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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 21.02.2007
Aktenzeichen: 34 Wx 22/07
Rechtsgebiete: WEG
Vorschriften:
WEG § 15 Abs. 2 | |
WEG § 15 Abs. 3 | |
WEG § 13 Abs. 2 Satz 1 | |
WEG § 16 Abs. 1 | |
WEG § 16 Abs. 2 |
34 Wx 22/07 34 Wx 103/05
Gründe:
I.
Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von dem weiteren Beteiligten verwaltet wird. Die Wohnungseigentümer beschlossen in der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 20.7.2004 unter Tagesordnungspunkt (TOP) 11:
Anbringung von Kaltwasserzählern.
Es erfolgt Abstimmung für folgende Regelung:
Die Zähler sollen über die Firma C. angemietet werden. Die Zähler werden auf Putz an den vorhandenen Wohnungsabsperrventilen angebracht. Die Abrechnung der Wasserkosten (Warm und Kalt) erfolgt künftig nach gemessenem Verbrauch, ebenso die Abwasserkosten.
Zusätzlich werden auch Zähler an den Leitungen zu den Gartenwasserhähnen angebracht. Die Gartenwasserleitung zum Garagenhof wird durch den Keller von Frau P. verlegt, und mit einem Absperrventil im Keller von Frau P. versehen. Diese Arbeiten werden der Firma H. übertragen. Der Gartenwasserverbrauch einschließlich Kosten wird dann wie folgt zugeordnet:
Gartenwasserhahn bei Giebel W.-Straße/Frau W. (Antragstellerin)
Gartenwasserhahn bei Garagenhof/Frau P. (Antragsgegnerin zu 2)
Gartenwasserhahn bei Heizung/Gemeinschaft.
Ja - 4 - Nein - 1 Enthaltungen - 0 - (Herr W. stimmt mit Nein)
Soweit in dem Beschluss ein Gartenwasserhahn "Frau W." bzw. "Frau P." zugeordnet wird, befinden sich diese an der Hauswand über den allen Eigentümern zugänglichen Gemeinschaftsflächen. Die Zuleitungen zu diesen Gartenwasserhähnen werden durch die Kellerabteile der Antragstellerin bzw. der Antragsgegnerin zu 2 mit einem jeweils dort befindlichen Absperrventil geführt.
Die Antragstellerin hat beantragt, den unter TOP 11 gefassten Beschluss insgesamt für ungültig zu erklären. Nach Abweisung des Antrags mit Beschluss des Amtsgerichts vom 16.2.2005 hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt, die das Landgericht mit Beschluss vom 20.6.2005 als unbegründet zurückgewiesen hat. Amts- und Landgericht haben dabei den Geschäftswert für das Verfahren jeweils auf 3.000 EUR festgesetzt. Gegen die Entscheidung des Landgerichts hat die Antragstellerin sofortige weitere Beschwerde eingelegt.
Während des Laufs des Beschwerdeverfahrens wurden in der Eigentümerversammlung vom 19.5.2005 (u.a.) folgende Beschlüsse gefasst:
TOP 5
Anbringung von Kaltwasserzählern in den Wohnungen.
Es erfolgt Abstimmung für folgende Regelung:
In den Wohnungen sollen Kaltwasserzähler angebracht werden.
Ja - 4 - Nein - 1 - Enthaltungen- 0 - (Herr W. stimmt mit Nein)
TOP 6
Anbringung von Kaltwasserzählern für die Gartenwasserhähne.
Es erfolgt Abstimmung für folgende Regelung:
An den beiden Gartenwasserhähnen auf den Giebelseiten sollen Kaltwasserzähler angebracht werden.
Ja - 4 - Nein - 1 - Enthaltungen - 0 - (Herr W. stimmt mit Nein)
TOP 7
Nutzung und Absperrung der Gartenwasserhähne.
Es erfolgt Abstimmung für folgende Regelung:
Die Nutzung der beiden Gartenwasserhähne auf den Giebelseiten soll wie folgt geregelt werden:
Gartenwasserhahn Westseite (Hofseite): Die Nutzung darf ausschließlich durch Frau P. erfolgen.
Gartenwasserhahn Ostseite (Straßenseite): Die Nutzung darf ausschließlich durch Frau W. erfolgen.
Ja - 4 - Nein - 1 - Enthaltungen - 0 - (Herr W. stimmt mit Nein)
TOP 8
Änderung der Verteilerschlüssel. Es erfolgt Abstimmung für folgende Regelung:
Die Verteilerschlüssel für Wasser- und Kanalkosten werden wie folgt geändert:
Die Wasser- und Kanalkosten werden nach gemessenem Verbrauch der neu installierten Zähler den jeweiligen Nutzern zugeordnet und berechnet.
