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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 10.07.2007
Aktenzeichen: 5 U 5578/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 280
BGB § 607
1. Eine Bank überschreitet ihre Rolle als Kreditgeberin bei einem kreditfinanzierten Erwerb einer Immobilie, deren Kaufgelegenheit sie zuvor von sich aus dem Käufer nachgewiesen hat und deren Verwertung im laufenden Zwangsversteigerungsverfahren im Wege des freihändigen Verkaufs von ihrer Zustimmung als Kreditgeberin des Verkäufers abhängt.

2. In diesem Fall haftet die Bank auch unter dem Gesichtspunkt eines schwerwiegenden Interessenkonflikts bei "Doppelfinanzierung" dem neuen Kreditnehmer wegen Verschuldens bei Vertragsabschluss, wenn sie über ein ihr vorliegendes Verkehrswertgutachten nicht aufklärt, obwohl der vom Gutachter ermittelte Wert der Immobilie nicht nur den von ihr selbst ermittelten und dem Käufer mitgeteilten Wert um rund 100 % unterschreitet, sondern auch erheblich unter dem von ihr festgesetzten Mindestverkaufspreis liegt.


Aktenzeichen: 5 U 5578/06

Verkündet am 10. Juli 2007

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

erlässt der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht sowie durch die Richter am Oberlandesgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 2007 folgendes Grund- und Teilendurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts München II vom 09.11.2006 aufgehoben. Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Ersatz des Schadens infolge des seitens der Rechtsvorgängerin der Beklagten unterlassenen Hinweises auf das Verkehrswertgutachten des Sachverständigen L. für das Hotelobjekt "P.-Hof" ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

II. Die Feststellungswiderklage der Beklagten wird abgewiesen und die Anschlussberufung zurückgewiesen.

III. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt aus eigenem und abgetretenem Recht wegen behaupteter Beratungs- und Aufklärungspflichtverletzung Schadensersatz im Zusammenhang mit dem von der Rechtsvorgängerin der Beklagten kreditfinanzierten Kauf des Hotelobjekts "P.-Hof" in H.

Der Kläger betreibt das Unternehmen "K.-Gasthof" und war seit 1994 Kunde bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (nachfolgend: Beklagte).

Die Voreigentümer R. des Anwesens "P.-Hof" waren ebenfalls Kreditnehmer der Beklagten. Nachdem diese den dort eingegangenen Kapitaldienst, der mit Grundschulden in Höhe von 6 Mio. DM am streitgegenständlichen Anwesen zugunsten der Beklagten gesichert war, nicht mehr ordnungsgemäß bedienen konnten, kündigte die Beklagte im Jahr 1997 den Kredit und stellte die Forderung in Höhe von rund 4,2 Mio. DM fällig.

Auf Antrag der Beklagten wurde im Jahr 1997 die Zwangsverwaltung angeordnet und die Zwangsversteigerung des Anwesens "P.-Hof" betrieben. Als Zwangsverwalter wurde das frühere Vorstandsmitglied der Beklagten, M., bestellt. Im Rahmen der Zwangsversteigerung wurde ein Verkehrswertgutachten für das Objekt erholt. Nach den Feststellungen des Sachverständigen in dem Gutachten betrug der nach der Ertragswertmethode ermittelte Verkehrswert des Anwesens zum Stichtag 07.04.1998 2,8 Mio. DM.

Im Mai 1998 kam es zwischen dem als Kundenbetreuer für die Beklagte handelnden früheren Vorstandsmitglied M. und dem Kläger zu Gesprächen, in deren Verlauf der Kläger auf das Anwesen "P.-Hof" aufmerksam gemacht wurde. Nachdem zunächst nur von der Möglichkeit einer Pacht die Rede war, schlug M. dem Kläger vor, den "P.-Hof" zu erwerben. In diesem Zusammenhang wurde dem Kläger erläutert, dass die Kreditverbindlichkeiten des Voreigentümers 4,2 Mio. DM betrugen, das Anwesen mit Grundschulden von 6 Mio. DM belastet war, insoweit das Zwangsversteigerungsverfahren betrieben wurde und mithin ein Kaufpreis, der nicht die Verbindlichkeiten des R. abdeckt, von der Beklagten nicht akzeptiert werde. Ferner wurde dem Kläger mitgeteilt, dass nach eigener Bewertung der Beklagten der Verkehrswert des Anwesens zwischen 5,5 und 6 Mio. DM liege.

