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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 18.09.2006
Aktenzeichen: 34 Wx 89/06
Rechtsgebiete: WEG
Vorschriften:
WEG § 21 Abs. 3 |
2. Den Wohnungseigentümern fehlt die Kompetenz für einen Beschluss, durch den einzelnen Wohnungseigentümern die Verpflichtung auferlegt wird, dem Verwalter eine zusätzliche Vergütung zu zahlen, wenn sie nicht am Lastschriftverfahren teilnehmen.
Gründe:
I.
Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten zu 2 verwaltet wird. Die weitere Beteiligte zu 1 war bis 30.4.2005 Verwalterin. Die Wohnungseigentümer erwarben ihr Wohnungseigentum von einer Bauträgerin. Nach Fertigstellung des Bauvorhabens stellten sie Mängel am Gemeinschaftseigentum fest. Daher hielten sie Teile des Kaufpreises zurück und ließen ein selbständiges Beweisverfahren durchführen. In dem in diesem Verfahren erstatteten Gutachten schätzte der Sachverständige die Mängelbeseitigungskosten hinsichtlich der von ihm festgestellten Mängel auf rund 147.500 DM.
Durch Eigentümerbeschluss vom 26.8.2002 beschlossen die Wohnungseigentümer, die Bauträgerin unter Fristsetzung aufzufordern, die Mängel zu beseitigen. Zudem wurde für den Fall, dass mit der Bauträgerin keine Einigung erzielt werden könne, beschlossen, dass die Eigentümer "die im Gutachten festgestellten Mängel bei Gericht einklagen". Unter dem 20.3.2003 wurde beim Landgericht Klage auf Mängelbeseitigung eingereicht, die jedoch letztlich mangels Vorschusses nicht zugestellt wurde.
Auf einer außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 22.7.2003 wurde unter Tagesordnungspunkt (TOP) 2 mehrheitlich beschlossen, dass die Klage nicht weiterverfolgt wird. Stattdessen solle die Verwaltung mit der Bauträgerin auf der Basis von im Einzelnen näher bezeichneten Punkten Vergleichsgespräche führen. Der Antragsteller hat diesen Beschluss angefochten und hilfsweise beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, den Gerichtskostenvorschuss zu zahlen und die Klage weiter zu betreiben.
Am 6.10.2003 fand eine weitere Eigentümerversammlung statt. Zu dieser Versammlung wurde seitens der Verwalterin eine Rechtsanwältin hinzugezogen, ohne dass die Wohnungseigentümer zu Beginn der Versammlung befragt wurden, ob sie mit deren Anwesenheit einverstanden sind.
Zu TOP 2e ist im Protokoll folgender Beschluss festgehalten:
Den notwendigen höheren Verwaltungsaufwand wegen der laufenden Überprüfung der Zahlungseingänge für Hausgeld und Guthaben/Nachzahlungen aus der Jahresab- rechnung beantragt die Verwaltung mit einer Vergütung in Höhe von 2,50 EUR pro Monat für alle die Eigentümer, die nicht am Lastschrifteinzugsverfahren teilnehmen.
Beschlussfassung: mehrheitlich JA 650 Tsdl. NEIN 175 Tsdl.
Zu TOP 6 wurde beschlossen, einen Vergleichsvorschlag der Bauträgerin anzunehmen. Der Antragsteller hat die zu TOP 2e und zu TOP 6 gefassten Beschlüsse angefochten.
Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 8.3.2005 den in der Eigentümerversammlung vom 6.10.2003 zu TOP 6 gefassten Beschluss für ungültig erklärt und die Anträge im Übrigen abgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt, soweit seinen Anträgen nicht stattgegeben wurde.
Durch bestandskräftigen Eigentümerbeschluss vom 1.4.2005 stimmten die Wohnungseigentümer einer gütlichen Regelung mit der Bauträgerin zu.
Durch Beschluss vom 8.3.2006 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde des Antragstellers als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrags auf Ungültigerklärung des in der Eigentümerversammlung vom 22.7.2003 zu TOP 2 gefassten Beschlusses richtet. Im Übrigen hat es das Rechtsmittel zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist teilweise begründet. Der Antragsteller ist beschwerdeberechtigt, da das Landgericht sein Rechtsmittel verworfen bzw. zurückgewiesen hat (Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 10).
