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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 27.05.2008
Aktenzeichen: 34 Wx 130/07
Rechtsgebiete: BGB, GBO


Vorschriften:

BGB § 874
BGB § 1090
GBO § 44 Abs. 2
GBO § 53 Abs. 1 Satz 2
Zur näheren Bezeichnung des Inhalts des Rechts (hier: Baubeschränkung) kann nicht auf eine nur örtlich geltende baurechtliche Vorschrift Bezug genommen werden (hier: Bezugnahme auf Staffel IX der Münchener Staffelbauordnung vom 20.4.1904).
Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 3 erwarb von den Beteiligten zu 1 und 2 das gegenständliche Grundstück mit notariellem Vertrag vom 27.6.2005 und Nachtrag vom 7.9.2005. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben in Ziffer 5 des Vertrags vom 27.6.2005 und in Ziffer 2.2. des Nachtrags den zur Lastenfreistellung erforderlichen Erklärungen zugestimmt. In Abteilung II unter Nr. 1 des Grundbuchs ist folgendes Recht zugunsten der Beteiligten zu 4) eingetragen:

Baubeschränkung zugunsten der Stadt München des Inhalts, dass auf dem Grundstück nur solche Bauten errichtet werden dürfen, die den Vorschriften der Staffel IX der Münchner Staffelbauordnung entsprechen.

Eingetragen seit 27. April/9. November 1928

Bei der Münchener Staffelbauordnung (im folgenden: SBO) handelt es sich um eine ortspolizeiliche Vorschrift, die insbesondere die Abstufung der Bebauungsdichte im Stadtgebiet regelte und nach § 36 mit dem Tag ihrer Verkündung in der Münchener Gemeindezeitung am 20.4.1904 in Kraft trat. Nach vielfachen Änderungen trat sie schließlich mit Ablauf des Jahres 1979 außer Kraft.

Staffel IX SBO, in deren Gebiet das veräußerte Grundstück liegt, beschränkt u.a. die Höhe der Vor- und Rückgebäude sowie die Ausdehnung von Baugruppen und schreibt ferner eine Mindestgröße für Hofräume vor.

Am 13.2.2006 hat der Urkundsnotar für die Beteiligten zu 1 bis 3 die Löschung der Baubeschränkung beantragt. Die Beteiligte zu 4 hat der Löschung nicht zugestimmt. Das Grundbuchamt hat daraufhin am 20.3.2007 den Antrag auf Löschung abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 23.10.2007 zurückgewiesen. Mit der vom Notar eingelegten weiteren Beschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1 bis 3 das Ziel, das zugunsten der Stadt München im Grundbuch eingetragene Recht zu löschen, weiter.

II.

Die weitere Beschwerde ist gemäß § 78 GBO statthaft. Die Beteiligten zu 1 bis 3 sind schon deshalb beschwerdeberechtigt, weil sie mit ihrer Erstbeschwerde erfolglos geblieben sind (BayObLGZ 2002, 413/414; Demharter GBO 25. Aufl. § 78 Rn. 2). Das Rechtsmittel ist auch formgerecht durch den verfahrensbevollmächtigten Notar eingelegt worden. Dessen Befugnis folgt zwar nicht aus § 80 Abs.1 Satz 3 GBO; denn es geht hier um eine Löschung von Amts wegen gemäß § 53 Abs.1 Satz 2 GBO und nicht um einen in Vollzug einer notariellen Urkunde gestellten Eintragungsantrag gemäß § 15 GBO. Die Befugnis ergibt sich aber aus § 29 Abs.1 Satz 3 FGG, der nach herrschender und vom Senat geteilter Meinung im Grundbuchverfahren neben § 80 GBO anwendbar ist (BayObLG NJW RR 1988, 460 m.w.Nachw.; BayObLGZ 1989, 354/356; a.A. Demharter § 80 Rn. 7 und § 1 Rn. 27).

