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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 23.08.2006
Aktenzeichen: 34 Wx 71/06
Rechtsgebiete: AufenthG, FGG, GG


Vorschriften:

AufenthG § 62 Abs. 2
FGG § 12
FGG § 27 Abs. 1 Satz 2
GG Art.19 Abs. 4
1. Zum Verfahrensgegenstand eines in der Rechtsbeschwerdeinstanz gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrags, wenn die Haft nach Einlegung der Rechtsbeschwerde beendigt wurde.

2. Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen kann durch die Ausländerbehörde verletzt sein, wenn statt einer notwendigen Passersatzpapier-Beschaffung stattdessen der nicht zielführende Versuch der Verlängerung eines schon geraume Zeit ungültigen Reisepasses unternommen wird.


Gründe:

I.

Die Ausländerbehörde betrieb die Abschiebung des Betroffenen, eines pakistanischen Staatsangehörigen.

Der Betroffene reiste erstmals am 3.4.1995 in das Bundesgebiet ein. 1997 heiratete er in Spanien eine deutsche Staatsangehörige. Die Ausländerbehörde erteilte ihm in der Folgezeit wiederholt eine Aufenthaltserlaubnis, zuletzt bis 9.8.2002. Aufgrund einer Verurteilung durch das Landgericht Oldenburg vom 1.12.2003 wegen sexuellen Missbrauchs befand sich der Betroffene bis 4.10.2005 in Strafhaft.

Gemäß einem für sofort vollziehbar erklärten Bescheid des Landkreises A. vom 16.9.2005 wurde der Betroffene aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und ihm nach dem 31.10.2005 die Abschiebung nach Pakistan angedroht. Die Ausländerbehörde ging in diesem Zeitpunkt aufgrund der Anhörung der Ehefrau des Betroffenen davon aus, dass diese nicht mehr bereit sei, die familiäre Lebensgemeinschaft aufrechtzuerhalten, sondern beabsichtige, die Scheidung einzureichen. Der Bescheid ist seit 20.9.2005 vollziehbar.

Seit 31.10.2005 war der Betroffene unbekannten Aufenthalts. Am 26.2.2006 wurde er von Italien kommend bei der Einreise an der deutsch-österreichischen Grenze festgenommen. Er wies sich beim Grenzübertritt der Einreise mit einer gefälschten italienischen Aufenthaltserlaubnis und einer Passkopie einer anderen Person aus.

Auf Antrag der Ausländerbehörde hat das Amtsgericht mit für sofort wirksam erklärtem Beschluss vom 27.2.2006 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung auf die Höchstdauer von drei Monaten angeordnet. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht mit Beschluss vom 18.4.2006 zurückgewiesen. Gegen den landgerichtlichen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 25.4.2006, mit der er zugleich Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines anwaltlichen Vertreters beantragt.

Am 22.5.2006 wurde der Betroffene auf Veranlassung der Ausländerbehörde aus der Abschiebungshaft entlassen. Er beantragt nunmehr festzustellen, dass die Inhaftnahme zum Zweck der Abschiebung rechtswidrig war.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat vorläufigen Erfolg.

1. Der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde steht die Haftentlassung nicht entgegen. Dadurch hat sich zwar das Verfahren in der Hauptsache erledigt. Der Betroffene hat jedoch durch Umstellung des Beschwerdeantrags dahingehend, dass die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehungsmaßnahme festgestellt werden solle, sein Rechtsschutzbegehren den geänderten Umständen in zulässiger Weise angepasst. Die dem Richter vorbehaltene Anordnung von Abschiebungshaft (Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG) greift tief in den Schutzbereich des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) ein. Im Fall von Abschiebungshaft kann eine abschließende gerichtliche Entscheidung in den von der Verfahrensordnung gegebenen Instanzen häufig vor dem Ablauf des festgesetzten Zeitraums nicht erlangt werden. Unabhängig von der Haftdauer besteht bei Freiheitsentziehungen grundsätzlich ein Rehabilitierungsinteresse (BVerfGE 104, 220/235; BVerfG vom 31.10.2005, 2 BvR 2233/04). Daher kann der Betroffene gegen die ergangene Entscheidung ein Rechtsmittel mit dem Ziel der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit einlegen oder fortführen, auch wenn sich das ursprünglich damit verfolgte Begehren wegen Beendigung der Haft prozessual überholt hat. Andernfalls würde der durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierte effektive Rechtsschutz versagt (BayObLGZ 2000, 220/221; BayObLG vom 30.1.2002, bei Melchior, Abschiebungshaft Anhang; OLG München AuAS 2006, 160).

