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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 03.06.2008
Aktenzeichen: 34 Wx 29/08
Rechtsgebiete: BGB, GBO


Vorschriften:

BGB § 2289 Abs. 1 S. 2
GBO § 35 Abs. 1
GBO § 35 Abs. 2 Hs. 2
GBO § 52
1. Die einseitige testamentarische Anordnung der Testamentsvollstreckung für vertragsmäßig eingesetzte Erben stellt eine rechtliche Beeinträchtigung der bedachten Erben dar.

2. Zur Befugnis des Grundbuchamts, mehrere notarielle Verfügungen von Todes wegen bei sich nicht deckendem Inhalt selbständig auszulegen (hier: Einsetzung eines Testamentsvollstreckers durch den überlebenden Ehegatten).


Tatbestand:

Die Eltern des Beteiligten schlossen am 22.11.1968 vor dem Notar einen Ehe- und Erbvertrag, in dem sie Gütergemeinschaft vereinbarten und sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Im Nachtrag vom 5.12.2000 setzten sie als Schlusserben ihre sechs lebenden Kinder zu je 1/6-Anteil ein und bestimmten zugleich Ersatzerben.

Ferner vereinbarten sie unter Abschnitt III. folgende Abänderungsbefugnis

1. Sämtliche in erbvertraglicher Weise getroffenen Verfügungen können nicht einseitig widerrufen werden.

2. Der überlebende Ehepartner von uns ist jedoch berechtigt, die Schlusserbeinsetzung innerhalb der gemeinsamen Abkömmlinge einseitig abzuändern oder zu ergänzen. Er kann also die Erbquoten unter den Abkömmlingen ändern oder einen anderen Abkömmling zum Erben einsetzen, gemeinschaftlichen Abkömmlingen Vermächtnisse zuwenden, andere auf den Pflichtteil setzen oder - falls die Voraussetzungen vorliegen - den Pflichtteil entziehen.

...

Die Mutter des Beteiligten ist am 1.10.2002 vorverstorben. Mit notariellem Nachtrag vom 17.8.2006 ordnete der überlebende Vater des Beteiligten in Abänderung der Vorurkunden nach seinem Tod Testamentsvollstreckung an und bestimmte den Beteiligten zum Testamentsvollstrecker. In der Niederschrift ist vermerkt:

"Der Notar hat mich darauf hingewiesen, dass insoweit Auslegungsbedarf bestehen kann und eine Änderung von Vorurkunde und Nachtrag nur wirksam ist, wenn der seinerzeit vereinbarte Abänderungsvorbehalt auch die Anordnung der Testamentsvollstreckung umfasst.

Hierzu erkläre ich ergänzend, dass ich trotz Hinweis des Notars Beurkundung der von mir abgegebenen Erklärungen wünsche, da

- wir seinerzeit mit Abänderung und Ergänzung auch die Anordnung einer Testamentsvollstreckung gemeint haben.

- Ferner als Testamentsvollstrecker ein gemeinsamer Abkömmling eingesetzt wird, der nach dem Abänderungsvorbehalt sogar als Alleinerbe bestimmt werden könnte.

Der Vater des Beteiligten verstarb am 10.1.2007. Der Beteiligte und seine Geschwister nahmen die Erbschaft an. Der Beteiligte hat überdies auch das Testamentsvollstreckeramt angenommen.

Auf den Grundbuchberichtigungsantrag des Beteiligten hat das Grundbuchamt mit Zwischenverfügung vom 10.10.2007 unter Fristsetzung die Vorlage eines Testamentsvollstreckerzeugnisses verlangt. Den Antrag des Beteiligten, die in der Zwischenverfügung geäußerte Rechtsauffassung zu überprüfen, diese aufzuheben und die Erbfolge samt Testamentsvollstreckervermerk im Grundbuch einzutragen, hat das Grundbuchamt als Erinnerung behandelt, dieser nicht abgeholfen und sie am 31.10.2007 dem Grundbuchrichter vorgelegt. Dieser hat mit Beschluss vom 5.11.2007 nicht abgeholfen und das Verfahren der Beschwerdekammer vorgelegt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 25.1.2008 die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten.

Entscheidungsgründe:

Die weitere Beschwerde ist gemäß §§ 78, 80 Abs. 1 GBO zulässig. Rechtsmittelführer und beschwerdeberechtigt ist der Beteiligte, dessen Beschwerde vom Landgericht zurückgewiesen wurde. Die inzwischen ergangene weitere Verfügung des Grundbuchamts vom 21.2.2008, mit der es dem Beteiligten eine neue Frist zur Vorlage des Testamentsvollstreckerzeugnisses gesetzt hat, steht der Rechtsbeschwerde nicht entgegen. Sie würde von selbst hinfällig, falls das Rechtsmittel erfolgreich wäre, weil sie damit ihre rechtliche Grundlage verlöre (vgl. Demharter GBO 25. Aufl. § 78 Rn. 6).

