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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 03.05.2006
Aktenzeichen: 34 Wx 52/06
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 43 Abs. 1
ZPO § 287
§ 287 ZPO ist in einem Schadensersatzverfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz entsprechend anwendbar (hier: Kosten der Gemeinschaft für die Wiederinbetriebnahme einer Gastherme, die infolge eines von einem Wohnungseigentümer veranlassten baulichen Eingriffs in Gemeinschaftseigentum abgeschaltet werden musste).
Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Mitglied der Antragsgegner ist. Ihm und seiner Ehefrau gehören Räume im Dachgeschoß der Wohnanlage (Einheit Nr. 83).

Nach § 11 der Gemeinschaftsordnung ist der jeweilige Eigentümer dieser Einheit berechtigt, sie auszubauen. Er darf zu diesem Zweck auch in das Gemeinschaftseigentum eingreifen, soweit dies zum Ausbau erforderlich ist. Schon während der Bauarbeiten sind den betroffenen Miteigentümern auf deren Verlangen sämtliche durch die Baudurchführung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen, insbesondere eventuelle Einbußen durch Mietminderungen. Nach Abschluss der Bauarbeiten ist der ursprüngliche Zustand von Gemeinschafts- und fremdem Sondereigentum soweit wie möglich wieder herzustellen, insbesondere sind Beschädigungen fachgerecht zu beheben. Kosten, die durch den Ausbau und die Erfüllung dieser Pflichten entstehen, sind durch den ausbauenden Eigentümer zu tragen.

Im Zug der vom Antragsgegner veranlassten Ausbauarbeiten wurden die durch den Dachboden führenden Abgaskamine für die Gasthermen der Wohnungen im Haus abgerissen. Zwei Wochen später ließ der Antragsgegner die Abgaskamine neu errichten. Die Inbetriebnahme der vorübergehend außer Betrieb genommenen Gasgeräte in sämtlichen Wohnungen gab die Hausverwaltung bei einem Sanitärinstallationsunternehmen in Auftrag. Dieses stellte am 8.9.2004 über seine Arbeiten eine Rechnung in Höhe von 1.393,16 EUR aus, die von der Antragstellerin bezahlt wurde.

Die Antragstellerin begehrt nunmehr vom Antragsgegner Ersatz dieser Aufwendungen. Der Antragsgegner hat mangelnde Nachvollziehbarkeit der Sanitärrechnung eingewandt und gemutmaßt, dass sie auch Leistungen beinhaltet, die in keinem Zusammenhang mit der Wiederinbetriebnahme der Gasheizungsanlage stehen. Die Antragstellerin hat beim Amtsgericht beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an sie 1.393,16 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 11.1.2005 zu bezahlen. Das Amtsgericht hat nach Beweisaufnahme mit Beschluss vom 19.10.2005 den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin 1.212,20 EUR nebst Verzugszinsen zu bezahlen. Im Übrigen hat es den Antrag abgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt, die das Landgericht mit Beschluss vom 22.2.2006 zurückgewiesen hat. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten hat das Landgericht nicht angeordnet. Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners. Die Antragstellerin hat außerhalb der Frist zur sofortigen weiteren Beschwerde im Rahmen ihrer Beschwerdeerwiderung beantragt, dem Antragsgegner nicht nur die Gerichtskosten, sondern auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerderechtszugs aufzuerlegen.

II.

Die zulässigen Rechtsmittel bleiben erfolglos.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Antragsgegner sei nach § 11 der Gemeinschaftsordnung zwar befugt gewesen, in das Gemeinschaftseigentum einzugreifen; er sei aber auch verpflichtet gewesen, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Die hierdurch entstehenden Kosten habe er zu tragen. Die amtsgerichtliche Beweisaufnahme habe ergeben, dass die beauftragte Fachfirma alle Arbeiten vorgenommen habe, die sie für die Inbetriebnahme für erforderlich hielt. Die Rechnung sei tatsächlich bezahlt worden. Der Schaden in Höhe des vom Amtsgericht errechneten Betrags sei zu ersetzen.