2. Die vom Beschwerdeführer begehrte Rechtswidrigkeitsfeststellung umfasst den gesamten Haftzeitraum vom 27.2. bis 22.5.2006.

Gegenstand der Überprüfung durch das Gericht der weiteren Beschwerde ist grundsätzlich die Entscheidung des Beschwerdegerichts und damit (nur) das, worüber das Beschwerdegericht eine Entscheidung getroffen hat. Dem entspricht es, dass das Rechtsbeschwerdegericht nur zu einer rechtlichen Überprüfung, nicht aber zu einer eigenen Sachverhaltsermittlung befugt ist (vgl. § 27 Abs. 1 FGG, §§ 546, 559 ZPO). Im Rahmen der Fortsetzungsfeststellung ergeben sich jedoch, bedingt durch die verfassungsrechtlichen Anforderungen, Besonderheiten.

Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet, sofern das Prozessrecht eine weitere Instanz eröffnet, in diesem Rahmen die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (BVerfG NJW 1997, 2163; BVerfGE 104, 220). Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer "leer laufen" lassen. Es entfällt nicht das Rechtsschutzinteresse, wohl aber ändert sich der Verfahrensgegenstand. Aus dem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse schließt das Bundesverfassungsgericht, dass Verfassungsbeschwerden wegen Subsidiarität unzulässig sind, soweit sie sich gegen vor der Erledigung ergangene Haftanordnungsbeschlüsse der Amts- bzw. Landgerichte richten. Denn nach der Funktionenteilung zwischen Fachgerichten und Verfassungsgerichten obliegt es in erster Linie den Fachgerichten, effektiven Grundrechtsschutz zu gewährleisten. Daher dürfen die Beschwerden nicht wegen prozessualer Überholung als unzulässig verworfen werden (BVerfGE 104, 220/235 f.).

Der Senat sieht es infolge dieser Rechtsprechung für notwendig an, Anträge auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von zwischenzeitlich erledigter Abschiebungshaft auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz grundsätzlich als zulässig zu behandeln, auch wenn sich der Verfahrensgegenstand gegenüber den Tatsacheninstanzen verändert (z.B. Beschluss vom 17.5.2006, 34 Wx 25/06 = AuAS 2006, 160; Beschluss vom 12.12.2005, 34 Wx 157/05 = FGPrax 2006, 44).

