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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 23.02.2005
Aktenzeichen: 34 Wx 5/05
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 273
WEG § 14
Durch einen bestandskräftigen Eigentümerbeschluss, der die Verwaltung ermächtigt, wegen bestehender Wohngeldrückstände gegen einen Wohnungseigentümer im Wege des Zurückbehaltungsrechts ganz oder teilweise eine Versorgungssperre zu verhängen und diese Maßnahme einschließlich eines Betretens der Wohnung zur Vorbereitung und Anbringung von Absperrvorrichtungen notfalls auch gerichtlich durchzusetzen, wird der Tatrichter, der über die Duldung des Wohnungszutritts zu entscheiden hat, nicht davon entbunden, Feststellungen zu den tatsächlichen Voraussetzungen des Zurückbehaltungsrechts und zur Verhältnismäßigkeit der begehrten Maßnahmen zu treffen.
Tatbestand:

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Den Antragsgegnern gehört eine Wohnung, die nicht vermietet ist.

Am 22.3.2004 wurde in der Eigentümerversammlung unter Tagesordnungspunkt (TOP) 5.2.2 mehrheitlich folgender Beschluss gefasst:

Die Verwaltung wird beauftragt und bevollmächtigt, angesichts der bestehenden Wohngeldrückstände und sonstigen Forderungen der Gemeinschaft in Abstimmung mit den Beratern des Verwalters gegen den betreffenden Eigentümer, Herrn und Frau W. (die Antragsgegner), hinsichtlich der Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums sowie der Belieferung durch die Gemeinschaft (Wasser, Heizenergie, Nutzung von gemeinschaftlichen Stromleitungen etc.) ganz oder teilweise das Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB auszuüben und diese Maßnahmen einschließlich eines Betretens der Wohnung zur Vorbereitung und Anbringung von Absperrvorrichtungen namens der Gemeinschaft, notfalls auch gerichtlich, unter Beauftragung eines fachkundigen Rechtsanwalts durchzusetzen.

Die Antragsgegner haben diesen Beschluss angefochten. Der Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses blieb jedoch ohne Erfolg (vgl. Beschluss des BayObLG vom 3.11.2004, 2Z BR 188/04). Im Laufe dieses Verfahrens hatten die Antragssteller erklärt, auf die Durchsetzung eines Zurückbehaltungsrechts hinsichtlich der Nutzung der gemeinschaftlichen Stromleitungen verzichten zu wollen.

Die Antragsteller verlangen nun von den Antragsgegnern die Duldung des Zutritts zu deren Wohnung, um dort durch die Hausverwaltung bzw. von dieser beauftragte Personen Absperrvorrichtungen für sämtliche Kaltwasser-, Warmwasser- und Heizungszuleitungen anbringen zu können.

Das Amtsgericht hat am 19.8.2004 dem Antrag stattgegeben und für den Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft angedroht. Durch Beschluss vom 15.12.2004 hat das Landgericht die gegen diese Entscheidung eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegner zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.

Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Landgericht.

Gründe:

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Antragsgegner seien auf Grund des bestandskräftigen Eigentümerbeschlusses vom 22.3.2004 zur Duldung der beantragten Maßnahmen verpflichtet. Diese dienten der Ausübung des den Wohnungseigentümern zustehenden Zurückbehaltungsrechts.

2. Die Ausführungen des Landgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Das Landgericht geht rechtsfehlerhaft davon aus, dass die Antragsgegner allein auf der Grundlage des bestandskräftigen Eigentümerbeschlusses vom 22.3.2004 zur Duldung der beantragten Maßnahmen verpflichtet seien.

