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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 31.05.2007
Aktenzeichen: 34 Wx 112/06
Rechtsgebiete: BGB, FGG, WEG
Vorschriften:
BGB § 1004 | |
FGG § 12 | |
WEG § 15 Abs. 3 | |
WEG § 22 Abs. 1 |
3. Schreibt die Gemeinschaftsordnung einer aus zwei Doppelhaushälften bestehenden Wohnanlage die weitest mögliche wirtschaftliche Trennung der Einheiten vor, ist dadurch § 22 Abs. 1 WEG nicht abbedungen.
2. Zur Pflicht des Tatrichters, die Beteiligten zu kontroversen Sachfragen anzuhören (hier: behauptete formlose Zustimmung zu baulichen Veränderungen).
Gründe:
I.
Das Verfahren betrifft eine Wohnungseigentumsanlage, die aus zwei Doppelhaushälften nebst Garagen besteht. Jeder Doppelhaushälfte ist ein bestimmter Grundstücksteil als Sondernutzungsfläche zugeordnet. Diese sind in der Planskizze, die der Teilungserklärung beigefügt ist, rot (Bereich der Antragsgegner) bzw. blau (Bereich der Antragsteller) gekennzeichnet. Die der gemeinschaftlichen Nutzung unterliegende Zufahrt zu den beiden Garagen ist in der Planskizze gelb markiert. Ursprünglich gehörte dem Antragsgegner zu 2 und den Antragstellern, diesen zu gleichen Teilen, je ein Miteigentumsanteil zu 1/2 an dem gemeinschaftlichen Eigentum verbunden mit dem jeweiligen Sondereigentum an Wohnräumen. Der Antragsgegner zu 2 übertrug seinen Miteigentumsanteil mit notarieller Urkunde vom 11.11.2003 auf die Antragsgegnerin zu 1, die am 22.4.2004 in das Grundbuch eingetragen wurde. Die Antragsteller, ein Ehepaar, haben ihre Doppelhaushälfte vermietet, während die Antragsgegner, ebenfalls Eheleute, die andere Doppelhaushälfte selbst bewohnen.
In der Teilungserklärung vom 17.7.1989 heißt es unter Ziffer III. unter anderem:
Gemeinschaftsordnung
Für das Gemeinschaftsverhältnis der Sondereigentümer untereinander gelten die gesetzlichen Vorschriften, soweit nicht nachfolgend etwas anderes bestimmt ist.
Es soll eine weitest mögliche wirtschaftliche Trennung der Einheiten durchgeführt werden. Jedes Raumeigentum ist frei veräußerlich und vererblich. Im übrigen gilt folgendes, wobei Abänderungen und Ergänzungen von Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes als Inhalt des Sondereigentums vereinbart werden:
1. Nutzung
Jeder Sondereigentümer hat das Recht zur alleinigen Nutzung der dem Sondereigentum unterliegenden Räume, das Recht zur alleinigen Ausübung der nachfolgend vereinbarten Sondernutzungsrechte sowie das Recht zur Mitbenutzung der zum gemeinschaftlichen Gebrauch bestimmten Räume, Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes, soweit sich nachstehend nichts anderes ergibt.
Jeder Sondereigentümer ist berechtigt, sein Sondereigentum nach Belieben zu nutzen und sein Sondernutzungsrecht beliebig auszuüben, soweit sich nicht Beschränkungen aus dem Gesetz oder aus dieser Gemeinschaftsordnung ergeben. Im Interesse des friedlichen Zusammenlebens der Hausbewohner sind Eigentum und Nutzungsrecht so auszuüben, dass weder einem anderen Sondereigentümer noch einem Hausbewohner über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidbare Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Die zur gemeinschaftlichen Nutzung bestimmten Räume, Anlagen und Einrichtungen sowie Teile des Anwesens sind schonend und pfleglich zu behandeln.
