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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 24.01.2007
Aktenzeichen: 34 Wx 110/06
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 15 Abs. 3
WEG § 21 Abs. 4
WEG § 43 Abs. 1 Nr. 4
WEG § 43 Abs. 4 Nr. 2
WEG § 45 Abs. 2
1. Wird ein Eigentümerbeschluss von mehreren Wohnungseigentümern jeweils selbständig angefochten und nimmt das Amtsgericht eine Verfahrenszusammenführung nicht vor, so tritt in den weiteren Anfechtungsverfahren Erledigung der Hauptsache ein, wenn in einem Verfahren der Antrag auf Ungültigerklärung des Beschlusses rechtskräftig abgewiesen wird und die übrigen anfechtenden Wohnungseigentümer an diesem Verfahren auch formell beteiligt waren (vgl. BayObLG vom 27.2.2003, 2Z BR 135/02 = ZMR 2003, 590).

2. Ein Antrag, die übrigen Wohnungseigentümer im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu verpflichten, einem Wohnungseigentümer eine bestimmte Nutzungsform seines Wohnungseigentums zu untersagen, hat nicht den gleichen Verfahrensgegenstand wie der Antrag eines Wohnungseigentümers gegen den anderen Wohnungseigentümer, die beanstandete Nutzung zu unterlassen. Besteht jedoch kein individueller Anspruch auf Unterlassung, ist in der Sache auch kein Anspruch aus dem Gesichtspunkt ordnungsmäßiger Verwaltung gegeben.


Gründe:

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer in einer Wohnanlage, die aus fünf Mehrfamilienhäusern und einer Tiefgarage besteht. Der Antragstellerin und den Antragsgegnern gehört das Sondereigentum an Wohnungen, die sich im Mehrfamilienhaus A.-Straße 7 befinden. Nach der Teilungserklärung sollen sowohl die fünf Wohngebäude als auch die Tiefgarage wirtschaftlich voneinander getrennt werden, so dass insgesamt sechs Verwaltungseinheiten bestehen und die jeweiligen Eigentümer der fünf Häuser und die Eigentümer der Tiefgarage die alleinige Verwaltung dieser wirtschaftlich selbständigen Einheiten innehaben. Die weitere Beteiligte ist die Verwalterin der Gesamtanlage.

Im Erdgeschoß des Anwesens A.-Straße 7 befinden sich zwei Kfz-Schilderdienste. Der eine wird von dem Wohnungseigentümer K. betrieben, welcher mit der Antragstellerin freundschaftlich verbunden ist. Inhaberin des zweiten Schilderdienstes in der Wohneinheit Nr. 1 ist die Miteigentümerin Firma K. AG, die Antragsgegnerin zu 1.

In der Teilversammlung vom 3.12.2002 stimmten die Wohnungseigentümer mehrheitlich gegen den Antrag der Antragstellerin, die gewerbliche Nutzung der Wohneinheit Nr. 1 zu verbieten. Die Antragstellerin hat diesen Beschluss angefochten und beantragt, die Antragsgegnerin zu 1 als Eigentümerin der Wohneinheit Nr. 1 zu verpflichten, die gewerbliche Nutzung der Wohnung, insbesondere die Herstellung und den Vertrieb von Kfz-Schildern innerhalb dieser Wohneinheit, zu unterlassen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 7.2.2006 die Anträge abgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Landgericht am 8.8.2006 zurückgewiesen. Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.

Die Frage, ob in dem Anwesen Schilderdienste betrieben werden dürfen, war bereits Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen.

1. Verfahren 10 UR II 11/95

Mit Beschluss vom 24.11.1995 hat das Amtsgericht einen Verpflichtungsantrag der Antragstellerin, die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin zu 1 zu verpflichten, es zu unterlassen, die Wohnung Nr. 1 als Gewerberaum zum Betrieb der Kennzeichenfabrikation zu nutzen oder nutzen zu lassen, abgewiesen. Sofortige Beschwerde und sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin sind erfolglos geblieben (vgl. Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 7.8.1997, 2Z BR 80/97 = FGPrax 1997, 220).

2. Verfahren 40 UR II 2/03

Mit Beschluss vom 31.10.2003 hat das Amtsgericht einen Antrag der Wohnungseigentümer Y., den oben wiedergegebenen Beschluss der Eigentümerteilversammlung vom 3.12.2002 für ungültig zu erklären und die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin zu 1 zu verpflichten, die jeweilige Nutzung der Wohnung Nr. 1, insbesondere den Betrieb zur Herstellung und zum Verkauf von Kfz-Schildern, zu unterlassen, abgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde wurde am 25.11.2003 zurückgenommen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die sofortige Beschwerde sei unbegründet, weil über die Anträge bereits rechtskräftig entschieden sei.

