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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 13.05.2005
Aktenzeichen: 4St RR 75/05
Rechtsgebiete: BtMG


Vorschriften:

BtMG § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BtMG § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11
1. Der Tatbestand des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln ist (nur dann) nicht erfüllt, wenn das Rauschgift nur zum Mitgenuss oder in der verbrauchsgerechten Menge zum sofortigen Verbrauch an Ort und Stelle hingegeben wird.

2. Wer duldet, dass in seiner Wohnung über Wochen hinweg regelmäßig Treffen stattfinden, deren Zweck der Konsum von Betäubungsmitteln ist, gewährt anderen die Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln.


Tatbestand:

I.

1. Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln und des Verschaffens einer Gelegenheit zum unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln in zehn Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die hiergegen vom Angeklagten eingelegte Berufung hat das Landgericht verworfen. Der Entscheidung liegen u.a. folgende Feststellungen zugrunde:

1. Zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt zwischen dem 1.9. und dem 20.10.2003 übernahm der Angeklagte unentgeltlich von der Zeugin X eine Ecstasy-Tablette in seiner damaligen Wohnung, um sie zu einem späteren Zeitpunkt nach der Übergabe durch selbst zu konsumieren.

2. Der Angeklagte war alleiniger Mieter der Wohnung in A. Als solcher duldete er, dass zwischen dem 1.9. und dem 20.10.2003 in mindestens 10 Fällen so genannte Kiffer-Runden mit durchschnittlich 5 Teilnehmern durchgeführt wurden, bei denen von verschiedenen Personen Cannabis zur Verfügung gestellt wurde, welches dann gemeinsam verraucht wurde. An diesen 10 Kiffer-Runden nahm der am 24.10.1988 geborene Zeuge Y teil. In 2 Fällen brachte dieser ebenfalls Cannabis in die Raucher-Runden ein, in 8 Fällen wurde diesem von anderen Personen Cannabis zum Konsum überlassen. Der Angeklagte wusste, dass in allen Fällen einige Personen zu den Kiffer-Runden kamen, die selbst kein Cannabis hatten und dies erst in den Kiffer-Runden erwarben. Der Angeklagte förderte dies durch Überlassung seiner Wohnung und Gestattung der Raucher-Runden. Durch das Zurverfügungstellen seiner Wohnung war es den Teilnehmern ungefährlich möglich, sich dem Cannabiskonsum hinzugeben.

Der Angeklagte besaß in keinem der Fälle eine zum Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis im Sinne von § 3 Abs. 1 BtMG.

2. Mit seiner Revision rügte der Verteidiger die Verletzung materiellen Rechts. Der Angeklagte sei zu Unrecht des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln für schuldig befunden worden. Entgegen der von der Kammer vertretenen Rechtsauffassung setze ein strafloser alsbaldiger Verbrauch keineswegs voraus, dass der Übernehmende das Betäubungsmittel in Gegenwart des Übergebers konsumiere. Auch die Verurteilung wegen des Verschaffens einer Gelegenheit zum unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln in zehn Fällen sei rechtsfehlerhaft. Das Urteil sei zum einen widersprüchlich, da es einerseits davon ausgehe, dass der Angeklagte alleiniger Mieter der Wohnung gewesen sei, im Rahmen der Strafzumessung aber ausgeführt werde, eine Zeugin habe damals mit dem Angeklagten in dessen Wohnung gelebt. Allenfalls für die Zeugin, die nach den Urteilsfeststellungen treibende Kraft bezüglich der Kifferrunden gewesen sei, habe eine Verpflichtung bestanden, die genannten Personen der Wohnung zu verweisen. Im Übrigen könne allein der Umstand, dass sich in der Wohnung wiederholt Personen getroffen haben, um mitgebrachte Betäubungsmittel gemeinsam zu konsumieren, keine Strafbarkeit des Angeklagten begründen. Der Konsum von Betäubungsmitteln setze nicht zwangsläufig einen vorherigen Erwerb voraus.

Die gemäß §§ 333, 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO zulässige Revision hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.

Gründe:

1. Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch wegen des Erwerbs von Betäubungsmitteln richtet.

a) Hauptkriterium des Erwerbs ist es, dass der Erwerber die tatsächliche Möglichkeit erlangt, über das Betäubungsmittel wie ein Eigentümer zu verfügen. Wird das Rauschgift nur zum Mitgenuss oder in der verbrauchsgerechten Menge zum sofortigen Verbrauch an Ort und Stelle hingegeben, so ist der Tatbestand des Erwerbs von Betäubungsmitteln nicht erfüllt (Joachimski/Haumer BtMG 7. Aufl. § 3 Rn. 39; Weber BtMG 2. Aufl. § 29 Rn. 713, 721). Dies hindert hier eine Verurteilung gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG jedoch nicht. Die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts, von denen im Rahmen der allein erhobenen Sachrüge auszugehen ist, lassen den Schluss zu, dass der Angeklagte eigene Verfügungsgewalt über die Ecstasy-Tablette erlangt hat.

b) Die Verurteilung ist im Ergebnis auch nicht wegen der unterbliebenen Feststellung der Wirkstoffmenge der Tablette zu beanstanden. Zwar spielt neben der Menge des Rauschgifts insbesondere dessen Qualität grundsätzlich eine wesentliche Rolle für den Schuldumfang und die Strafzumessung. Feststellungen zum Mindestwirkstoffgehalt sind hier jedoch ausnahmsweise entbehrlich, da das Landgericht ersichtlich vom Erwerb lediglich einer Konsumportion zum Eigenverbrauch, also einer geringen Mengen (vgl. § 29 Abs. 5 BtMG), ausgegangen ist (BayObLGSt 1999, 99/100; BayObLG NJW 2003, 2110).