2. Sondernutzungsrechte
Die Benutzung des Grundstücks wird gemäß § 15 WEG in der Weise geregelt, dass jedem Eigentümer eines Raumeigentumsrechts das dauernde alleinige Sondernutzungsrecht an einer bestimmten Grundstücksteilfläche und der darauf befindlichen, zum gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden Gebäudeteile zusteht, nämlich
a) dem jeweiligen Eigentümer des Raumeigentums Nr. 1 das dauernde alleinige Sondernutzungsrecht an der in der Planskizze rot angelegten Grundstücksflächen und der darauf befindlichen Gebäudeteile,
b) dem jeweiligen Eigentümer des Raumeigentums Nr. 2 das dauernde alleinige Sondernutzungsrecht an der in der Planskizze blau angelegten Grundstücksfläche und der darauf befindlichen Gebäudeteile.
Die in der Planskizze gelb eingezeichnete Teilfläche wird von den Grundstückseigentümern gemeinsam genutzt.
Mit Bescheid vom 16.10.2003 genehmigte das Landratsamt einen Bauantrag der Antragsgegner zum Anbau eines größeren Baukörpers an die von ihnen bewohnte Doppelhaushälfte und Erweiterung des bestehenden Balkons. Den Eingabeplan zur Baugenehmigung vom 5.9.2003 hatten die Antragsteller unter der Rubrik "Nachbarn" unterzeichnet. Handschriftlich sind im Eingabeplan ein im Bereich der Zufahrt gelegener "Neuer Stellplatz" sowie eine "Neue Pergola" eingetragen. Die Balkonerweiterung mit der darunter liegenden Pergola wurde in der Folgezeit durchgeführt.
Die Antragsteller haben mit am 20.4.2004 zugestellter Antragsschrift beim Amtsgericht zunächst beantragt, beiden Antragsgegnern die Errichtung des vom Landratsamt genehmigten Anbaus zu verbieten, die Nutzung des im Eingabeplan eingezeichneten weiteren Stellplatzes und der Zufahrtsfläche als Parkfläche oder Abstellplatz zu untersagen und die Antragsgegner zur Beseitigung der neuen Pergola und der Balkonerweiterung sowie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands zu verpflichten. Die Anträge gegen den Antragsgegner zu 2 wurden bis auf denjenigen, die Errichtung des Anbaus zu unterlassen, zurückgenommen. Das Amtsgericht hat den verbleibenden Anträgen mit Beschluss vom 19.9.2005 stattgegeben. In der gegen den amtgerichtlichen Beschluss eingelegten sofortigen Beschwerde hat die Antragsgegnerin zu 1 hinsichtlich des Verbots zur Nutzung des neuen Stellplatzes sowie des Zufahrtsbereiches erklärt, sie greife die Entscheidung nur insoweit an, als ihr die Nutzung des Bereichs der Zufahrt verwehrt wird, der ihrem Sondernutzungsrecht unterliege. Unbeschränkt angefochten wurden von der Antragsgegnerin zu 1 die Verpflichtung zur Beseitigung der Pergola und der Balkonerweiterung nebst Wiederherstellung des Urzustandes, sowie von beiden Antragsgegnern das Verbot zur Errichtung des Anbaus. Mit Beschluss vom 9.8.2006 hat das Landgericht das Rechtsmittel zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner hat vorläufig Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
a) Die Antragsteller hätten einen Anspruch auf Unterlassung der Errichtung des genehmigten Anbaus. Der Anspruch richte sich gegen beide Antragsgegner, da beide ausweislich des Bescheids vom 16.10.2003 beim Landratsamt den Bauantrag gestellt hätten. Für die Bauherreneigenschaft sei nicht von Belang, dass der Antragsgegner zu 2 zwischenzeitlich nicht mehr Wohnungseigentümer sei. Da von der Baugenehmigung ohne das Verbot in Zukunft Gebrauch gemacht werden solle, seien beide Antragsgegner Handlungsstörer im Sinne von § 1004 BGB. Die