Danach ist der Antrag zulässig. Selbst wenn man der engeren Auffassung folgen wollte, wonach das Gericht der weiteren Beschwerde nur das überprüfen kann, was auch Gegenstand der Erstbeschwerde war (BayObLG OLG-Report 2005, 481; OLG Zweibrücken, FGPrax 2004, 95), folgt daraus hier nichts anderes. Der Antragsteller hat mit seiner Beschwerde ausdrücklich auch begehrt, "die Inhaftierung rückgängig zu machen", woraus der Senat schließt, dass es ihm nicht nur um die Beendigung der damals noch andauernden Haft, sondern auch um die Rechtmäßigkeit seiner Inhaftnahme von Anfang an gegangen ist. Der Beschwerdeentscheidung lässt sich entnehmen, dass das Landgericht die Rechtmäßigkeit der Haft zu keinem Zeitpunkt in Zweifel gezogen hat.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hat nicht in vollem Umfang Bestand. Es fehlt an ausreichenden Feststellungen (§ 12 FGG) zur Wahrung des Beschleunigungsgrundsatzes. Danach ist die Inhaftnahme des Betroffenen zur Sicherung seiner Abschiebung nur erforderlich, wenn und solange diese von der Ausländerbehörde mit größtmöglicher Beschleunigung, also ohne irgendeine unnötige Verzögerung betrieben wird (BayObLGZ 1991, 258/260). Bei der Beschaffung der zur Abschiebung notwendigen Dokumente hat die Ausländerbehörde alle ihr zugänglichen tatsächlichen und rechtlichen Erkenntnisquellen auszuschöpfen (vgl. KG InfAuslR 2000, 230/232). Ob diesen Anforderungen ohne Verzögerung entsprochen wurde, bedarf noch weiterer Aufklärung.

a) Das Landgericht hat ausgeführt:

Das zulässige Rechtsmittel sei unbegründet. Es lägen die Haftgründe des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 5 AufenthG vor. Der Betroffene sei seit dem 31.10.2005 unbekannten Aufenthalts gewesen. Er habe seinen Aufenthaltsort gewechselt und der zuständigen Ausländerbehörde keine Anschrift für seine Erreichbarkeit mitgeteilt. Er sei seit seiner Ersteinreise im April 1995 mit der Situation einer drohenden Abschiebung konfrontiert gewesen und habe sich der Abschiebung durch Untertauchen entzogen. Nach Erlass des Ausweisungsbescheids vom 16.9.2005 habe er zunächst seine Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise signalisiert, worauf ihm eine Grenzübertrittsbescheinigung ausgestellt worden sei. Entgegen seiner Ausreiseverpflichtung sei er aber untergetaucht. Er habe in der Vergangenheit gezeigt, dass er zur freiwilligen Ausreise nicht bereit sei. Durch die von ihm begangenen Straftaten, zuletzt die Beschaffung von falschen Dokumenten, habe er seine rechtsfeindliche Haltung bewiesen. Es könne deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Betroffene werde sich nun an seine Verpflichtung zur Ausreise halten.

Die im Beschwerdeverfahren vorgetragene Versöhnung mit seiner Ehefrau lasse keine andere Beurteilung zu. Eine dadurch etwa vorhandene soziale Bindung habe ihn nicht daran gehindert, im europäischen Ausland unterzutauchen. Ob die Abschiebung im Übrigen zu Recht betrieben werde, hätten nicht die Haftgerichte zu prüfen.

Sonstige der Haft entgegenstehende Gründe lägen nicht vor. Insbesondere stehe nicht fest, dass die Abschiebung aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten habe, nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden könne. Dem stehe auch nicht die zu verbüßende Ersatzfreiheitsstrafe entgegen. Die angeordnete Dauer der Abschiebungshaft von drei Monaten sei verhältnismäßig, weil die Ausländerbehörde diesen Zeitraum auch bei Beachtung des Beschleunigungsgebots möglicherweise noch benötige, um die für die Abschiebung nötigen organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen. Eine erneute Anhörung des Betroffenen sei im konkreten Fall nicht erforderlich.

b) Das Landgericht hat zunächst zu Recht die Voraussetzungen für die Verhängung von Abschiebungshaft nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG bejaht. Der Senat verweist auf die zutreffenden Feststellungen des Landgerichts unter II. 2. a (2) der Entscheidungsgründe mit der Maßgabe, dass sich die Ausführungen nicht auf den vom Landgericht versehentlich zitierten Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, sondern auf denjenigen nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG beziehen. Der Betroffene war seit 31.10.2005 untergetaucht. Bei der Einreise aus Italien kommend verwendete er falsche Papiere. Schon diese Umstände begründeten ausreichend den Verdacht, sich der Abschiebung entziehen zu wollen (BGH NJW 1995, 1898; BayObLG NVwZ-Beilage 1995, 39). Ob die Ausweisungsverfügung vom 16.9.2005 zu Recht ergangen ist und die Verwaltungsbehörde ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zu Recht abgelehnt hat, ist nicht von den Haftgerichten zu prüfen.

