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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 29.07.2008
Aktenzeichen: 5 U 4018/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 278 Satz 1
1. Sagt der Prospekt eines Medienfonds den Beitrittsinteressenten zu, dass "mindestens 115 % des Kommanditkapitals ohne Agio" zum Ende der Laufzeit des Fonds durch Schuldübernahme/Garantie einer Großbank abgesichert sind, so liegt eine Falschberatung vor, wenn der Anlageberater auf Frage erklärt, dass der Schlußzahlungsanspruch des Anlegers "garantiert" sei.

2. Ist lediglich eine Zahlung an die Fondsgesellschaft garantiert, verbleibt für den Kapitalanleger das Risiko, dass der durch Bankzahlung gesicherte Betrag nicht zu Ausschüttungszwecken, sondern zur Deckung anderweitiger Verbindlichkeiten der Fondsgesellschaft herangezogen wird, die nicht zuletzt auch durch außergewöhnliche Aufwendungen oder durch Pflichtverletzungen der Geschäftsführer der Fondsgesellschaft entstanden sein können.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 5 U 4018/07

Verkündet am 29.07.2008

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung u. a.

erlässt der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kotschy, Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwegler und Richter am Oberlandesgericht Dr. Barwitz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.06.2008 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 29.06.2007 aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 32.725,00 zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.05.2006 Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte aus der von der Klägerin am 03.06.2004 gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment VIP Medienfonds 4 GmbH & Co. KG im Nennwert von EUR 55.000,00 (Anteilsnummer ...) zu bezahlen.

III. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von allen zukünftigen wirtschaftlichen Nachteilen, insbesondere von Ansprüchen der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank aus der im Fondskonzept vorgesehenen Anteilsfinanzierung freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der von der Klägerin am 03.06.2004 gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment VIP Medienfonds 4 GmbH & Co. KG im Nennwert von EUR 55.000,00 (Anteilsnummer ...) resultieren.

IV. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Abtretung der Rechte aus der von der Klägerin am 03.06.2004 gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment VIP Medienfonds 4 GmbH & Co. KG im Nennwert von EUR 55.000,00 (Anteilsnummer ...) in Verzug befindet.

V. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

VI. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge.

VII. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

VIII. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz aufgrund einer von ihr bei der Film & Entertainment VIP Medienfonds 4 GmbH & Co. KG (im Folgenden: VIP 4 KG) eingegangenen Beteiligung.

Die Klägerin beteiligte sich mit Zeichnungsschein vom 03.06. 2004 mit einem Anlagebetrag von EUR 55.000,00 zzgl. Agio in Höhe von 5 %, mithin insgesamt EUR 57.750,00, über einen Treuhandkommanditisten an der VIP 4 KG (Anlage K 1.1). Hierauf erbrachte die Klägerin als Eigenkapital EUR 32.725,00, der restliche Teil in Höhe von EUR 25.025,00 wurde von der Klägerin entsprechend dem Fondskonzept durch Darlehensaufnahme bei der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank (im Folgenden: HVB) fremdfinanziert.

Die Beteiligungsmöglichkeit an diesem Fonds war der Klägerin von einem Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen G., Ende April/Anfang Mai 2004 vorgestellt worden. Nach Überprüfung der Kapitalanlage durch ihren Steuerberater, dem Zeugen Dr. F., zeichnete die Klägerin am 03.06.2004 die Anlage.

Wesentliches Element des Fonds VIP 4 ist die weitgehende Abdeckung des Risikos der Verwertung der herzustellenden Filme durch eine bankseitige Absicherung der im Vorfeld fest vereinbarten Mindestlizenzzahlungen. Im Prospekt (Anlage K 3) heißt es dazu unter der Überschrift "Schuldübernahme durch die Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG" auf Seite 13 wörtlich:

"Die Bank wird bezüglich aller bei der Erst-Investition realisierten Filme der Fondsgesellschaft (nachfolgend auch Lizenzgeber) jeweils die Verpflichtungen des Lizenznehmers zur Erbringung der fest vereinbarten Schlusszahlungen in Höhe von mindestens 115 % des anteiligen Kommanditkapitals ohne Agio bezogen auf den Anteil der Produktionskosten am gesamten Kommanditkapital des Lizenzgebers übernehmen. Die Schuldübernahmen erfolgen mit schuldbefreiender Wirkung für den Lizenznehmer."

