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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 28.10.2005
Aktenzeichen: 34 Wx 50/05
Rechtsgebiete: BGB, WEG
Vorschriften:
BGB § 242 | |
WEG § 21 Abs. 3 | |
WEG § 21 Abs. 4 | |
WEG § 28 Abs. 3 | |
WEG § 45 Abs. 1 |
2. Zur Abänderung eines Kostenverteilungsschlüssels.
Tatbestand:
Die Antragstellerin und die beiden Antragsgegner bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Der Antragstellerin gehört die Wohnung Nr. 3. Ihr Miteigentumsanteil beträgt 209/1.000. Nach § 7 Abs. 2 der Gemeinschaftsordnung werden die Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums nach Miteigentumsanteilen aufgeteilt, ebenso auch die sonstigen Bewirtschaftungskosten, soweit sie nicht nach Verbrauch aufgeteilt werden können. In den Hausgeldabrechnungen für das Rumpfjahr 2001 (4. Quartal) und für das Gesamtjahr 2002 legte die Verwalterin bei den verbrauchsunabhängigen Kosten irrtümlich einen Miteigentumsanteil der Antragstellerin von 220/1.000 zugrunde. In der Eigentümerversammlung vom 6.3.2002 wurde die Abrechnung für das Rumpfjahr 2001, in der Versammlung vom 9.4.2003 die Abrechnung für das Jahr 2002 mehrheitlich genehmigt. Die Beschlüsse wurden nicht angefochten und sind bestandskräftig.
Die Antragstellerin erklärte bereits in der Eigentümerversammlung vom 9.4.2003, dass ihr Miteigentumsanteil geringer als 220/1.000 sei und daher der Hausgeldabrechnung ein falscher Verteilungsschlüssel zu Grunde liege. Deswegen stellte sie ab März 2003 ihre Vorauszahlungen auf das Verwaltungskonto ein. Die Eigentümergemeinschaft war deswegen ab Juni 2003 zahlungsunfähig. Im Oktober 2003 belief sich der Rückstand der Antragstellerin auf 1.867 EUR.
Mit Schreiben vom 30.10.2003 lud die Verwalterin zu einer außerordentlichen Eigentümerversammlung am 4.11.2003 unter Angabe der Tagesordnung ein. In der Versammlung, bei der alle Eigentümer anwesend waren, wurden folgende Feststellungen getroffen und Beschlüsse gefasst (soweit hier noch erheblich):
Tagesordnungspunkt (TOP) 1:
Begrüßung und Feststellung der Beschlussfähigkeit.
TOP 3 (Kontoüberziehung):
Der Verwalter ist berechtigt, für das WEG-Konto einen Überziehungskredit in Höhe von 2.500 EUR einzuräumen.
TOP 4 (Berichtigung der Abrechnung Dr. M. = Antragstellerin):
Die Abrechnungen 2001 - 2002 ....... werden hingehend der 1.000stel Anteile geändert und berichtigt. Die geänderte Abrechnung liegt dem Protokoll bei. Die Abrechnung wird genehmigt und gebilligt.
In der neuen Abrechnung war der Miteigentumsanteil der Antragstellerin vom 220/1.000 auf 209/1.000 korrigiert.
Die Antragstellerin hat beantragt, die Feststellungen und Beschlüsse zu den TOP 1, 3 und 4 für ungültig zu erklären. Sie ist der Ansicht, dass die Eigentümerbeschlüsse unter einem Einberufungsmangel leiden, da die Ladungsfrist nicht eingehalten worden sei. Zudem sei die generelle Genehmigung eines Überziehungskredits nicht rechtmäßig. Auch die neuen Abrechnungen für 2001 und 2002, abgerechnet nach einem Miteigentumsanteil von 209/1.000, seien fehlerhaft, da ihr Anteil höchstens 160/1.000 betrage.