Ja - 4 - Nein - 1 - Enthaltungen - 0 - (Herr W. stimmt mit Nein)
Diese Eigentümerbeschlüsse hat die Antragstellerin ebenfalls angefochten. Im Hinblick darauf, dass die Entscheidung über die Gültigkeit der Beschlüsse vom 19.5.2005 vorgreiflich ist, hat der Senat mit Beschluss vom 22.2.2006 das hier anhängige Verfahren in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO bis zum rechtskräftigen Abschluss des anderen Verfahrens ausgesetzt. Mit Beschluss vom 6.12.2006 hat das Amtsgericht den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 19.5.2005 zu TOP 7 für ungültig erklärt. Im Übrigen wurden die Anträge abgewiesen. Der Beschluss des Amtsgerichts wurde von den Beteiligten nicht angegriffen. Die Zweitbeschlüsse vom 19.5.2005 sind damit bestandskräftig.
Die Antragstellerin hat zuletzt die Rechtsbeschwerde auf die Aufhebung der Nutzungsregelung betreffend die Gartenwasserhähne beschränkt.
II.
Die zulässige sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin ist, soweit darüber noch zu entscheiden ist, begründet.
1. Das Landgericht hat dazu ausgeführt:
Auch die im Gartenbereich anfallenden Wasserkosten könnten durch den Einbau von Kaltwasserzählern verbrauchsabhängig geregelt werden. Darüber könne durch Mehrheitsbeschluss entschieden werden. Dem entspreche die Beschlussfassung der Wohnungseigentümer. Sie sei deswegen nicht zu beanstanden. Soweit bisher die Wasserkosten nach Miteigentumsanteilen verteilt worden seien, enthalte dies keine Vereinbarung der Wohnungseigentümer dahingehend, dass diese Regelung für alle Zukunft beizubehalten sei. Die Befürchtung der Antragstellerin, dass über den ihr zugewiesenen Gartenwasserhahn unberechtigt Dritte Wasser entnehmen könnten, sei nicht gerechtfertigt, da die Antragstellerin die unbefugte Benutzung durch den entsprechenden Absperrhahn in ihrem Kellerabteil verhindern könne.
2. Die Entscheidung des Landgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern. Bei der Zuweisung der beiden im Gemeinschaftseigentum (§ 5 Abs. 2 WEG) stehenden Wasserhähne an einzelne Wohnungseigentümer handelt es sich um die Festlegung von Sondernutzungsrechten, nicht um eine Gebrauchsregelung. Sondernutzungsrechte können nur durch Vereinbarung, nicht durch Mehrheitsbeschluss, begründet werden (BGH NJW 2000, 3500 ff.). Eine solche Vereinbarung liegt nicht vor. Die Nutzung und Kostentragung richtet sich daher nach § 16 Abs. 1 und 2 WEG und konnte von den Wohnungseigentümern nicht durch Mehrheitsbeschluss abgeändert werden.
a) Die Möglichkeit, den beabsichtigten Gebrauch der Wasserhähne durch Stimmenmehrheit zu beschließen, ergibt sich nicht aus den § 15 Abs. 2, Abs. 3 WEG. Es handelt sich nicht um eine Gebrauchsregelung im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung. Unter diesen Begriff lassen sich keine Maßnahmen fassen, die das subjektive Recht eines Wohnungseigentümers auf Mitgebrauch des gemeinsamen Eigentums (§ 13 Abs. 2 Satz 1 WEG) beeinträchtigen. Bei der Prüfung dieser Frage ist von der Zweckbestimmung des betroffenen Teils des gemeinsamen Eigentums auszugehen. Die Wasserhähne befinden sich im Bereich des gemeinschaftlichen Gartens. In der Teilungserklärung ist eine Vereinbarung dazu, nämlich die Zuweisung der Wasserhähne an einzelne Wohnungseigentümer zur alleinigen Nutzung, nicht getroffen. Ihr Gebrauch stand damit zunächst allen Wohnungseigentümern zu. Eine Änderung dieser Zweckbestimmung und die Zuweisung des ausschließlichen Gebrauchs an einzelne Wohnungseigentümer berührt stets das Recht der übrigen Wohnungseigentümer auf Mitgebrauch des fraglichen Teils des gemeinsamen Eigentums. Diese völlige Entziehung des Mitgebrauchs kann keinen ordnungsmäßigen Gebrauch und keine ordnungsmäßige Verwaltung darstellen (vgl. OLG Zweibrücken NJW-RR 1986, 562).
