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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 25.05.2005
Aktenzeichen: 34 Wx 24/05
Rechtsgebiete: BGB, WEG
Vorschriften:
BGB § 1004 Abs. 1 | |
WEG § 15 Abs. 3 | |
WEG § 43 Abs. 1 Nr. 1 |
2. Bezeichnet der Antragsteller in einem wohnungseigentumsrechtlichen Unterlassungsverfahren als Antragsgegner die Gesellschaft, verweist jedoch zur Identifizierung des Antragsgegners auf den von ihm vorgelegten Grundbuchauszug, kann davon ausgegangen werden, dass er die Gesellschafter als Wohnungseigentümer und nicht die Gesellschaft in Anspruch nehmen will.
3. Zulässigkeit der Nutzung einer Wohnung als Tierarztpraxis.
Tatbestand:
Die Beteiligten sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer größeren aus fünf einzelnen Häusern bestehenden Wohnanlage. Die Antragsgegner bilden unter der Bezeichnung "WE 50 D." eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts und sind als deren Gesellschafter Eigentümer des Wohnungseigentums Nr. 50, einer im Erdgeschoss gelegenen Wohnung.
Die Räume sind an einen Tierarzt vermietet, der seit 1.6.2004 in diesen eine Praxis für Kleintiere betreibt. Die Praxis ist von montags bis freitags, ausgenommen Mittwoch nachmittags, von 9.00 Uhr - 12.00 Uhr und von 16.00 Uhr - 19.00 Uhr geöffnet. Darüber hinaus besteht ein rund um die Uhr erreichbarer Notfalldienst, der bei Bedarf nach Möglichkeit in der Praxis ausgeübt wird.
Im Aufteilungsplan sind diese Räume als Wohnung bezeichnet. Über den Umfang der zulässigen Nutzung enthält § 1 Nr. 2 der Gemeinschaftsordnung vom 20.5.1988 folgende Regelung:
Wohnungen und die dazugehörigen Nebenräume sollen nur zu Wohnzwecken benutzt werden.
Die Vermietung oder die Ausübung eines freien Berufes oder sonstigen Dienstleistungsgewerbes z.B. nicht lärmende Bürotätigkeiten etc. sind ohne Zustimmung des Verwalters oder sonstiger Personen zulässig, wobei jedoch behördliche Vorschriften zu berücksichtigen sind. Das gleiche gilt zur Ausübung eines Gewerbes, soweit dadurch keine Lärmbelästigung erfolgt.
...
Die jeweiligen Inhaber der Läden und Büros sind berechtigt, diese als Läden bzw. Büros ohne jede Einschränkung in jeder Art ohne Beschränkung der Nutzungsart zu nutzen, z.B. auch als Gaststätte, Restaurant oder ähnliches. ...
Die Antragsteller haben beantragt, es den Antragsgegnern zu untersagen, ihr Wohnungseigentum als Tierarztpraxis für Kleintiere zu nutzen. Sie halten eine derartige Nutzung im Hinblick auf damit verbundene zusätzliche Belästigungen der Hausbewohner für nicht mit der Gemeinschaftsordnung vereinbar. Das Amtsgericht hat dem Antrag am 4.10.2004 stattgegeben. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht am 26.1.2005 zurückgewiesen. Als Antragsgegner weisen die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts jeweils die Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus. Gegen den Beschluss des Landgerichts richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner. Das zulässige Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
Gründe:
1. Antragsgegner sind die in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts verbundenen drei Wohnungseigentümer persönlich. Dies ergibt sich jedenfalls aus der klarstellenden Erklärung, die die Antragsteller in einem im Zusammenhang mit der Verfahrenseinleitung nachgereichten Schriftsatz vom 3.5.2004 abgegeben haben. Dort werden als Antragsgegner unter Hinweis auf den Grundbuchstand zwei natürliche Personen sowie eine Handelsgesellschaft (KG) benannt. Die maßgebliche Eintragung im Wohnungsgrundbuch verlautbart für das Eigentum nicht die Gesellschaft (BayObLGZ 2002, 330; vgl. Demharter GBO 25. Aufl. § 19 Rn.108 m.w.N.), sondern zutreffend die Gesellschafter mit dem Zusatz des für ihre Gemeinschaft maßgeblichen Rechtsverhältnisses gemäß § 47 GBO (BayObLGZ 1985, 353; Demharter § 47 Rn. 21). Demgemäß hat das Amtsgericht auch die Zustellung der Antragsschrift nicht an den Vertreter der Gesellschaft, sondern an die Gesellschafter persönlich als die Miteigentümer des maßgeblichen Wohnungseigentums bewirkt. Ein Wechsel der Beteiligten auf der Antragsgegnerseite fand in der Folgezeit nicht statt. Dass das Amtsgericht und ihm folgend das Landgericht als Antragsgegner die Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Rubrum ihrer Beschlüsse bezeichnet haben, ist eine unschädliche Falschbezeichnung, die sich jederzeit berichtigen lässt (Zöller/Vollkommer ZPO 25. Aufl. § 319 Rn. 5).