Antragsgegner hätten die Absicht, zusätzliches Raumeigentum für Wohnzwecke zu schaffen, was nur nach § 3 WEG oder § 8 WEG möglich sei. Damit sei die Formvorschrift des § 4 WEG zwingend. Das Unterlassungsbegehren der Antragsteller sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Der Antragsteller zu 2 habe bereits im Baugenehmigungsverfahren Einwendungen erhoben. Die auf der Eingabeplanung geleisteten Unterschriften seien nicht als Zustimmung im Sinne des Wohnungseigentumsrechts auszulegen oder umzudeuten. Auch hier müsse gesehen werden, dass bereits Einwendungen ausweislich des Baubescheides vorgelegen hätten. Soweit die Antragsgegner anderweitige Zustimmungserklärungen behauptet hätten, hätten sie nur ihre Einvernahme angeboten. Eine solche Einvernahme müsse dann auch zu einer Einvernahme der Antragsteller führen. Der Aufklärungsgrundsatz gebiete eine solche "Untermauerung" der Sachdarstellungen der anwaltlich vertretenen Beteiligten nicht. Auch wenn man den Anbau nur als bauliche Veränderung ansehen würde, würde die im Hinblick auf die Größe des Anbaus notwendige Zustimmung der Antragsteller fehlen.
b) Weiterhin bestehe gegen die Antragsgegnerin zu 1 ein Anspruch auf Beseitigung der Pergola und der Balkonerweiterung gemäß § 1004 Abs. 1 BGB. Die Antragsgegnerin zu 1 sei nicht nur Zustands-, sondern Handlungsstörerin, da sie mit dem Antragsgegner zu 2 Inhaberin der Baugenehmigung sei. Sie sei nicht nur zur Duldung der Beseitigung, sondern selbst zur realen Beseitigung verpflichtet. Die Balkonerweiterung sei eine bauliche Maßnahme nach § 22 Abs. 1 WEG, die den optischen Gesamteindruck der Wohnanlage massiv beeinträchtige. Durch die vorgeschobene Position könne nun der Innenraum hinter dem Balkon der Antragsteller eingesehen werden. Dies sei ein Nachteil, der nicht nach § 14 Nr. 1 WEG zu dulden sei.
c) Gleiches gelte für den neuen Stellplatz. Das Recht zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums, nämlich der Zufahrt zur Garage, werde dadurch erheblich eingeschränkt. Auch soweit nur die Sondernutzungsfläche der Antragsgegnerin zu 1 betroffen sei, könne nicht ein Stellplatz gekennzeichnet werden, der in das Gemeinschaftseigentum rage. Ein Sachverständigengutachten über die betroffenen Flächen benötige die Kammer nicht. Von den Antragstellern seien Messungsergebnisse vorgelegt worden, die dem Sachvortrag der Antragsgegner entgegenstünden. Solche Messungen könnten nicht als unerheblich angesehen werden, da es keinen Sachverständigen brauche, um den Meterstab anzulegen und einen Widerspruch zum Vortrag der Antragsgegner deutlich zu machen. Die Antragsgegnerin zu 1 müsse sich auf ihre Sondernutzungsfläche beschränken.
d) Die Antragsgegnerin zu 1 könne im übrigen nicht die gesamte vorhandene Zufahrtsfläche als Parkfläche oder Abstellplatz beanspruchen. Sie müsse sich insoweit auf ihre Sondernutzungsfläche beschränken. Die Zufahrtsfläche sei für beide Streitteile vorgesehen.
2. Die Ausführungen des Landgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
a) Soweit den Antragsgegnern untersagt wurde, den vom Landratsamt mit Bescheid vom 16.10.2003 genehmigten Anbau zu errichten, hätte das Landgericht einen Unterlassungsanspruch der Antragsteller (§ 15 Abs. 3 WEG, § 1004 BGB) nicht ohne persönliche Anhörung der Verfahrensbeteiligten bejahen dürfen. Als Rechtsbeschwerdegericht kann der Senat die gebotene Anhörung der Verfahrensbeteiligten nicht selbst nachholen.
