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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 26.09.2006
Aktenzeichen: 5St RR 115/05
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 284
1. Das Vermitteln von Sportwetten nach Großbritannien an einen dort konzessionierten Buchmacher ohne verwaltungsrechtliche Erlaubnis des Freistaats Bayern war jedenfalls in der Zeit vor Ergehen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (NJW 2006, 1261 ff.) nicht gem. § 284 StGB strafbar.

2. Der Strafbarkeit nach § 284 StGB stand der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts wegen Verletzung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 43, 49 EG entgegen.


Tatbestand:

Das Amtsgericht hatte den Angeklagten von dem Vorwurf der gewerbsmäßigen unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels freigesprochen. Gegen dieses Urteil wandte sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Gründe:

Die gemäß §§ 341 Abs.1, 344, 345 StPO zulässige (Sprung-) Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Rechtsfehler ergeben, §§ 352, 337 StPO.

1. Das Amtsgericht geht von folgenden Feststellungen aus:

Der Angeklagte meldete am 4.3.2002 bei der Stadt L./Gewerbeamt eine selbständige Tätigkeit als "Sportinformationsdienst (im Internet) Betrieb von Online-Diensten" in Landshut an. Der Angeklagte bot in der Betriebsstätte in L. im Zeitraum von spätestens 1.8.2003 bis zum 31.8.2004 Sportwetten an, obgleich er wusste, dass er die dafür erforderliche verwaltungsrechtliche Erlaubnis nicht besaß.

Der Angeklagte legte in seinen für jedermann öffentlich zugänglichen Geschäftsräumen Wettprogramme und Tippscheine aus, welche die Teilnehmer entnahmen und ausfüllten. Sodann scannte der Angeklagte die Tippscheine ein und leitete die Daten an die Firma U, London, weiter. Der von den Wettteilnehmern jeweils ausgefüllte Tippschein verlor damit seine Gültigkeit. Die Auszahlung erfolgte nach Vorlage der von der Kasse ausgedruckten Quittung. Durch das Anbieten unerlaubter Glücksspiele wollte der Angeklagte sich eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Gewicht verschaffen.

Ferner hat das Amtsgericht ausgeführt, einer Strafbarkeit nach § 284 Abs.1 StGB stehe entgegen, dass der Angeklagte nicht "ohne behördliche Erlaubnis" diese Einrichtungen bereitgestellt habe. Es sei zwar richtig, dass für den Angeklagten keine Erlaubnis einer deutschen Stelle vorliege, jedoch werde dieses Manko durch die vorliegende britische Erlaubnis für die Firma U geheilt. Zur Begründung bezieht sich das Amtsgericht auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 6.11.2003 in der Rechtssache Gambelli (EuGH NJW 2004, 139 ff.).

Dieser Rechtsauffassung ist die Revision zunächst unter Berufung auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.11.2002 (NStZ 2003, 372 ff.) sowie auf die Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 28.8.2003 (5St RR 98/03), vom 26.11.2003 (5St RR 289/03; NJW 2004, 1057 ff.), vom 26.2.22004 (5St RR 360/03) und vom 15.10.2004 (2St RR 135/04) entgegengetreten.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat das Revisionsvorbringen unter Berücksichtigung insbesondere der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 (NJW 2006, 1261 ff.) mit Stellungnahme vom 21.7.2006 ergänzt und vertieft.

2. Der Senat hält im Hinblick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 6.11.2003 in der Rechtssache Gambelli und auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 (aaO) an der (oben zitierten) Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, wonach gegen den uneingeschränkten Erlaubnisvorbehalt gemäß § 284 StGB i.V.m. dem Rennwett- und Lotteriegesetz vom 8. April 1922 i.d.F. vom 24. August 2002 i.V.m. Art.2 und Art.3 des Bayerischen Staatslotteriegesetzes vom 29. April 1999 i.V.m. § 5 des Lotteriestaatsvertrages vom 1.7.2004 weder gemeinschaftsrechtliche Bedenken unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die europarechtliche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gemäß Art.43, 49 EG noch verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art.12 Abs.1 GG bestanden, nicht fest.

