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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 21.12.2006
Aktenzeichen: 34 SchH 12/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 1035
ZPO § 1062 Abs. 1 Nr. 1
Für einen Antrag (eine Klage) auf Zustimmung zu Vereinbarungen über die schiedsrichterliche Verfahrensgestaltung und die Vergütung der Schiedsrichter besteht keine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts nach dem 10. Buch der ZPO.
Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zustimmung zum Abschluss einer Schiedsverfahrens- sowie einer Schiedsrichtervergütungsvereinbarung.

Die Klägerin trägt vor, Rechtsnachfolgerin der Eheleute B. zu sein, die ihrerseits der Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Vertrag vom 24.4.1973 auf einem Erbbaugrundstück im Bezirk des Landgerichts Regensburg Flächen und Gebäude zu gewerblichen Zwecken vermietet hatten. Der Mietvertrag enthält in § 9 unter Ziffer 4. eine Schiedsklausel. Auf dem Grundstück wurden ein Verbrauchermarkt und eine Freie Tankstelle betrieben. Das Mietverhältnis ist mit Ablauf des Jahres 2005 beendigt. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit der Rückgabe des Vertragsobjekts.

Die Klägerin hat das Schiedsgericht angerufen. Dieses aus drei Personen bestehende Schiedsgericht hat sich Anfang Juni 2006 konstituiert. Die Beklagte weigert sich, vorgeschlagene schriftliche Vereinbarungen zur Verfahrensabwicklung sowie zur Schiedsrichtervergütung zu unterzeichnen.

Die Klägerin hat unter dem 29.8.2006 Klage zum Landgericht Regensburg erhoben mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, die Zustimmung zu erklären zu zwei der Klageschrift als Anlage beigehefteten Vereinbarungen.

Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt.

Auf gerichtlichen Hinweis, dass die zwingende Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München nach § 1062 ZPO i.V.m. § 8 der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz in der Fassung vom 16.11.2004 (GVBl. Seite 471) gegeben sei, hat die Klägerin Verweisungsantrag gestellt.

Das Landgericht hat nach Anhörung der Gegenseite den Rechtsstreit mit Beschluss vom 2.11.2006 an das "gemäß § 1062 ZPO örtlich und sachlich zuständige Oberlandesgericht München" verwiesen.

Der Senat hat den Parteien unter Darlegung seiner Rechtsauffassung Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

II.

Das Oberlandesgericht München ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Entscheidung des Rechtsstreits zuständig.

1. Die (erstinstanzliche) Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München lässt sich nicht aus § 1062 ZPO herleiten.

a) Gegenstand des Rechtsstreits bildet die Verpflichtung der Beklagten, mit der Klägerin zwei Vereinbarungen abzuschließen, die die Durchführung des Schiedsverfahrens betreffen. Zum einen geht es um die Gestaltung des Schiedsverfahrens durch das Schiedsgericht wie etwa die Anwendbarkeit der ZPO, Regelungen zum Schiedsort, Zustell- und Ladungsfragen, Notwendigkeit der Begründung schiedsrichterlicher Entscheidungen, Streitwertregelungen und ähnliches, zum anderen um ausdrückliche Regelungen zur Vergütung der Schiedsrichter. Beide Vereinbarungen lassen sich als Schiedsrichtervertrag bezeichnen (vgl. Münchener Kommentar/Münch ZPO 2. Aufl. Vor § 1034 Rn. 3 ff., insbes. Rn. 8 und 17). Ein derartiger (mehrseitiger) Vertrag bestimmt die Verhältnisse der Schiedsrichter zu den beiden Parteien des Schiedsverfahrens.

b) Der Schiedsrichtervertrag ist nicht Gegenstand der von §§ 1025 ff. ZPO erfassten Regelungen (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 65. Aufl. § 1035 Rn. 12). Insbesondere bedarf es keiner kompetenzbegründenden Schiedsrichterbestellung durch das Oberlandesgericht, wie sie § 1035 ZPO ausschließlich zum Gegenstand hat (Münch aaO Rn. 3). Mit der Übermittlung der Namen der jeweiligen Beisitzer an die andere Partei und deren Einigung auf den Obmann ist nämlich der Schiedsrichtervertrag dieser Personen mit beiden Parteien bereits zustande gekommen (vgl. Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Auflage Kapitel 11 Rn. 2 ff.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann Anhang nach § 1035 Rn. 3). Eine besondere Form des Schiedsrichtervertrags ist nicht vorgesehen. Es genügt, dass die Schiedsrichter, wie geschehen, zu erkennen gegeben haben, dass sie das Amt annehmen. Damit endet eine aus § 1035 ZPO hergeleitete Zuständigkeit des Oberlandesgerichts.

c) Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts aus § 1062 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1035 ZPO kann auch ihrer Funktion nach nicht auf Streitigkeiten der Parteien über den Inhalt des Schiedsrichtervertrags ausgedehnt werden. § 1035 ZPO dient der Einrichtung des Schiedsgerichts. Dieses ist hier kraft Parteiautonomie bereits bestellt und auch funktionsfähig, weil der (materielle) Schiedsrichtervertrag mit der Bestellung zustande kommt. Die inhaltliche Ausgestaltung des Schiedsrichtervertrags ist Sache der Parteien. Können sich diese nicht einigen, gelten §§ 315 f. BGB (Baumbach/-Lauterbach/Albers/Hartmann Anhang nach § 1035 Rn. 10). Über die Angemessenheit der verlangten Vergütung entscheidet notfalls das staatliche Gericht im Prozessweg (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann aaO). Soweit es um Abreden zur Gestaltung des Schiedsverfahrens geht, sind auch diese von der eigentlichen Schiedsvereinbarung zu trennen (Münch aaO Rn. 6 und 8) und finden als Ausdruck der Parteiautonomie ihre gesetzliche Grundlage in § 1042 Abs. 3 ZPO. Auch wenn solche Abreden fehlen, ist das Schiedsgericht nicht handlungsunfähig. Vielmehr gilt dann § 1042 Abs. 4 ZPO, nämlich das Recht des Schiedsgerichts, die Verfahrensregeln nach freiem Ermessen zu bestimmen.

2. Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Regensburg gemäß § 281 Abs. 1 ZPO entfaltet keine Bindungswirkung (vgl. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO), weil er sich auf eine ersichtlich nicht einschlägige und auch in der Literatur nicht vertretene Rechtsgrundlage beruft und somit (objektiv) willkürlich ist (BGH NZM 2005, 395/396; NJW-RR 2002, 1498; NJW 2003, 3201/3202; 1993, 1273; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 281 Rn. 39). Die Verweisung an das Oberlandesgericht entfernt sich so weit vom Grundsatz des gesetzlichen Richters, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist (BGH NJW-RR 1996, 877/878). Erschwerend kommt hier hinzu, dass ein Prozessverfahren in ein Beschlussverfahren nach § 1062 ff. ZPO verwiesen wurde, das grundsätzlich keine mündliche Verhandlung kennt (vgl. § 1062 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1063 Abs. 1 ZPO). Überdies würde der Rechtsweg verkürzt; Entscheidungen des Oberlandesgerichts gemäß § 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sind nämlich nach § 1065 Abs. 1 Satz 2 ZPO unanfechtbar. Würde hingegen das Oberlandesgericht, wie in der Sache geboten, im Urteilsverfahren entscheiden, widerspräche dies nicht nur § 119 GVG. Vielmehr wäre den Parteien auch in diesem Fall ein Rechtsmittel, nämlich die Berufung, abgeschnitten.

3. Der Senat gibt das Verfahren an das Landgericht Regensburg zurück. Dieses hat bisher, von den Parteien nicht beanstandet, seine örtliche Zuständigkeit bejaht. Der Senat lässt es ausdrücklich offen, ob eine örtliche Zuständigkeit dieses Landgerichts, etwa gestützt auf § 29 ZPO oder § 29a ZPO, besteht. Es mag Gründe geben, § 29a ZPO ausdehnend auch auf Schiedsrichterverträge anzuwenden, die sich auf die Beilegung von Streitigkeiten aus Verträgen über gewerbliche Raummiete beziehen. Auch weil beide Parteien, in Kenntnis der Zuständigkeitsfrage, erklärt haben, von der Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg auszugehen, erscheint es sachgerecht, das Verfahren an dieses Gericht zurückzugeben.

Ende der Entscheidung

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