Das Amtsgericht hat mit Beschlüssen vom 7.7.2004 und vom 12.1.2005 die Anträge abgewiesen. Gegen diese Beschlüsse hat die Antragstellerin jeweils sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 8.4.2005 hat das Landgericht die Rechtsmittel der Antragstellerin zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde. Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
Gründe:
1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig.
a) Der Beschwerdewert (§ 45 Abs. 1 WEG) ist erreicht. Der Wert der einzelnen Anträge ist dabei zusammenzurechnen (BGH NJW 2003, 3124/3125). Dadurch ergibt sich ein Beschwerdewert, der deutlich über 750 EUR liegt.
Schon das vermögenswerte Interesse für die Beschlussanfechtung zu TOP 3 liegt bei rund 600 EUR. Die Beschwer der Antragstellerin hinsichtlich des Überziehungskredites richtet sich dabei nach dem im Innenverhältnis auf sie möglicherweise entfallenden Haftungsanteil, da sie nicht für den gesamten Kredit in Anspruch genommen werden kann (a.A. noch Niedenführ/Schulze WEG 7. Aufl. § 45 Rn. 12). Eine mögliche Vollstreckung der Bank müsste sich, nach Anerkennung der Wohnungseigentümergemeinschaft als insoweit rechtsfähig, (BGH NJW 2005, 2161), gegen das Vermögen der Gemeinschaft richten. An diesem ist die Antragstellerin nur in Höhe ihres Miteigentumsanteils beteiligt. Bei einem Miteigentumsanteil von 209/1.000 entfällt bei einem Kreditvolumen von 2.500 EUR ein Anteil von 522, 50 EUR auf die Antragstellerin. Für das Interesse sind zusätzlich noch mögliche Zinsen des Kredits zu berücksichtigen; es kann deshalb mit insgesamt rund 600 EUR bewertet werden. Hinzu kommt die vermögensmäßige Beschwer durch den Beschluss zu TOP 4 (Hausgeldabrechnung), die jedenfalls über 150 EUR liegt.
b) Die Antragstellerin ist verfahrensfähig. Diese Überzeugung hat das Landgericht unter Beiziehung eines in einem Parallelverfahren eingeholten medizinischen Gutachtens und durch den persönlichen Eindruck im Verhandlungstermin rechtsfehlerfrei gewonnen. Grundlegend neue Tatsachen für eine andere Beurteilung durch den Senat liegen nicht vor.
2. In der Sache ist die sofortige weitere Beschwerde nicht begründet.
a) Das Landgericht hat ausgeführt:
(1) Der Gegenstand zu TOP 1 sei nicht gesondert anfechtbar, weil er keinen Beschluss der Eigentümerversammlung enthalte. Die Begrüßung durch einen Vertreter der Verwalterin sowie die Feststellung, dass alle Eigentümer anwesend seien, hätten keinen sachlichen Inhalt. Soweit sich die Antragstellerin dagegen wende, dass wegen eines Einberufungsmangels die Eigentümerversammlung nicht hätte abgehalten werden dürfen, sei diese Frage nur im Rahmen der Wirksamkeit der weiter gefassten Beschlüsse zu prüfen.
(2) Der Eigentümerbeschluss betreffend den Überziehungskredit (TOP 3) entspreche den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, § 21 Abs. 3 und 4 WEG. Die Aufnahme eines Kontokorrentkredits sei im allgemeinen Geschäftsverkehr üblich und stelle eine relativ kostengünstige Möglichkeit dar, kurzfristigen Finanzbedarf zu decken. Die pünktliche Begleichung offener Rechnungen sei erforderlich und bei der Eigentümergemeinschaft nicht mehr gewährleistet gewesen. Das Kreditvolumen von 2.500 EUR sei angemessen, da es am Finanzbedarf der Gemeinschaft orientiert sei und die Summe der Hausgeldvorauszahlungen aller Eigentümer für drei Monate nicht übersteige.
(3) Die Anfechtung des zu TOP 4 gefassten Beschlusses über die Jahresabrechnungen 2001 und Jahr 2002 sei unbegründet, da die Eigentümerversammlung in nicht zu beanstandender Weise von den Bestimmungen der Teilungserklärung ausgegangen sei. Diese entspreche der gesetzlichen Regelung gemäß § 16 Abs. 2 WEG.