Die gemeinschafts- und verfassungsrechtlichen Voraussetzungen einer an sich möglichen Beschränkung der Dienstleistungs- und Berufsfreiheit sind auf der Grundlage der derzeit im Freistaat Bayern bestehenden Rechtslage nicht gegeben. Damit greift § 284 StGB als verwaltungsakzessorische Vorschrift wegen des Anwendungsvorrangs und der Bindungswirkung jedenfalls für "Altfälle" der vorliegenden Art aus gemeinschafts- und verfassungsrechtlichen Gründen nicht ein.

2.1. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat mehrfach unter Hinweis auf die obergerichtliche Rechtsprechung entschieden (zuletzt mit Beschluss vom 15.10.2004, 2St RR 135/04 m.w.N.), dass Sportwetten nach dem Buchmacherprinzip (Oddsetwetten), bei denen sog. "Odds" gesetzt werden, indem der Veranstalter eine feste Gewinnquote festlegt, die er dem Gewinner auf jeden Fall auszahlen muss, wenn ein oder mehrere Sportereignisse ein bestimmtes Ergebnis haben, als "Glücksspiele" im Sinne des § 284 StGB anzusehen sind (Tröndle/Fischer StGB 53.Aufl. § 284 Rn.7 m.w.N.). Hieran hält der erkennende Senat fest.

2.2. Veranstalter im Sinne des § 284 StGB ist, wer verantwortlich und organisatorisch den äußeren Rahmen für das Abhalten des Glücksspiels schafft und der Bevölkerung dadurch den Abschluss von Spielverträgen ermöglicht (BGH NStZ 2003, 372, 374 m.w.N.). Hierfür genügt schon als Vertragsangebot das Aufstellen und Zugänglichmachen eines Spielplans. Dass der Täter mit eigenem finanziellem Interesse am Ergebnis des Spielbetriebs tätig wird, ist nicht erforderlich (Tröndle/Fischer StGB 53.Aufl. § 284 Rn.11 a m.w.N.).

Diese Voraussetzungen kann der Angeklagte dadurch erfüllt haben, dass er zur Durchführung des Spielbetriebs unter einer eigenen Firmenbezeichnung eine Betriebsstätte unterhielt, in der er Wettprogramme und Tippscheine auslegte, die Einzahlungen der Spieler entgegennahm und die Gewinne ausbezahlte. Dass er die Wettdaten an die britische Buchmacherin, die Firma U, weiterleitete, ändert für sich gesehen daran nichts (vgl. BGH NStZ 2003, 372, 374).

Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen gestatten zwar insoweit keine abschließende rechtliche Bewertung. Es kann aber dahinstehen, ob der Angeklagte mit der von ihm betriebenen Wettannahmestelle als Veranstalter im Sinne des § 284 Abs.1 Alt. 1 StGB anzusehen ist, ob die Tatbestandsalternative des "Bereitstellens von Einrichtungen" im Sinne des § 284 Abs.1 Alt. 3 StGB erfüllt ist oder ob der Angeklagte lediglich als Gehilfe der britischen Buchmacherin fungiert hat; denn eine Strafbarkeit scheidet bereits aus übergeordneten Gesichtspunkten aus.

3. Die Strafbarkeit des Angeklagten gemäß § 284 Abs.1 StGB ist sowohl aus gemeinschaftsrechtlichen als auch aus - insoweit korrespondierenden - verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen.

3.1. Auf der Grundlage der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 6.11.2003 in der Rechtssache Gambelli (aaO) in Verbindung mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 (aaO) ist nach der derzeit im Freistaat Bayern herrschenden Rechtslage davon auszugehen, dass die Auffassung des Amtsgerichts, wonach als behördliche Erlaubnis im Sinne des § 284 StGB auch eine Lizenz für die Tätigkeit eines Buchmachers anzusehen sei, die einem Zentralveranstalter (Buchmacher) mit Sitz in einem Mitgliedsstaat der Gemeinschaft nach dem Recht seines Mitgliedstaats erteilt wurde, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

3.2. Erstmals in ihrer Stellungnahme vom 21.07.2006 rügt die Generalstaatsanwaltschaft insoweit Darstellungsmängel und macht geltend, das Urteil enthalte keine Feststellungen zu den Umständen der Erteilung sowie zu Inhalt, Dauer und Reichweite der angeblichen Erlaubnis.