In der Folgezeit führte der Kläger Verhandlungen mit dem Voreigentümer, über deren Verlauf die Beklagte stets informiert war. Der Kläger erwarb das Anwesen mit notariellem Kaufvertrag vom 15.07.1998 zum Preis von 4,3 Mio. DM, wobei lediglich ein Betrag in Höhe von 100.000,-- DM an den Verkäufer, die Restsumme von 4,2 Mio. DM unmittelbar an die Beklagte floss. Bereits am 13.07.1998 wurde dem Kläger durch die Beklagte, die ihn auch bei der Beantragung der Gewährung öffentlicher Finanzhilfen unterstützte, mündlich eine Finanzierungszusage für den Erwerb des Objekts erteilt. Obwohl dem früheren Vorstandsmitglied der Beklagten M. bereits Mitte Juni 1998 das Gutachten vorlag, wurde der Kläger hierüber von der Beklagten nicht informiert.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte wegen der langjährigen Geschäftsverbindung und eines zumindest stillschweigend geschlossenen Beratungsvertrages verpflichtet gewesen wäre, ihn über den Inhalt des Sachverständigengutachtens aufzuklären. Jedenfalls habe die Beklagte als Kreditgeberin des Klägers und des Verkäufers und des sich aus dieser "Doppelrolle" ergebenden Interessenkonflikts ihre Aufklärungspflichten verletzt. Die Beklagte habe durch das Gutachten erkennen können, dass der für die Investition erforderliche Kapitaldienst aus den Erträgen des Hotelbetriebs nicht erwirtschaftet werden konnte.

In der ersten Instanz hat der Kläger einen Schaden von 1.295.434,67 € behauptet. Er hat sich dabei gestützt auf die Differenz zwischen dem aus seiner Sicht überhöhten Kaufpreis von 4,3 Mio. DM und dem nach dem Gutachten ermittelten tatsächlichen Verkehrswert von 2,8 Mio. DM, den demzufolge überhöhten Aufwendungen für Grunderwerbsteuer und Erwerbsnebenkosten (52.500,-- DM und 7.500,-- DM), zusätzlich entstandene Zinsen von 538.650,-- DM für den Kapitaldienst bei der Beklagten, unrentierliche Investitionen von 250.000,-- DM und die Differenz zwischen dem von der Beklagten angeblich zugesagten Investitionsförderzuschuss von 592.000,-- DM und der dann tatsächlich gewährten 407.000,-- DM.

Die Beklagte verteidigt sich u.a. damit, dass der Kläger über sämtliche, einen etwaigen Interessenkonflikt begründende Umstände umfassend informiert worden sei. Eine Aufklärung über das Gutachten schulde die Beklagte schon deswegen nicht, weil der Gutachter die Verkehrswertermittlung in unzutreffender Weise auf das Ertragswertverfahren und nicht das Sachwertverfahren gestützt habe.