Ein Anspruch der Antragstellerin auf Neufestsetzung des Verteilungsschlüssels bestehe nicht, da der Verteilungsschlüssel nicht grob unbillig sei. Auch unter Zugrundelegung der Ansicht der Antragstellerin ergebe sich nur eine Veränderung der Kostenverteilung von knapp 5% der Gesamtkosten, was bei der Jahresabrechnung 2002 für die Antragstellerin einer Entlastung von 11% bedeute. Es handele sich um eine nur kleine Eigentümergemeinschaft mit augenscheinlich gleichmäßiger Nutzungsintensität. Wertmäßig größere Ausgaben würden ohnehin anders abgerechnet. Die Nichteinhaltung der verwaltervertraglich vereinbarten Einberufungsfrist rechtfertige nicht eine Ungültigerklärung der Beschlüsse. Dieser Mangel sei nicht kausal für die Beschlussfassungen gewesen, da alle Miteigentümer an der Versammlung teilgenommen hätten.
b. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
(1) Zu TOP 1 hat die Eigentümerversammlung, wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat, keinen Beschluss gefasst. Eine Anfechtung scheidet schon deshalb aus (vgl. § 23 Abs. 1 WEG). Auf die Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen.
(2) Die Anfechtung des unter TOP 3 gefassten Beschlusses ist nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass die Eigentümergemeinschaft durch Beschluss dem Verwalter eine Kreditaufnahme in limitierter Höhe genehmigen kann (zuletzt BayObLG Beschluss vom 17.8.2005, 2Z BR 229/04; Niedenführ/Schulze § 27 Rn. 29). Eine solche Maßnahme war hier auch notwendig, da die Eigentümergemeinschaft seit Juni 2003 bis jedenfalls Anfang November 2003 zahlungsunfähig war, nachdem die Antragstellerin ihre Hausgeldvorauszahlungen im März 2003 eingestellt hatte. Auch die Höhe der genehmigten Kreditaufnahme begegnet weder hinsichtlich der absoluten Höhe noch in Relation zur monatlichen Hausgeldvorauszahlung der Eigentümer rechtlichen Bedenken.
Der Beschluss ist auch nicht deswegen aufzuheben, weil die Ladung zur Eigentümerversammlung zu kurzfristig erfolgte. Die in § 2.2.11 Verwaltervertrag festgelegte zweiwöchige Ladungsfrist gilt ohnehin nur für die jährlich einzuberufenden ordentlichen Eigentümerversammlungen. Die Versammlung vom 4.11.2003 war jedoch eine außerordentliche, durch die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschaft notwendig gewordene Versammlung. Hinsichtlich der Ladungsfrist gilt daher § 24 Abs. 2 Satz 2 WEG, der eine Ladungsfrist von einer Woche vorsieht. Zwar ist auch diese Frist nicht eingehalten. Es kann jedoch dahinstehen, ob wegen besonderer Dringlichkeit eine derart kurzfristige Einberufung zulässig war. Denn jedenfalls handelt es sich bei der Vorschrift über die einzuhaltende Einberufungsfrist um eine Sollvorschrift; sie bezweckt, das Teilnahmerecht eines jeden Wohnungseigentümers sicherzustellen (Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 24 Rn. 33). Die Nichtbeachtung dieser Ladungsfrist führt nicht automatisch dazu, dass die in der Versammlung gefassten Beschlüsse ungültig sind. Vielmehr muss der Einberufungsmangel ursächlich für die Beschlussfassung sein (BGHZ 150, 109/122). Eine solche Ursächlichkeit scheidet aus, da bei der Versammlung alle Eigentümer anwesend waren.
(3) Auch der Antrag zu dem unter TOP 4 gefassten Beschluss über die Änderung der Hausgeldabrechnungen für 2001 und 2002 ist nicht begründet.