Ob dieser Vortrag geeignet gewesen wäre, eine Verfahrensrüge (Verstoß gegen § 261 StPO) zu begründen, kann dahinstehen; denn eine solche ist innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht erhoben worden.

Als Sachrüge behandelt (vgl. Löwe/Rosenberg - Hanack StPO 25.Aufl. § 337 Rn.131 ff.) weist die Urteilsbegründung keinen sachlichrechtlichen Fehler auf. Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass die Feststellungen zur britischen Erlaubnis der britischen Buchmacherin Gegenstand der Hauptverhandlung waren (zu den revisionsrechtlichen Anforderungen an die Urteilsbegründung bei Freispruch vgl. KK - Engelhardt StPO 5.Aufl. § 267 Rn.41; Meyer-Goßner StPO 49.Aufl. § 267 Rn.34).

Auch die weiteren "Befürchtungen" der Generalstaatsanwaltschaft zu möglichen Begrenzungen der ausländischen Wettgenehmigung begründen die insoweit erhobene Darstellungsrüge nicht. Die Tätigkeit der britischen Buchmacherin ist nach den Urteilsfeststellungen durch die britische Erlaubnis gedeckt gewesen. Theoretisch denkbare Begrenzungen der Wettgenehmigung musste der Tatrichter nicht erörtern bzw. ausschließen, wenn diese Begrenzungen tatsächlich nicht vorliegen. Entsprechende Bedenken hätte die Generalstaatsanwaltschaft mit einer fristgerecht erhobenen Verfahrensrüge geltend machen müssen.

3.3. Zur gemeinschafts- und verfassungsrechtlichen Ausgangslage:

3.3.1. Im Anschluss an seine Entscheidung in der Rechtssache Schindler (EuGH NJW 1994, 2013) hat der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache Gambelli (aaO) festgestellt, dass die Einfuhr von Werbematerial und Losen in einen Mitgliedstaat zu dem Zweck, die in diesem Staat wohnenden Personen an einer in einem anderen Mitgliedstaat veranstalteten Lotterie teilnehmen zu lassen, zu den Dienstleistungen gehört. Entsprechend gehört eine Tätigkeit, die darin besteht, die Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats an in einem anderen Mitgliedsstaat veranstalteten Wetten teilnehmen zu lassen, auch dann zu den Dienstleistungen im Sinne des Art.50 EG, wenn es bei den Wetten um in dem erstgenannten Mitgliedsstaat veranstaltete Sportereignisse geht. Ferner ist Art.49 EG dahin auszulegen, dass er Dienstleistungen erfasst, die ein Leistungserbringer potentiellen Leistungsempfängern, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, telefonisch anbietet und die er ohne Ortswechsel von dem Mitgliedsstaat aus erbringt, in dem er ansässig ist (Gambelli aaO Rn.52, 53 m.w.N.).

Art. 49 EG erfasst danach auch Dienstleistungen, die ein Leistungserbringer wie die Firma U mit Sitz einem Mitgliedsstaat, hier dem Vereinigten Königreich, über das Internet - und damit ohne Ortswechsel - in einem anderen Mitgliedsstaat, hier der Bundesrepublik Deutschland, ansässigen Leistungsempfängern anbietet, so dass jede Beschränkung dieser Tätigkeiten eine Beschränkung der freien Erbringung von Dienstleistungen durch einen solchen Leistungserbringer darstellt. Außerdem umfasst der freie Dienstleistungsverkehr nicht nur die Freiheit des Leistungserbringers, Leistungsempfängern, die in einem anderen Mitgliedsstaat als dem ansässig sind, in dessen Gebiet sich dieser Leistungserbringer befindet, Dienstleistungen anzubieten und zu erbringen, sondern auch die Freiheit, als Leistungsempfänger von einem Leistungserbringer mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat angebotene Dienstleistungen zu empfangen oder in Anspruch zu nehmen, ohne durch Beschränkungen beeinträchtigt zu werden (Gambelli aaO Rn.54, 55 m.w.N.).