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Soweit das Amtsgericht dem Antrag stattgegeben habe (TOP 6 der Eigentümerversammlung vom 6.10.2003), sei diese Entscheidung nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Nach bestandskräftiger Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung vom 1.4.2005 sei Erledigung der Hauptsache hinsichtlich des angefochtenen Beschlusses vom 22.7.2003 eingetreten. Die von Amts wegen zu prüfende Hauptsacheerledigung führe in der Regel zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels, wenn es nicht auf die Kosten beschränkt werde. Eine solche Beschränkung habe der Antragsteller trotz gerichtlichen Hinweises nicht vorgenommen. Ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis sei auch nicht deswegen anzunehmen, weil der Antragsteller beabsichtige, etwaige Schadensersatzansprüche, u.a. gegen die frühere Verfahrensbevollmächtigte der Wohnungseigentümer und gegen die weitere Beteiligte zu 1 als ehemalige Verwalterin, geltend zu machen. Im Übrigen sei die sofortige Beschwerde unbegründet. Der zu TOP 2e in der Eigentümerversammlung vom 6.10.2003 gefasste Beschluss sei weder aus formellen noch aus materiellen Gründen zu beanstanden. Die Mehraufwandsgebühr von 2,50 EUR pro Monat sei nicht überhöht.
2. Die Ausführungen des Landgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung nur teilweise stand. Der in der Eigentümerversammlung vom 6.10.2003 zu TOP 2e gefasste Beschluss ist nämlich nichtig.
a) Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass infolge der inzwischen umgesetzten Einigung mit der Bauträgerin bezüglich des unter TOP 2 gefassten Beschlusses vom 22.7.2003 Erledigung der Hauptsache eingetreten ist. Die Hauptsache ist erledigt, wenn durch ein Ereignis nach Verfahrenseinleitung die Sach- und Rechtslage derart verändert worden ist, dass der Verfahrensgegenstand fortgefallen ist und deshalb eine Sachentscheidung über den Antrag nicht mehr erforderlich ist (Niedenführ/Schulze WEG 7. Aufl. Vor §§ 43 ff. Rn. 212). Das Gericht hat die Erledigung von Amts wegen zu prüfen und zu berücksichtigen (vgl. § 12 FGG; Niedenführ/Schulze Vor §§ 43 ff. Rn. 221). Erledigung ist durch den Eigentümerbeschluss vom 1.4.2005 eingetreten, der seinerseits nicht nichtig ist (vgl. BayObLG NZM 2000, 344/346). Ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Ungültigerklärung des angefochtenen Beschlusses besteht nicht mehr, da eine Weiterverfolgung der Klage gegen die Bauträgerin betreffend die Mängelbeseitigung nicht mehr in Betracht kommt. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Absicht des Antragstellers, etwaige Schadensersatzansprüche gerichtlich geltend zu machen. Im Hinblick auf Ansprüche gegen die frühere Verfahrensbevollmächtigte der Wohnungseigentümer gilt dies schon deswegen, weil diese nicht am Verfahren beteiligt ist, eine gerichtliche Entscheidung zur Sache in Bezug auf sie also nicht in Rechtskraft erwachsen würde. Aber auch im Hinblick auf die weitere Beteiligte zu 1 als frühere Verwalterin sowie im Hinblick auf die übrigen Wohnungseigentümer bedarf es infolge der eingetretenen prozessualen Überholung keiner Ungültigerklärung des Beschlusses. Denn das mit der Klage auf Schadensersatz befasste Gericht kann die Ordnungsmäßigkeit der Beschlussfassung, soweit entscheidungserheblich, inzident selbst prüfen.
Infolge der Erledigung der Hauptsache ist das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers entfallen (BayObLG WuM 1998, 511; Weitnauer/Mansel WEG 9. Aufl. Nach § 43 Rn. 35; Niedenführ/Schulze Vor §§ 43 ff. Rn. 221). Der Beschlussanfechtungsantrag ist somit unzulässig geworden, wodurch sich auch das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde erledigt hat, da der Antragsteller durch die erstgerichtliche Entscheidung nicht mehr in seinen Rechten beeinträchtigt sein kann. Trotz Hinweises des Landgerichts hat der Antragsteller dem Umstand der Erledigung nicht durch Antragsänderung Rechnung getragen. Das Landgericht hat das Rechtsmittel somit ohne sachliche Prüfung zu Recht als unzulässig verworfen. Auf die Frage der Ordnungsmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses kommt es vorliegend nicht an.
b) Unzutreffend gehen die Vorinstanzen davon aus, dass der am 6.10.2003 zu TOP 2e gefasste Eigentümerbeschluss wirksam ist und ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Vielmehr ist festzustellen, dass der Beschluss nichtig ist. Dies ist im gegebenen Beschlussanfechtungsverfahren auszusprechen (Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 9.Aufl. § 43 Rn. 66).