Ein Fehlverhalten der Sanitärfirma sei der Antragstellerin grundsätzlich auch nicht zuzurechnen. Diese sei bei der Schadensbeseitigung nicht Erfüllungsgehilfin der Antragstellerin. Der Antragsgegner könne im Weg des Vorteilsausgleichs verlangen, dass die Antragstellerin ihre etwaigen Ansprüche gegen die Sanitärfirma abtrete. Zwar sei die gestellte Rechnung nicht ungeprüft gleichzusetzen mit dem nach § 249 BGB geschuldeten Betrag. Nach der Beweisaufnahme und der erstellten Rechnung hätten sich jedoch keine Anhaltspunkte ergeben, dass der Heizungsbauer weitere Arbeiten ausgeführt habe, die mit dem schädigenden Ereignis nichts zu tun gehabt hätten. Die erforderlichen Abstriche habe insoweit schon das Amtsgericht gemacht.

Die Kostenentscheidung beruhe auf § 47 WEG. Bei dem Grundsatz der Nichterstattung von außergerichtlichen Kosten habe es sein Bewenden.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der auf Rechtsfehler beschränkten Nachprüfung durch den Senat stand (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, §§ 546, 559 Abs. 2 ZPO).

a) Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Beschädigung des Gemeinschaftseigentums (hier der Heizungsanlage; § 5 Abs. 2 WEG) fällt in die Kompetenz der Eigentümergemeinschaft (BGH NJW 2005, 2061/2068; KK-WEG-Abramenko § 13 Rn. 26), die als teilrechtsfähiger Verband selbst antragsbefugt ist. Die Ermächtigung des Verwalters zur gerichtlichen Antragstellung gegen den Antragsgegner ergibt sich aus dem dazu gefassten Eigentümerbeschluss vom 10.3.2005. Er umfasst seiner nächstliegenden Bedeutung nach auch die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs.

b) Es kann dahinstehen, ob der Antragsgegner den eingeforderten Betrag entsprechend den Ausführungen der Antragstellerin unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes aus unerlaubter Handlung wegen Beschädigung des Gemeinschaftseigentums schuldet. Jedenfalls haftet der Antragsgegner aus der Verletzung seiner Pflichten als Wohnungseigentümer aus §§ 276, 280 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG. Er hat im Zusammenhang mit dem Speicherausbau die zum Gemeinschaftseigentum gehörenden Abgaskamine einreißen lassen, weshalb die Gasthermen aus Sicherheitsgründen abgeschaltet werden mussten und nach Wiederherstellung der Kamine nur unter Hinzuziehung eines Fachmanns wieder in Betrieb genommen werden konnten. Zudem ergibt sich eine (verschuldensunabhängige) Haftungsgrundlage aus § 11 der Gemeinschaftsordnung, nach der der ausbauberechtigte Wohnungseigentümer sämtliche durch die Baudurchführung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen und nach dem Abschluss auch den ursprünglichen Zustand von Gemeinschaftseigentum so weit wie möglich auf seine Kosten wieder herzustellen hat (vgl. BayObLG NZM 2002, 167/168; KG ZWE 2000, 419).