Danach stellt das strafbewehrte Verbot der Teilnahme an Wetten, die in anderen Mitgliedsstaaten als dem organisiert werden, in dessen Gebiet der Wettende ansässig ist, ebenso eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar wie das an die Vermittler solcher Dienstleistungen gerichtete ebenfalls strafbewehrte Verbot und zwar auch dann, wenn die Vermittler in demselben Mitgliedsstaat ansässig sind wie die Empfänger dieser Dienstleistungen (Gambelli aaO Rn.58).

Eine nationale Regelung, die - wie Art.2 und 3 des Bayerischen Staatslotteriegesetzes - die Veranstaltung und Vermittlung von Lotterien und Wetten ausschließlich dem Staat vorbehält, so dass eine gewerbliche Veranstaltung von Wetten durch private Wettunternehmen sowie die Vermittlung von Wetten, die nicht vom Freistaat Bayern veranstaltet werden, ausgeschlossen sind, stellt somit eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs gemäß Art.43 und 49 EG dar.

Der Europäische Gerichtshof führt in der Rechtssache Gambelli weiter aus, dass derartige Beschränkungen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein können. Steuermindereinnahmen könnten allerdings keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses bilden. Unter Bezugnahme auf das Urteil in der Rechtssache Zenatti (EuGH EuZW 2000, 151 ff.) führt der EuGH weiter aus, dass "die Beschränkungen jedenfalls wirklich dem Ziel dienen" müssen, "die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, und die Finanzierung sozialer Aktivitäten mit Hilfe einer Abgabe auf die Einnahmen aus genehmigten Spielen darf nur eine erfreuliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik sein". Die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft, die mit Spielen und Wetten einhergehen, können es rechtfertigen, dass die staatlichen Stellen über ein ausreichendes Ermessen verfügen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben. Damit die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs gerechtfertigt sind, müssen sie "auf jeden Fall die sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergebenden Voraussetzungen erfüllen" (aaO Rn.64 m.w.N.). Danach müssen die genannten Beschränkungen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses nicht nur gerechtfertigt sein, sondern sie müssen auch geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

Diese Vorraussetzungen sind nicht erfüllt, soweit Behörden eines Mitgliedstaats die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen (aaO Rn.69). Soweit zur Teilnahme an Wetten ermuntert wird, werden die nationalen Gerichte nach Auffassung des EuGH zu prüfen haben, ob die Strafbewehrung nicht im Lichte der Rechtsprechung des EuGH eine unverhältnismäßige Sanktion darstellt (aaO Rn.72 m.w.N.). Die nationalen Gerichte werden ferner prüfen müssen, ob der Umstand, dass Vermittlern - die das Erbringen von Dienstleistungen durch einen Buchmacher, der in einem anderen Mitgliedsstaat als demjenigen ansässig ist, in dem diese Dienstleistungen angeboten werden, dadurch erleichtern, dass sie in ihren Räumen den Wettenden eine Internetverbindung zu diesem Buchmacher zur Verfügung stellen - Beschränkungen auferlegt werden, die mit Strafandrohungen bewehrt sind, nicht seinerseits eine Beschränkung darstellt, die über das Erforderliche hinausgeht (aaO Rn.73).

3.3.2. Im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 (NJW 2006, 1261 ff.) ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt davon auszugehen, dass Art.2 und 3 des Bayerischen Staatslotteriegesetzes vom 29.4.1999 nicht nur mit Art.12 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar sind, sondern vor allem - jedenfalls derzeit - gegen Art.43 und 49 EG verstoßen, weil die hierin liegenden Beschränkungen der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit weder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt noch geeignet waren, die Verwirklichung der mit ihnen verfolgten Ziele zu gewährleisten.

Der Tenor des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 lautet:

"Es ist nach Maßgabe der Gründe mit Art.12 Abs.1 des Grundgesetzes unvereinbar, dass nach dem Gesetz über die vom Freistaat Bayern veranstalteten Lotterien und Wetten (Staatslotteriegesetz) vom 29. April 1999 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt S.226) in Bayern Sportwetten nur vom Freistaat Bayern veranstaltet und nur derartige Wetten gewerblich vermittelt werden dürfen, ohne das Monopol konsequent am Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahren auszurichten.

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten unter Beachtung der sich aus den Gründen ergebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben bis zum 31.12.2007 neu zu regeln.

