellerin verpflichtete, aus von der Antragsgegnerin gelieferten Stoffen und Materialien gegen entsprechende Bezahlung Kleidungsstücke zu fertigen. Der Vertrag enthält unter Ziffer 7 (Gerichtsstand) folgende Regelung:

7.1. Beide Seiten machen alles Mögliche, damit alle sich evtl. ergebende Differenzen durch Verhandlung erledigt werden.

7.2. Falls die Parteien beidseitig passende Lösungen nicht finden können, wird jeder sich aus diesem Vertrag ergebende Streit bei der Internationen C. A. bei der Handelskammer der Ukraine entschieden. Die Arbitrage ist von zwei oder mehreren Schiedsrichtern geführt.

7.3. Die Seiten sind damit einverstanden, dass bei der Entscheidung der Sache ein Reglement der Internationalen C. A. bei der Handelskammer der Ukraine verwendet wird.

7.4. Es gilt für diesen Vertrag ukrainisches Recht.

7.5. Sitzort der Arbitrage ist Kiew.

In der Folgezeit leistete die Antragsgegnerin auf verschiedene Rechnungen der Antragstellerin keine vollständige Zahlung, so dass diese das Schiedsgericht anrief.

Unter dem 4.11.2003 übersandte das Schiedsgericht der Antragsgegnerin und Schiedsbeklagten u.a. die Klage und eine Liste mit möglichen Schiedsrichtern. Deren damaliger Verfahrensbevollmächtigte, der Zeuge Rechtsanwalt Sch., sandte daraufhin die Liste an ein Übersetzungsbüro, welches ihm wiederum aus der Aufstellung zwei im Bereich des Wirtschaftsrechts tätige Richterinnen bezeichnete. Von diesen beiden Richterinnen benannte der Zeuge sodann die Richterin P. Dieselbe Richterin war unter dem 13.11.2003 auch von der Antragstellerin und Schiedsklägerin benannt worden. Diese eine Schiedsrichterin führte darauf das schiedsgerichtliche Verfahren durch. Unter dem 24.12.2003 hatte der Generalsekretär des Internationalen Handelsschiedsgerichts den Parteien mitgeteilt, dass unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sowohl die anrufende Partei als auch die gegnerische Partei ihrerseits als Schiedsrichter Frau P. benannt hätten, die Sache durch Frau P. als Einzelschiedsrichterin verhandelt werde. Nach der Begründung des Schiedsspruchs wurde diese Mitteilung dem Zeugen Sch. ausweislich dessen Unterschrift am 8.1.2004 per Einschreiben übergeben. Eine Beanstandung der Gerichtsbesetzung während des schiedsgerichtlichen Verfahrens erfolgte nicht. Zu den Sitzungen des Schiedsgerichts erschien kein Vertreter der Schiedsbeklagten.

Das Internationale Handelsschiedsgericht bei der Industrie- und Handelskammer der Ukraine, K., erließ durch die Schiedsrichterin E.G. P. in dem zwischen der Antragstellerin als Schiedsklägerin und der Antragsgegnerin als Schiedsbeklagte geführten Schiedsverfahren am 2. April 2004 folgenden Schiedsspruch: Die Firma H.-Mode H. & Co. GmbH (P. Straße 12, S.-R., Deutschland) ist verpflichtet, sofort nach dem Erhalt dieses Rechtsspruchs der Geschlossenen Aktiengesellschaft K. Nähfabrik (Ukraine, K., Gebiet I.-F., T.-Straße 35) 10.777,60 EUR Hauptschulden, 3.090,55 EUR der Geldstrafe für Zahlungsverzug und 1.253,18 US-Dollar zum Ausgleich für die Bezahlung der Schiedsgerichtsgebühr, insgesamt 13.868,15 EUR (dreizehntausendachthundertachtundsechszig Euro, 15 Cent) und 1.253,18 US-Dollar (eintausendzweihundertdreiundfünfzig US-Dollar, 18 Cent) zu bezahlen.

... (betrifft Rückzahlung zuviel gezahlter Gerichtsgebühren an die Antragstellerin).

Der Rechtsspruch ist endgültig. ... (betrifft Ausfertigungen).

Die Antragstellerin hat unter Vorlage des Schiedsspruchs im Original sowie einer beglaubigten Übersetzung beantragt, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären.

Die Antragsgegnerin hat sich zunächst dem Antrag widersetzt und ihrerseits die Feststellung begehrt, dass der Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen sei. Sie hat geltend gemacht, dass das Schiedsgericht entgegen Ziffer 7.2. des Vertrags vom 17.12.2001 nicht mit zwei oder mehreren Schiedsrichtern besetzt gewesen sei, weswegen der Schiedsspruch gemäß Art. V Abs. 1a des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche i.V.m. § 1061 ZPO nicht für vollstreckbar erklärt werden könne.

Die Antragstellerin hat dagegen die Auffassung vertreten, die Rüge der fehlerhaften Gerichtsbesetzung komme nicht mehr in Betracht, da die Parteien im Hinblick auf das Einschreiben des Schiedsgerichts vom 24.12.2003 ihre Abrede hinsichtlich der Zahl der zu beteiligenden Richter abgeändert hätten.

Der Senat hat Beweis erhoben durch schriftliche Einvernahme des früheren Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin, Rechtsanwalt Sch.