Die weitere Beschwerde ist begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Beschwerde sei unbegründet. Die Voraussetzungen einer Löschung der Grunddienstbarkeit (Baubeschränkung) von Amts wegen nach § 84 GBO als gegenstandslos lägen nicht vor. Die Bestimmungen der Staffel IX SBO enthielten Baubeschränkungen, die faktisch nicht nur zugunsten der Stadt München, sondern auch zugunsten der Eigentümer der Nachbargrundstücke bestellt worden seien; denn durch die Beschränkungen würden Freiflächen erhalten und Belichtung sowie Belüftung der Nachbargrundstücke sichergestellt. Die Eintragung sei aufgrund einer Bewilligung der damaligen Grundstückseigentümer erfolgt. Zwar sei ein Originalgrundbuchauszug aus dem Jahr 1928 für das gegenständliche Grundstück nicht mehr zu beschaffen gewesen, jedoch habe die Staffelbauordnung selbst keine Rechtsgrundlage für die Eintragung einer Dienstbarkeit enthalten, und es sei nachweisbar, dass auf Grundstücken in unmittelbarer Nachbarschaft derartige Dienstbarkeiten aufgrund Bewilligung eingetragen worden seien, was den Schluss zulasse, dass die Eintragung auch auf dem gegenständlichen Grundstück auf einer Bewilligung beruhe.

Der Wirksamkeit der Eintragung stehe auch die Bezugnahme auf öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegen. Die SBO sei zum Zeitpunkt der Eintragung ein geltendes Gesetz im materiellen Sinn gewesen. Die Tatsache, dass der Text der Verordnung heutzutage schwer zugänglich sei, ändere daran nichts, weil weiterhin auch für den Laien erkennbar sei, dass auf dem Grundstück besondere bauliche Beschränkungen lasten, über deren Reichweite der Interessierte sich bei der örtlichen Baubehörde erkundigen und sich den Text der SBO besorgen könne.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Jedoch kann das Rechtsmittel nicht mit Erfolg darauf gestützt werden, dass die Baubeschränkung gemäß § 84 GBO von Amts wegen zu löschen sei. Im Amtsverfahren des § 84 GBO entscheidet das Grundbuchamt nach freiem Ermessen, ob ein Löschungsverfahren einzuleiten und durchzuführen ist, § 85 Abs. 2, § 86 GBO. Daher kennt dieses Verfahren auch nur ein Beschwerderecht des Betroffenen gegen die nach seiner Anhörung getroffene Feststellung der Gegenstandslosigkeit der zu löschenden Eintragung (§ 89 Abs. 1, § 87 Buchst. c GBO), nicht jedoch ein Beschwerderecht dessen, der das Amtslöschungsverfahren zum Nachteil des Betroffenen angeregt hat (§ 85 Abs. 2 Halbs. 2 GBO; vgl. auch BayObLGZ 1973, 272/273; Demharter § 85 Rn. 5 und 6).

b) Dagegen ist die Beschwerde gegen die Ablehnung der angeregten Löschung eines Rechts als inhaltlich unzulässig mit dem Ziel statthaft, von Amts wegen einen Widerspruch einzutragen bzw. eine Löschung nach § 53 GBO vorzunehmen, § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO (BayObLGZ 1952, 157/160; Briesemeister in KEHE GBO 6. Aufl. § 71 Rn. 44; Demharter § 53 Rn. 61). Der Zweck des § 71 Abs. 2 Satz 1 GBO verbietet nur eine Anfechtung solcher Eintragungen, an die sich ein gutgläubiger Erwerb anschließen kann (Demharter § 71 Rn. 37). Dies ist jedoch bei inhaltlich unzulässigen Eintragungen nicht der Fall (Demharter § 53 Rn. 52 m.w.N.)

c) Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO ist eine Eintragung von Amts wegen zu löschen, wenn sie sich ihrem Inhalt nach als unzulässig erweist. Eine Eintragung ist inhaltlich unzulässig, wenn ein Recht mit dem Inhalt oder in der Ausgestaltung, wie es eingetragen ist, aus Rechtsgründen nicht bestehen kann (BayObLG Rpfleger 1986, 371). Die Unzulässigkeit muss sich aus dem Eintragungsvermerk selbst und der zulässigerweise in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung ergeben, andere Beweismittel dürfen nicht verwertet werden (BayObLGZ 1987, 390/393).

(1) Bei der im Grundbuch verlautbarten Baubeschränkung handelt es sich, wie das Landgericht zutreffend erkennt, um eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit, nämlich die zugunsten der Landeshauptstadt München eingetragene Belastung des Grundstücks, dieses in bestimmten einzelnen Beziehungen baulich nicht zu nutzen (§ 1090 BGB; Palandt/Bassenge BGB 67. Aufl. § 1090 Rn. 4; § 1018 Rn. 20 und 21; siehe auch BGH NJW 2002, 1797). Ein Recht mit einem derartigen Inhalt kann zulässiger Inhalt einer Eintragung im Grundbuch sein.