(1) Die Errichtung des Anbaus ist eine bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG, die für die Antragsteller mit einem über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinausgehenden Nachteil verbunden ist und daher deren Zustimmung bedarf (§ 22 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 3 WEG).
aa) Die Zustimmung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG ist nicht im Hinblick auf Regelungen in der Teilungserklärung entbehrlich. Soweit die Gemeinschaftsordnung (GO) in Ziffer III. der Teilungserklärung eine möglichst weitgehende wirtschaftliche Trennung der Einheiten vorsieht, besagt dies nichts darüber, in welcher Weise der jeweilige Eigentümer bauliche Veränderungen vornehmen darf, ohne dass er die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer benötigt. Ziffer III. Nr. 1 GO bestimmt zwar, dass jeder Sondereigentümer sein Sondereigentum und sein Sondernutzungsrecht nach Belieben ausüben darf, gestattet dies aber nur, soweit dadurch weder einem anderen Sondereigentümer noch einem Hausbewohner über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidbare Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Nach dem maßgeblichen objektiven Inhalt und Sinn dieser Regelung, wie er sich für den unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt (BGHZ 160, 354/362; BGH WuM 2006, 270 jeweils m.w.N.), wird dem Wohnungseigentümer damit gerade nicht erlaubt, bauliche Veränderungen vorzunehmen, die für andere Wohnungseigentümer mit vermeidbaren Nachteilen verbunden sind. Es verbleibt vielmehr bei dem Grundsatz des § 22 Abs. 1 WEG, wonach bauliche Veränderungen, die für andere Wohnungseigentümer über das nach § 14 WEG hinzunehmende Maß hinaus nachteilig sind, nur mit deren Zustimmung durchgeführt werden dürfen. Auch Ziffer III. Nr. 2 GO gestattet dem einzelnen Wohnungseigentümer nicht die Errichtung neuer Gebäudeteile ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer. Darin wird nur eine Regelung für die bereits bestehenden Räumlichkeiten getroffen, indem festgelegt wird, welche in der beigefügten Planskizze markierte Fläche einschließlich der darauf befindlichen Gebäudeteile welchem Wohnungseigentümer nutzungsrechtlich zusteht.
bb) Das Landgericht ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Antragsteller durch den geplanten Anbau über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Als Nachteil im Sinne von § 14 Abs. 1 WEG ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung zu verstehen, wobei entscheidend darauf abzustellen ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in einer entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (BGHZ 116, 392/396; BayObLG ZMR 2003, 514). Die anhand der vorgelegten Baupläne gewonnene Einschätzung des Landgerichts, dass der Anbau aufgrund seiner Größe und Ausstattung für die Antragsteller nachteilig in diesem Sinne ist, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Dies gilt unabhängig davon, ob der Anbau ausschließlich in einem Bereich errichtet werden soll, der dem Sondernutzungsrecht der Antragsgegnerin zu 1 unterliegt (vgl. Niedenführ/Schulze WEG 7. Aufl. § 15 Rn. 12). Die Antragsteller haben damit einen Anspruch auf Unterlassung der beabsichtigen bauliche Veränderung, sofern sie dieser nicht zugestimmt haben.
