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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 07.12.2006
Aktenzeichen: 6 U 2547/06
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 4 Nr. 9a
UWG § 4 Nr. 10
Die Entfernung des Herstellerkennzeichens von einer Ware stellt auch dann keine gezielte Behinderung des - mit dem Hersteller nicht identischen - Wettbewerbers dar, wenn dieser andere Produkte desselben Herstellers vertreibt (Anschluss an BGH GRUR 2004, 1039 - SB-Beschriftung). Ob eine Irreführung über die betriebliche Herkunft der Ware vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 2547/06

Verkündet am 7.12.2006

In dem Rechtsstreit

wegen Unterlassung u.a.

erlässt der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... Richter am Oberlandesgericht ... und Richterin am Oberlandesgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7.12.2006 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Kempten vom 13.2.2006 - Az: 1 HKO 2389/05 - abgeändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte ein aus dem Vereinigten Königreich importiertes Pflanzenschutzmittel dergestalt vertreiben darf, dass sie das Originaletikett auf den Gebinden vollständig entfernt und durch ein eigenes Etikett ersetzt.

Im Einzelnen wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils des Landgerichts Kempten verwiesen. Er ist insoweit zu ergänzen, dass Hersteller des von der Beklagten aus dem Vereinigten Königreich importierten Pflanzenschutzmittels ebenfalls die Firma M A in Israel ist und das Pflanzenschutzmittel von der englischen Tochterfirma M A DK nur im Vereinigten Königreich vertrieben wird.

Die Klägerin hat in 1. Instanz beantragt zu erkennen:

1. Die Beklagte wird verurteilt es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Etiketten von Pflanzenschutzmittelgebinden, die mit dem Zeichen "G " versehen sind, zu entfernen und / oder diese Pflanzenschutzmittel mit einer eigenen Kennzeichnung zu versehen, so dass die betriebliche Herkunft der Ware nicht mehr erkennbar ist.

2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf.

3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über Namen und Anschrift der gewerblichen Abnehmer oder der Auftraggeber sowie über die Menge der bestellten und ausgelieferten Pflanzenschutzmittel gemäß Ziffer 1 zu erteilen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin jedweden Schaden zu ersetzen, der aus der in Ziffer 1 beschriebenen Handlung bereits entstanden ist bzw. künftig noch entstehen wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht Kempten hat die Beklagte mit Endurteil vom 13.2.2006 wie folgt verurteilt:

1. Die Beklagte wird verurteilt es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Etiketten von Pflanzenschutzmittelgebinden, die mit dem Zeichen "G" versehen sind, zu entfernen und diese Pflanzenschutzmittel mit einer eigenen Kennzeichnung zu versehen, so dass die betriebliche Herkunft der Ware nicht mehr erkennbar ist.

2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf.

3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über Namen und Anschrift der gewerblichen Abnehmer oder der Auftraggeber sowie über die Menge der bestellten und ausgelieferten Pflanzenschutzmittel gemäß Ziffer 1 zu erteilen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin jedweden Schaden zu ersetzen, der aus der in Ziffer 1 beschriebenen Handlung bereits entstanden ist bzw. künftig noch entstehen wird.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Die Kosten des Rechtsstreits trägt zu 1/8 die Klägerin, zu 7/8 die Beklagte.

7. Das Urteil ist jeweils in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Hinsichtlich der Verurteilung zugrundeliegenden Entscheidungsgründe wird auf die Gründe des angefochtenen Ersturteils Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Verurteilung durch das Landgericht.

Soweit das Landgericht die Klage (teilweise) abgewiesen hat, ist das Urteil rechtskräftig.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr bereits erstinstanzlich vorgebrachtes Argument, sie behindere den Wettbewerb der Klägerin, die unter der Bezeichnung "G 700" ebenfalls Pflanzenschutzmittel aus dem Hause M A in Deutschland vertreibt, nicht. Insbesondere handle sie nicht in der Absicht, der Klägerin zu schaden.

Die Beklagte weist wiederholt darauf hin, dass sie sich zur Entfernung der Etiketten gezwungen gesehen hat, weil die deutsche Tochtergesellschaft von M A gegen den Vertrieb des englischen Pflanzenschutzmittels mit Originaletikett aus Markenrecht vorgegangen sei und es zu einstweiligen Verfügungen zu Lasten der Beklagten gekommen sei. Um diesem aus dem Weg zu gehen habe sie sich entschlossen, die Etiketten vollständig zu entfernen und vollständig neue Etiketten anzubringen.

Es liege auch keine Täuschung über die betriebliche Herkunft vor. Denn sie weise in ihrem Etikett ausdrücklich darauf hin, dass sie lediglich Importeur sei.

Im Übrigen gebe es keine gesetzliche Verpflichtung, den Namen des Herstellers des Produkts anzugeben. Insbesondere könne sich die Klägerin hierbei nicht auf § 20 Abs. 2 Nr. 3 PflschG berufen.

Die Beklagte beantragt daher

Aufhebung des Ersturteils und Abweisung der Klage insgesamt.

Die Klägerin beantragt

Zurückweisung der Berufung.

Auch sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag 1. Instanz.

Insbesondere ist sie der Auffassung, dass der Verkehr über den Hersteller getäuscht werde. Im Übrigen ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass das unstreitige Entfernen des Originaletiketts mit der Marke "G" durch die Berufungsklägerin sowohl wegen Absatz- oder Erwerbsbehinderung als auch wegen Irreführung über die betriebliche Herkunft der Ware wettbewerbswidrig und daher zu unterlassen sei.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Schriftsätze der Parteien und die von ihnen beigebrachten Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung erweist sich auch in der Sache als begründet. Es bestehen keine Ansprüche der Klägerin, der Beklagten den von ihr vorgenommenen Etikettenwechsel zu untersagen.

