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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 09.01.2006
Aktenzeichen: 34 Wx 89/05
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 23
WEG § 25
WEG § 28
1. "Ein-Mann-Beschlüsse" des teilenden Eigentümers oder seines Rechtsnachfolgers im gesamten Eigentum sind unbeachtlich und können Wohngeldansprüche nicht begründen.

2. Eine werdende Eigentümergemeinschaft kann erst entstehen, wenn der Anspruch mindestens eines Erwerbers auf Eigentumsverschaffung an einzelnen Einheiten durch Auflassungsvormerkung gesichert ist. Sie entsteht nicht, wenn das in Wohnungseigentum aufgeteilte Eigentum insgesamt an einen Erwerber übertragen wird.


Tatbestand:

Die Antragstellerin beansprucht als Verwalterin gegenüber der Antragsgegnerin als zum Abrechnungszeitraum alleiniger Eigentümerin einer aus 24 aufgeteilten Einheiten bestehenden Wohnanlage Wohngeld in Höhe von insgesamt 31.974,17 EUR.

Der ursprüngliche Grundstückseigentümer hatte das Grundstück durch Teilungserklärung vom 13.10.1998 gemäß § 8 WEG aufgeteilt. Auch in der Folgezeit blieben sämtliche Anteile jeweils in einer Hand. Am 2.10.2001 beschloss der damalige Alleineigentümer sämtlicher Anteile den Wirtschaftsplan für den Zeitraum 1.12.2001 bis 31.12.2002. Ebenso wurde die Antragstellerin zur Hausverwalterin bestellt. Nach § 1 p des Verwaltervertrages ist die Antragstellerin u.a. berechtigt, Ansprüche der Gemeinschaft gegenüber einzelnen Wohnungseigentümern auch im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen.

Am 8.11.2002 wurde der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin zum Zwangsverwalter für die Anlage bestellt. In der Eigentümerversammlung vom 25.11.2003 beschloss dieser mit insgesamt 1000/1000 Miteigentumsanteilen, dass der Wirtschaftsplan vom 1.12.2001 bis 31.12.2002 als Wirtschaftsplan für das Jahr 2003 und darüber hinaus bis zur Beschlussfassung über einen neuen Wirtschaftsplan zu übernehmen und fortzuführen ist.

Am 26.2.2004 wurde im Zwangsversteigerungsverfahren der Antragsgegnerin der Zuschlag für alle Einheiten erteilt. Die Antragstellerin verlangt nunmehr von der Antragsgegnerin das Wohngeld für die Zeit ab Zuschlagerteilung bis August 2004.

Das Amtsgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 4.1.2005 als unzulässig abgewiesen. Das Landgericht hat durch Entscheidung vom 1.6.2005 die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin. Das zulässige Rechtsmittel erwies sich als unbegründet.

Gründe:

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Das Zahlungsbegehren sei offensichtlich unbegründet. Es fehle zum einen bereits an einem wirksam beschlossenen Wirtschaftsplan für 2004. Bereits der Voreigentümer habe am 2.10.2001 keinen alle Wohnungseigentümer bindenden Beschluss fassen können. So genannte "Ein-Mann-Beschlüsse" seien als Nicht-Beschlüsse anzusehen. Gleiches gelte im Hinblick auf die Beschlussfassung durch den alle Anteile vertretenden Zwangsverwalter vom 25.11.2003 über den Wirtschaftsplan für 2003 und die Folgejahre. Im Übrigen könne die Antragstellerin als Verwalterin gegen die Antragsgegnerin, in deren Händen sich sämtliche Miteigentumsanteile befänden, auch keine Wohngeldansprüche geltend machen, da nach § 16 Abs. 2 WEG die "anderen Wohnungseigentümer" und nicht der Verwalter Gläubiger derartiger Forderungen sei.

2. Die Ausführungen des Landgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Zutreffend unterstellt das Landgericht, dass die Antragstellerin als Verwalterin aufgrund § 1 p des Verwaltervertrages vom 2.10.2001 zur Geltendmachung der Wohngeldforderung im eigenen Namen berechtigt ist. Das notwendige schutzwürdige Interesse, das im Fall einer solchen gewillkürten Verfahrensstandschaft gegeben sein muss, ergibt sich aus der Pflicht des Verwalters, die ihm obliegenden Aufgaben ordnungsgemäß und reibungslos zu erfüllen (st. Rspr., vgl. Beschluss des Senats vom 12.12.2005, 34 Wx 126/05).