Das Landgericht hat nach Einvernahme der Zeugen U. und M. mit Endurteil vom 09.11.2006 die Klage abgewiesen. Zwar sei die haftungsbegründende Pflichtverletzung seitens der Beklagten zu bejahen, da diese es unterlassen habe, den Kläger über den Inhalt des im Zwangsversteigerungsverfahren erholten Gutachtens zu informieren. Eine Aufklärungspflicht sei nach der von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppe der "Interessenkollision" zu bejahen. Allerdings habe der Kläger den geltend gemachten Schaden nicht hinreichend schlüssig dargelegt. Der vom Kläger geltend gemachte Erfüllungsschaden, der auf eine Vertragsanpassung hinauslaufe, sei nur ausnahmsweise zu ersetzen. Die hierzu vom BGH entwickelten Voraussetzungen lägen nicht vor (BGH NJW 1998, 2900). Nichts spreche dafür, dass der Kläger das Anwesen auch für 2,8 Mio. DM, dem von ihm behaupteten tatsächlichen Verkehrswert, hätte erwerben können. Die ergänzenden Ausführungen des Klägers zur Schadensberechnung in dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen und insoweit nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 25.09.2006 hätten nicht berücksichtigt werden können.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.163.734,06 € weiter verfolgt. Den behaupteten Vermögensschaden berechnet der Kläger nunmehr aus der Differenz zwischen seinem gesamten Investitionsaufwand einschließlich Kapitalkosten für das Objekt (6.043.664,74 DM) und dem maximalen Verkehrswert des "P.-Hofs" zum 31.12.2001 in Höhe von 3,8 Mio. DM. Auch wenn das Erstgericht der Auffassung nicht gefolgt sei, dass sich ein Teil des geltend gemachten Schadens auf die Differenz zwischen Kaufpreis und Verkehrswert des streitgegenständlichen Objekts gemäß Gutachten stützen lasse, so seien doch die weiteren Schadenspositionen (Grunderwerbsteuer, Leistung unrentierlicher Investitionen u.a.) vom Kläger hinreichend schlüssig dargelegt worden. Zumindest habe das Landgericht fehlerhaft von der Möglichkeit der Schadenschätzung nach § 287 ZPO keinen Gebrauch gemacht. Die Nichtberücksichtigung des Sachvortrags im Schriftsatz vom 25.09.2006 begründe einen Verstoß gegen die materielle Prozessleitung nach § 139 ZPO.

Die Beklagte hält das Ersturteil zwar im Ergebnis für richtig. Jedoch sei in den Urteilsgründen zu Unrecht festgestellt worden, dem Kläger würden dem Grunde nach Schadensersatzansprüche zustehen. Sie wendet sich daher mit ihrer Anschlussberufung gegen das Urteil und begehrt im Wege der Widerklage die Feststellung, dass dem Kläger gegen die Beklagte weder wegen des seitens der Rechtsvorgängerin der Beklagten unterlassenen Hinweises auf das Verkehrswertgutachten des Sachverständigen für das Hotelobjekt "P.-Hof" noch wegen der Mitwirkung der Rechtsvorgängerin der Beklagten beim Antrag auf Gewährung einer öffentlichen Finanzierungshilfe Ansprüche zustehen.

Ergänzend wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils des Landgerichts München II vom 09.11.2006 (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO), auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.06.2007.

II.

1. Die nach §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung führt zur Aufhebung des Ersturteils und zum Ausspruch, dass die Beklagte dem Kläger dem Grunde nach auf Schadensersatz haftet (§ 304 Abs. 1 ZPO). Das Landgericht hat zutreffend den Anspruch des Klägers aus c.i.c. wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung im Zusammenhang mit dem gewährten Darlehen zur Finanzierung des Erwerbs des Anwesens "P.-Hof" dem Grunde nach bejaht. Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Senat an.

Die von der Beklagten hiergegen, auch zur Begründung ihrer Anschlussberufung erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.