cc) Entgegen der rechtlichen Beurteilung des Landgerichts bedarf die Zustimmung der Antragsteller zu dem beabsichtigten Anbau nicht der notariellen Beurkundung nach § 4 WEG. Nach § 5 Abs. 1 WEG i.V.m. § 3 WEG kann einem Wohnungseigentümer vertraglich an einer Wohnung oder an abgeschlossenen Räumen Sondereigentum eingeräumt werden. Diese Vereinbarung bedarf der notariellen Beurkundung (§ 4 WEG). Die Errichtung von Räumlichkeiten, die zu Wohnzwecken genutzt werden können, führt jedoch nicht zwangsläufig dazu, dass der sie errichtende Wohnungseigentümer Sondereigentum an diesen Räumen erwirbt. Ohne anderweitige Vereinbarung verbleibt es vielmehr bei dem Grundsatz, dass der geschaffene Raum im Gemeinschaftseigentum steht. Ob an diesem ein (schuldrechtliches) Sondernutzungsrecht begründet wird, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen. Dementsprechend unterliegt die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zu einer solchen baulichen Veränderung auch nicht der Formvorschrift des § 4 WEG, sofern die Beteiligten nicht zugleich einem Wohnungseigentümer an den neu zu erstellenden Räumen Sondereigentum gemäß § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 WEG verschaffen wollten.
dd) Die Feststellung, ob eine Zustimmung nach § 22 WEG erteilt worden ist oder nicht, obliegt in erster Linie tatrichterlicher Würdigung. Vorliegend hat das Landgericht allerdings eine Zustimmung der Antragsteller verneint, ohne den Sachverhalt im erforderlichen Umfang aufzuklären (§ 12 FGG). Das Landgericht hätte zu dieser Frage die Verfahrensbeteiligten anhören, gegebenenfalls auch förmlich vernehmen müssen.
Die Zustimmung zu einer baulichen Veränderung muss nicht ausdrücklich und nicht schriftlich erteilt werden, sie kann auch konkludent durch schlüssiges Verhalten des Berechtigten erklärt werden (BayObLZ 1998, 32/34; BayObLG ZMR 2001, 640). Eine derartige konkludente Zustimmung kann angenommen werden, wenn das Verhalten eines Wohnungseigentümers bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eindeutig und zweifelsfrei als Zustimmung aufzufassen ist und der Erklärende die mögliche Deutung seines Verhaltens als Zustimmung bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können. Ob das öffentlich-rechtliche Einverständnis mit einem Bauantrag mit der bürgerlich-rechtlichen Erklärung im Sinne von § 22 WEG verbunden ist, muss im Einzelfall durch eine am Empfängerhorizont der Wohnungseigentümer orientierten Auslegung ermittelt werden (vgl. Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 22 Rn. 114 m.w.N.).
Zutreffend hat das Landgericht zwar ausgeführt, dass die Unterschrift der Antragsteller auf dem Eingabeplan nicht ohne weiteres als Zustimmung gewertet werden kann (BayObLGZ 1990, 204/206 f; BayObLG NJW-RR 1994, 82; OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 1468). Vorliegend haben die Antragsgegner jedoch bereits im Beschwerdeverfahren vorgebracht, sie hätten den Antragstellern sowohl die Bau-voranfrage als auch den Baugenehmigungsantrag mit jeweils beigefügten Plänen erklärt und zum Ausdruck gebracht, dass sie diese Plane realisieren wollten. Die Antragsteller hätten im Zuge der Besprechungen ausdrücklich erklärt, dass sie der Baumaßnahme zustimmen würden. Zu diesem Vortrag wurde zudem ausdrücklich die Einvernahme des Antragsgegners zu 2 als Partei angeboten. Ihren diesbezüglichen Sachvortrag haben die Antragsgegner in der sofortigen weiteren Beschwerde lediglich präzisiert und sich bemüht, ihr Vorbringen anhand von Schriftstücken zu untermauern.