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hafte ihr nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne und wegen pflichtwidrig unrichtiger Anlageberatung. Der Fondsprospekt sei unzutreffend und unvollständig, darüber hinaus, was die steuerliche Anerkennungsfähigkeit des Konzepts anbelange, nicht schlüssig. Darüber hinaus trägt die Klägerin vor, dass das vom Zeugen G. im Rahmen der Beratung verwendete "Worst-Case-Szenario" in mehrerlei Hinsicht falsch sei, da im schlimmsten Falle der Totalverlust der Anlage drohe. Auch habe der Zeuge G. weder auf damals bereits veröffentlichte negative Äußerungen zum Fonds VIP 4 in der Fachpresse noch auf den Umstand hingewiesen, dass die Beklagte für die Vermittlung des Fonds VIP 4 eine Provision von mindestens 8,25 % erhalten habe.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz (in Höhe von EUR 32.725,00) sowie Freistellung von künftigen Nachteilen aus der Beteiligung Zug um Zug gegen Übertragung der von ihr gezeichneten Beteiligung.

Die Beklagte tritt der Klage entgegen mit der Behauptung, sie habe die Beteiligungen lediglich vermittelt. In Bezug auf den Prospekt habe sie die geschuldete Plausibilitätsprüfung ordnungsgemäß vorgenommen. Die Klägerin sei beim Erwerb der Beteiligung über alle wesentlichen Umstände ausreichend informiert worden. Vom Prospekt abweichende Zusicherungen habe der Zeuge G. dabei nicht gemacht. Zur Aufklärung über für ihre Vertriebstätigkeit bezogene Provisionen sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Einvernahme der Zeugen G. und Dr. F. die Klage abgewiesen. Es ist hierbei davon ausgegangen, dass die Beklagte im vorliegenden Falle lediglich als Anlagevermittlerin tätig geworden sei. Fehler bei der dem Vermittler obliegenden Plausibilitätsprüfung seien nicht festzustellen. Der zum Fonds VIP 4 herausgegebene Prospekt weise keine Unrichtigkeiten oder Widersprüche auf. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin bzw. dem Zeugen Dr. F. inhaltlich vom Fondsprospekt abweichende unzutreffende Erklärungen abgegeben habe. Selbst wenn das vom Zeugen G. im Gespräch verwendete Berechnungsbeispiel eines "Worst-Case-Szenarios" (Anlage zum Protokoll vom 11.06.2007) unzutreffend gewesen sei, fehle es jedenfalls insoweit an einer Kausalität für die Anlageentscheidung der Klägerin. Eine Haftung der Beklagten ergebe sich schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Aufklärungspflichtverletzung: Über die von ihr bezogene Provision für den Vertrieb habe die Beklagte die Klägerin nicht informieren müssen.

Gegen das landgerichtliche Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin mit dem bereits erstinstanzlich verfolgten Schadensersatzbegehren. Die Klägerin rügt, das Landgericht habe bereits rechtsfehlerhaft nicht erkannt, dass ein Beratungsvertrag zustande gekommen sei. Dass die vom Prospekt abweichenden unrichtigen Angaben des Zeugen G. für die Zeichnung seitens der Klägerin ursächlich geworden seien, ergebe sich bereits aus der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, jedenfalls aber einer Parteivernehmung der Klägerin.

Die Klägerin beantragt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 02.08.2007 verkündete Urteil der 32. Zivilkammer des Landgerichts München I (Az. 32 O 8425/07) abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt,

1. an die Klägerin EUR 32.725,00 zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2004 Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte aus der von der Klägerin am 03.06.2004 gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment VIP Medienfonds 4 GmbH & Co. KG im Nennwert von EUR 55.000,00 (Anteilsnummer ...) zu bezahlen.