a) Dahinstehen kann, ob zwischen dem Kläger und der Beklagten ein Auskunftsvertrag zumindest konkludent zustande gekommen ist und die Beklagte nach der daraus folgenden Verpflichtung zur vollständigen und richtigen Information auch auf den vom Gutachter ermittelten Verkehrswert als für den Anlageentschluss des Klägers von besonderer Bedeutung hinweisen hätte müssen. Die Beklagte wusste von dem Interesse des Klägers, eine Investition in Form eines Immobilienerwerbs zu tätigen. Die Beklagte ist dann von sich aus über ihr damaliges Vorstandsmitglied, der zugleich als Kundenbetreuer des Klägers tätig war, an Letzteren mit der Frage herangetreten, ob er nicht den "P.-Hof" erwerben wolle. Indem der Kläger Interesse zeigte, hat er gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, dass er betreffend den Erwerb des "P.-Hofes" die besonderen Kenntnisse und Verbindungen der Beklagten in Anspruch nehmen will. Die Beklagte hat daraufhin mit der Tätigkeit begonnen und Einzelheiten zu den Rahmenbedingungen (Zwangsversteigerungsverfahren, Zwangsverwaltung) mitgeteilt. Insbesondere hat die Beklagte über ihr Kreditverhältnis zu dem vormaligen Eigentümer R. und die Höhe der insoweit bestehenden Verbindlichkeiten sowie deren Absicherung aufgeklärt und klargestellt, dass diese Forderungen bei einer Veräußerung des Objekts, sei es durch Verkauf oder Zwangsversteigerung, gedeckt werden müssten. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger den Verkehrswert des Objekts aufgrund eigener Wertermittlung mit zwischen 5,5 und 6 Mio. DM liegend beziffert hat, wäre sie wohl verpflichtet gewesen, den vom gerichtlich bestellten Sachverständigen ermittelten und mit 2,8 Mio. DM um etwa die Hälfte niedrigeren Verkehrswert dem Kläger mitzuteilen. Letztlich kann die Frage aber offen bleiben, da die Beklagte zur Aufklärung nach den von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen "Überschreiten der Kreditgeberrolle" und "Interessenkollision" verpflichtet gewesen wäre.

b) Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Bank, die keine Beratung vornimmt, grundsätzlich nicht verpflichtet, den Darlehensnehmer über die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit des zu finanzierenden Geschäfts sowie über Gefahren und Risiken der Verwendung des Darlehens aufzuklären und vor dem Vertragsschluss zu warnen (vgl. BGH WM 2006, 1194, 1190 m. w. N.). Anderes gilt jedoch dann, wenn die finanzierende Bank ihre Kreditgeberrolle überschreitet. Ein Überschreiten der Kreditgeberrolle setzt voraus, dass die Bank im Zusammenhang mit der Planung, der Durchführung oder dem Vertrieb der Kapitalanlage gleichsam als Partei des zu finanzierenden Geschäfts in nach außen erkennbarer Weise Funktionen oder Aufgaben des Veräußerers oder Vertreibers übernommen und damit einen zusätzlichen, auf die übernommenen Funktionen bezogenen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (BGH WM 2004, 521, 523; BGH WM 2004, 620, 623). Anders als die Beklagte meint, liegen hier konkrete Umstände vor, die die Beklagte quasi als Partei des Kaufvertrages erscheinen lassen. Zuzugeben ist ihr, dass allein die Funktion des früheren Vorstandsmitglieds M. als Zwangsverwalter weder eine maklerartige Position der Beklagten begründet noch ihr ermöglicht hat, das verwaltete Objekt in eigener Zuständigkeit zu verkaufen. Auch war sie selbst an den unmittelbaren Vertragsverhandlungen zwischen dem Kläger und dem Verkäufer R. nicht aktiv beteiligt. Die Beklagte verkennt aber, dass sie sich hier gerade nicht darauf beschränkt hat, die von ihr erbetene Finanzierung des "P.-Hofs" durchzuführen. Ausgangspunkt für die Finanzierung war auch nicht ein Vorstoß des Klägers, der einen Kredit bei der Beklagten für eine bereits geplante oder vorgegebene Vermögensanlage angefragt hat. Im Gegenteil: Es war die Beklagte selbst, die die Initiative ergriffen und dem Kläger das Objekt als Kaufgelegenheit vorgeschlagen und nachgewiesen hat. Dass der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 12.06.2007 diese Tätigkeit als zum "Kerngeschäft" einer Bank gehörend bezeichnet hat, besagt insoweit nichts. Mit dem Versuch, einen freihändigen Verkauf des "P.-Hofes" in die Wege zu leiten, ist sie zunächst im Rahmen der Abwicklung des Kreditverhältnisses mit den Voreigentümern R. und mithin aus ureigenem Interesse tätig geworden. Sie ist damit von vornherein über die Rolle der Kreditgeberin gegenüber dem Kläger und dessen Ehefrau hinausgegangen. Die Beklagte hat sich schon nicht auf den Nachweis der Kaufgelegenheit beschränkt. Sie hat den Kläger auch - wie oben dargelegt - über die näheren Umstände und die Rahmenbedingungen der Kapitalanlage informiert.