(2) Grundsätzlich muss im Eintragungsvermerk selbst die allgemeine rechtliche Natur und die besondere Art des Rechts gekennzeichnet werden. Eine Bezugnahme ist nur zur näheren Bezeichnung des Inhalts des Rechts gestattet (BayObLG DNotZ 1994, 888; BayObLGZ 1983, 253/255; Demharter § 44 Rn. 17). Da Dienstbarkeiten einen verschiedenartigen Inhalt haben können, muss bei einem Recht zur Benützung des Grundstücks in der Eintragung selbst das Recht näher gekennzeichnet werden; dasselbe gilt, wenn Inhalt der Dienstbarkeit das Verbot gewisser Handlungen oder der Ausschluss der Ausübung eines Rechts ist (BayObLGZ 1990, 35/36). Hierbei genügt die wenigstens schlagwortartige Kennzeichnung des wesentlichen Inhalts, etwa als Baubeschränkung (BayObLG Rpfleger 1989, 361/362; OLG Hamm Rpfleger 1996, 444/445).

(3) Gemäß § 874 BGB kann zur näheren Bezeichnung des Inhalts des Rechts Bezug genommen werden auf die Eintragungsbewilligung (vgl. § 44 Abs. 2 GBO). Als zulässig erachtet wird aber auch die Bezugnahme auf geltende inländische Gesetzesbestimmungen, wenn diese in einer amtlichen Gesetzessammlung veröffentlicht und allgemein zugänglich sind (Schöner/Stöber Grundbuchrecht 14. Aufl. Rn. 269; Meikel/ Ebeling Grundbuchrecht 9. Aufl. Vorbem. GBV Rn. 119; Münchener Kommentar/Wacke BGB 3. Aufl. § 874 Rn. 11; Knothe in Bauer/von Oefele GBO 2. Aufl. § 44 Rn. 40; Staudinger/Gursky BGB 13. Bearb. § 874 Rn. 8). Ausschlaggebend hierfür ist deren jedenfalls bei abstrakter Betrachtung gegebener allgemeiner Bekanntheitsgrad und die durch die Förmlichkeit des Gesetzgebungsverfahrens gewährleistete Sicherheit über den Inhalt, der durch die Bezugnahme verkürzt umschrieben wird.

Statisch in Bezug genommen wurde die SBO, die bereits am 20.4.1904 von der Lokalbaukommission München auf Grund von Art. 101 des Polizeistrafgesetzbuches für das Königreich Bayern vom 26.12.1871 erlassen und von der Regierung von Oberbayern für vollziehbar erklärt wurde (Münchener Gemeindezeitung Beilage zu Nr. 36). Die SBO bildete eine ortspolizeiliche Vorschrift zur Regelung des Bausystems und war eine Zusatzvorschrift zur Münchener Bauordnung vom 29.7.1895 (BayBS II S. 430). Sie regelte (nur) für die Ortsteile mit geschlossener Bauweise die Höhe der Gebäude und die Überbauung der Hofräume (dazu Steinhauser Münchener Staffelbauordnung Abschnitt B. S. 59 ff., S. 63, 69). Der Senat hat feststellen können, dass die SBO von 1904 bis einschließlich 1928 mehrere Änderungen erfahren hatte (Münchener BauO Beck`sche Textausgabe 2. Aufl. Vorbem.), die aber die Staffel IX unberührt ließen, sie demnach insoweit noch in ihrer ursprünglichen Fassung galt.

Nach der Rechtsprechung des Kammergerichts genügt die Bezugnahme auf damals zwar gültige, aber nur örtlich bestehende Rechtsvorschriften nicht (KGJ 46, 221; KG OLGE 34, 225). Dabei spielt es auch keine Rolle, ob die Eintragung unmittelbar auf die Vorschrift (hier: die SBO) Bezug nimmt oder aber mittelbar, nämlich über eine Eintragungsbewilligung, die ihrerseits auf die örtliche Vorschrift verweist. Das Kammergericht begründet dies im Wesentlichen damit, dass jedermann aus dem Grundbuch selbst und den dazugehörigen Urkunden den Inhalt der Eintragung klar ersehen können müsse. Die Kenntnis örtlicher Rechtsvorschriften könne bei Grundbuchinteressenten billigerweise nicht vorausgesetzt werden. Sie unterlägen ihrer Natur nach einem häufigen Wechsel; ihr Inhalt könne nur unter erschwerten Umständen ermittelt werden. § 1115 Abs. 2 BGB lasse sich als Ausnahmevorschrift, die nur Nebenleistungen betreffe, nicht verallgemeinernd heranziehen. Einer Überfrachtung des Grundbuchs könne dadurch begegnet werden, dass die Beteiligten die betreffenden Rechtsvorschriften inhaltlich in die Eintragungsbewilligung aufnähmen.