Zwar steht die Anhörung Beteiligter zur Sachverhaltsaufklärung ebenso wie deren förmliche Vernehmung im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Das Landgericht konnte jedoch hiervon nicht mit der Erwägung absehen, es sei lediglich zu erwarten, dass jeder Beteiligte den anwaltlich vorgetragenen Sachverhalt wiederhole. Die Anhörung der Verfahrensbeteiligten ist regelmäßig zur Aufklärung von Tatsachen unerlässlich, bei denen das Gericht zur Wahrheitsfindung auf deren Mitwirkung angewiesen ist (Schmidt in Keidel/Kuntze/ Winkler FGG 15. Aufl. § 12 Rn. 185). Dass der Unterschriftsleistung der Antragsteller auf dem Eingabeplan zumindest ein Gespräch vorangegangen ist, wird von den Verfahrensbeteiligten übereinstimmend geschildert. Divergenzen ergeben sich im Wesentlichen hinsichtlich der Frage, was im Einzelnen besprochen wurde, welche Baupläne mit welchem Inhalt vorlagen und ob auch die Bauvoranfrage unterzeichnet wurde. Ob der Vortrag eines der Beteiligten zum Inhalt und Verlauf der Gespräche glaubwürdiger und überzeugender ist oder nicht, kann nicht vorweg anhand der Schriftsätze, sondern nur aufgrund des unmittelbaren, persönlichen Eindrucks im Rahmen einer Befragung beurteilt werden. Hinzu kommt, dass zwischen den Beteiligten streitig ist, inwieweit die beim Bauamt bzw. der Gemeinde eingereichten Urkunden verfälscht wurden. Auch dies kann für die Glaubwürdigkeit der einen oder anderen Seite von Bedeutung sein, so dass das Ergebnis einer Befragung, gegebenenfalls unter Vorhalt der Originaldokumente derzeit völlig offen ist. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass - sollte das Landgericht die Überzeugung von einer Zustimmung der Antragsteller zu einer Errichtung des Anbaus innerhalb der Sondernutzungsfläche gewinnen - mit Hilfe der Grundakten und gegebenenfalls auch durch Sachverständigengutachten geklärt werden müsste, ob die Baugenehmigung einen in die Gemeinschaftsfläche ragenden Anbau ermöglicht. Sollten die Antragsteller objektiv ihre Zustimmung zu einem Anbau erteilt haben, der teilweise auf der Gemeinschaftsfläche errichtet wird, ist die Frage der Anfechtung der Erklärung wegen Irrtums zu prüfen.
(2) Hinsichtlich der Frage, ob sich der (mögliche) Unterlassungsanspruch auch gegen die Antragsgegnerin zu 1 als derzeitige Wohnungseigentümerin richtet, lässt die Entscheidung des Landgerichts dagegen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Pflicht zur Unterlassung einer baulichen Veränderung trifft grundsätzlich den potentiellen Handlungsstörer. Handlungsstörer ist nicht jeder, der einer baulichen Veränderung nach § 22 Abs. 1 WEG zugestimmt hat, sondern nur derjenige Wohnungseigentümer, dem die vorgesehene bauliche Veränderung als Handlung zuzurechnen ist, der sie also durch eigenes Tun oder pflichtwidriges Unterlassen unmittelbar hervorruft (Merle in Bärmann/Pick/Merle § 22 Rn. 265). Ausgehend von der für beide Antragsgegner erteilten Baugenehmigung, die eine begründete Besorgnis zukünftiger Beeinträchtigungen rechtfertigt (vgl. BayObLG WE 1994, 116), hat das Landgericht rechtsfehlerfrei angenommen, auch die Antragsgegnerin zu 1 könne von dem Bescheid Gebrauch machen, und sei damit Handlungsstörerin. Für die vorgenommene tatrichterliche Würdigung spricht zudem der Eingabeplan vom 5.9.2003, der beide Antragsgegner als Bauherren ausweist. Darüber hinaus stellt sich der Anbau in den vorgelegten Plänen als Erweiterung der ehelichen Wohnung dar, so dass auch insoweit eine gemeinsame Planung, Abstimmung und Durchführung nahe liegt. Zudem hat die Antragsgegnerin zu 1 als alleinige Wohnungseigentümerin grundsätzlich die Rechtsmacht zur Umsetzung der baulichen Maßnahme (vgl. § 13 Abs. 1 WEG). Dass der Antragsgegner zu 2 gegenüber einzelnen Handwerkern allein als Auftraggeber aufgetreten ist, steht dem nicht entgegen. Eheleute können ohne weiteres gemeinsam den Umbau ihres Hauses betreiben, ohne dass sie gemeinsam Aufträge an die Handwerker erteilen müssen.