Hilfsweise: an die Klägerin EUR 32.725,00 zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2004 Zug um Zug gegen Übertragung der von der Klägerin am 03.06.2004 gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment VIP Medienfonds 4 GmbH & Co. KG im Nennwert von EUR 55.000,00 (Anteilsnummer ...) zu bezahlen.

2. die Klägerin von allen zukünftigen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der von der Klägerin am 03.06.2004 gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment VIP Medienfonds 4 GmbH & Co. KG im Nennwert von EUR 55.000,00 (Anteilsnummer ...) resultieren.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Annahme der Abtretung der Rechte aus der von der Klägerin am 03.05.2004 gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment VIP Medienfonds 4 GmbH & Co. KG im Nennwert von EUR 55.000,00 (Anteilsnummer ...) in Verzug befindet.

Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Annahme der Abtretung der Übertragung der von der Klägerin am 03.06.2004 gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment VIP Medienfonds 4 GmbH & Co. KG im Nennwert von EUR 55.000,00 (Anteilsnummer ... ) in Verzug befindet.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung, hilfsweise Zulassung der Revision.

Der Senat hat die Klägerin als Partei angehört und die Zeugen Dr. F. und G. nochmals vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Senat vom 10.06.2008 Bezug genommen.

Im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 10.06.2008 Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin erweist sich in ganz überwiegenden Umfang als begründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten Schadensersatz im Umfange der Ziffern II. bis IV der Entscheidungsformel jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Schlechterfüllung (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB) des zustande gekommenen Anlageberatungsvertrags verlangen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Senat hat der Zeuge G. im Zuge der Beratungsgespräche das trotz Absicherungsmaßnahmen noch bestehende Restrisiko der Anlage unrichtig, nämlich zu niedrig dargestellt und darüber hinaus die Frage des Zeugen Dr. F., ob der Rückzahlungsanspruch der Klägerin bankseitig abgesichert sei, unzutreffend bejaht. Die Klägerin ist daher so zu stellen, als sei sie die gezeichnete Anlage nicht eingegangen.

1. Nach Sachlage ist zwischen der Klägerin und der Beklagten ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Die Beklagte war, wie auch vom Zeugen Dr. F. bei seiner Einvernahme vor dem Senat bestätigt, die Hausbank der Eheleute St. und hatte diesen bereits zuvor Angebote zur Geldanlage unterbreitet. Vor Zeichnung des Fonds wurde der Klägerin auch eine Selbstauskunft abverlangt, bei der sie sich in Kenntnisstufen und Risikokategorien einordnen sollte. Darüber hinaus hatte die Klägerin nach dem Ergebnis ihrer Anhörung vor dem Senat bis zur streitgegenständlichen Zeichnung lediglich Aktien- und Anleihefonds erworben und sich an einem Containerschiff beteiligt und verfügte über keine Erfahrungen mit Filmfonds. Schließlich hat der Zeuge G. auf Nachfrage des Zeugen Dr. F. eine Stellungnahme zu zwei vom Steuerberater der Klägerin für problematisch angesehenen Punkten abgegeben. Auch hat sich der Zeuge G. bei seiner Einvernahme vor dem Senat selbst als "Berater" gesehen (Seite 10 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 10.06.2008). Nach allem besteht kein Zweifel daran, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen ist.

2. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren war die Beratung durch den Zeugen G. auch in einem entscheidenden Punkt fehlerhaft, wofür die Beklagte nach § 278 Satz 1 BGB einzustehen hat.

a) Das Landgericht hat auf Seite 35 der Entscheidungsgründe keinen Anlass gesehen, an der Richtigkeit der Darstellung des Zeugen G. zu zweifeln, obgleich dieser bei seinen beiden Vernehmungen ausweislich Seite 20 der Niederschrift vom 15.12.2006 und Seite 4 der Niederschrift vom 11.06.2007 völlig unterschiedliche Darstellungen dazu abgegeben hat, in welcher Höhe er das Worst-Case-Risiko der Klägerin gegenüber geschildert haben will. Der Senat hat aufgrund der gegen das Ersturteil geführten Berufungsangriffe Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der landgerichtlichen Tatsachenfeststellungen geschöpft und daher die Beweisaufnahme wiederholt (§ 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO).

b) Aufgrund der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren hat der Senat keinen Zweifel daran, dass der Zeuge G. die Klägerin und den von dieser eingeschalteten Berater Dr. F. fehlerhaft dahingehend beraten hat, dass zum einen Rückzahlungen an den Anleger von der Bank garantiert seien und zum anderen bei einer Anlage in Höhe von EUR 100.000,00 zzgl. Agio von 5 % im schlimmsten Falle ein Verlust in Höhe von EUR 12.394,00 eintreten könne.