Bis zu einer Neuregelung darf das Staatslotteriegesetz nach Maßgabe der Gründe weiter angewandt werden ...."

In den Gründen führt das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen aus, dass das Bayerische Staatslotteriegesetz vom 29.4.1999 mit Art.12 Abs.1 GG unvereinbar ist, indem es vor dem Hintergrund des § 284 StGB das Veranstalten von Sportwetten dem Freistaat Bayern und deren Durchführung der staatlichen Lotterieverwaltung oder einer juristischen Person des Privatrechts, deren alleiniger Gesellschafter der Freistaat Bayern ist, vorbehält, ohne zugleich hinreichende gesetzliche Regelungen zur materiellen und strukturellen Sicherung der Erreichung der damit verfolgten Ziele zu schaffen, insbesondere zur Ausrichtung des Wettangebots an der Begrenzung und Bekämpfung von Wettsucht und problematischem Spielverhalten. Die Beschränkung der Vermittlung von Sportwetten ist aus diesem Grund ebenfalls nicht mit Art.12 Abs.1 GG zu vereinbaren (aaO Rn.79; hier und im Folgenden wird die Entscheidung des BVerfG nach den Absatz- bzw. Randnummern der im Internet unter www.bundesverfassungsgericht.de/Entscheidungen abrufbaren Volltextversion zitiert).

Ferner wird ausgeführt, dass die Rechtsordnung das Angebot von Sportwetten als erlaubte Betätigung kennt und dass das Anbieten von Sportwetten schließlich als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Gemeinschaftsrechts anerkannt ist (aaO Rn.85 m.w.N.). Ebenso wenig handele es sich beim Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten um Tätigkeiten, die von vornherein nur der öffentlichen Hand zugänglich und ihr vorbehalten seien (aaO Rn.86).

Hinsichtlich der Vermittlung von Sportwetten könne ohnehin nicht von einer Aufgabe ausgegangen werden, die staatlicher Wahrnehmung vorbehalten sei, weil die vom Freistaat Bayern veranstalteten Wetten über gewerblich tätige Annahmestellen vertrieben werden, deren exklusiver Status lediglich aus einer Vereinbarung mit der staatlichen Lotterieverwaltung folgt, nicht aber aus der Übertragung hoheitlicher Tätigkeit (aaO Rn.89).

Über die Veranstaltung und Durchführung hinaus sei nach den angegriffenen Entscheidungen innerhalb Bayerns das Anbieten von Wetten verboten, die nicht vom Freistaat Bayern veranstaltet werden.

Dieses nach fachgerichtlicher Auslegung in Bayern bestehende staatliche Wettmonopol stelle einen regelungsbedürftigen Eingriff in die Berufsfreiheit dar, welcher angesichts der gegenwärtigen Ausgestaltung des Wettmonopols in Bayern verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt sei (aaO Rn.92, 93).

Die gesetzliche Errichtung eines staatlichen Wettmonopols sei zwar grundsätzlich ein geeignetes Mittel zur Erreichung der legitimen Ziele (aaO Rn.111). Das in Bayern errichtete staatliche Wettmonopol stelle jedoch "in seiner gegenwärtigen gesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltung" einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit dar. Den an entsprechender beruflicher Tätigkeit interessierten Bürgern ist der - strafbewehrte - Ausschluss gewerblicher Wettangebote durch private Wettunternehmen nur dann zumutbar, wenn das bestehende Wettmonopol auch in seiner konkreten Ausgestaltung der Vermeidung und Abwehr von Spielsucht und problematischem Spielverhalten dient (aaO Rn.119).

Das im Rahmen des Wettmonopols eröffnete Sportwettenangebot Oddset sei jedoch nicht konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht ausgerichtet und die Mängel in der konkreten Ausgestaltung von Oddset seien nicht nur ein Defizit im Vollzug des einfachen Rechts, sondern Ausdruck eines entsprechenden Regelungsdefizits (aaO Rn.120).

Auch die Vorschrift des § 284 Abs.1 StGB beseitige das verwaltungsrechtliche Regelungsdefizit des Staatslotteriegesetzes nicht. § 284 StGB enthalte keine inhaltlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Wettangebots (aaO Rn.129).