Nachdem der Senat gemäß § 1063 Abs. 2 ZPO mündliche Verhandlung angeordnet hatte, hat die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin eine Übersetzung des Schreibens des Schiedsgerichts vom 24.12.2003 vorgelegt. Der Senat hat daraufhin den früheren Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin als Zeugen zum Verhandlungstermin geladen. Am 6.3.2006, dem Tag der geplanten mündlichen Verhandlung, hat der jetzige Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin mitgeteilt, dass dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nicht mehr entgegengetreten werde, da der als Zeuge benannte vormalige Vertreter der Schiedsbeklagten mitgeteilt habe, dass er die Mitteilung über die Besetzung des Schiedsgerichts entgegen früherer Darstellung doch erhalten habe.

Der Senat ist daraufhin wieder ins schriftliche Verfahren übergegangen. Die Parteien haben abschließend Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Gründe:

Für den Antrag, den Schiedsspruch vom 2.4.2004 für vollstreckbar zu erklären, ist das Oberlandesgericht München zuständig (§ 1025 Abs. 4, § 1062 Abs. 2 und Abs. 5 ZPO i.V.m. § 8 der Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung Justiz i.d.F. vom 16.11.2004, GVBl. S. 471).

1. Der Antrag ist zulässig (§ 1025 Abs. 4, § 1061 Abs. 1 Satz 1, § 1064 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO; Art. VII Abs. 1 des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958, BGBl 1961 II S. 122, im Folgenden: UN-Ü). Weiterhin gilt vorrangig (§ 1061 Abs. 1 Satz 2 ZPO) das Europäische Übereinkommen über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 (BGBl 1964 II S. 425, im Folgenden: Europäisches Übereinkommen, wobei, auch im Verhältnis zum innerstaatlichen Recht, das Meistbegünstigungsprinzip zu beachten ist.

Die Antragstellerin hat den Schiedsspruch im Original samt der deutschen Übersetzung in einer beglaubigten Abschrift vorgelegt. Für den Schiedsspruch selbst entspricht dies der Regelung in Art. IV Abs. 1 Buchst. a) UN-Ü. Soweit die Übersetzung gemäß Art. IV Abs. 2 Satz 2 UN-Ü von einem amtlichen oder vereidigten Übersetzer oder von einem diplomatischen oder konsularischen Vertreter beglaubigt sein muss, gilt jedenfalls das Günstigkeitsprinzip nach Art. VII Abs. 1 UN-Ü (BGH NJW-RR 2004, 1504). Nach § 1064 Abs. 1 und 3 ZPO genügt die beglaubigte Abschrift des Schiedsspruchs. Aus dem Günstigkeitsprinzip folgt, dass es nicht der Vorlage der Schiedsvereinbarung in der Form des Art. IV Abs. 1 Buchst. b) UN-Ü bedarf (BGH NJW-RR 2004, 1504; BayObLGZ 2000, 233), weil das inländische Recht dies nicht vorsieht.

2. Versagungsgründe im Sinne von Art. IX Europäisches Übereinkommen bzw. Art. V UN-Ü liegen nicht vor.

a) Insbesondere greift der Versagungsgrund des Art. V Abs. 1 Buchst. d) UN-Ü (vgl. Art. IX Abs. 1 Buchst. d) ) nicht ein. Das Schiedsgericht war zwar entgegen der ursprünglichen Absprache der Parteien nur mit einer Richterin besetzt, nicht mit zwei oder mehreren Richtern. Ein Mangel bei der Bildung des Schiedsgerichts führt zwar in der Regel zu einer Versagung der Anerkennung und Vollstreckung (Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 57 Rn. 13). Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin hat aber, wie jetzt unter den Parteien nicht mehr streitig ist, der ihm bekannten Besetzung des Gerichts während des Verfahrens zu keinem Zeitpunkt widersprochen. Hierbei kann offen bleiben, ob insoweit eine schlüssige Abänderung der Verfahrensvereinbarung vorliegt (vgl. Stein/Jonas/Schlosser ZPO 22. Aufl. Anh. § 1061 Rn. 122) oder ob die Antragsgegnerin mit dem Einwand der fehlerhaften Gerichtsbesetzung präkludiert ist (vgl. Schwab/Walter aaO; Stein/Jonas/Schlosser Anh. § 1061 Rn. 124; Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. Rn. 847 ff). Jedenfalls kann sich die Antragsgegnerin, die sich rügelos auf die schiedsgerichtliche Verhandlung eingelassen hat, ohne wegen der Gerichtsbesetzung einen Vorbehalt zu machen, vorliegend nicht mehr auf eine fehlerhafte Besetzung des Gerichts berufen (vgl. auch BGH SchiedsVZ 2005, 259). Dies ergibt sich auch aus dem Grundsatz des Verbots des "venire contra factum proprium" (Schlosser aaO Rn. 847). Hinzu kommt schließlich, dass die Antragsgegnerin nunmehr erklärt hat, der Vollstreckbarerklärung nicht mehr entgegentreten zu wollen.

b) Sonstige Versagungsgründe im Sinn von Art. V UN-Ü, insbesondere ein Verstoß gegen den inländischen ordre public, sind nicht ersichtlich. Dies gilt auch im Hinblick auf die Höhe der Vertragsstrafe, die das Schiedsgericht nach Ziff. 3.3 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages vom 17.12.2001 berechnet hat. Die Festsetzung der Gerichtsgebühren durch das Schiedsgericht selbst (vgl. dazu allgemein Zöller/Geimer ZPO 25. Aufl. § 1057 Rn. 4 f) ist im internationalen Schiedsverfahren nicht von vornherein unzulässig (Schwab/ Walter Kap. 33 Rn. 15 Fn. 30). Eine sachliche Überprüfung des Schiedsspruchs findet nicht statt (Zöller/Geimer § 1061 Rn. 40).

Ende der Entscheidung

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