Das Rechtsmittel bleibt jedoch erfolglos.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Beschwerde sei zulässig, aber unbegründet. Das Grundbuchamt habe zu Recht als weitere Voraussetzung der Eintragung der Testamentsvollstreckung auf der Vorlage eines Testamentsvollstreckerzeugnisses bestanden. Es sei in hohem Maße zweifelhaft, ob die Bestimmung des Erblassers im testamentarischen Nachtrag vom 17.8.2006 wirksam sei. Bei diesem könne es sich nämlich um eine unwirksame, weil vom Erbvertrag abweichende Verfügung handeln. Das ergebe sich bereits aus den vom Notar in der Urkunde festgehaltenen rechtlichen Hinweisen. Ob eine Vertragsauslegung die Zulässigkeit des Nachtrags ergebe, habe das Grundbuchamt nicht zu prüfen. Das Grundbuchamt dürfe keine eigenen Ermittlungen anstellen, es dürfe nur vorgelegte öffentliche Urkunden bzw. offenkundige Tatsachen berücksichtigen.

Die Wirksamkeit der Testamentsvollstreckerbestimmung zu prüfen sei Aufgabe des Nachlassgerichts. Die Anhörung von Miterben könne unter Umständen die Auslegung des Erbvertrags erleichtern. Der Umstand, dass alle Erben mit der Testamentsvollstreckung einverstanden seien, mache eine solche nicht bereits deshalb wirksam.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 78 GBO, § 546 ZPO).

a) Zum Verfahren des Amtsgerichts ist anzumerken, dass gegen Entscheidungen des Rechtspflegers das Rechtsmittel gegeben ist, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist (§ 11 Abs. 1 RPflG). Dies ist die Beschwerde nach § 71 Abs. 1 GBO (vgl. dazu Demharter § 71 Rn. 5) an das Landgericht (§ 72 GBO).

Die Erinnerung, die bei Nichtabhilfe dem Grundbuchrichter vorzulegen war und der sie seinerseits, wenn er sie nicht für begründet erachtet, dem Rechtsmittelgericht vorzulegen hatte (Durchgriffserinnerung), ist durch das 3. Rechtspflegeänderungsgesetz (RPflÄndG vom 6.8.1998 BGBl. I 2030) abgeschafft worden (dazu Bassenge/Roth FGG/RPflG 11. Aufl. § 11 RPflG Rn. 5).

b) Ist das Grundbuch durch den Tod des Vermögensträgers unrichtig geworden, ist es zu berichtigen (§ 22 GBO). Dies hat in der Regel durch Antrag zu erfolgen. Beruht die Erbfolge - wie hier - auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, kann sie statt durch Erbschein auch durch notariellen Vertrag und die Niederschrift über dessen Eröffnung geführt werden (§ 35 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 GBO). Erachtet jedoch das Grundbuchamt die Erbfolge durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen, so kann es die Vorlegung eines Erbscheins verlangen (§ 35 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 GBO). Auf den Nachweis der Befugnis des Testamentsvollstreckers sind diese Vorschriften entsprechend anzuwenden (§ 35 Abs. 2 Halbsatz 2 GBO).

Nach § 52 GBO ist bei der Eintragung des Erben, wenn ein Testamentsvollstrecker ernannt ist, dies von Amts wegen, also auch ohne Antrag gleichzeitig mit einzutragen ist (Demharter § 52 Rn. 13). Das bedeutet, dass die durch den notariellen Nachtrag vom 5.12.2000 ausgewiesenen Erben vom Grundbuchamt nur eingetragen werden können, wenn in grundbuchmäßiger Form entweder das Bestehen oder aber das Nichtbestehen von Testamentsvollstreckung nachgewiesen ist. Im ersteren Fall hat das Grundbuchamt die Berichtigung mit, im letzteren Fall ohne Testamentsvollstreckervermerk vorzunehmen.

Das Grundbuchamt hat die Verfügung(en) auch dann selbst auszulegen, wenn rechtlich schwierige Fragen zu beurteilen sind (z.B. OLG Köln Rpfleger 2000, 157; BayObLG Rpfleger 2000, 266). Bei der Auslegung sind auch außerhalb der Verfügung(en) liegende Umstände zu berücksichtigen, sofern sie sich aus öffentlichen Urkunden ergeben, die dem Grundbuchamt vorliegen; gesetzliche Auslegungsregeln hat das Grundbuchamt zu beachten, wenn auch das Nachlassgericht voraussichtlich darauf zurückgreifen müsste (BayObLG Rpfleger 2000, 324; OLG Stuttgart Rpfleger 1992, 154). Eine Auslegung scheidet jedoch aus, wenn das Grundbuchamt aufgrund der Eintragungsunterlagen nicht zu einer abschließenden Würdigung in der Lage ist (OLG Zweibrücken Rpfleger 2001, 173; Demharter § 35 Rn. 42).

c) Grundbuchamt und Beschwerdekammer gehen zutreffend davon aus, dass die Befugnis des Testamentsvollstreckers zur Verfügung über die zum Nachlass gehörenden Grundstücke durch öffentliche Urkunden nicht nachgewiesen ist.