Weiter hing von ihrer Zustimmung als Grundschuldgläubigerin entscheidend der freihändige Verkauf des Anwesens "P.-Hof" und dessen beabsichtigte Fortführung durch den Kläger und seine Ehefrau ab. Die Beklagte musste daher dem Kläger quasi als zweite und eigentliche Vertragspartei erscheinen. Dies gilt umso mehr als die Beklagte den zentralen Eckpunkt der Vertragsverhandlungen, nämlich einen Kaufpreis nicht unter 4,2 Mio. DM, fest vorgegeben hatte. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten wurde der Kläger bei den Vorgesprächen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass durch den Verkaufserlös, sei es durch Verkauf oder Zwangsversteigerung, in jedem Fall die eigenen Forderungen gegen den Voreigentümer gedeckt werden müssten. Ein Kaufpreis unter 4,2 Mio. DM sei daher im Fall des Kaufes aus Sicht der Beklagten nicht akzeptabel.

c) Darüber hinaus hätte die Beklagte unter dem Gesichtspunkt einer "Interessenkollision" den Kläger über das Gutachten aufklären müssen. Zwar liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein zu einer Aufklärungspflicht führender schwerwiegender Interessenkonflikt nicht schon deshalb vor, weil die finanzierende Beklagte zugleich Kreditgeberin der Verkäufer war (vgl. BGH, Urteil vom 18.03.2003, XI ZR 188/02, NJW 2003, 2088; Urteil vom 27.01.2004, XI ZR 37/03, Juris-Umdruck, Rn. 32). Ein solcher kann nur dann gegeben sein, wenn zu dieser "Doppelfinanzierung" besondere Umstände hinzutreten. Das ist der Fall, wenn eine Bank allein die finanzielle Durchführung eines Projekts beherrscht und das eigene wirtschaftliche Risiko aus dem Darlehen an den Verkäufer auf den Käufer, dessen Erwerb sie ebenfalls finanziert, verlagert (vgl. BGH, Urteil vom 28.04.1992, XI ZR 165/91, WM 1992, 1310). Die Bank hat dann den neuen Darlehensnehmer über die den Interessenkonflikt begründenden Umstände vollständig zu informieren (BGH, Urteil vom 21.01.1998, III ZR 179/86, Juris-Umdruck Rd. 11). Diese Anforderungen hat die Beklagte vorliegend nicht erfüllt. Die Beklagte hat als Betreiberin des Zwangsversteigerungsverfahrens die finanzielle Durchführung des Erwerbs des "P.-Hofes" durch den Kläger beherrscht und gesteuert. Sie hat von vornherein den Mindestverkaufspreis festgelegt und letztlich dem Verkauf zu den zwischen den Parteien ausgehandelten Kaufpreiskonditionen zugestimmt. Durch die Kreditgewährung an den Kläger hat sie den Erwerb ermöglicht. Gleichzeitig hat sie aus dem kreditfinanzierten Kaufpreis 4,2 Mio. DM vereinnahmt, um damit ihre Darlehensrückforderung gegen R. zu decken und dessen Kredit glatt zu stellen. Sie hat ihr eigenes wirtschaftliches Wagnis, welches trotz der bestehenden Besicherung durch die Grundschulden von 6 Mio. DM durch die zumindest nahe liegende Möglichkeit, im Zwangsversteigerungsverfahren einen zur vollständigen Kredittilgung ausreichenden Verkaufserlöses für das Objekt zu verfehlen, vollständig auf den Kläger verlagert. Entgegen ihrer damit entstandenen Aufklärungspflicht hat die Beklagte dem Kläger das Gutachten jedoch vorenthalten und dessen Inhalt verschwiegen. Dass der Verkehrswert des "P.-Hofes" für den Kläger als Kaufinteressenten von herausragender Bedeutung war, bedarf keiner weiteren Vertiefung. Dies gilt umso mehr als die Prozessparteien übereinstimmend von einem deutlich höheren Verkehrswert ausgegangen sind. Die Beklagte hat durch die Mitteilung ihrer eigenen Einwertung des Objekts beim Kläger zumindest den Eindruck verstärkt, dass es sich bei einem Erwerb auf der Basis des von der Beklagten vorgegebenen Mindestverkaufspreises von 4,2 Mio. DM um eine gute und günstige Investition handle. Es liegt auf der Hand, dass bei Offenbarung des Gutachtens ein erhebliches Risiko bestand, der Kläger werde von dem zunächst als günstig bewerteten Kauf Abstand nehmen. Daran konnte die Beklagte - trotz ihrer Absicherung über die Grundschulden - kein Interesse haben. Sie selbst hat dazu ausgeführt, dass bis zu einer Versteigerung des Objekts noch viele Monate verstrichen wären und die bis dahin weiter auflaufenden Zinsen aus dem Kredit R. einen freihändigen Verkauf an einen anderen Interessenten nicht nur erschwert, sondern gänzlich verhindert hätten. Die Beklagte hätte daher bei einem Scheitern des Verkaufes an den Kläger den Weg der Zwangsversteigerung weiter verfolgen müssen, bei dem sie angesichts des für sie ungünstigen Gutachtens Gefahr lief, den zur Ablösung der Kreditschulden des R. erforderliche Kaufpreis bei weitem zu verfehlen. Richtig ist zwar, dass die Beklagte einen nicht kostendeckenden Zuschlag an einen anderen Bieter durch ein Eigengebot hätte verhindern können. Ein dann anschließend erforderlicher Verkauf des Objekts an einen neuen Interessenten zu einem ihre Ansprüche vollständig deckenden Preis wäre für die Beklagte jedoch mit erheblichen Unsicherheiten verbunden gewesen, zumal eine Wertsteigerung des Objekts in der Zwischenzeit bei brach liegendem Hotelbetrieb ausgeschlossen erscheinen musste.