Das Verfahren 40 UR II 2/03 habe die Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 3.12.2002 zum Gegenstand gehabt. Das Verfahren sei rechtskräftig abgeschlossen. Die Antragstellerin sei beteiligt gewesen. Es komme nicht darauf an, ob sie in diesem Verfahren als Antragstellerin oder als Antragsgegnerin geführt gewesen sei. Der Beschluss vom 31.10.2003 sei nach § 45 Abs. 2 WEG für alle Beteiligten bindend. Es stehe aufgrund beider Vorverfahren fest, dass sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kein Anspruch auf Untersagung des von der Firma K. AG betriebenen Gewerbes ableiten lasse. Das Wohnungseigentumsverfahren sei kein kontradiktorisches Verfahren. Zu beteiligen seien sämtliche Wohnungseigentümer über die Reichweite der sich aus dem Gemeinschaftseigentum ergebenden Rechte und Pflichten. In dem Verfahren (40 UR II 2/03) sei es um die Frage gegangen, ob aus dem Gemeinschaftseigentum ein Unterlassungsanspruch auf gewerbliche Nutzung der Wohnung Nr. 1 folge. Genau diesen Anspruch verfolge die Antragstellerin hier.

Die vorgetragenen Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen führten zu keiner abweichenden Beurteilung. Sofern sich die Nutzung des Schilderdienstes seit 2002 erheblich gesteigert hätte, wofür kein ausreichender Sachvortrag spreche, stände dem ebenfalls die rechtskräftige Entscheidung vom 31.10.2003 entgegen, in der die Nutzung im Jahr 2002 schon Verfahrensgegenstand gewesen sei. Eine Änderung seit dem 31.10.2003 werde aber gerade nicht vorgetragen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung durch den Senat stand.

a) Dem Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 3.12.2002 steht jedenfalls die Rechtskraft des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 31.10.2003 im Verfahren 40 UR II 2/03 entgegen; diese Entscheidung ist für alle Beteiligten bindend (§ 45 Abs. 2 i.V.m. § 43 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 2 WEG).

Die Antragstellerin war als Wohnungseigentümerin der Wohnungsteilanlage A.-Straße 7 materiell wie formell an dem entschiedenen Verfahren beteiligt. Die Beteiligung fand statt über die Verwalterin der Wohnanlage, der der Antrag mit dem Zusatz förmlich übermittelt wurde, dieser werde ihr als Zustellungsvertreterin der Wohnungseigentümer zugestellt, die Wohnungseigentümer seien von ihr über das Verfahren zu unterrichten, und es werde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Berechtigung der Verwalterin zur Entgegennahme der gerichtlichen Sendung mit Wirkung für die übrigen Wohnungseigentümer ergibt sich aus § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG (siehe auch BGH NJW 1981, 282/283; 2003, 3476/3477; ferner Niedenführ/Schulze WEG 7. Aufl. Vor §§ 43 ff. Rn. 118). Das Wohnungseigentumsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kennt in erster Linie Beteiligte, nicht, wie das kontradiktorische Verfahren der ZPO, Antragsteller und Antragsgegner oder Kläger und Beklagter. Die Beteiligung ist wegen der Rechtskrafterstreckung des § 45 Abs. 2 Satz 2 WEG ein Gebot rechtlichen Gehörs (Niedenführ/Schulze Vor §§ 43 ff. Rn. 111) und nicht von der formalen Stellung im Verfahren abhängig. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Wohnungseigentümer innerhalb des Verfahrens in ihren jeweiligen Rollen ordnungsgemäß beteiligt wurden; zwingend erforderlich ist nur, dass ihnen die maßgeblichen Schriftsätze und die Entscheidung zugestellt wurde und sie somit die Möglichkeit der Äußerung im Verfahren nach der Anfechtung hatten (KK-WEG/Abramenko § 45 Rn. 31; vgl. auch BayVerfGH vom 9.3.2004, Vf. 35-VI-03). Dies war im weiteren Verlauf des früheren Verfahrens gewährleistet, weil sich mit Schriftsatz vom 19.2.2003 für die Wohnungseigentümer als Antragsgegner Rechtsanwälte als Verfahrensbevollmächtigte bestellt hatten und diesen die Entscheidung des Amtsgerichts gegen Empfangsbekenntnis auch zugestellt wurde. Darauf, ob die Gründe, weswegen der Eigentümerbeschluss angefochten wurde, identisch mit denjenigen sind, die hier geltend gemacht werden, kommt es nicht an. Maßgeblich ist vielmehr der einheitliche Verfahrensgegenstand, nämlich die Gültigkeit des Beschlusses (BayObLG ZMR 2003, 590).

b) Das Landgericht hat, wie schon das Amtsgericht, den Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 3.12.2002 als zulässig, wenn auch als unbegründet erachtet, weil darüber bereits rechtskräftig entschieden worden sei. Das Bayerische Oberste Landesgericht ging in derartigen Fällen, wie offenbar auch das Amtsgericht (siehe dessen Beschlussbegründung unter Abschnitt II 1), von einer Erledigung der Hauptsache aus (BayObLG ZMR 2003, 590). Diesem Umstand hätte die Antragstellerin mit einer Beschränkung ihres Antrags auf die Kostenentscheidung Rechnung tragen müssen, weil andernfalls der Antrag als unzulässig verworfen wird (BayObLG WE 1991, 55).