Dies ergibt sich einerseits aus den Angaben des Zeugen Dr. F., andererseits aus dem vom Zeugen G. verwendeten, von der VIP Aktiengesellschaft zur Verfügung gestellten "vereinfachten Prognose-Worst-Case-Szenario" (Anlage zur Niederschrift vom 11.06.2007). Der Zeuge Dr. F. hat dazu angegeben, er habe bei dem Fondskonzept zwei Probleme gesehen und telefonische Rückfrage bei Herrn G. gehalten. Zum einen sei es um die Frage gegangen, ob bei der Anlage ein "Totalgewinn" erzielt wird, zum anderen darum, ob durch die Schuldübernahme das Kapital und ein "positives Delta", zurückfliessend an die Mandantin, garantiert seien. Beides habe Herr G. bestätigt. Auf Nachfrage hat der Zeuge Dr. F. präzisiert, dass er den Absatz "Schuldübernahme" auf Seite 13 des Prospekts (Anlage K 3) gelesen habe. Die dort genannten "fest vereinbarten Schlusszahlungen in Höhe von mindestens 115 % des anteiligen Kommanditkapitals" habe er in Bezug auf den einzelnen Anleger verstanden. Er habe deshalb bei Herrn G. zurückgefragt, ob diese Interpretation richtig sei. Herr G. habe die Frage bejaht und auch die Vergleichbarkeit mit einem Vorgängerfonds zum Film "Mission Impossible 2" bestätigt. Diese Angaben des Zeugen Dr. F. entsprechen dem Inhalt seines Schreibens vom 17.03.2006 an die Klägerin (vorgelegt als Anlage K 1.2).

Der Senat hat keine Gründe, an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben zu zweifeln. Der Zeuge Dr. F. hat seine Angaben ruhig und ersichtlich von guter Erinnerung getragen gemacht. Für die Richtigkeit der Angaben des Zeugen Dr. F. spricht deutlich auch der Inhalt des "vereinfachten Prognose-Worst-Case-Szenario", das der Zeuge G. nach eigenen Angaben als Beratungsunterlage herangezogen hat und das auch dem Zeugen Dr. F. zur Verfügung gestanden hat. Darin wird, bezogen auf eine Beteiligung von EUR 100.000,00 zzgl. 5 % Agio unter der Überschrift "Rückfluss 2014" als Ausgangsgröße eine "Garantiezahlung" in Höhe von EUR 115.00,00 angesetzt. Abweichend vom Inhalt des Fondsprospekts (Anlage K 3), Seite 13 Absatz 4 wird in diesem Handblatt davon ausgegangen, dass bei Beendigung des Fonds im Jahre 2014 eine Rückzahlung an den Anleger garantiert ist. Nach dem Fondskonzept sind indes "die Schlusszahlungen im vorgenannten Umfang anstelle des Lizenznehmers von der Bank an die Fondsgesellschaft zu leisten". Damit ist im ungünstigsten Falle nicht mit dem im Worst-Case-Szenario angeführten Verlust von EUR 12.394,00 zu rechnen, vielmehr droht der Totalverlust der Anlage. Für den Kapitalanleger verbleibt nämlich das Risiko, dass der durch Bankzahlung gesicherte Betrag nicht zu Ausschüttungszwecken, sondern zur Deckung anderweitiger Verbindlichkeiten der Fondsgesellschaft herangezogen wird.

