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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 11.05.2007
Aktenzeichen: 34 Wx 43/07
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 27
WEG § 43 Abs. 2
Bei der Bestellung eines Notverwalters für eine Wohnanlage überschreitet das Gericht sein Rechtsfolgeermessen, wenn es ohne sachliche Notwendigkeit die gesetzlich geregelten Kompetenzen des Verwalters erweitert (hier: Befugnis zur Erteilung von Aufträgen für die Wohnungseigentümergemeinschaft bis zu einem Betrag von 2.000 EUR ohne Beschluss der Eigentümerversammlung).
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Antragsgegner zu 1 verfügt über 386,47/1000 und 119,73/1000 Miteigentumsanteile. Bislang hat der Antragsgegner zu 1 Aufgaben eines Verwalters wahrgenommen, ohne dass die Eigentümergemeinschaft ihn oder einen Dritten zum Verwalter bestellt hatte.

Auf Antrag des Antragstellers zu 1 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 27.9.2006 eine Verwalterin für die Wohnanlage bestellt. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zu 1 hat das Landgericht mit Beschluss vom 9.2.2007 in Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung eine andere Verwalterin bestellt und deren Befugnisse u.a. wie folgt geregelt:

Der Verwalter darf ohne Beschluss einer Versammlung jeweils Aufträge für die Wohnungseigentümergemeinschaft bis zu einem Betrag von 2.000 EUR vergeben.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts hat die Antragsgegner zu 1 sofortige weitere Beschwerde eingelegt, wobei er sich ausschließlich gegen die Befugnis der Verwalterin zur Erteilung von Aufträgen für die Wohnungseigentümergemeinschaft bis zu einem Betrag von 2.000 EUR ohne Beschluss der Eigentümerversammlung wendet, soweit ein nicht dringender Fall im Sinne von § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG vorliegt.

II.

1. Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere ist der Beschwerdewert von 750 Euro gemäß § 45 Abs. 1 WEG überschritten. Die sofortige weitere Beschwerde richtet sich nicht gegen die Verwalterbestellung als solche, sondern gegen die vom Landgericht eingeräumte Befugnis der Verwalterin zum Abschluss von Verträgen bis zu einem Betrag von 2.000 EUR ohne gesonderten Beschluss der Wohnungseigentümer. Das vermögenswerte Interesse des Antragsgegners zu 1 an dieser Regelung bewertet der Senat mit mehr als 750 EUR (vgl. § 45 Abs. 1 WEG). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner zu 1 etwas mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile innehat und damit rechnen muss, mit dieser Quote an Verpflichtungen beteiligt zu werden, die die Verwalterin im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft aufgrund der angefochtenen Regelung eingehen kann.

2. Das Rechtsmittel ist begründet. Die landgerichtliche Entscheidung hält, soweit sie angefochten ist, der auf Rechtsfehler gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, §§ 546, 559 Abs. 2 ZPO beschränkten Nachprüfung durch den Senat nicht stand.

a) Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Antragsteller könnten zur Verwirklichung ihres Anspruchs auf eine ordnungsmäßige Verwaltung (§ 21 Abs. 4 WEG) die gerichtliche Bestellung eines Verwalters verlangen. Da der Antragsgegner zu 1 die übrigen Wohnungseigentümer majorisiere, könne das Gericht unmittelbar einen Verwalter bestellen. Im Rahmen der Verwalterbestellung seien die Vergütung und Kompetenzen des Verwalters zu regeln, um Auseinandersetzungen über Vertragsinhalte zu vermeiden.

b) Der vom Landgericht festgestellte Sachverhalt rechtfertigt die angefochtene Regelung nicht. Da auch ergänzende Feststellungen, die die Anordnung tragen könnten, nicht zu erwarten sind, ist sie vom Senat ersatzlos aufzuheben. Es genügt die gesetzliche Kompetenz des Verwalters zur Vertretung der Wohnungseigentümer gemäß § 27 Abs. 2 WEG, in deren Rahmen der Verwalter insbesondere auch befugt ist, in dringenden Fällen gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG namens der Wohnungseigentümer Aufträge zu vergeben (vgl. BGHZ 67, 232; Palandt/Bassenge BGB 66. Aufl. § 27 WEG Rn. 7).

(1) Grundsätzlich kann das Wohnungseigentumsgericht auf Antrag eines Wohnungseigentümers einen Verwalter nicht nur unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 3 WEG bestellen, sondern auch gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG i.V.m. § 21 Abs. 4 WEG zur Verwirklichung des Anspruchs des Wohnungseigentümers auf eine ordnungsmäßige Verwaltung (BayObLG NJW-RR 1989, 461 m.w.N.). Das Gericht kann im Rahmen seines Rechtsfolgeermessens gemäß § 43 Abs. 2 WEG auch Einzelheiten der Bestellung und des Rechtsverhältnisses zwischen den Wohnungseigentümern und dem Notverwalter regeln, und zwar in demselben Umfang, wie es die Wohnungseigentümer auch könnten (vgl. Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 43 Rn. 48, 49). Es ist insoweit nicht an den Wortlaut der Anträge der Verfahrensbeteiligten gebunden, hat jedoch bei der Festlegung der Regelung nach pflichtgemäßem Ermessen die Interessen aller Wohnungseigentümer zu berücksichtigen. Im Rahmen der Ermessensentscheidung hat das Wohnungseigentumsgericht auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und darf nicht ohne Grund in die Privatautonomie der Gemeinschaft eingreifen, indem es Regelungen trifft, die die Entscheidungsfreiheit der Gemeinschaft über das erforderliche Maß hinaus einschränken.