(4) Der Senat folgt dieser von der Literatur im Wesentlichen gebilligten Rechtsprechung (Schöner/Stöber Rn. 269; Knothe in Bauer/von Oefele § 44 Rn. 40; Demharter § 44 Rn. 35 auch Haegele BWNotZ 1975, 29/30 bei Rn. 10 und 11) und schließt sich ihr aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit des Grundbuchverkehrs auch in der vorliegenden Fallgestaltung an. Für den Grundbuchverkehr ist es nicht entscheidend, ob die SBO in ihrer damaligen Fassung eher bauordnungsrechtlicher (baupolizeirechtlicher) oder aber eher bauplanungsrechtlicher Natur war. Die heute gebräuchliche Trennung war dem damaligen Recht ohnehin fremd (Schlichter Berliner Kommentar zum BauGB 2. Aufl. Einf. Rn. 5; Koch/Molodovsky/Famers BayBO Einf. Rn. 1). Maßgeblich ist vielmehr, dass das zum näheren Inhalt der Baubeschränkung in Bezug genommene untergesetzliche Recht ausschließlich lokalen Bezug hatte, zudem nicht einmal für das gesamte Stadtgebiet galt, von einem Grundbuchinteressenten daher nicht als bekannt vorausgesetzt werden kann und dessen Bestand und genauer Inhalt (im Zeitpunkt der Eintragung) nicht gleichermaßen sicher bestimmbar ist, wie dies etwa bei einem förmlich zustande gekommenen Parlamentsgesetz der Fall ist. Eine Bezugnahme auf derartige Gemeindevorschriften widerspricht der Funktion des Grundbuchs, auf sicherer Grundlage den Inhalt der Eintragung klar zu vermitteln.

(5) Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 19.12.1969 (WM 1970, 193) keine Bedenken gegen die wirksame Bestellung von Grunddienstbarkeiten vorgebracht, für deren Inhalt auf Vorschriften des Hamburgischen Baupolizeigesetzes vom 23.6.1882 Bezug genommen wurde. Diese Entscheidung steht der Rechtsauffassung des Senats schon deshalb nicht entgegen, weil es sich bei den hiesigen Bestimmungen der SBO im Gegensatz zu den Vorschriften des Hamburgischen Polizeigesetzes um untergesetzliches Recht handelt. Die Bezugnahme auf in einer amtlichen Gesetzessammlung veröffentlichtes förmliches Recht wird jedoch allgemein als statthaft angesehen (KG JFG 5, 373/378; OLG Köln Rpfleger 1974, 150; Demharter § 44 Rn. 35). Ein Unterschied zwischen Bundes- und Landesrecht besteht insoweit wegen der gleichermaßen gegebenen Rechtsnormqualität und der damit verbundenen Rechtssicherheit nicht.

d) Die inhaltlich unzulässige Eintragung der Baubeschränkung ist rechtlich gegenstandslos; sie ist nach § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO von Amts wegen zu löschen (KGJ 46, 221/224). Grundsätzlich kommt jedoch in Betracht, dass nach Löschung der Eintragung die Grunddienstbarkeit neu eingetragen werden kann, falls eine ordnungsgemäße Bewilligung beigebracht wird (KG OLGE 34, 225/226). Im Übrigen teilt der Senat die Ansicht der Beschwerdekammer, dass einer Baubeschränkung entsprechend den maßgeblichen Regelungen in der SBO trotz zwischenzeitlich erlassener Bebauungspläne nach wie vor eine praktische Bedeutung zukommen kann.

3. Eine Kostenerstattung zugunsten der obsiegenden Beteiligten anzuordnen, was nach § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG ohnehin nicht die Regel, sondern die Ausnahme darstellt (Bassenge/Roth FGG 11. Aufl. § 13a Rn. 11), ist nicht veranlasst.

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