Neben dem Regelungsdefizit sei auch tatsächlich eine konsequente Ausrichtung der durch den Freistaat Bayern veranstalteten Wetten am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und problematischem Spielverhalten "gegenwärtig nicht gegeben". Das tatsächliche Erscheinungsbild entspreche vielmehr dem der wirtschaftlich effektiven Vermarktung einer grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung. Dem entspreche eine breit angelegte Werbung, in der das Wetten als sozialadäquate, wenn nicht gar positiv bewertete Unterhaltung dargestellt wird. Zum Wetten werde angereizt und ermuntert (aaO Rn.132, 134, 136).

Die in der gesetzlichen Regelung angelegten und dementsprechend in der Praxis realisierten Defizite bei der Verwirklichung der ein Wettmonopol grundsätzlich rechtfertigenden Ziele bewirken nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, dass die geltende Rechtslage nicht ausreicht, um dieses Monopol zu legitimieren und allein damit den Ausschluss privatwirtschaftlicher Unternehmen vom Veranstalten von Sportwetten verfassungsrechtlich zu begründen (aaO Rn.142). Die Unverhältnismäßigkeit der konkreten tatsächlichen und rechtlichen Ausgestaltung des in Bayern bestehenden staatlichen Wettmonopols erfasse auch den Ausschluss der Vermittlung anderer als der vom Freistaat Bayern veranstalteten Wetten (aaO Rn.143). "Insofern laufen die Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts parallel zu den vom Europäischen Gerichtshof zum Gemeinschaftsrecht formulierten Vorgaben. ... Die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts entsprechen damit denen des Grundgesetzes" (aaO Rn.144).

3.4. Unter den dargestellten gemeinschaftsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben ist § 284 StGB im hier maßgeblichen Tatzeitraum auf den Angeklagten nicht anwendbar.

Den in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften kommt grundsätzlich Anwendungsvorrang zu. Dieser Vorrang hat regelmäßig zur Folge, dass jedes Organ eines Mitgliedsstaates verpflichtet ist, eine mit dem EG-Recht unvereinbare nationale Norm nicht anzuwenden, "ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmungen auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste" (vgl. EuGH, Urteil v. 9. März 1978 - Rs. 106/77-, I-629). Dieser gemeinschaftsrechtliche Anwendungsvorrang ist grundsätzlich auch vom Bundesverfassungsgericht anerkannt (vgl. BVerfGE 102, 147 ff. m.w.N.).

Aus dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem nationalen Recht folgt eine Neutralisierung deutscher Straftatbestände für alle Fälle, in denen der Straftatbestand in Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht steht. Neutralisierung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der deutsche Straftatbestand im konkreten Fall nicht angewendet werden darf. Voraussetzung für das Eingreifen einer Neutralisierung ist, dass dem deutschem Straftatbestand eine unmittelbar anwendbare Vorschrift des Gemeinschaftsrechts entgegensteht (zum Ganzen Hecker, Europäisches Strafrecht, 2005, § 9 Rn.10 ff.; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 2005, § 8 Rn.72 f. jeweils m.w.N.). Da jedes unmittelbar anwendbare Gemeinschaftsrecht die Kollision mit nationalem Strafrecht bewirken kann, können auch die europäischen Grundfreiheiten wie gerade die Dienstleistungsfreiheit nationale Strafnormen neutralisieren. Der Europäische Gerichtshof hat in der Rechtssache Sagulo (EuGHE 1977, 1495) ausgeführt, dass "die staatlichen Stellen (...) wegen der Nichtbeachtung einer mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbaren Vorschrift keine Sanktionen verhängen" dürfen.

Die Voraussetzungen, die der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache Gambelli für die Zulässigkeit von Strafbewehrungen zur Durchsetzung von Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit aufgestellt hat, sind im Freistaat Bayern auf Grund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 (NJW 2006, 1261 ff) nicht gegeben.