Darüber hinaus hat die Beklagte durch die Kreditgewährung den Kläger mit einem zusätzlichen Risiko belastet, das über die mit der Beteiligung an einem solchen Projekt normalerweise verbundenen Gefahren deutlich hinausging. Dieses Risiko lag hier für die Beklagte offen auf der Hand, da sie nach dem Gutachten nicht mehr ohne weiters davon ausgehen konnte, der Kläger werde aus dem dort ermittelten Ertrag des Objekts auf Dauer den bei ihr für die Investitionen aufzunehmenden Kapitaldienst decken können.

d) Das Gutachten lag der Beklagten vor Abschluss des Kaufvertrages unstreitig vor. Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren die Kenntnis vom Gutachten erst für den 10. bzw. 13.07.1998 vorträgt, ist dies unbeachtlich. Zum einen lagen beide Daten vor dem 15.07.1998, dem Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses. Zum anderen hat die Beklagte bereits im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich zugestanden, ihr sei über ihr früheres Vorstandsmitglied M. bereits Mitte Juni 1998 das Gutachten vorgelegen. Dieses im ersten Rechtszug abgelegte gerichtliche Geständnis behält seine Wirksamkeit auch für die Berufungsinstanz (§ 535 ZPO), der Berufungsvortrag hierzu erfüllt nicht ansatzweise die Voraussetzungen des § 290 ZPO.