Dahinstehen kann, ob auch der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vorlag. Dieser Haftgrund setzt u.a. voraus, dass der Ausländer seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist. Das Landgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Ausländer, wie die überwiegende Rechtsprechung verlangt (siehe Senat vom 9.11.2005, 34 Wx 148/05 = OLG-Report 2006, 112), zuvor auf die einschlägige Anzeigepflicht (vgl. § 50 Abs. 5 AufenthG; Renner Ausländerrecht 8. Aufl. § 50 Rn. 17) hingewiesen worden ist.

c) Dass die Sicherungshaft unzulässig war, weil feststand, dass die Abschiebung aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, nicht innerhalb der nächsten drei Monate hätte durchgeführt werden können, hat das Landgericht nicht festgestellt. Die Rechtsbeschwerdebegründung gibt keinen Anlass, dies abweichend zu beurteilen.

(1) Eine etwaige noch offene Strafvollstreckung im Zusammenhang mit einem drohenden Bewährungswiderruf bildete keinen Hinderungsgrund für die Haftanordnung. Zum einen ist schon fraglich, ob es in diesem Rahmen des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG überhaupt bedarf (vgl. Peglau ZAR 2002, 242). Im Übrigen wurde nach dem Kenntnisstand der Ausländerbehörde ein Antrag auf Bewährungswiderruf ohnehin abgelehnt. Aus diesem Grund wäre einer Abschiebung jedenfalls nicht von vorneherein der Erfolg versagt gewesen.

(2) Nichts anderes gilt für das Strafverfahren im Zusammenhang mit der illegalen Einreise am 26.2.2006. Die Staatsanwaltschaft hat, wie bei derartigen Straftaten üblicherweise zu erwarten ist, der Ausländerbehörde ihr Einvernehmen mit der Abschiebung mitgeteilt.

(3) Schließlich war die Durchführung der Abschiebung innerhalb von drei Monaten nicht deshalb aussichtslos, weil der Betroffene nicht über einen gültigen pakistanischen Reisepass verfügte. Zwar wäre dessen Verlängerung auch bei Mitwirkung des Betroffenen nicht (mehr) möglich gewesen. Aussichtsreich erschien jedenfalls die Ausstellung eines Passersatzpapiers (PEP) bei Vorlage eines entsprechenden Antrags, an dem mitzuwirken der Ausländer verpflichtet ist (§ 48 Abs. 3 AufenthG). Das war weder im Zeitpunkt der Inhaftnahme noch in deren weiteren Verlauf unmöglich oder aussichtslos, zumal unter Zuhilfenahme der von der Ausländerbehörde eingeschalteten Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörde.

d) Unaufgeklärt ist hingegen die Wahrung des Beschleunigungsgebots durch die Ausländerbehörde.

Im Rahmen der weiteren Beschwerde hat sich herausgestellt, dass

(1) entgegen der ursprünglichen Annahme eine Verlängerung des Reisepasses, dessen Gültigkeitsdauer bereits am 4.2.2003 abgelaufen war, nicht in Betracht kam, vielmehr ein Antrag auf Ausstellung eines PEP erforderlich ist;

(2) die per Telefax am 23.3.2006 übermittelte Bitte der Ausländerbehörde an die Zen-trale Aufnahme- und Ausländerbehörde (der bei den Ausländerakten befindliche Sendebericht weist dazu den "ok"-Vermerk auf) um Amtshilfe bei der Beschaffung von Passersatzpapieren (Passverlängerungsantrag) nicht beim zuständigen Sachbearbeiter ankam, so dass am 12.4.2006 ein erneutes Amtshilfeersuchen abgesetzt werden musste, welches am 19.4.2006 sodann erledigt wurde;

(3) die Zentrale Aufnahme- und Ausländerbehörde am 19.5.2006 (Freitag, Eingang 12.00 Uhr) der Ausländerbehörde mitteilte, eine Passverlängerung komme nicht in Betracht, es bedürfe eines neuen Antrags auf Ausstellung eines Passersatzpapiers.