Dem Vorrang des EG-Rechts und der damit korrespondierenden Nichtanwendungspflicht sind jedoch insbesondere durch das im deutschen wie im Gemeinschaftsrecht geltende allgemeine Prinzip der Rechtssicherheit Grenzen gesetzt. Das kann der Fall sein, wenn durch die Nichtanwendung eine inakzeptable Gesetzeslücke entstünde, an deren Vorliegen allerdings hohe Anforderungen zu stellen sind (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 28.6.2006, Az: 4 B 961/06 m.w.N.). Es kann dahinstehen, ob eine zeitlich begrenzte weitere Anwendung der betroffenen verwaltungsrechtlichen Vorschriften aus Gründen einer nicht anders abwendbaren Gefährdung wichtiger Allgemeininteressen vorliegend gerechtfertigt wäre. Für die Anwendung von Strafnormen, hier des § 284 StGB, kann dies aus gemeinschaftsrechtlichen und verfassungsrechtlichen (Art. 103 GG) Gründen jedenfalls für den hier maßgeblichen Tatzeitraum nicht gelten.

Für die Frage des Anwendungsvorrangs hat der EuGH in der Gambelli-Entscheidung für die gemeinschaftsrechtliche Garantie der Dienstleistungsfreiheit im Zusammenhang mit der Vermittlung von Sportwetten an in anderen Ländern der Europäischen Union konzessionierte Veranstalter die auch für das vorliegende Verfahren relevanten Maßstäbe gesetzt. Die gemeinschaftsrechtlich garantierte Dienstleistungsfreiheit erfasst sowohl die Freiheit des im EU-Ausland konzessionierten Wettveranstalters, seine Leistungen in anderen Mitgliedstaaten anzubieten wie auch die Freiheit, als Leistungsempfänger von einem Leistungserbringer mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat angebotene Dienstleistungen zu empfangen oder in Anspruch zu nehmen als auch diejenige des Vermittlers zwischen Wettveranstaltern und Leistungsempfängern. Die Art.49 ff. EG verbieten nicht nur diskriminierende Maßnahmen der Mitgliedstaaten, sondern grundsätzlich bereits jede nationale Maßnahme, die die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit behindern oder weniger attraktiv machen kann. Die Strafbewehrung der Vermittlungstätigkeit ist damit eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, die nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH nur aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zulässig ist. Diese Voraussetzungen sind nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gegeben.

Die Unvereinbarkeitserklärung des Bundesverfassungsgerichts beruht nicht nur auf der Feststellung eines Regelungsdefizits, sondern auch auf Feststellungen zur tatsächlichen Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols. Beide Feststellungen betreffen und begründen die Voraussetzungen eines gemeinschaftsrechtlichen Anwendungsvorrangs für den Freistaat Bayern.

Wenn nach Maßgabe der Gründe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 die Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts parallel zu den vom Europäischen Gerichtshof zum Gemeinschaftsrecht formulierten Vorgaben laufen und daher die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts denen des Grundgesetzes entsprechen (BverfGE Rn.144), dann verstoßen die hier in Rede stehenden Vorschriften des Bayerischen Staatslotteriegesetzes in ihrer derzeitigen Ausgestaltung eindeutig gegen Art.43 und 49 EG.

Hieraus folgt, dass diese Vorschriften nicht geeignet sind, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit zu rechtfertigen. Dann sind diese Vorschriften aber auch nicht geeignet die Wirksamkeit der der Firma U in Großbritannien erteilten Erlaubnis für die Tätigkeit eines Buchmachers einzuschränken.

Dementsprechend ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Amtsgericht zum gegenwärtigen Zeitpunkt davon ausgeht, dass die der Firma U in Großbritannien erteilte Erlaubnis, die Tätigkeit eines Buchmachers zu betreiben, ihre Wirksamkeit auch auf dem Gebiet des Freistaats Bayern entfaltet mit der Folge, dass die vom Angeklagten vorgenommene Vermittlung von Sportwetten im Rahmen der von ihm betriebenen Annahmestelle nicht "ohne behördliche Erlaubnis" erfolgte und damit nicht unter § 284 Abs.1 StGB fällt.

Diese Rechtsauffassung vertritt im Ergebnis wohl auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 10.7.2006 (Az.: 22 BV 05.457). Dort (S.18) wird ausgeführt, dass die Strafandrohung in bestimmten Fällen mit Auslandsberührung unter bestimmten Voraussetzungen wegen gemeinschaftsrechtlicher Schranken nicht zur Anwendung kommen könnte. Dies gelte erst recht dann, wenn die Rechtmäßigkeit des staatlichen Monopols fraglich geworden sei. Auch dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erscheint es fraglich, "ob ein Verstoß gegen eine verfassungsrechtlich zu beanstandende, aber übergangsweise hinzunehmende Freiheitsbeschränkung als kriminelles Unrecht geahndet werden darf".