2. Die Revision hat insoweit Erfolg, als sich der Angeklagte im Zusammenhang mit den in seiner Wohnung stattfindenden "Kiffer-Runden" nicht - wie das Landgericht angenommen hat - nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 BtMG, sondern wegen der Gewährung der Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 BtMG in zehn Fällen schuldig gemacht hat. Der Schuldspruch ist daher entsprechend abzuändern.

a) Da mit der bloßen Überlassung zum Mitgenuss oder in verbrauchsgerechter Menge zum Verbrauch an Ort und Stelle in der Regel keine Übertragung der tatsächlichen Gewalt zur freien Verfügung verbunden ist (vgl. Weber § 29 Rn. 642, 721), scheidet eine Strafbarkeit nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 BtMG wegen des Verschaffens oder Gewährens einer Gelegenheit - wie vom Landgericht angenommen - zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln aus. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat sich der Angeklagte jedoch nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 BtMG schuldig gemacht, da er in zehn Fällen ohne Erlaubnis nach § 10a BtMG anderen die Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln gewährt hat (Weber § 29 Rn. 1190 ff.).

Das Landgericht geht davon aus, dass der Angeklagte alleiniger Mieter der Wohnung war. Hierzu steht nicht in Widerspruch, dass zeitweise weitere Personen dort wohnten. Zwar hat der Wohnungsinhaber nicht ohne weiteres rechtlich dafür einzustehen, dass in seinen Räumen durch Dritte keine Straftaten begangen werden (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6b BtMG: Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch; Joachimski/Haumer § 29 Rn. 180). Stellt ein Wohnungsinhaber etwa fest, dass einige seiner Partygäste Betäubungsmittel erwerben oder abgeben, und unterlässt er Gegenmaßnahmen, so ist er deswegen grundsätzlich noch nicht strafbar (BayObLGSt 1982, 100; Weber § 29 Rn. 1102). Hier liegt der Fall jedoch anders. Der Angeklagte hat geduldet, dass in seiner Wohnung über Wochen hinweg praktisch regelmäßig Treffen stattfanden, deren Zweck der Konsum von Betäubungsmitteln war. Indem der Angeklagte als Wohnungsinhaber nichts dagegen unternommen hat, hat er seine Wohnung zum Treffpunkt für Rauschgiftkonsumenten gemacht und die Möglichkeit eröffnet und gebilligt, dass u.a. von Minderjährigen ungestört Cannabis geraucht werden konnte (vgl. Weber § 29 Rn. 1100, 1102). Dass die Zeugin X insoweit die treibende Kraft war, schließt die Strafbarkeit des Angeklagten nicht aus.

b) Dass Feststellungen zu den konsumierten Rauschgiftmengen und ihrem Wirkstoffgehalt unterblieben sind, führt auch insoweit nicht zu einer Aufhebung des angegriffenen Urteils. Das Landgericht nimmt in seiner Entscheidung ersichtlich an, dass die Teilnehmer der Treffen geringe Mengen an Ort und Stelle konsumiert haben, wobei im Übrigen das Überlassen von Cannabis an andere zum unmittelbaren Verbrauch nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6b BtMG strafbar ist. Es ist auszuschließen, dass genaue Angaben zu den Mengen und zum Wirkstoffgehalt das Strafmaß zugunsten des Angeklagten beeinflusst hätten (Weber vor §§ 29 ff. Rn. 750).

c) Die gebotene Korrektur des Schuldspruchs kann der Senat vornehmen; eine Verschlechterung im Sinn des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO zu Lasten des Angeklagten ist hiermit nicht verbunden. Eines vorherigen Hinweises durch den Senat nach § 265 StPO bedurfte es nicht, da nicht ersichtlich ist, dass sich der Angeklagte hiergegen noch anders als geschehen verteidigen könnte (vgl. BGH StV 1988, 329 m.w.N.).

3. Die Strafzumessung lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

Sie kann durch das Revisionsgericht nur dahingehend überprüft werden, ob die Strafzumessungserwägungen in sich rechtsfehlerhaft sind, ob das Tatgericht rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Betracht gelassen oder ob sich die Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung gelöst hat, gerechter Schuldausgleich zu sein, da sie nicht mehr innerhalb des Spielraums liegt, der dem Tatrichter bei der Strafzumessung eingeräumt ist. Im Hinblick auf den Ermessensspielraum des Tatrichters ist eine exakte Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen, die Strafzumessung muss im Zweifelsfall also hingenommen werden (BGHSt 29, 319/320).

Diesen Anforderungen wird die angegriffene Entscheidung gerecht. Das Berufungsgericht legt nachvollziehbar dar, warum es die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen für unerlässlich erachtet. Dass das Gericht im Hinblick auf den Erwerb der Ecstasy-Tablette zum Eigenverbrauch nicht gemäß § 29 Abs. 5 BtMG von einer Bestrafung abgesehen hat, ist - wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 26.4.2005 zutreffend darlegt - nicht zu beanstanden. Ein Härteausgleich wegen der Verurteilung durch das Amtsgericht Augsburg vom 25.8.2003 war aus den vom Landgericht in der angegriffenen Entscheidung ausgeführten Gründen nicht vorzunehmen.

Ende der Entscheidung

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