Der Senat hält in Übereinstimmung mit dem Landgericht ein Rechtsschutzbedürfnis für gegeben. Die Wohnungseigentümer haben ein berechtigtes und im Allgemeinen schutzwürdiges Interesse an der Anfechtung fehlerhafter Beschlüsse, so dass grundsätzlich ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis nicht geprüft werden muss (BGH NJW 2003, 3124; Merle in Bärmann/ Pick/Merle § 43 Rn. 100). Die Antragstellerin wird durch den abändernden Zweitbeschluss hinsichtlich der früheren Abrechnung gemäß Beschluss vom 4.11.2003 zwar nur begünstigt. Doch ist ihrem Vorbringen zu entnehmen, dass sie neben der Beseitigung des zweiten Beschlusses noch eine weitergehende Berichtigung der ursprünglichen Abrechnung anstrebt. Ihr Rechtsschutzbegehren zielt damit auch auf eine Verpflichtung der Wohnungseigentümer zu einer für sie günstigen Beschlussfassung ab.
Der Antrag ist in der Sache nicht begründet. Die Verwaltung hat in der neuen Abrechnung den Verteilungsschlüssel angewandt, den die Teilungserklärung vorgibt. Dieser Verteilungsschlüssel ist nicht grob unbillig und verstößt damit nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Nur in Ausnahmefällen ist ein richterlicher Eingriff zur Revision des Kostenschlüssels zulässig (vgl. BGH NJW 2004, 3413; Pick in Bärmann/ Pick/ Merle § 16 Rn. 119). Wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, liegt ein solcher Ausnahmefall nicht vor. Sowohl die absolute Höhe des Änderungsbetrages als auch die prozentuale Änderung des von der Antragstellerin zu zahlenden Hausgeldes erreichen bei der Anlegung des gebotenen strengen Maßstabs nicht eine für einen Ausnahmefall anzunehmende Größenordnung. Denn der von der Antragstellerin als richtig behauptete Miteigentumsanteil von 160/1.000 würde für 2002 bei den nach Miteigentumsanteilen zu verteilenden Kosten in Höhe von insgesamt 7.903,35 EUR zu einer Entlastung von rund 390 EUR führen. Die Antragstellerin müsste dann statt bisher 2.150,89 EUR tatsächlich nur 1.760,89 EUR Hausgeld bezahlen, hätte damit eine Mehrbelastung von rund 22 %. Diese unterstellte Mehrbelastung der Antragstellerin rechtfertigt unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände des Einzelfalls keine Abänderung des Verteilungsschlüssels (vgl. OLG Köln OLGR 2002, 38, für den Fall der Mehrbelastung von 30%). Auf die weiteren Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen.
In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob das Ziel der Antragstellerin, die Antragsgegner zu einem anderen Verteilungsmaßstab zu verpflichten, von vornherein an den bestandskräftigen Erstbeschlüssen scheitern müsste. Dies hängt von der Frage ab, ob bei einer Aufhebung des abändernden Zweitbeschlusses die Bindungswirkung der ursprünglichen Beschlüsse vom 6.3.2002 und 9.4.2003 wieder auflebt oder ob diese Erstbeschlüsse ihre Bestandskraft endgültig verloren haben (so BayObLG WE 1988, 200). Da der Zweitbeschluss nicht zu beanstanden ist, kann diese Frage dahinstehen.
3. Dem Senat erscheint es angemessen (§ 47 WEG), der Antragstellerin die gerichtlichen sowie die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Sie ist in den in der Rechtsbeschwerde noch erheblichen Punkten in allen Rechtszügen unterlegen.
Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG auf 3.800 EUR festgesetzt (TOP 1: 300 EUR, TOP 3: 2.500 EUR, TOP 4: 1000 EUR). Für den Antrag auf Ungültigerklärung des zu TOP 3 gefassten Beschlusses ist der gesamte Kreditbetrag anzusetzen, da das Interesse der Wohnungseigentümer auf diese Summe gerichtet ist, es kommt nicht nur auf den Anteil der Antragstellerin an. Die Anfechtung der geänderten Jahresabrechnungen zu TOP 4 bewertet der Senat unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin vorgetragenen Begründung, die sich auf die Abänderung des Aufteilungsmaßstabs beschränkt, mit 1.000 EUR. Dabei ist ausschlaggebend, zu welchen Verschiebungen die von der Antragstellerin begehrte Änderung bei ihr selbst und bei den übrigen Wohnungseigentümern führt.
Ende der Entscheidung
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