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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 07.02.2006
Aktenzeichen: 4 St RR 7/06
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 46
StGB § 55
StGB § 21
StPO § 331
1. Nimmt das Berufungsgericht erstmals einen Härteausgleich vor und verhängt es in seinem Urteil gleichwohl die vom Erstgericht verhängte Einzelstrafe, so stellt dies bei einer alleinigen Berufung des Angeklagten einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot dar.

2. Zum Umfang der notwendigen Feststellungen bei Prüfung verminderter Schuldfähigkeit.


Tatbestand:

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zur Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von 18 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht als unbegründet verworfen. Nach den Feststellungen feierte der Angeklagte am 30.6.2004 ab der Mittagszeit mit Bekannten und trank dabei in erheblichem Umfang Bier und Schnaps. Gegen 17.00 Uhr geriet der stark alkoholisierte Angeklagte mit seiner Lebensgefährtin bei einem Telefongespräch in Streit. Der Angeklagte geriet dabei so in Wut, dass er beschloss, seine Lebensgefährtin mit seinem Quad (vierrädriges Leichtkraftfahrzeug) aufzusuchen und zur Rede zu stellen. Obwohl der Angeklagte infolge des vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig war, was er bei kritischer Selbstprüfung hätte erkennen können und müssen, und auch nicht, wie er wusste, die erforderliche Fahrerlaubnis der Klasse B besaß, steuerte er das Quad gegen 17.10 Uhr auf öffentlichen Straßen in Augsburg. In der Sebastianstraße stieß er alkoholbedingt gegen den Randstein und stürzte, wobei er sich nicht unerheblich verletzte. Eine dem Angeklagten um 18.10 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine BAK von 1,97 % im Mittelwert.

Das Landgericht ist - wie im Ergebnis das Amtsgericht, das sich mit dieser Frage jedoch nicht auseinandergesetzt hat - davon ausgegangen, der Angeklagte sei voll schuldfähig gewesen. Eine Verminderung oder gar Aufhebung seiner Schuldfähigkeit durch den genossenen Alkohol sei ausgeschlossen. Der Angeklagte sei, wie er eingeräumt habe, in hohem Maße alkoholgewöhnt. Die von ihm angegebene Trinkmenge führe bei einem alkoholgewöhnten Menschen - auch unter Berücksichtigung der Trinkdauer von ca. fünf Stunden - nicht zu einem so schweren Rausch, dass die Schuldfähigkeit dadurch beeinträchtigt würde. Zudem habe der Angeklagte bekundet, dass er sich noch für fahrtüchtig gehalten habe und keine Ausfallerscheinungen vorgelegen hätten.

Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht festgehalten, dass der Angeklagte die jetzt abzuurteilende Tat vor der rechtskräftigen Verurteilung vom 28.9.2004 durch Berufungsurteil des Landgerichts A begangen hat, durch das er wegen Gewährens einer Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln in zwei Fällen zur Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt worden war. Insoweit hätte eine nachträgliche Gesamtstrafe nach § 55 StGB gebildet werden müssen, wenn die frühere Verurteilung noch nicht erledigt wäre; die dort verhängte Geldstrafe sei aber bereits am 12.4.2005 vollständig bezahlt worden. Aus der abgetrennten Aburteilung dürfe dem Angeklagten kein Nachteil erwachsen. Die Kammer habe deshalb diesen Umstand bei der Festsetzung der neuen Strafe strafmildernd berücksichtigt und einen Härteausgleich vorgenommen. Gleichwohl hat die Kammer - wie bereits das Amtsgericht - eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten für erforderlich gehalten.

Mit seiner nicht näher ausgeführten Revision rügte der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die gemäß §§ 333, 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO zulässige Revision hatte teilweise Erfolg.

Gründe:

1. Unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO ist die Revision, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Eine den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügende Verfahrensrüge ist nicht erhoben worden. Auch die Nachprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

2. Dagegen kann der Rechtsfolgenausspruch des Landgerichts nicht bestehen bleiben.

a) Der vom Landgericht vorgenommene "Härteausgleich" ist nicht frei von Rechtsfehlern. Beim Härteausgleich handelt es sich um ein unechtes Gesamtstrafenproblem, bei dem der Nachteil der nicht mehr möglichen Gesamtstrafenbildung durch eine Milderung der neu festzusetzenden Strafe auszugleichen ist (BGH NStZ 1983, 260).

Andererseits ist auch bei der Festsetzung der an sich angemessenen, aber im Wege des Härteausgleichs gemilderten (Einzel-) Strafe das Verbot der "reformatio in peius" (§ 331 StPO) zu beachten (OLG Koblenz NStZ-RR 2004, 330). Daran hat sich das Landgericht nicht gehalten.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts A vom 6.4.2005, das gegen den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten festsetzte, ohne einen Härteausgleich vorzunehmen, hatte nur der Angeklagte Berufung eingelegt. Wenn das Landgericht im angefochtenen Urteil trotz des nunmehr vorgenommenen Härteausgleichs wiederum auf fünf Monate Freiheitsstrafe erkannte, so muss es von einer an sich gebotenen "unechten" (OLG Koblenz aaO) Einzelstrafe von mehr als fünf Monaten ausgegangen sein. Damit verstieß das Berufungsgericht gegen das Verschlechterungsverbot des § 331 StPO.

b) Rechtlichen Bedenken begegnen auch die Ausführungen des Landgerichts zur Frage einer verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten. Abgesehen davon, dass das Landgericht die vom Angeklagten angegebene Trinkmenge nicht mitgeteilt hat, hat es auch keine Rückrechnung von der bei der Blutprobe um 18.10 Uhr festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,97 % auf den Tatzeitpunkt um 17.10 Uhr vorgenommen. Eine Rückrechnung hätte jedoch unter Zugrundelegung eines Abbauwertes von 0,2 % pro Stunde zuzüglich eines einmaligen Sicherheitszuschlags von 0,2 % eine maximale Blutalkoholkonzentration von etwa 2,37 % zur Tatzeit ergeben. Ob das Landgericht auch bei einem solchen BAK-Wert zur Tatzeit eine Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten aufgrund des genossenen Alkohols ausgeschlossen hätte, bleibt offen (vgl. hierzu BGH NStZ 2000, 214). Allerdings wird bei der erneuten Überprüfung gegebenenfalls zu berücksichtigen sein, dass auch die Annahme von verminderter Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB keineswegs zwingend zu einer Strafrahmenmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB führen muss (vgl. BGHSt 49, 239; ferner Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 21 Rn. 17, 20, 25 m.w.N.).

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