(1) Der Beschluss ist nicht bereits wegen eines formellen Mangels bei der Beschlussfassung zu beanstanden. Für Eigentümerversammlungen gilt der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit (OLG Frankfurt OLG-Report 2005, 736; KK-WEG-Riecke § 24 Rn. 20). Dem widerspricht es aber nicht, wenn der Verwalter im Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer zu bestimmten Tagesordnungspunkten Berater (z.B. Rechtsanwälte oder Architekten) zur Meinungsbildung heranzieht, solange nicht ein konkreter Interessengegensatz zwischen einem einzelnen Wohnungseigentümer und der Gesamtheit der übrigen Wohnungseigentümer hervorgetreten ist (BayObLG NZM 2004, 388). Ob die Hinzuziehung einer Rechtsanwältin zu der Versammlung durch die Verwalterin angesichts der sich abzeichnenden Streitigkeiten zwischen dem Antragsteller und den übrigen Wohnungseigentümern mit diesen Grundsätzen in Einklang stand, kann indes offen bleiben. Denn es ist nach Sachlage auszuschließen, dass ein etwaiger Verstoß gegen das Prinzip der Nichtöffentlichkeit für die Beschlussfassung ursächlich geworden ist (vgl. BayObLG NZM 2004, 388). Hierfür bietet insbesondere auch das Protokoll der Eigentümerversammlung keinerlei Anhaltspunkte.
(2) Vorliegend fehlt aber die Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung, so dass der Beschluss nichtig ist. Gegenstand der Beschlussfassung ist hier nicht die Einführung eines Lastschrifteinzugsverfahrens für Wohngelder (vgl. dazu BayObLG NJW-RR 2002, 1665; OLG Hamm FGPrax 2000, 100; OLG Hamburg ZMR 2002, 961; Niedenführ/Schulze § 28 Rn. 116 m.w.N.). Vielmehr ist der Beschluss im Hinblick auf seinen Wortlaut sowie seinen Sinn und Zweck als Dauerregelung objektiv und normativ dahingehend auszulegen (vgl. BGHZ 139, 288/292; Merle in Bärmann/Pick/Merle § 23 Rn. 54), dass Wohnungseigentümer, die nicht am Lastschriftverfahren teilnehmen, im Verhältnis der Wohnungseigentümer zueinander verpflichtet werden, pauschale Mehraufwendungen von 2,50 EUR im Monat an die Verwalterin zu zahlen. Gegenstand der Beschlussfassung ist nicht eine in die Regelungsbefugnis der Wohnungseigentümer fallende Abänderung des Verwaltervertrages dahingehend, dass die Verwalterin eine von allen Wohnungseigentümern anteilig zu tragende Zusatzvergütung für nicht am Lastschriftverfahren teilnehmende Eigentümer erhalten soll (vgl. Niedenführ/Schulze § 28 Rn. 118). Dafür, dass sämtliche Eigentümer zusätzliche Zahlungsverpflichtungen übernehmen wollen, fehlen nämlich jegliche Anhaltspunkte, zumal weder Regelungen über den Verteilungsmaßstab getroffen sind noch auf vorhandene Regelungen Bezug genommen wird. Vielmehr soll Schuldner der Zusatzvergütung nicht die Gemeinschaft, sondern der einzelne Wohnungseigentümer sein. Dass die Verwalterin die Vergütung "beantragt" hat, rechtfertigt keine andere Auslegung, da es aus Sicht der Verwalterin zunächst unerheblich ist, wer Schuldner der zusätzlichen Vergütung ist. Da Sonderpflichten eines Wohnungseigentümers nicht ohne dessen Zustimmung durch Mehrheitsbeschluss begründet werden können und die Gemeinschaft nicht die Kompetenz hat, den Kreis der Angelegenheiten, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung gehören, rechtsergänzend unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten auszudehnen, ist der unter TOP 2e gefasste Beschluss nichtig (Wenzel ZMR 2001, 226/235; Niedenführ/Schulze § 28 Rn. 118; Merle in Bärmann/Pick/Merle § 26 Rn. 125).
c) Das Landgericht hat dem Antragsteller sowohl die gerichtlichen wie auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt (§ 47 WEG). Dem Senat erscheint es angemessen, die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens nunmehr im Verhältnis 1/10 zu 9/10 zu Lasten des Antragstellers aufzuteilen. Maßgeblich ist dabei insbesondere, dass der Erfolg des Rechtsmittels nur einen relativ geringfügigen Teil betrifft. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten entspricht es der Billigkeit, dass der weitestgehend unterlegene Antragsteller 9/10 der den Antragsgegnern entstandenen Auslagen zu tragen hat. Im Übrigen kann von der Anordnung einer Kostenerstattung abgesehen werden. Für eine Abänderung der amtsgerichtlichen Kostenentscheidung, sieht der Senat keinen Anlass. Dass dort von dem Grundsatz, dass in Wohnungseigentumssachen die Beteiligten ihre Auslagen selbst zu tragen haben, ausgegangen wurde, ist für den ersten Rechtszug ermessensfehlerfrei.
3. Hinsichtlich der Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren erscheint dieselbe Regelung angemessen (§ 47 WEG) wie für das Beschwerdeverfahren.
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG und entspricht der unbeanstandet gebliebenen Geschäftswertfestsetzung durch die Vorinstanz.
Ende der Entscheidung
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