b) Rechtsfehlerfrei geht das Beschwerdegericht davon aus, dass "Ein-Mann-Beschlüsse" des teilenden Eigentümers als Nicht-Beschlüsse ("juristisches Nihil") unbeachtlich sind (BayObLG ZMR 2003, 522; OLG Düsseldorf NZM 2005, 743; Merle in Bärmann/Pick/ Merle WEG 9. Aufl. § 23 Rn. 27 m.w.N.). Denn die Eigentümergemeinschaft entsteht erst mit Veräußerung mindestens eines der mit entsprechendem Sondereigentum verbundenen Miteigentumsanteile und Eintragung des Erwerbers im Grundbuch (Pick in Bärmann/ Pick/Merle § 8 Rn. 18; Niedenführ/Schulze WEG 7. Aufl. § 8 Rn. 15). Die Unbeachtlichkeit von Ein-Mann-Beschlüssen gilt auch für "Beschlüsse" desjenigen, der vollständig in die Rechtsstellung des aufteilenden Alleineigentümers eingetreten ist oder als Zwangsverwalter dessen Rechte ausübt.

Selbst wenn der frühere Alleineigentümer, wie der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgetragen hat, Kaufverträge über einzelne, näher bezeichnete Einheiten geschlossen haben sollte, würde dies an der Rechtslage nichts ändern. Zwar sind auf die so genannte werdende Wohnungseigentümergemeinschaft die Vorschriften des WEG entsprechend anwendbar (BayObLGZ 1990, 101/103). Die Annnahme einer werdenden Eigentümergemeinschaft zwischen dem aufteilenden Eigentümer und mindestens einem Erwerber einzelner Einheiten setzt aber neben der Anlegung der Wohnungsgrundbücher und der Bildung einer tatsächlichen Gemeinschaft durch Inbesitznahme sowie Übergang der Nutzungen, der Lasten und der Gefahr auf den Erwerber voraus, dass dessen Übereignungsanspruch durch Vormerkung gesichert ist (OLG Karlsruhe ZMR 2003, 374; Merle in Bärmann/ Pick/Merle Vor § 43 Rn. 4 ff. und § 25 Rn. 11; Weitnauer/Gottschalg WEG 9. Aufl. § 16 Rn. 48; Palandt/Bassenge BGB 65. Aufl. Überbl. v. WEG Rn. 6 jeweils m.w.N.). Eine derartige Auflassungsvormerkung war aber zum Zeitpunkt der "Beschlussfassungen", wie der Senat aus den im Interesse der Verfahrensökonomie zu Informationszwecken eingesehenen Grundbüchern feststellen konnte (vgl. BayObLG NJW-RR 2001,1047, Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 45), nicht eingetragen.

Dass die Rechtslage anders sein kann, wenn nach Invollzugsetzung der Eigentümergemeinschaft von mehreren Wohnungseigentümern nur einer an der Versammlung teilnimmt (vgl. Merle in Bärmann/Pick/Merle § 23 Rn. 27), spielt keine Rolle. Eine solche Konstellation lag nämlich nicht vor, da sich sämtliche Eigentumsanteile zum fraglichen Zeitpunkt stets in einer Hand befunden haben.

Da sowohl der Beschluss vom 2.10.2001 als auch der Beschluss vom 25.11.2003 unbeachtlich sind, können sie den geltend gemachten Wohngeldanspruch nicht begründen. Inwieweit der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin andere Forderungen, etwa auf Aufwendungsersatz, zustehen, braucht nicht entschieden zu werden, da solche Ansprüche nicht Verfahrensgegenstand sind.

c) Dass das Amtsgericht den Antrag mangels Verfahrensführungsbefugnis der Antragstellerin bereits als unzulässig abgewiesen hat, hindert auch in Anbetracht des Verbots der Schlechterstellung die ergangene Entscheidung nicht, da bereits aus Rechtsgründen ein anderes Ergebnis nicht möglich ist (BGHZ 46, 281; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 27. Aufl. § 528 Rn. 9).

Das Landgericht war darüber hinaus auch befugt, die erstgerichtliche Kostenentscheidung dahingehend abzuändern, dass es der Antragstellerin nicht nur die gerichtlichen, sondern auch die außergerichtlichen Kosten der ersten Instanz auferlegt hat. Denn die Kostenentscheidung kann jedenfalls dann, wenn sie Nebenentscheidung ist, auch zum Nachteil des alleinigen Rechtsmittelführers abgeändert werden (BayObLG WE 1992, 169 und 1999, 35; Niedenführ/Schulze § 45 Rn. 35). Ein Ermessensfehler des Landgerichts, das darauf abgestellt hat, dass das Zahlungsbegehren offensichtlich unbegründet sei, kann insoweit nicht angenommen werden.

Ende der Entscheidung

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