Der notarielle Nachtrag vom 17.8.2006 weist Testamentsvollstreckung in Form der Dauervollstreckung für den gesamten Nachlass, insbesondere auch den Grundbesitz, mit der Befugnis der Veräußerung und anschließenden Abwicklungsvollstreckung ohne zeitliche Schranken aus. Die Anordnung unterliegt rechtlichen Bedenken, weil eine spätere Verfügung von Todes wegen grundsätzlich unwirksam ist, soweit sie das Recht der zuvor vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würde (§ 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die einseitige testamentarische Anordnung der Testamentsvollstreckung für vertragsmäßig eingesetzte Erben ist ein anerkanntes Beispiel rechtlicher Beeinträchtigung (BGH NJW 1962, 912; OLG Hamm FGPrax 1995, 241; Palandt/Edenhofer BGB 67. Aufl. § 2289 Rn. 5). Indes sind "vertragsmäßige" Verfügungen nicht deshalb schon solche, weil sie in einem Erbvertrag stehen. Vielmehr ist grundsätzlich im Weg der Auslegung für jede Verfügung gesondert zu ermitteln, ob sie als vertraglich gewollt anzusehen ist, also ob und inwieweit gegenseitige Bindung oder freie Widerruflichkeit der Bestimmung beabsichtigt war (BayObLG FamRZ 1994, 196). Besonders nahe liegt eine vertragsmäßige Verfügung bei Zuwendungen an den Vertragspartner selbst, wie z. B. bei gegenseitiger Erbeinsetzung von Eheleuten, aber auch bei Zuwendungen an gemeinsame Kinder (BayObLG DNotZ 1989, 812; Palandt/Edenhofer § 2289 Rn. 3). Die Abänderungsbefugnis in Abschnitt III.2 des Nachtrags vom 5.12.2000 steht dem nicht entgegen (BayObLG aaO.). Zudem weist die Urkunde vom 5.12.2000 unter Abschnitt III.1 auch den eindeutigen Willen aus, dass die in erbvertraglicher Weise getroffenen Verfügungen nicht einseitig widerrufen werden können.

Die als Ausnahme formulierte Abänderungsbefugnis in Abschnitt III.2 erlaubt ihrem Wortlaut nach nicht die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers. Dies spricht gegen eine über die im Einzelnen festgelegte Änderungsbefugnis hinausgehende erweiternde Interpretation. Auch haben notarielle Urkunden zunächst die Vermutung für sich, dass in ihrer Fassung das tatsächlich Gewollte vollständig und richtig zum Ausdruck kommt (Staudinger/Hertel BGB 13. Bearb. § 125 Rn. 92, 94). Bei notariellen Verfügungen von Todes wegen spricht eine Vermutung dafür, dass objektiver Erklärungsinhalt und Erblasserwille übereinstimmen (BayObLG FamRZ 1996, 1037; OLG Köln RPfleger 1982, 424; Palandt/Edenhofer § 2084 Rn. 2). Selbst wenn es die Abänderungsklausel erlauben sollte, dass der Überlebende im äußersten Fall die Einsetzung eines Abkömmlings zum Alleinerben unter Ausschluss der übrigen Abkömmlinge verfügen kann, so ist damit eine Testamentsvollstreckung, die trotz Erbes die Verfügungsbefugnis vollständig entzieht, nicht grundsätzlich mit umfasst.

Maßgeblich ist indes nicht die Auffassung des Notars und das von ihm in der Urkunde zum Ausdruck Gebrachte, sondern der Wille der Testierenden (Palandt/Edenhofer aaO.). So mögen außerhalb der Urkunde liegende Umstände zu einem anderen Ergebnis führen. Diese haben in dem Zweifelsvermerk des Notars (§ 17 Abs. 2 BeurkG; dazu Winkler BeurkG 15. Aufl. § 17 Rn. 273) insoweit ihren Niederschlag gefunden, als der Erblasser erklärt hat, sie (d. h. die Ehegatten) hätten seinerzeit mit Abänderung und Ergänzung auch die Anordnung einer Testamentsvollstreckung gemeint.

Ermittlungen, die eine diesbezügliche Auslegung des maßgeblichen gemeinschaftlichen Willens der Eheleute bei Errichtung des Erbvertragsnachtrags erlaubten, sind jedoch dem Nachlassgericht vorbehalten.

Zutreffend sind die Vorinstanzen auch davon ausgegangen, dass durchaus noch konkrete Aufklärungsmöglichkeiten, etwa durch Anhörung der Kinder des Erblassers oder des im Jahr 2000 tätigen Urkundsnotars, in Betracht zu ziehen sind.

d) Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es die Urkundenlage allein, ohne weitere tatsächliche Aufklärung, umgekehrt auch nicht erlaubt, eine Berichtigung des Grundbuchs ohne Eintragung des Testamentsvollstreckervermerks vorzunehmen.

Dass alle Erben mit der Testamentsvollstreckung einverstanden sind, spielt für die grundbuchamtliche Behandlung keine Rolle (Palandt/Edenhofer § 2289 Rn. 5).

Ende der Entscheidung

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