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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 04.02.2005
Aktenzeichen: 34 Wx 7/05
Rechtsgebiete: AuslG, FGG


Vorschriften:

AuslG § 62 Abs. 3 Satz 2
FGG § 12
Zu den materiellrechtlichen Voraussetzungen für eine Sicherungshaft von über sechs Monaten.
Tatbestand:

Die Ausländerbehörde betreibt die Abschiebung der Betroffenen, einer äthiopischen Staatsangehörigen. Die Betroffene befindet sich seit 10.8.2004 in Sicherungshaft. Mit Beschluss vom 17.11.2004 (Az. 4Z BR 91/04) prüfte das Bayerische Oberste Landesgericht die Rechtmäßigkeit der von Amtsgericht und Landgericht bis längstens 23.11.2004 angeordneten Freiheitsentziehung und wies die Rechtsbeschwerde der Betroffenen als unbegründet zurück; auf die Gründe dieses Beschlusses wird verwiesen.

Mit Beschluss vom 23.11.2004 hat das Amtsgericht die Sicherungshaft mit sofortiger Wirksamkeit bis zur möglichen Abschiebung, längstens für die Dauer von drei weiteren Monaten verlängert. Die von der Betroffenen hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 7.1.2005 zurückgewiesen. Gegen die am 14.1.2005 zugestellte Entscheidung wendet sich die Betroffene mit der durch ihre Bevollmächtigte am 18.1.2005 eingelegten sofortigen weiteren Beschwerde. Sie macht geltend, die weitere Anordnung der Abschiebungshaft sei unverhältnismäßig und verstoße gegen Grundrechte. Die Ausländerbehörde habe den ersten Haftantrag im Sommer 2004 auf die Behauptung gestützt, die äthiopischen Behörden hätten der Deutschen Botschaft die alsbaldige Übersendung der Heimreisedokumente zugesagt. Tatsächlich hätten sich bis heute sämtliche Ankündigungen und Prognosen, bis wann mit der Ausstellung der für die Abschiebung erforderlichen Papiere gerechnet werden könne, als unzutreffend erwiesen. Da der Freiheitsanspruch des Einzelnen gegenüber dem staatlichen Anspruch auf Sicherung überwiege, je länger sich der Betroffene in Haft befinde, sei die Haftanordnung aufzuheben. Die äthiopischen Behörden würden die notwendigen Papiere in absehbarer Zeit auch nicht ausstellen. Richtig sei zwar, dass die Betroffene in einem Schreiben vor ihrer Inhaftierung gegenüber der äthiopischen Botschaft erklärt habe, sie wolle nicht wieder in ihre Heimat. Es könne auch sein, dass sie anlässlich ihrer Vorführung bei der äthiopischen Botschaft am 12.1.2005 erklärt habe, sie habe Angst, nach Äthiopien zurückzukehren. Mitwirkungspflichten habe sie dadurch jedoch nicht verletzt. Die Passlosigkeit, die Nichtbeantragung von Heimreisepapieren oder die Weigerung, an der Passbeschaffung mitzuwirken, rechtfertigten keine Haftanordnung. Das zulässige Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG [bis 31.12.2004 § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG], § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Die den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen tragen die beanstandete Haftanordnung.

1. In Einklang mit dem Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 17.11.2004 hat das Landgericht anhand von Tatsachen (so vor allem die Verwendung verschiedener Alias-Personalien und die Vernichtung des Reisepasses aus Angst vor einer Abschiebung) den begründeten Verdacht bejaht, die Betroffene wolle sich der Abschiebung entziehen. Der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG (bis 31.12.2004: § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG) ist damit gegeben.

Das Landgericht hat auch ohne Rechtsfehler die Überzeugung gewonnen, dass die Ausländerbehörde nach wie vor die Abschiebung der Betroffenen mit der gebotenen Beschleunigung betreibt und sich mit Hilfe weiterer Behörden um die Ausstellung der Heimreisepapiere bemüht. Die Prognose, die äthiopischen Behörden würden innerhalb der nächsten drei Monate die erforderlichen Dokumente übermitteln und damit die Abschiebung ermöglichen (§ 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG), ist nicht zu beanstanden. Die erforderlichen Unterlagen liegen den zuständigen äthiopischen Behörden vor. Bislang hat die äthiopische Botschaft auch nicht zu erkennen gegeben, dass grundsätzlich keine Bereitschaft bestünde, Passersatzpapiere nach Durchführung der erforderlichen Prüfung zu übermitteln. Derzeit lässt sich auch noch damit rechnen, dass der Antrag der Ausländerbehörde alsbald und positiv verbeschieden wird. Wie bereits im Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 17.11.2004 ausgeführt ist, hat die Betroffene auch die Verzögerung ihrer Abschiebung zu vertreten.

