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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 09.03.2005
Aktenzeichen: 34 Wx 17/05
Rechtsgebiete: WEG, FGG


Vorschriften:

WEG § 28 Abs. 5
WEG § 45 Abs. 1
WEG § 47
WEG § 48 Abs. 3 Satz 1
FGG § 27 Abs. 1
FGG § 27 Abs. 2
FGG § 20a Abs. 2
Grundsätzlich hat derjenige, der ein Rechtsmittel zurücknimmt, die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Davon kann der Tatrichter absehen, wenn die Zurücknahme auf der vom Gericht vermittelten Einsicht in die Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels beruht und alsbald erfolgt. Dem kann aber entgegenstehen, dass die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung von Anfang an, etwa bei fälligen Wohngeldschulden, aussichtslos oder mutwillig war.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist Verwalterin einer Wohnanlage. Sie macht in Verfahrensstandschaft für die übrigen Wohnungseigentümer Wohngeldansprüche für die Jahre 2003 und 2004 gegen die Antragsgegnerin geltend, der in der Anlage zwei Wohnungen gehören.

Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 17.9.2004 verpflichtet, an die Antragstellerin Rückstände aus der Jahresabrechnung 2003 sowie das Wohngeld für Januar bis Februar 2004 von insgesamt 951,83 EUR zuzüglich Zinsen, das Wohngeld für den Zeitraum März bis September 2004 in Höhe von 1.274 EUR sowie am 1.10., 1.11. und 1.12.2004 jeweils 182 EUR zu bezahlen. Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerin außerdem mit den gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Verfahrens belastet. Gegen den ihr am 23.9.2004 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin, zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertreten, mit Telefax vom 7.10.2004 sofortige Beschwerde eingelegt und auf dem Schriftstück vermerkt: "Zur Fristwahrung dieses Schreiben vorab per Fax". Das Landgericht hat die nicht weiter begründete sofortige Beschwerde dem anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin übermittelt, der am 25.10.2004 Zurückweisung beantragt hat. Am 11.11.2004 hat der nunmehrige anwaltliche Bevollmächtigte der Antragsgegnerin deren Vertretung angezeigt, Akteneinsicht begehrt und Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis 30.11.2004 beantragt. Mit Schriftsatz vom 29.11.2004 wurde das Rechtsmittel zurückgenommen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 14.12.2004 der Antragsgegnerin die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt, jedoch davon abgesehen, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Das nach § 45 Abs. 1 WEG, § 27 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1, § 20a Abs. 2 FGG zulässige Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Bei der Rücknahme eines Rechtsmittels seien in der Regel dem Rechtsmittelführer auch die außergerichtlichen Kosten des Rechtsmittelgegners aufzuerlegen. Eine Ausnahme vom Grundsatz der Erstattungspflicht sei jedoch anzuerkennen, wenn das Rechtsmittel ausdrücklich nur zur Fristwahrung eingelegt werde.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Nach der Zurücknahme der sofortigen Beschwerde hat das Landgericht gemäß § 47 WEG nach billigem Ermessen über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden. Das Rechtsbeschwerdegericht kann diese Entscheidung nur daraufhin überprüfen, ob der Tatrichter die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten, insbesondere ob er wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen, sich mit den Denkgesetzen in Widerspruch gesetzt oder sonst von seinem Ermessen einen dem Sinn und Zweck des Gesetzes widersprechenden Gebrauch gemacht hat (vgl. BayObLGZ 1997, 148/151 m.w.N.; BayObLG WuM 2003, 296).

b) Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat grundsätzlich derjenige, der ein Rechtsmittel zurücknimmt, neben den gerichtlichen auch die außergerichtlichen Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Ausnahmsweise kann jedoch von der Anordnung einer Kostenerstattung abgesehen werden, wenn eine alsbaldige Zurücknahme des Rechtsmittels auf der vom Gericht vermittelten Einsicht in dessen Aussichtslosigkeit beruht (BayObLG NJW-RR 1999, 1245). Jedoch sind darüber hinaus auch weitere Umstände zu berücksichtigen, die zur Anordnung einer Kostenerstattung führen können, so etwa die offensichtliche Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung oder der Rechtsverteidigung (vgl. BayObLG ZWE 2002, 78; NZM 2003, 521; ferner Beschlüsse vom 8.4.2004, 2Z BR 57/04 und 2Z BR 21/04).

c) Nach diesen Grundsätzen, denen sich der Senat anschließt, entspricht es der Billigkeit, für das Beschwerdeverfahren zugunsten der Antragstellerin eine Kostenerstattung anzuordnen. Das Rechtsmittel wurde nicht ausdrücklich nur zur Fristwahrung eingelegt. Zur Fristwahrung hat die Antragsgegnerin vielmehr den Übertragungsweg per Telefax gewählt. Es kann dahinstehen, ob die Rücknahme noch alsbald erklärt wurde. Jedenfalls gilt auch der allgemeine Grundsatz, dass eine mutwillige Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zur Anordnung der Kostenerstattung führt. Der Senat kann die dazu notwendigen ergänzenden Feststellungen selbst treffen (BayObLG Beschlüsse vom 8.4.2004, 2Z BR 21/04 und 2Z BR 57/04). Hiernach ging der Streit um die Geltendmachung rückständigen Wohngelds aufgrund bestandskräftiger Eigentümerbeschlüsse gemäß § 28 Abs. 5 WEG. Die Antragsgegnerin setzte sich gegen ihre Zahlungspflichten im Wesentlichen mit nicht aus demselben rechtlichen Verhältnis stammenden Gegenforderungen zur Wehr, die gegen die Verwalterin persönlich gerichtet waren. Ihre Verteidigung war von vornherein aussichtslos. Deshalb ist es nicht angemessen, letztlich die Wohnungseigentümer mit Kosten zu belasten, die allein ihre Ursache im Zahlungsverzug der Antragsgegnerin haben (BayObLG WuM 1992, 329/330; vgl. auch OLG Köln NZM 1999, 1155 - Leitsatz -; Niedenführ/Schulze WEG 7. Aufl. § 47 Rn. 9). Dazu rechnen hier auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Dem Senat erscheint es nach § 47 WEG angemessen, der unterlegenen Antragsgegnerin die gerichtlichen und die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG und bemisst sich nach den geschätzten außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren.

Ende der Entscheidung

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