Zwar kann das Rechtsbeschwerdegericht die Ermessensentscheidung des Tatrichters nur in begrenztem Umfang überprüfen, eine Verletzung des Rechts im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 FGG ist jedoch gegeben, wenn das Beschwerdegericht sein Ermessen nicht ausgeübt oder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat.

Vorliegend lässt die landgerichtliche Entscheidung nicht erkennen, weshalb es zum Zwecke der ordnungsmäßigen Verwaltung erforderlich sein soll, die Befugnisse der Verwalterin über den in § 27 WEG enthaltenen gesetzlichen Katalog hinaus zu erweitern. Ohne besondere Dringlichkeit (§ 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG) ist es grundsätzlich der Eigentümergemeinschaft vorbehalten, mehrheitlich über rechtsgeschäftliche Maßnahmen betreffend die Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums abzustimmen und zu entscheiden, auch wenn sie wirtschaftlich unbedeutenderer Art sind. Auch aus dem Vorbringen der Verfahrensbeteiligten lassen sich keine Gründe entnehmen, weshalb im konkreten Fall ein Bedürfnis zur Abweichung von den gesetzlich vorgesehenen Kompetenzen bestehen sollte. Bislang haben nicht einmal die Antragsteller eine Notwendigkeit für die vom Landgericht getroffene Regelung gesehen. Hinzu kommt, dass es sich vorliegend um eine kleine Eigentümergemeinschaft mit einem eher geringen Verwaltungsbedarf handelt. Allein der Umstand, dass die Antragsteller Diskussionen mit dem Antragsgegner zu 1 befürchten, rechtfertigt die angefochtene Regelung nicht. Trotz der bestehenden Meinungsverschiedenheiten zwischen den Wohnungseigentümern lässt sich bislang nicht feststellen, dass der Antragsgegner zu 1 die zu seinen Gunsten bestehenden Mehrheitsverhältnisse dazu missbrauchen wird, die Tätigkeit der Verwalterin unzumutbar zu erschweren oder unmöglich zu machen, indem er seine Zustimmung zu Maßnahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung des Gemeinschaftseigentums verweigert.

Mit der angefochtenen Regelung hat das Landgericht somit die Grenzen seines Ermessens überschritten. Sie ist aufzuheben mit der Folge, dass es bei den gesetzlich festgelegten Kompetenzen der Verwalterin entsprechend § 27 WEG verbleibt.

(2) Im übrigen würde eine generelle Ermächtigung des Verwalters zur Vergabe von Aufträgen ohne Beteiligung der Wohnungseigentümergemeinschaft bis zu einem Betrag von 2.000 EUR auch deshalb rechtlichen Bedenken begegnen, da es an einer gesicherten Risikobegrenzung - sei es in Form eines maximalen Auftragsvolumens pro Jahr oder einer gegenständlichen Beschränkung - fehlt. Für den einzelnen Wohnungseigentümer wäre damit die mögliche finanzielle Belastung nicht kalkulierbar, und er wäre auch nicht gegen die Gefahr eines Missbrauchs der eingeräumten Kompetenz durch den Verwalter geschützt (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 660/661).

3. Dem Senat erscheint es nach § 47 WEG angemessen, den unterlegenen Antragstellern die gerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten besteht keine Veranlassung.

4. Der Geschäftswert des Verfahrens bestimmt sich gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG nach dem Interesse aller Beteiligten, nicht nur des Antragsgegners zu 1, an der Entscheidung. Für das Rechtsbeschwerdeverfahren schätzt der Senat den Geschäftswert entsprechend der streitgegenständlichen Befugnis zum Abschluss von Verträgen auf 2.000 EUR. Hinsichtlich der Wertfestsetzung in den Vorinstanzen macht der Senat von der Möglichkeit des § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO Gebrauch. Ist Verfahrensgegenstand die Bestellung oder die Abberufung eines Verwalters, bildet regelmäßig das Honorar des Verwalters den Anknüpfungspunkt für die Geschäftswertfestsetzung. Zugrunde zu legen ist dabei nicht pauschal ein Jahresgehalt, sondern die Vergütung, die der Verwalter in dem Zeitraum seiner Bestellung noch beziehen würde (vgl. BayObLG WuM 2001, 629 m.w.N.). Mangels anderweitiger Regelung ist vorliegend die Verwalterin für 5 Jahre bestellt (§ 26 Abs. 1 WEG), woraus sich ein Geschäftswert von 6.426 EUR (5 x 1.285,20 EUR) errechnet. Unerheblich ist, ob die Eigentümergemeinschaft vor Ablauf der Fünfjahresfrist von der Möglichkeit Gebrauch macht, einen anderen Verwalter zu berufen. Anhaltspunkte dafür, dass die gerichtlich bestellte Verwalterin lediglich für einen kurzen Zeitraum tätig wird, liegen - anders als in dem vom Oberlandesgericht Stuttgart entschiedenen Fall - nicht vor (OLG Stuttgart, ZMR 2003, 782).

Ende der Entscheidung

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