2. Ergänzend weist der Senat noch auf Folgendes hin:
Mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rechtsfähigkeit der Außengesellschaft bürgerlichen Rechts ist es grundsätzlich auch möglich, gegen diese zwar nicht als Trägerin von Wohnungseigentum, wohl aber in ihrer Eigenschaft als Vermieterin von Wohnraum (§ 535 BGB; BGH, NJW 2001, 1056) nach § 1004 BGB vorzugehen. Zweifelhaft erscheint insoweit allenfalls, ob ein Unterlasssungsbegehren gegen die Gesellschaft statt vor dem allgemeinen Zivilgericht vor dem Wohnungseigentumsgericht nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG geltend gemacht werden kann.
3. Das Landgericht hat ausgeführt:
Den Antragstellern stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Eine unzulässige Nutzung stelle sich zugleich als eine Störung des Miteigentums der anderen Wohnungseigentümer dar, deren Beseitigung und Unterlassung nach § 1004 BGB, § 15 Abs. 3 WEG verlangt werden könne. Maßgeblich dafür, ob die Wohnung als Tierarztpraxis genutzt werden dürfe, sei die Regelung in § 1 Nr. 2 GO. Für die Auslegung seien die für Grundbucheintragungen anzuwendenden Grundsätze heranzuziehen. Es komme demnach allein auf Wortlaut und Sinn an, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergebe. Die Teilungserklärung gestatte die Ausübung von freien Berufen und Gewerben in den Wohnungen nicht uneingeschränkt. Eine andere Nutzung als zu Wohnzwecken solle eine Ausnahme bleiben, um den Charakter als Wohnanlage nicht zu verändern. Die Zulassung anderweitiger Nutzungen sei demnach die Ausnahme und die maßgebliche Regelung in der Gemeinschaftsordnung daher eng auszulegen. Das belege auch der Vergleich mit den großzügigeren Regelungen in der Gemeinschaftsordnung für Läden und Büros. Typischerweise mit einer Lärmbelästigung verbundene Nutzungen sollten in Wohnungen nicht gestattet sein. Eine Auslegung dahin, dass die Aufnahme lärmintensiver Nutzungen gestattet sei, diese dann aber ohne Lärmbelästigung vorgenommen werden müssten, liege keinesfalls nahe. Die Wohnungseigentümer hätten nach der Teilungserklärung nicht das Risiko auf sich nehmen wollen, dass eine typischerweise lärmintensive Nutzung stattfinden dürfe, wenn im Einzelfall eine Lärmbelästigung vermieden werden könne. Das sei auch kaum realisierbar.
Demnach bräuchten die Antragsteller jedenfalls eine solche freiberufliche Nutzung, von der typischerweise eine höhere Lärmbelästigung ausgehe als von einer Wohnnutzung, nicht zu dulden. Es sei eine typisierende Betrachtungsweise vorzunehmen. Deshalb bedürfe es keiner Beweiserhebung, ob und in welchem Ausmaß tatsächlich Lärmbelästigungen aus der Tierarztpraxis herrührten. Bereits das Risiko höherer Lärmbelästigungen müsse nicht hingenommen werden. Tiere befänden sich beim Arztbesuch in einer krankheitsbedingten Stress- oder Angstsituation; es seien daher lautes Bellen oder andere vergleichbar störende Tiergeräusche zu erwarten. Diesen Nachteil bräuchten die Antragsteller nicht zu dulden.
4. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Dahinstehen kann, ob die Antragsgegner die Wohnung vermietet haben oder aber die Gesellschaft (dazu Palandt/Sprau BGB 64. Aufl. § 535 Rn. 6) Vermieter des Wohnungseigentums ist. In jedem Fall sind die Antragsgegner im Verhältnis zu den anderen Wohnungseigentümern verpflichtet, zweckwidrige Nutzungen in ihrem Wohnungseigentum zu unterbinden (§ 15 Abs. 3 WEG). Sollten sie nicht selbst vermieten, träfe sie die gesellschaftsrechtliche Pflicht, auf die vermietende Gesellschaft Einfluss dahin zu nehmen, dass der Mietvertrag entsprechend angepasst, abgeändert oder aufgelöst wird.
b) Bei der Bezeichnung der den Antragsgegnern gehörenden Räume im Erdgeschoss als Wohnung handelt es sich um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter im Sinn von § 10 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 1 WEG. Zulässig ist grundsätzlich auch eine andere Nutzung, sofern sie nicht mehr stört oder beeinträchtigt als eine der Zweckbestimmung entsprechende Nutzung. Ob dies der Fall ist, muss an Hand einer typisierenden Betrachtungsweise festgestellt werden. Wird ein Wohnungs- oder Teileigentum nach diesen Grundsätzen zweckbestimmungswidrig genutzt, kann ein anderer Wohnungseigentümer die Unterlassung dieser Nutzung gemäß § 1004 Abs.1 Satz 2 BGB, § 15 Abs. 3 WEG verlangen (st. Rspr., z. B. BayObLG NZM 2001, 137; ZMR 2000, 234).
Die Regelung in § 1 Nr. 2 GO, die der Senat selbst auslegen kann, besagt nach ihrer nächstliegenden Bedeutung, dass eine andere als eine Nutzung zu Wohnzwecken nur gestattet sein soll, wenn sie, besonders unter dem Gesichtspunkt der Lärmbelästigung, nicht mehr stört als eine zweckbestimmungsgemäße Wohnungsnutzung. Das folgt aus der Aufzählung der erlaubten beruflichen Tätigkeiten, verbunden mit der Einschränkung, sie dürften keine Lärmbelästigung verursachen. Wie schon das Landgericht entnimmt auch der Senat der Gemeinschaftsordnung die Anforderung, dass andere als Wohnnutzungen nur dann zulässig sind, wenn sie keine höhere Lärmbelästigung hervorrufen als eine Wohnnutzung.
c) Zutreffend ist auch die Auffassung des Landgerichts, dass für die Beurteilung, ob von einer freiberuflichen Nutzung der Wohnung eine höhere Lärmbelästigung ausgeht, als wenn sie zu Wohnzwecken genutzt würde, auf eine typisierende Betrachtungsweise abzustellen ist (vgl. zuletzt ausführlich OLG Hamm FGPrax 2004, 12). Dies bedeutet nicht, dass die konkreten Umstände des Einzelfalles für die Beurteilung, ob eine Mehrbelastung vorliegt, gänzlich außer Betracht zu bleiben haben. Ob eine höhere Beeinträchtigung gegenüber dem vereinbarten Nutzungszweck zu bejahen ist, hängt nämlich auch davon ab, welches Gepräge und welchen Zuschnitt die abweichend von der Zwecksbestimmung vorgesehene oder ausgeübte Nutzung aufweist. Humanarztpraxen in Büroräumen (OLG Hamm FGPrax 2004, 12) oder Wohnungen (BayObLG NZM 2001, 137; OLG Düsseldorf FGPrax 1996,16; Pick in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 13 Rn. 46) werden als zulässig angesehen, wenn sie für die Mitbewohner keine größeren als die üblichen Störungen verursachen (Pick in Bärmann/Pick/Merle § 13 Rn. 46). Abgestellt wird hierbei auf den Zuschnitt der Praxis (z.B. Bestellpraxis) und den Umfang des Patientenverkehrs, auf die Sprechstundenzeiten, aber auch auf die Lage im Gebäude und die Größe des Gebäudes, in dem die Praxis betrieben wird.