Die Richtigkeit der Angaben des Zeugen Dr. F. wird durch die Beteuerungen des damals beratenden Zeugen G., er habe in dem Gespräch mit Frau St. über die Schlusszahlungen in Höhe von 115 % zwar gesprochen, dabei den Begriff "garantierte Schlusszahlung" aber nicht verwendet, nicht erschüttert. Zum einen hatte der Zeuge G. hinsichtlich des näheren Inhaltes des Beratungsgespräches und des Telefonats mit dem Zeugen F. offensichtlich keine nähere und insbesondere keine verlässliche Erinnerung mehr. Zum anderen hat er bei seinen beiden Einvernahmen vor dem Landgericht zum zentralen Punkt des verbleibenden Restrisikos der Kapitalanlage widersprüchliche, gänzlich miteinander unvereinbare Angaben gemacht. So hat er bei seiner Aussage vom 15.12.2006 (Niederschrift Seite 20) erklärt:

"Der Worst-Case war nach unseren Unterlagen so dargestellt, dass bei einem Spitzensteuersatz ein Verlust von ca. EUR 12.000,00 bei einer Beteiligung von EUR 100.000,00 eintreten könnte, so habe ich es mit Frau St. erörtert."

Dem gegenüber hat der Zeuge G. bei seiner zweiten Einvernahme vor dem Landgericht am 11.06.2007 (Niederschrift Seite 4) erklärt:

"Im Worst-Case läuft das ganze auf Negativ-Euro 12.394,00 hinaus. Das bedeutet, dass der Kunde zusätzlich zu seinem ursprünglich eingesetzten Kommanditkapital nochmals zusätzlich diesen Betrag aufzubringen hat".

Nach der letztgenannten Darstellung, würde mithin das Risiko eines mit EUR 100.000,00 beteiligten Kapitalanlegers EUR 112.394,00 (zuzüglich Agio) betragen. Bei seiner Einvernahme vor dem Senat befragt, welche dieser Restrisikobetrachtungen denn nun richtig sei, hat der Zeuge G. nach längerem Nachdenken wörtlich erklärt:

"Ich bin im Moment überfordert zu sagen, ob der Worst-Case EUR 12.394,00 oder EUR 112.394,00 beträgt."

Dies macht deutlich, dass sich der Zeuge G. als Berater nicht sehr eingehend mit dem Fondskonzept der VIP 4 KG befasst hat. Umso näher liegt es, dass der Zeuge anhand des von der VIP Aktiengesellschaft zur Verfügung gestellten Handblatts (Anlage zur Niederschrift vom 11.06.2007) beraten hat. Damit relativiert sich auch die Aussage des Zeugen G., er sei sich zwar sicher, dass er das Wort "Schuldübernahme" verwendet habe, nicht jedoch das Wort "Garantie". Als Berater orientiere er sich an der Wortwahl der vorgegebenen Produkte und schaffe keine Neukreationen. In dem vereinfachten Prognose-Worst-Case-Szenario der VIP Aktiengesellschaft ist indes wörtlich von einer "Garantiezahlung" bei Beendigung des Fonds im Jahre 2014 die Rede. Auch ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, weshalb der Berater G. zwar die im Handblatt enthaltenen Zahlen, nicht aber die dort gewählte Diktion verwenden hätte sollen.

3. Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Beratungsfehler des Zeugen G. auch ursächlich für die Anlageentscheidung der Klägerin.

Bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Senat hat die Klägerin angegeben, sie habe bis dahin in Aktien, Anleihen und eine Schiffsbeteiligung investiert gehabt. Filme seien für sie hingegen "nicht so einschätzbar" gewesen. Von daher ist es ohne weiteres nachvollziehbar, dass für die Klägerin, wie sei weiter angegeben hat, eine Absicherung durch die Bank zu 115 % wesentlich war.

Entscheidend für die Ursächlichkeit für die Anlageentscheidung war jedoch letztendlich die Einschaltung des langjährigen Steuerberaters Dr. F. verbunden mit der Bitte um Überprüfung des Fondsmodells. Nach den Bekundungen des Steuerberaters gab es zwei Punkte, die einer Unbedenklichkeitserklärung seinerseits entgegenstehen konnten: Zum einen war dies die Frage der Anerkennung als Mitunternehmerschaft unter dem Gesichtspunkt der Gewinnerzielungsabsicht (Erzielung eines Totalgewinns), zum anderen die Besicherung eines Schlusszahlungsanspruchs der Kapitalanleger.