(3) Zutreffend ist schließlich im Grundsatz auch die Verpflichtung des Antragsgegners zu 2 zur Unterlassung, obwohl er nicht mehr Wohnungseigentümer ist. Dies ergibt sich daraus, dass der Antragsgegner zu 2 noch im Zeitpunkt der Antragszustellung am 20.4.2004 Wohnungseigentümer war, insoweit § 265 ZPO entsprechend heranzuziehen ist und die Gefahr, die bauordnungsrechtliche Genehmigung umzusetzen, nach den vorstehenden Ausführungen auch gegenüber dem Antragsgegner zu 2 begründet ist.
b) Die Entscheidung, ob die Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin zu 1 einen Anspruch auf Beseitigung der bereits durchgeführten Balkonerweiterung einschließlich der errichteten Pergola haben, erfordert ebenfalls eine Anhörung der Verfahrensbeteiligten durch das Landgericht.
(1) Die Erweiterung des Balkons und die Errichtung der Pergola sind bauliche Veränderungen im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG, die für die Antragsteller mit einem über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinausgehenden Nachteil verbunden sind und daher deren Zustimmung bedürfen (§ 22 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 3 WEG).
Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht den Nachteil für die Antragsteller damit begründet, dass der Gesamteindruck der Wohnanlage massiv beeinträchtigt werde und zudem durch die vorgeschobene Position des Balkons der Innenraum hinter dem Balkon der Antragsteller eingesehen werden kann (vgl. auch OLG München ZMR 2006, 800 m.w.N.). Wie unter Ziffer 2. a) (1) aa) ausgeführt enthält die Teilungserklärung keine von § 22 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 3 WEG abweichende Regelung betreffend die Zustimmungsbedürftigkeit solcher Maßnahmen.
(2) Ob die Antragsteller der Balkonerweiterung und der Errichtung der Pergola nach § 22 WEG zugestimmt haben, hat das Landgericht anhand einer Anhörung der Verfahrensbeteiligten zum Inhalt der diesbezüglichen Gespräche zu klären und tatrichterlich zu würdigen (§ 12 FGG).
(3) Dass das Landgericht die Antragsgegnerin zu 1 im Hinblick auf die erteilte Baugenehmigung als Bauherrin und damit als - fortwirkende - Handlungsstörerin angesehen hat, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Sie ist zwar Sonderrechtsnachfolgerin des Antragsgegners zu 2, und die Balkonerweiterung war nach Sachlage zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen. Sie haftet jedoch nicht als bloße Zustandsstörerin (vgl. BayObLG ZWE 2002, 317/318; Merle in Bärmann/Pick/Merle § 22 Rn. 266), weil sie jedenfalls aus ihrem Mitbenutzungsrecht an der ehelichen Wohnung und wegen ihrer in Rahmen vom Ziffer 2. a) (2) festgestellten Beteiligung die bauliche Veränderung selbst mit vorgenommen hat.
c) Auch soweit der Antragsgegnerin zu 1 untersagt wurde, die im Eingabeplan als "Neuer Stellplatz" ausgewiesene Fläche als Parkplatz zu nutzen, ist eine weitere tatrichterliche Aufklärung des Sachverhalts geboten (§ 12 FGG).