2. Das Landgericht hat sich nicht ausdrücklich damit auseinandergesetzt, dass die angeordnete Haftzeit die nach § 62 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gesetzlich vorgesehene Höchstdauer von sechs Monaten um knapp zwei Wochen überschreitet. Gemäß § 62 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ist eine Verlängerung über diesen Zeitraum nur zulässig, wenn der Betroffene die Abschiebung verhindert.

Ein Verhindern liegt vor, wenn ein vom Willen des Betroffenen abhängiges pflichtwidriges Verhalten ursächlich dafür ist, dass die Abschiebung innerhalb der ersten sechs Monate nicht erfolgen konnte. Dabei muss das Verhinderungsverhalten die wesentliche Ursache für die Verzögerung sein (vgl. BayObLG Beschluss vom 16.9.2004 - 4 Z BR 70/04). Ausgehend von den Feststellungen des Landgerichts ist vorliegend ein Verhindern im Sinne des Gesetzes zu bejahen.

Denn als der maßgebliche Grund dafür, dass bislang die erforderlichen Dokumente noch nicht vorliegen, sind die aktiven Bemühungen der Betroffenen anzusehen, ihre Abschiebung zu verzögern bzw. unmöglich zu machen. Sie hat ihre Passdokumente vernichtet, Aliaspersonalien verwendet und sich in einem Schreiben an die Botschaft der Ausstellung von Heimreisepapieren ausdrücklich widersetzt. Dadurch hat sie den äthiopischen Behörden Anlass zu einer zeitaufwendigen Prüfung des Antrags auf Ausstellung der Ersatzpapiere gegeben. Mit ihrem Verhalten beabsichtigte sie dies auch. Aus der Vernehmung vor der Beschwerdekammer ergibt sich, dass sie eine Rückkehr nach Äthiopien unbedingt verhindern will. Ergänzend ist noch festzuhalten, dass das die Abschiebung hindernde Verhalten der Betroffenen bis heute andauert. So hat sie bei der letzten Vorsprache in der äthiopischen Botschaft am 12.1.2005 wieder auf Personalien verwiesen, die von den der Ausländerbehörde vorliegenden Originaldokumenten abweichen, und deutlich gemacht, dass sie nicht abgeschoben werden will.

Der rechtsstaatliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) gebietet es zwar, von der Sicherungshaft abzusehen, wenn die Abschiebung nicht durchführbar und die Freiheitsentziehung nicht erforderlich ist. Er zwingt dazu, das öffentliche Interesse an der Sicherung der Abschiebung und den Freiheitsanspruch der Betroffenen gegeneinander abzuwägen; dabei ist zu beachten, dass sich das Gewicht des Freiheitsanspruchs gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Durchsetzung ausländerrechtlicher Vorschriften mit zunehmender Dauer der Haft regelmäßig vergrößern wird. Der Betroffene muss Abschiebungshaft aber umso länger hinnehmen, je größer die Schwierigkeiten sind, die sein Verhalten den Ausländerbehörden bei der Beschaffung der Heimreisedokumente macht (vgl. BayObLGZ 2000, 227/229). Die Abwägung der gegenläufigen Interessen fällt bislang noch zu Ungunsten der Betroffenen aus. Angesichts des ihr zurechenbaren Verhaltens ist die Verlängerung der Sicherungshaft im angeordneten Umfang noch verhältnismäßig.

3. Bislang ist der Schluss gerechtfertigt, dass das Verhalten der Betroffenen die Ausstellung der Papiere nur verzögert und nicht auf unabsehbare Zeit vereitelt. Sollte sich allerdings herausstellen, dass die äthiopischen Behörden ohne eine Freiwilligkeitserklärung der Betroffenen die erforderlichen Papiere - ungeachtet der gesetzlichen Lage - nicht ausstellen oder durch Untätigkeit auf unbestimmte Zeit die Entscheidung darüber verzögern, lässt sich eine weitere Haft nicht mehr vertreten. Denn Sicherungshaft, die nur den Zweck hat, einen Betroffenen zur Abgabe von Erklärungen zu zwingen, ist unzulässig (vgl. BayObLGZ 1997, 350).

Ende der Entscheidung

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