1. Markenrechtliche Ansprüche bestehen nicht; sie werden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

Es bestehen auch keine Ansprüche aus UWG. Vorweg ist dabei festzuhalten, dass die Auffassung der Klagepartei, das Unkenntlichmachen oder die Entfernung eines Kennzeichens auf einer Ware sei sowohl wegen Absatz- oder Werbebehinderung als auch wegen Irreführung über die betriebliche Herkunft der Ware wettbewerbswidrig, so nicht zutrifft.

In der auch von der Klägerin zitierten Entscheidung BGH GRUR 2004, 1039 ff. - SB-Beschriftung führt der Bundesgerichtshof im Gegenteil aus:

"Der Vertrieb einer Ware, bei der eine auf den Hersteller hinweisende Kennzeichnung entfernt worden ist, verstößt nicht bereits als solcher gegen Wettbewerbsrecht oder gegen § 823 Abs. 1 BGB. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der Hersteller einer Markenware nicht grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass der Händler, dem er die Ware liefert, die Marke auf der Ware belässt und sie unverändert weiterveräußert."

Nicht von ungefähr hat der Bundesgerichtshof daher auch mit dieser Entscheidung in letzter Instanz der Klage den Erfolg versagt.

2. Eine gezielte Behinderung des Wettbewerbs der Klägerin gemäß §§ 3, 4 Nr. 10 UWG liegt schon deswegen nicht in der Entfernung des Etiketts durch die Beklagte, weil es sich nicht um eine Kennzeichnung der Klägerin handelt (vgl. BGH, aaO S. 1041).

Das von der Beklagten importierte Produkt wird weder von der Klägerin noch von ihrer englischen Schwesterfirma in der Bundesrepublik Deutschland vertrieben.

Die Klägerin ist damit nur dem üblichen Wettbewerb ausgesetzt, der entsteht, wenn ein neuer Anbieter eines gleichartigen Produktes auf den Markt tritt. Diese Beeinträchtigung ist aber marktkonform und von der Klägerin hinzunehmen.

Im Übrigen ist eher anzunehmen, dass es der Klägerin zum Vorteil gereicht, wenn die Originaletikettierung entfernt ist, weil der Verkehr dann nicht weiß, dass die Beklagte auch ein Produkt des Hauses M A vertreibt. Dies könnte ihn nämlich dazu veranlassen, gegebenenfalls anstelle des von der Klägerin vertriebenen Produkts das Produkt der Beklagten allein aufgrund seiner Originalkennzeichnung zu erwerben.

Trägt das Produkt, welches die Beklagte vertreibt, hingegen eine gänzlich andere Kennzeichnung, kommt der Verkehr gar nicht auf die Idee, beide Produkte irgendwie in Zusammenhang zu bringen. Falls der Verkehr also eine Vorliebe für G-Produkte haben sollte, wird er diese nach wie vor bei der Klägerin erwerben und nicht auf das von der Beklagten angebotene Produkt ausweichen.

Im Übrigen weist die Beklagte ausdrücklich auf der neuen Etikettierung darauf hin, dass sie dieses Produkt nicht selbst hergestellt, sondern von einer dritten Firma erworben hat.

Einen mittelbaren Hinweis auf das von der Klagepartei vertriebene Produkt kann der angesprochene Verkehr im Übrigen daraus entnehmen, dass auf der Neuetikettierung vermerkt ist, dass das angebotene Pflanzenschutzmittel im wesentlichen mit dem in Deutschland durch das BVL zugelassene Referenzprodukt mit der Zulassungsnummer 4571-00 übereinstimmt, wobei Zulassungsinhaberin die Klägerin ist.

3. Abschließend ist hierzu festzustellen, dass auf keinen Fall eine gezielte Behinderung der Klägerin vorliegt. Die Beklagte hat ausgeführt, dass der Vertrieb des importierten Produktes mit dem Originaletikett von Seiten der Klägerin bzw. der mit ihr verbundenen Gesellschaften umfangreich behindert, wenn nicht gar unterbunden worden ist, so dass sie als letzten Ausweg gesehen hat, die Originaletikette vollständig zu entfernen.

4. Wie bereits ausgeführt, ist auch sonst keine Irreführung des Verkehrs durch die Entfernung der alten Etiketten und das Anbringen der neuen Etiketten festzustellen.

Insbesondere wird der Verkehr nicht über die Herkunft des verkauften Pflanzenschutzmittels getäuscht.

Der Verkehr erfährt, dass es aus dem Ausland importiert ist, auch wenn er nicht erfährt, von wem das Mittel stammt. Eine Täuschung findet somit nicht statt.

Im übrigen hat der Hersteller einer Markenware nicht grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass der Händler, dem er die Ware liefert, die Marke auf der Ware belässt und sie unverändert weiterveräußert (vgl. BGH, aaO S. 1041), zum anderen ist die Klägerin auch nicht Herstellerin des Produkts.

5. Mit dem Unterlassungsanspruch entfallen auch alle weiteren von der Klageseite geltend gemachten Ansprüche, soweit sie nicht ohnehin schon durch das Erstgericht rechtskräftig abgewiesen worden sind.

Das Ersturteil war daher insoweit aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

7. Die Revision zum Bundesgerichtshof war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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