e) Der Einwand der Beklagten, eine Aufklärungspflicht habe deswegen nicht bestanden, weil es sich beim Gutachten um "nicht mehr und nicht weniger" als die Meinung eines Sachverständigen handle, die zudem auf einer falschen Methodik basiere und daher zu einem unrichtigen, weil zu niedrigem Verkehrswert geführt habe, greift ersichtlich nicht. Richtig ist zwar, dass die Bewertung des Sachverständigen im Zwangsversteigerungsverfahren dessen fachkundige Meinung darstellt, an die das Vollstreckungsgericht nicht gebunden ist und gegen die die Parteien Einwendungen erheben hätten können. Unabhängig davon, dass solche Einwendungen von der Beklagten gerade nicht geltend gemacht wurden, liegen dem Gutachten die wertbildenden Faktoren des Anwesens als Anknüpfungstatsachen zugrunde. Diese Umstände hätte die Beklagte, auch wenn sie aus ihrer Sicht falsch ermittelt worden sind, dem Kläger offenbaren müssen. Hierzu bestand bereits besonderer Anlass, da das Kaufobjekt vom Kläger unternehmerisch zum Betrieb eines Hotels genutzt werden sollte bzw. später auch genutzt wurde und das vom Sachverständigen gewählte Ertragswertverfahren für solche Fälle gängiger Bewertungspraxis entspricht, soweit nicht die sog. "Discounted Cash-Flow-Methode" gewählt wird.

f) Die gebotene Aufklärung über das Gutachten scheitert auch nicht an dem von der Beklagten bemühten Gesichtspunkt der "Neutralitätsverpflichtung". Eine solche "Pflicht zur Neutralität" gegenüber den Vertragsparteien scheidet hier schon deswegen von vornherein aus, weil die Beklagte den Kläger bereits in den Vorgesprächen mit den damals vorliegenden Informationen für den Erwerb versorgt und ihm insbesondere den von ihr ermittelten Verkehrswert für das Objekt mitgeteilt hatte. Im Übrigen hat die Verpflichtung zur Neutralität jedenfalls das frühere Vorstandsmitglied der Beklagten M. nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Klägers nicht daran gehindert, bereits am 16.06.1998 bei der Generalbevollmächtigten und Verhandlungsführerin des Veräußerers, seiner Ehefrau, anzurufen und dieser mitzuteilen, dass nunmehr das Verkehrswertgutachten vorhanden sei. Die Zahlen seien aber sehr schlecht ausgefallen, da der Gutachter der Ermittlung des Verkehrswertes den Ertragswert und nicht den Sachwert zugrunde gelegt habe. In einem weiteren Telefonat wurde Frau R. aufgefordert, Überlegungen dahingehend anzustellen, wie "beide Seiten trotz des schlecht ausgefallenen Gutachtens unbeschadet aus der Sache herauskommen können". Diese Informationsweitergabe an die Verkäuferseite erscheint aus damaliger Sicht der Beklagten durchaus nachvollziehbar. Die Kaufverhandlungen gestalteten sich seinerzeit - was die Beklagte auch wusste - ausgesprochen schwierig und waren zunächst wegen des seitens des Veräußerers geforderten Kaufpreises von 7 bzw. 7,5 Mio. DM ins Stocken geraten. Da aber - wie oben dargelegt - ein Scheitern des Verkaufes an den Kläger keinesfalls im Interesse der Beklagten liegen konnte, ist es ohne weiteres plausibel, dass die Beklagte versucht hat, die zunächst gescheiterten Verhandlungen wiederzubeleben und die Einigungsbereitschaft des Veräußerers durch den Hinweis auf das für ihn ungünstige Gutachten zu fördern, was schließlich auch gelang. Gerade die von der Beklagten in der Berufung mehrmals hervorgehobene Neutralitätspflicht hätte es bei dieser Sachlage geboten, auch den Kläger auf das Gutachten hinzuweisen, um auf diese Weise die Waffengleichheit der Kaufvertragsparteien wieder herzustellen.

g) Anders als die Beklagte meint, war es nicht Sache des Klägers, die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden nachzuweisen. Im Gegenteil: Wer vertragliche oder vorvertragliche Beratungs- oder Aufklärungspflichten verletzt hat, ist beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch bei einem pflichtgemäßen Verhalten entstanden wäre. Die Vermutung, dass sich der Geschädigte aufklärungsrichtig verhalten hätte, gilt nicht nur im Zusammenhang mit "Hochrisikogeschäften", sondern allgemein (vgl. Heinrichs in Palandt, 66. Aufl., Rn. 39 zu § 280 BGB mit zahlreichen w. N.). Der Vortrag, der Kläger hätte sich im Hinblick auf die vorgelegte Rentabilitätsvorschau nicht in seinem Kaufentschluss von dem Gutachten beeinflussen lassen, bewegt sich allenfalls im Bereich der Spekulation.