d) Es erscheint zweifelhaft, ob eine tierärztliche Praxis als solche einer humanmedizinischen Praxis gleichgestellt werden kann und die maßgeblichen Gesichtspunkte deshalb ohne weiteres übertragbar sind. Denn es liegt nahe, die Begegnung mit und den Aufenthalt von fremden Tieren unterschiedlichster Arten und Rassen in zu Wohnzwecken bestimmten Gebäuden anders zu beurteilen als von Menschen, die zur Behandlung einen Arzt aufsuchen. Dessen ungeachtet ist auch dann, wenn man den Betrieb des Mieters mit dem einer humanmedizinischen Praxis gleichstellen wollte, die Nutzung vom Landgericht zu Recht untersagt worden. Denn es kommt typischerweise zu einem merklich gesteigerten, akustisch wahrnehmbaren Verkehr auf Gemeinschaftsflächen wie etwa im Hauseingangsbereich schon deshalb, weil die "Patienten" des Tierarztes zwangsläufig in Begleitung ihrer Halter erscheinen. Ein nicht unerheblicher Teil der Tiere wird nicht in Behältnissen wie Kästen oder Käfigen gebracht, sondern bewegt sich, wie etwa Hunde, auf eigenen Beinen. Manche Tiere stoßen, noch dazu unkontrolliert, verschiedenartigste Laute in unterschiedlicher Intensität aus, zumal dann, wenn sie sich in einer ihnen ungewohnten Umgebung befinden. Hinzu kommen durch den menschlichen Publikumsverkehr bedingte zusätzliche Störungen. Die Sprechstundenzeiten der Tierarztpraxis entsprechen zwar denen einer üblichen humanmedizinischen Praxis; darüber hinaus wird jedoch, was der Senat an Hand des unstreitigen Akteninhalts, nämlich dem Informationsblatt der Praxis, ergänzend feststellen kann, als wesentlicher Service auch Notdienst rund um die Uhr angeboten, der im Regelfall in der Praxis abgewickelt wird. Dies bedingt zusätzliche Störungen durch hausfremde Besucher auch an Abenden oder Wochenenden. Dass derartige Fälle eher selten vorkommen, spielt bei generalisierender Betrachtung keine entscheidende Rolle.
e) Eine andere Bewertung rechtfertigt sich auch nicht deshalb, weil in dem Anwesen ausgewiesen durch die vorgelegten Lichtbilder, eine Rechtsanwältin ihre Kanzlei unterhält und Sprechzeiten nach Vereinbarung anbietet. Bei einer derartigen freiberuflichen Tätigkeit handelt es sich nämlich um eine solche, die die Gemeinschaftsordnung als "nicht lärmende Bürotätigkeit" ausdrücklich gestattet.
f) Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob von einer Tierarztpraxis ausgehende Beeinträchtigungen, wie z.B. zusätzliche Verschmutzungen von Gemeinschaftseinrichtungen etwa im Eingangsbereich, über das Maß des § 14 Nr. 1, Nr. 2 WEG hinausgehen und der Nutzungsform ebenfalls entgegenständen. Der Tatrichter hat dazu keine Feststellungen getroffen. Die Gemeinschaftsordnung stellt für die Zulässigkeit eines in Wohnungen betriebenen Gewerbes oder freien Berufs ausdrücklich nur auf akustische Störungen ab. Der Senat neigt dazu, dass die gewählte Formulierung jedenfalls für den durch Wohnungen geprägten Bereich der Anlage andere wesentliche Beeinträchtigungen durch für Wohnungen atypische Nutzungen nicht als unerheblich ausschließen will. Die Regelung will vielmehr auch, wie der Tatrichter schon zutreffend hervorgehoben hat, eine Umwandlung von Wohnungen in Gewerberäume nur in einem eingeschränkten Rahmen zulassen.
3. Dem Senat erscheint es nach § 47 WEG angemessen, den in allen Rechtszügen unterlegenen Antragsgegnern neben den gerichtlichen Kosten auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller aufzuerlegen.
Die Festsetzung des Geschäftswerts ergibt sich aus § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Der Senat schließt sich den insoweit von allen Beteiligten gebilligten Bemessungen der Vorinstanzen an.
Ende der Entscheidung
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