3.5. Diesem Ergebnis steht nach Auffassung des Senats nicht entgegen, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 28.3.2006 (Absatz 3 des Tenors) angeordnet hat, dass das Staatslotteriegesetz "nach Maßgabe der Gründe" bis zu einer Neuregelung weiter angewandt werden darf.

Hierzu führt das Bundesverfassungsgericht in den Gründen aus, dass die bisherige Rechtslage während der Übergangszeit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung mit der Maßgabe anwendbar bleibt, dass der Freistaat Bayern unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung seines Monopols andererseits herzustellen hat. Das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von Wetten, die nicht vom Freistaat Bayern veranstaltet werden, dürfen weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden. Ob in der Übergangszeit eine Strafbarkeit nach § 284 StGB gegeben ist, unterliege der Entscheidung der Strafgerichte (aaO Rn.157 - 159).

Die vom Bundesverfassungsgericht tenorierte Weitergeltungsanordnung (Absatz 3 des Tenors), welcher gemäß § 31 Abs.2 BVerfGG Gesetzeskraft zukommt, gilt jedoch nicht uneingeschränkt, sondern "nach Maßgabe der Gründe". Die Frage, ob die Vorschriften des Bayerischen Staatslotteriegesetzes, deren Weitergeltung nach Maßgabe der Gründe das Bundesverfassungsgericht angeordnet hat, geeignet bleiben, die Blankettvorschrift des verwaltungsakzessorisch ausgestalteten § 284 StGB auszufüllen, hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich offen gelassen.

Aus diesen Gründen unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt entscheidend von demjenigen, über den der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 7.11.2001 (BGHSt 47, 138 ff. = NStZ 2002, 265 ff.) im Zusammenhang mit der Weitergeltung der Vorschriften des Vermögenssteuergesetzes entschieden hat. Denn dort wurde die Weitergeltung "ohne Einschränkung" angeordnet und ferner hat sich das Bundesverfassungsgericht zur Auswirkung auf die strafrechtliche Beurteilung überhaupt nicht geäußert. Daher kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass die Vorschrift des § 79 Abs.1 BVerfGG von der vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochenen und nach § 31 Abs.2 BVerfGG ebenfalls mit Gesetzeskraft ausgestatteten Weitergeltungsanordnung als neuerer und speziellerer gesetzlicher Vorschrift gleichen Ranges verdrängt wird (BGHSt 47, 138, 142, 143).

4. Ergänzend hat der Senat noch in Betracht gezogen, dass Art.103 Abs.2 GG die Erkennbarkeit und Vorhersehbarkeit der Straf- und Bußgeldandrohungen für den Normadressaten verlangt, so dass dieser Wortsinn aus der Sicht des Bürgers zu bestimmen ist und gesetzliche Normen, die sich an einen bestimmten und umgrenzten Personenkreis richten, nicht durch die in anderen Gesetzen enthaltenen Vorschriften zu solchen werden, die auch auf einen weiter gefassten Adressatenkreis angewendet werden können (vgl. BVerfG NJW 2002, 3639 ff. m.w.N.).

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 27.4.2005 (1 BVR 223/05) ausgeführt, dass "angesichts der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Gambelli ... erhebliche Zweifel an der gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit des § 284 StGB auch nicht ohne Verstoß gegen das Willkürverbot ausgeschlossen werden" könnten (aaO Rn.33).

In diese Richtung weisen auch die Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts, das ebenfalls schon darauf hingewiesen hat, dass die europa- und die verfassungsrechtlichen Vorgaben im Prinzip die gleichen seien (BayObLG NJW 2004, 1057) und dass die derzeitige zunehmende öffentliche Werbung für Oddsetwetten im Hinblick auf die Zielsetzung des Bayerischen Staatslotteriegesetzes und die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Gambelli bedenklich erscheint (BayObLG 5St RR 360/03).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs.1 und Abs. 2 StPO.



Ende der Entscheidung

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