h) Ein Verschulden der Beklagten steht fest, da sie sich nach eigenem Vortrag bewusst entschieden hat, das Gutachten in die abschließenden Gespräche der Kaufvertragsparteien "nicht mehr einzubringen".

2. Da danach ein Anspruch des Klägers dem Grunde nach gegeben ist und die Parteien noch über die Höhe des Schadens streiten, hat der erkennende Senat zur Prozessvereinfachung von der Möglichkeit des § 304 Abs. 1 ZPO, dessen Voraussetzungen auch im Übrigen vorliegen, Gebrauch gemacht. Nach dem bisherigen Sachvortrag der Parteien besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass dem Kläger ein Schaden entstanden ist. Dies gilt auch nach den vom Kläger zur Schadensberechnung nach Schluss der mündlichen Verhandlung der ersten Instanz vorgetragenen und in der Berufung wiederholten Ausführungen. Mit diesem Vorbringen ist der Kläger nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da der rechtliche Hinweis des Landgerichts zu einer schlüssigen Darstellung des Schadens im Lichte des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 19.05.2006, NJW 2006, 3139, 3141, nicht zutreffend war. Dort hat der Bundesgerichtshof zum Ersatz des Vertrauensschadens dem Geschädigten ausdrücklich zugebilligt, an dem für ihn ungünstigen Vertrag festzuhalten. In einem solchen Falle reduziere sich der zu ersetzende Vertrauensschaden auf die berechtigten Erwartungen des Geschädigten, die durch den zustande gekommenen Vertrag nicht befriedigt werden. Bei einem Kaufvertrag - wie im hier zu entscheidenden Fall - geschieht dies in der Weise, dass der Geschädigte so behandelt wird, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem niedrigeren Preis abzuschließen. Schaden ist danach der Betrag, um den der Geschädigte den Kaufgegenstand zu teuer erworben hat. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Nachdem hier die Parteien über den tatsächlichen Wert des "P.-Hofes" im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bzw. zum 31.12.2001 streiten, sind die hierzu erforderlichen Feststellungen in einem dem Grundurteil nachfolgenden Betragsverfahren noch zu treffen.

3. Soweit die Beklagte die Feststellung begehrt, dass dem Kläger gegen die Beklagte wegen des unterlassenen Hinweises auf das Gutachten keine Ansprüche zustehen, war die im Rahmen der Anschlussberufung nach §§ 524, 533 ZPO erstmals erhobene Feststellungswiderklage zulässig. Sie hat jedoch aus den oben unter Ziff. II. 1 dargelegten Gründen keinen Erfolg.

Soweit die Beklagte darüber hinaus Feststellung begehrt, dass Ansprüche auch nicht wegen der Mitwirkung der Beklagten beim Antrag auf Gewährung einer öffentlichen Finanzierungshilfe vom 13.07.1998 bestehen, fehlt es schon an der Zulässigkeit. Da der Senat den Anspruch des Klägers wegen des unterlassenen Hinweises auf das Gutachten dem Grunde nach für gegeben hält, sind Feststellungen zur Frage, ob der Kläger seinen Anspruch auch auf andere Pflichtverletzungen der Beklagten, insbesondere wegen der Mitwirkung im Zusammenhang mit dem Antrag auf Gewährung von Zuschüssen stützen kann, nicht erforderlich. Die Voraussetzungen des § 533 Ziffer 2 ZPO liegen daher nicht vor.

4. Ein Anspruch zu den Kosten war nicht veranlasst (vgl. Zöller, 25. Aufl., Rn. 26 zu § 304 ZPO).

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Insbesondere weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab.

Ende der Entscheidung

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