Jedem der drei Wasserhähne kommt für alle Wohnungseigentümer schon wegen ihrer unterschiedlichen örtlichen Lage ein eigener Nutzungszweck zu. Es ist dem einzelnen Eigentümer insoweit nicht zuzumuten, sich auf die Nutzung eines bestimmten Wasserhahns verweisen zu lassen.
b) Die Zuweisung der Wasserhähne an einzelne Eigentümer unter Ausschluss der übrigen Eigentümer beinhaltet materiell die Begründung von Sondernutzungsrechten. Solche Sondernutzungsrechte können nur durch Vereinbarung, nicht durch Mehrheitsbeschluss begründet werden, da den Wohnungseigentümern dafür die Beschlusskompetenz fehlt (BGH NJW 2000, 3500 ff.). Eine solche nach § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG auch formlos mögliche schuldrechtliche Vereinbarung liegt hier nicht vor.
Eine ausdrückliche Vereinbarung wurde nicht geschlossen. Auch durch konkludentes Handeln ist es nicht zu einer solchen Vereinbarung gekommen. Hinsichtlich des der Eigentümerin P. zugewiesenen Wasserhahns scheidet eine konkludente Vereinbarung bereits deshalb aus, weil in der Vergangenheit dieser Wasserhahn allen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zustand und von allen gemeinschaftlich genutzt werden konnte. Ob alle Eigentümer von ihrem Nutzungsrecht Gebrauch gemacht haben, ist unerheblich. Auch hinsichtlich des der Wohnungseigentümerin W. zugewiesenen Wasserhahns ist nicht von einer stillschweigenden Vereinbarung auszugehen. Zwar war W. in der Lage, durch das in ihrem Keller befindliche Absperrventil die anderen Eigentümer von der Nutzung des Wasserhahns auszuschließen. Ob sie dies getan hat und ob sich die übrigen Wohnungseigentümer darüber bewusst waren und mit ihrem Schweigen dazu einen endgültigen Verzicht auf die Nutzung akzeptiert haben, erscheint bereits zweifelhaft. In der Regel liegt in einem Schweigen keine Willenserklärung. Aus dem Beschluss der Eigentümerversammlung vom 20.7.2004 ergibt sich zudem, dass die Eigentümer selbst davon ausgingen, dass mit dem Beschluss eine Regelung für die Zukunft getroffen, nicht eine bestehende Vereinbarung bestätigt wird. Eine konkludente Vereinbarung scheidet damit aus.
c) Mangels abweichender Vereinbarung richten sich damit die Nutzung und die Kostentragung für die Gartenwasserhähne nach dem Gesetz. Danach steht den Wohnungseigentümern der Gebrauch gemeinschaftlich zu; zur Kostentragung sind sie anteilig gemäß ihren Miteigentumsanteilen verpflichtet, § 16 Abs. 1, Abs. 2 WEG. Da der Beschluss der Wohnungseigentümer vom 20.7.2004 zu TOP 11 gegen diese Grundsätze verstößt, ist er aufzuheben.
3. Dem Senat erscheint es gemäß § 47 WEG angemessen, die Gerichtskosten gemäß dem jeweiligen Obsiegen bzw. Unterliegen zu verteilen.
Gemäß dem Grundsatz in Wohnungseigentumsverfahren, dass in der ersten Instanz keine außergerichtlichen Kosten erstattet werden, wurde insoweit auch hier keine Erstattung angeordnet. Im Übrigen wurde auch bei den außergerichtlichen Kosten das jeweilige Obsiegen bzw. Unterliegen berücksichtigt. Von einer weitergehenden Erstattung der außergerichtlichen Kosten wurde abgesehen.
4. Die Festsetzung des Geschäftswerts für sämtliche Rechtszüge beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Danach berechnet sich der Geschäftswert in Wohnungseigentumssachen nach dem Interesse aller Beteiligten an einer Entscheidung, nicht nur nach dem Interesse der Antragstellerin. Der von den Vorinstanzen zugrunde gelegte Geschäftswert erscheint im Hinblick auf die neu zu installierenden Wasserzähler in den Wohnungen der Miteigentümer und den neuen Abrechnungsmodus zu gering. Der Senat bewertet diesen Punkt mit rund 6.000 EUR und die Wasserzähler für die Gartenwasserhähne, die Nutzung und die Verteilung der damit zusammenhängenden Kosten mit 1.000 EUR.
Ende der Entscheidung
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