(1) Die Antragsgegnerin zu 1 hat zwar erklärt, die sofortige Beschwerde richte sich gegen den amtsgerichtlichen Beschluss nur insoweit, als dieser ihr die Nutzung des Stellplatzes untersagt, soweit sich dieser auf ihrer Sondernutzungsfläche befindet. Hierbei handelt es sich jedoch um eine prozessual nicht zulässige Beschränkung des Rechtsmittels. Mit einer solchen Einschränkung würde der Umfang der Anfechtung von tatsächlichen und rechtlichen Fragen abhängig gemacht, die zur Begründetheit des Rechtsmittels gehören.
Dass die Antragsgegnerin zu 1 ein Fahrzeug auf der ihr zugewiesenen Sondernutzungsfläche abstellen darf, soweit sie hierbei keine Gemeinschaftsfläche in Anspruch nimmt, ergibt sich aus der Gemeinschaftsordnung und wird von den Verfahrensbeteiligten auch nicht in Frage gestellt. Unklar ist jedoch, wo die Grenze zwischen Sondernutzungsbereich und gemeinschaftlich zu nutzender Fläche liegt. Eine interessengerechte Auslegung des Rechtschutzbegehrens der Antragsgegnerin zu 1 ergibt, dass sie vorbringt, das Amtsgericht hätte ihr die Nutzung des eingezeichneten Stellplatzes nicht untersagen dürfen, da dieser vollständig im Bereich ihres Sondernutzungsrechts liege. Die sofortige Beschwerde richtet sich somit vollumfänglich gegen Ziffer 4 des amtsgerichtlichen Beschlusstenors, der ihr ohne Einschränkungen verbietet, den "Neuen Stellplatz" als solchen zu nutzen.
(2) Das Landgericht konnte nicht allein anhand der von den Antragstellern vorgelegten Pläne und errechneten Maße die Überzeugung gewinnen, dass sich der eingezeichnete Stellplatz zumindest teilweise im Bereich der Gemeinschaftsfläche befindet, und mit dieser Erwägung die sofortige Beschwerde zurückweisen. Eine zuverlässige Beurteilung, wo im Bereich der Zufahrt die Sondernutzungsfläche endet und die Gemeinschaftsfläche beginnt, ist ohne Hinzuziehung der Grundakten und gegebenenfalls weiterer Beweiserhebung (Sachverständigengutachten/Augenschein) nicht möglich.
d) Hinsichtlich des Verbotes der Nutzung der übrigen Zufahrtsfläche als Parkfläche oder Abstellfläche (Ziffer 5 des amtsgerichtlichen Beschlusstenors) gilt zur Beschränkung des Rechtsmittelantrags das unter c) Gesagte.
Bei interessengerechter Auslegung des Vorbringens der Antragsgegnerin zu 1 ist ihr Rechtschutzziel so zu verstehen, dass sie das vom Amtsgericht ausgesprochene Verbot, den Zufahrtsbereich als Park- oder Abstellplatz zu nutzen, weiterhin umfassend angreift, da nach ihrem Vorbringen ein Teil der Zufahrt ihrem Sondernutzungsrecht unterliegt und sie hieraus ihre Befugnis ableitet, dort ein Fahrzeug abstellen zu dürfen.
Auch in diesen Punkt ist eine Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und Zurückverweisung des Verfahrens zur tatrichterlichen Klärung unumgänglich. Das Landgericht wird feststellen müssen, in welchem Umfang sich der vorhandene Zufahrtsbereich auf der Gemeinschaftsfläche (in der Planskizze gelb gekennzeichnet) oder der Sondernutzungsfläche der Antragsgegnerin zu 1 (in der Planskizze rot gekennzeichnet) befindet, ob also ein Teilbereich vorhanden ist, den die Antragsgegnerin zu 1 berechtigter Weise in Ausübung ihres Sondernutzungsrechts als Park- oder Abstellplatz nutzen kann.
3. Eine Kostenentscheidung ist an dieser Stelle nicht veranlasst.
Der Geschäftswert wird in Übereinstimmung mit dem Landgericht gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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