c) Das Landgericht hat auf der Grundlage der amtsgerichtlichen Beweisaufnahme verfahrensfehlerfrei und für den Senat bindend festgestellt, dass die in der Rechnung des Heizungsbauers enthaltenen Positionen mit Ausnahme eines (von drei) ausgetauschten Gashahns und von 3 1/2 (von berechneten 8) Monteurstunden durch die Schadensbeseitigung bedingt waren. Zwar werden die Einwände des Antragsgegners gegen die vorgelegte Rechnung nicht erschöpft durch die vom Landgericht herangezogene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 63, 182), nach der ein Schädiger als Herstellungsaufwand auch die Mehrkosten schuldet, die ohne eigene Schuld des Geschädigten der von ihm beauftragte Handwerker infolge unwirtschaftlicher oder unsachgemäßer Maßnahmen verursacht. Denn der Antragsgegner wendet in erster Linie ein, die Rechnung enthalte über die vom Amtsgericht herausgestrichenen Positionen hinaus weitere Leistungen, die in keinem Zusammenhang zur Behebung des Schadens stünden. Jedoch konnte der Tatrichter insoweit eine Schätzung entsprechend § 287 ZPO vornehmen (BayObLG OLGR 2005, 83). § 287 ZPO erleichtert die Feststellung zur haftungsausfüllenden Kausalität, also zum Schadensumfang und auch dazu, ob dieser auf dem verpflichtenden Verhalten beruht (Musielak/Foerste ZPO 4. Aufl. § 287 Rn. 3). Eine analoge Anwendung der Vorschrift im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist sachgerecht. Im Verfahren wegen Schadensersatzforderungen verlangt die Amtsermittlungspflicht des § 12 FGG in der Regel auch keine weitere Sachaufklärung als § 287 ZPO (BayObLG aaO). Demgemäß brauchte das Landgericht auch nicht den beantragten Sachverständigenbeweis darüber zu erheben, dass die ausgeführten und abgerechneten Arbeiten an der Heizungsanlage ausschließlich der Wiederinbetriebnahme dienten und dafür auch notwendig waren. Eine ausreichende Grundlage für die insoweit gewonnene richterliche Überzeugung bildete hierfür die urkundlich vorgelegte und in Einzelpositionen aufgeschlüsselte Rechnung sowie die Zeugenaussage des verantwortlichen Heizungsbauers. Gerade in gefahrenträchtigen Gewerken wie dem der Gasinstallation hat der Geschädigte einen Anspruch auf größtmögliche Sicherheit; deshalb muss vor allem bei Prüf- und Messarbeiten, wie sie die Abrechnung in erheblichem Umfang enthält, ein großzügiger Maßstab angelegt werden. Insoweit kann es den Schädiger auch nicht entlasten, dass Alter und sonstige Besonderheiten der Anlage, wie z.B. die Unterputzverlegung von Rohren, einen höheren Aufwand für die Wiederinbetriebnahme erfordern, als er bei Heizungen vergleichbarer Größe sonst entstände.

Anhaltspunkte, dass die Antragstellerin durch die Beauftragung gerade dieses Installationsbetriebs gegen Schadensminderungspflichten verstoßen hätte (§ 254 BGB), hat das Landgericht verfahrensfehlerfrei ausschließen können.

d) Das von der Antragstellerin eingelegte Rechtsmittel der unselbständigen Anschlussbeschwerde (siehe KK-WEG-Abramenko § 45 Rn. 13) ist ebenfalls erfolglos. Denn die Kostenentscheidung des Landgerichts ist als Ermessensentscheidung (vgl. OLG Köln NZM 2001, 714; Niedenführ/Schulze WEG 7. Aufl. § 47 Rn. 4) nicht zu beanstanden. Insbesondere ist es nicht ermessensfehlerhaft, von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten zugunsten der Antragstellerin abzusehen. Die Kostenerstattung bildet nach § 47 Satz 2 WEG ohnehin nicht die Regel (Niedenführ/Schulze § 47 Rn. 8 m.w.N.). Hier kommt hinzu, dass die Schadensbemessung im Einzelfall der richterlichen Wertung unterliegt, die von der zweiten Instanz überprüfen zu lassen im Allgemeinen nicht als willkürlich anzusehen ist. Ein entsprechendes Rechtsmittel kann deshalb auch nicht von vorneherein als aussichtslos beurteilt werden.

3. Hingegen hält es der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren nach § 47 WEG für angemessen, dem in der Sache vollständig unterlegenen Antragsgegner die gerichtlichen wie die außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen. Die auf den Kostenausspruch für die zweite Instanz beschränkte Anschlussrechtsbeschwerde hat keinen Einfluss auf den Geschäftswert (BayObLG WuM 1989, 470) und verursacht keine besonderen Kosten.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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