Der Senat als Rechtsbeschwerdegericht kann die in diesem Zusammenhang auftauchenden und im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegenden Fragen nicht abschließend klären (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 2, §§ 546, 559 ZPO). Im Hinblick auf den veränderten Verfahrensgegenstand ist die Sache deshalb an das Landgericht zurückzuverweisen. Festzuhalten ist, dass der Fortsetzungsfeststellungsantrag den gesamten Haftzeitraum erfasst, also über den Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung hinausgreift und vom Landgericht umfassend zu beurteilen sein wird.

e) Zum weiteren Verfahren merkt der Senat noch an:

(1) Es wird zu klären sein, ob nach pakistanischer Rechtslage oder nach dortiger Verwaltungspraxis eine Verlängerung von (zumal abgelaufenen) Reisepässen überhaupt in Betracht kommt. Selbstverständlich ist dies nicht, wie die deutsche Rechtslage in § 5 Abs. 1 Satz 5 PassG (vom 19.4.1986, BGBl I 537) zeigt, wonach entgegen dem früheren Rechtszustand nach dem Passgesetz von 1952 für Reisepässe eine Verlängerung ihrer Gültigkeitsdauer nicht zulässig ist.

(2) Sollte eine Verlängerung überhaupt in Frage gekommen sein, wäre zu klären, ob es nach pakistanischem Recht oder nach pakistanischer Verwaltungspraxis eine zeitliche Begrenzung gibt, nach der abgelaufene Passdokumente nicht mehr "verlängert" werden.

(3) In beiden Varianten wird zu beantworten sein, welche Kenntnis deutsche Behörden vom Rechtszustand und von der Verwaltungspraxis des maßgeblichen Landes besitzen bzw. besitzen müssen und ob sich Rechtslage und Praxis auf einfacherem (schnellerem) Weg, z.B. durch eine Anfrage bei der zuständigen Auslandsvertretung, aufklären ließen. Es fällt auf, dass offenbar auch die spezialisierte Landeszentralbehörde zunächst von der Möglichkeit einer Passverlängerung ausgegangen ist.

(4) Sollte der Versuch, den Pass verlängern zu lassen, nicht von vornherein untauglich und dies für die deutschen Stellen auch erkennbar gewesen sein, ist die durch die zunächst misslungene Einschaltung der Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörde eingetretene Verzögerung zu bewerten. Der Senat neigt dazu, dass organisatorische Verzögerungen in der Zusammenarbeit von Behörden im Allgemeinen nicht zu Lasten des inhaftierten Ausländers gehen dürfen (vgl. Beschluss vom 17.5.2006, 34 Wx 25/06 = AuAS 2006, 160).

(5) Zuletzt kann sich noch die Frage stellen, ob der Betroffene nicht bereits am 19.5.2006 hätte aus der Haft entlassen werden müssen. Dies wäre nur dann zu bejahen, wenn eine Unmöglichkeit der Abschiebung ohne weitere Sachprüfung bereits aufgrund der Meldung der Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörde sofort und ohne weiteres erkennbar gewesen wäre (vgl. auch Senat, Beschluss vom 30.9.2005, 34 Wx 78/05 = OLG-Report 2006, 25), was im gegebenen Fall allerdings zweifelhaft erscheint.

III.

Die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Anwaltsbeiordnung im Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 14 FGG, § 114 Satz 1, §§ 115, 119 Abs. 1, § 121 ZPO.



Ende der Entscheidung

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