Der Senat folgt dieser Rechtsprechung. Zwar wird gegen sie vorgebracht, dass es wegen der Sperre in § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO schon von Anfang an an der Zulässigkeit des zweiten Verfahrens gefehlt habe (Jakoby ZMR 2003, 591/592). Verfahrensgegenstand bildet hier jedoch die Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses. Der Antrag kann, ohne dass es interner Abstimmung bedarf, von unterschiedlichen Eigentümern zu verschiedenen Zeitpunkten gestellt werden, ohne dass dessen Zulässigkeit in Frage steht. Kommt es verfahrensfehlerhaft zu keiner Zusammenführung der getrennt eingeleiteten Verfahren, ist es folgerichtig, nach der Rechtskraft des ersten Verfahrens von der Erledigung des zweiten auszugehen.

Der Senat ändert demnach die tatrichterlichen Entscheidungen dahin ab, dass der Antrag, den Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären, als unzulässig verworfen wird. Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob der Anfechtungsantrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses auch deshalb unzulässig ist, weil es sich um einen Negativbeschluss handelt (vgl. Weitnauer/Lüke WEG 9. Aufl. § 23 Rn. 17 und Weitnauer/Mansell § 43 Rn. 28).

c) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass sich der Verpflichtungsantrag gegen den Antragsgegner zu 1 richtet und demnach den Anspruch der Antragstellerin aus § 15 Abs. 3 WEG durchsetzen soll. Wäre dem so, war er bereits Gegenstand des Verfahrens 40 UR II 2/03, an dem die Antragstellerin beteiligt war. Die Rechtskrafterstreckung nach § 45 Abs. 2 Satz 2 WEG bindet dann auch die Antragstellerin. Überdies ergibt sich die Rechtskraftsperre bereits aufgrund des ersten Verfahrens (10 UR II 11/95), das einen inhaltlich gleichen Verpflichtungsantrag der Antragstellerin gegen die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin nach § 15 Abs. 3 WEG zum Gegenstand hatte und auch Wirkung gegenüber dem Rechtsnachfolger entfaltet (vgl. § 10 Abs. 3 WEG, § 325 ZPO; Zimmermann in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 31 Rn. 22 b).

Die Antragstellerin will ihren Antrag jedoch dahingehend verstanden wissen, dass der Antragsgegnerin zu 1 durch die Gemeinschaft untersagt wird, die Wohnung Nr. 1 zu gewerblichen Zwecken, insbesondere zum Betrieb eines Kfz-Schilderdienstes, zu nutzen. Er zielt in dieser Auslegung darauf ab, einen positiven Eigentümerbeschluss im Rahmen von § 21 Abs. 4 WEG (vgl. Niedenführ/Schulze § 21 Rn. 34) zu fassen. Dem entspricht die weit verbreitete anwaltliche Praxis, die Anfechtung eines Negativbeschlusses mit einem Verpflichtungsantrag auf Vornahme der verweigerten Maßnahme durch die Gemeinschaft zu verbinden. Legt man den Antrag so aus, was der Tatrichter nicht weiter aufgeklärt hat, steht diesem gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichteten Antrag zwar nicht die Rechtskraft der früheren Entscheidungen entgegen. Er erweist sich jedoch als unbegründet, weil die Antragstellerin einen Anspruch auf positive Beschlussfassung durch die Wohnungseigentümer nicht hat. Dies kann der Senat anhand des Akteninhalts ohne weiteres ergänzend feststellen. Ordnungsmäßig ist eine Maßnahme, die dem gemeinschaftlichen Eigentum aller Wohnungseigentümer dient; im Vordergrund hat das Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer und nicht nur Einzelner zu stehen (KK-WEG/Drabek § 21 Rn. 96), den Wohnungseigentümern ist ein gewisser Ermessensspielraum zuzubilligen (Niedenführ/Schulze § 21 Rn. 26). Danach ergibt sich nichts, was für einen Anspruch der Antragstellerin auf positive Beschlussfassung spräche. Vielmehr steht für alle Beteiligten bindend fest, dass der Antragstellerin kein durchsetzbarer Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin zusteht. Dann entspricht es aber auch nicht einer ordnungsmäßigen Verwaltung, wenn die Gemeinschaft auf Drängen der Antragstellerin eine Verwaltungsmaßnahme träfe, um gerade einen derartigen Anspruch durchzusetzen und einem Wohnungseigentümer eine Nutzung seines Sondereigentums zu verbieten, die aufgrund der eingetretenen Bindung nach § 45 Abs. 2 Satz 2 WEG alle Wohnungseigentümer hinnehmen müssen.

d) Die von dem Zeitpunkt des Jahres 2002 aus zu beurteilenden Abänderungsvoraussetzungen gemäß § 45 Abs. 4 WEG hat das Landgericht mit zutreffender Begründung verneint.

3. Es erscheint dem Senat nach § 47 WEG angemessen, der in sämtlichen Rechtszügen unterlegenen Antragstellerin die gerichtlichen wie die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Der Senat übernimmt die zutreffende und auch unwidersprochen gebliebene Bewertung durch das Landgericht.

Ende der Entscheidung

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