Ein Eigentümerbeschluss ist aus sich heraus, objektiv und normativ auszulegen. Maßgebend ist hierbei die nächstliegende Bedeutung, wie sie sich für einen unbefangenen Betrachter darstellt. Die Auslegung kann das Rechtsbeschwerdegericht ohne Bindung an die des Landgerichts selbständig vornehmen (st. Rspr.; vgl. BayObLG ZMR 2004, 606). Nächstliegende Bedeutung des Eigentümerbeschlusses vom 22.3.2004 ist es, den Verwalter zur Ausübung und Durchsetzung des den Antragstellern gegenüber den Antragsgegnern nach Auffassung der Wohnungseigentümer zustehenden Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB zu ermächtigen. Dies gilt aber nicht unabhängig vom tatsächlichen Bestehen eines solchen Rechts. Anders als in dem vom Bayerischen Obersten Landesgericht im Beschluss vom 31.3.2004 (2Z BR 224/03 = NZM 2004, 556) entschiedenen Fall, in dem die Abtrennung der Versorgungsleitungen unmittelbar Gegenstand eines Eigentümerbeschlusses war, können die Antragsgegner hier nur dann zur Duldung des Betretens ihrer Wohnung und des Anbringens der beantragten Absperrvorrichtungen verpflichtet werden, wenn die in dem Eigentümerbeschluss vom 22.3.2004 lediglich unterstellten Voraussetzungen eines Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB tatsächlich gegeben sind. Dazu gehört, dass die Zahlungsverpflichtungen der Antragsgegner gegenüber den Antragstellern feststehen und fällig sind, ferner muss der Ausschluss von den Versorgungsleistungen verhältnismäßig sein (vgl. Kahlen WE 2005, 30; Hogenschurz DWE 2004, 124/127; Gaier ZWE 2004, 109/115).

Zu diesen Fragen aber haben die Tatsacheninstanzen bislang keinerlei Feststellungen getroffen. Der Senat kann sie als Rechtsbeschwerdegericht nicht nachholen (vgl. Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 58), zumal insoweit aus den Akten keine ausreichende Grundlage ersichtlich ist. Die Antragsgegner, die im vorliegenden Verfahren behauptet haben, zumindest Teilzahlungen geleistet zu haben, wollen zwar das Vorhandensein von Rückständen offensichtlich nicht bestreiten. Das führt aber vor dem Hintergrund des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 12 FGG) nicht dazu, dass auf Feststellungen völlig verzichtet werden könnte, die sich auf das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechts überhaupt und auf die Verhältnismäßigkeit seiner Ausübung beziehen. Dies gilt umso mehr, als mit der Verpflichtung der Antragsgegner zur Duldung des Betretens ihrer Wohnung eine Beeinträchtigung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG (Art. 106 Abs. 3 BayVerf) verbunden ist.

3. Für das weitere Verfahren wird bemerkt:

Sollte das Landgericht im weiteren Verlauf des Verfahrens zu dem Ergebnis kommen, dass die Antragsteller durch die beantragten Maßnahmen in einer im Verhältnis zur Höhe ihrer Forderungen angemessener Art und Weise von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen, kann davon ausgegangen werden, dass sich die Rechtsbeeinträchtigung der Antragsgegner im Rahmen von § 14 WEG hält. Die Antragsgegner sind dann in entsprechender Anwendung von § 14 Nr. 4 WEG verpflichtet, das Betreten ihrer Wohnung zum Zweck des Absperrens der Versorgungsleitungen zu dulden (Staudinger/Bub WEG § 28 Rn. 146; Gaier ZWE 2004, 109/116). Dass durch die Maßnahmen für die Antragsgegner nicht mehr hinnehmbare Härten entstünden, ist nach dem gegenwärtigen Sachstand nicht ersichtlich. Insbesondere spricht derzeit nichts dafür, dass die jederzeit wieder rückgängig zu machende Absperrung der Leitungen die anstehende Zwangsversteigerung und den hierbei zu erwartenden Erlös maßgeblich beeinflussen wird. Die Frage, wer für eventuell entstehende Schäden an einzelnen Fliesen aufzukommen hat, ist hier nicht Verfahrensgegenstand. Eine Beschädigung von Gegenständen ihres Sondereigentums, die über das mit dem Anbringen der Absperrvorrichtungen verbundene Maß hinausgeht, haben die Antragsgegner auf Grund eines Zurückbehaltungsrechts der Antragsteller jedenfalls nicht zu dulden.

4. Eine Kostenentscheidung ist an dieser Stelle nicht veranlasst. Das Landgericht wird über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens in seiner abschließenden Entscheidung mit zu befinden haben.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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