Soweit die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung die Auffassung vertritt, eine etwaige Falschberatung sei jedenfalls deswegen unerheblich, da es für den Anleger keinen Unterschied mache, ob die Schlusszahlungen gemäß dem Fondskonzept an die Fondsgesellschaft geleistet werden oder ob die Bank direkt an die Anleger ausbezahlt, ist dies nicht stichhaltig. Insbesondere trägt das Argument, infolge des eng umgrenzten Gesellschaftszwecks und des Geschäftsmodells der Fondsgesellschaft sei sichergestellt, dass diese während ihrer Dauer keine anderen Verbindlichkeiten anhäufen, als die in der Investitionsplanungsrechnung berücksichtigten, nicht. Es lässt nämlich bereits außer Acht, dass bei der Gesellschaft außergewöhnliche Kosten beispielweise in Folge von Rechtsstreitigkeiten entstehen können, zum anderen berücksichtigt es das sogenannte Schlüsselpersonenrisiko nicht, welches sich nach der Kenntnis des Senats bei einem anderen Filmfonds dahin gehend realisiert hat, dass Anlegergelder zweckwidrig verwendet wurden.

4. Nach Sachlage muss sich die Klägerin kein Mitverschulden an der Schadensentstehung entgegenhalten lassen. Dies gilt auch mit Blick auf die Einschaltung des Steuerberaters Dr. F. Dieser durfte, ohne dass ihm dies vorwerfbar wäre, auf die Richtigkeit der Versicherung des Zeugen G. vertrauen, dass Schlusszahlungen an die Anleger garantiert seien. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch in dem ihm (vom Ehemann der Klägerin) übergebenen Handblatt (Anlage zum Protokoll vom 11.06.2007) von einer "Garantiezahlung" die Rede ist.

5. Die Beklagte hat der Klägerin mithin den sogenannten Zeichnungsschaden zu ersetzten. Die Klägerin ist so zu stellen, als hätte sie die teilweise kreditfinanzierte Anlage nicht getätigt. Dies bedeutet allerdings auch, dass die Klägerin keinen Anspruch darauf hat, dass ihr entstandene Steuervorteile auch verbleiben. Der Zeichnungsschaden umfasst lediglich das negative Interesse. Der Verbleib von Steuervorteilen ist jedoch - worauf die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung zu Recht hinweist - dem Erfüllungsinteresse zuzuordnen. Dahingehend war die Verurteilung zur Freistellung in Ziffer III der Entscheidungsformel einzuschränken.

6. Erfolglos bleiben die Einwendungen der Beklagten im Hinblick auf den gestellten Zug um Zug-Antrag. Die Klägerin bietet hier die Übertragung aller Rechte aus ihrer Beteiligung an. Soweit die Beklagte darüber hinaus meint, die Klägerin habe ihr Stammrecht, den Gesellschaftsanteil anbieten müssen, ist festzustellen, dass die Klägerin der VIP 4 KG nur wirtschaftlich beigetreten ist. Demzufolge hält sie keinen Kommanditanteil, sondern ist lediglich mittels Treuhandvertrags mit der M. Vermögensverwaltung GmbH verbunden. Lediglich die Rechte aus diesem Treuhandvertrag kann die Klägerin Zug um Zug anbieten. Infolge dessen befindet sich die Beklagte mit der Annahme in Verzug, was antragsgemäß auszusprechen war.

7. Der Klägerin sind lediglich Prozesszinsen (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage, mithin ab 04.05.2006 zuzusprechen. Der weitergehende Zinsanspruch ist mangels Darlegung eines früheren Verzugseintritts nicht schlüssig dargetan.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision liegen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts, noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die inmitten stehenden Rechtsfragen der Pflichten eines Anlageberaters sind mittlerweile höchstrichterlich geklärt. Im Übrigen beruht das Urteil auf tatrichterlichen Feststellungen im Einzelfall.

Ende der Entscheidung

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