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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 12.01.2006
Aktenzeichen: 6 U 2659/05
Rechtsgebiete: BGB, BauGB, VwVfG


Vorschriften:

BGB § 138
BGB § 242
BauGB § 11
VwVfG § 56
1. Wird in einem Grundstückskaufvertrag mit einer Gemeinde auf Erwerberseite der Erlass des gesamten Kaufpreises für den Fall einer im Vertrag näher bestimmten rechtskräftigen Überplanung von Grundstücken des Veräußerers bis zu einem genau bestimmten Zeitpunkt vereinbart, so ist die Frage nach der Wirksamkeit dieser Vereinbarung unter dem Gesichtspunkt des Koppelungsverbots oder des Verbots der unangemessenen Leistung jedenfalls dann rechtlich unbeachtlich, wenn die Überplanung nicht bis zu dem im Vertrag bestimmten Zeitpunkt rechtskräftig erfolgt ist.

2. Wird der Kaufpreisanspruch jedoch erst nach 25 Jahren geltend gemacht, kann ihm der Einwand der Verwirkung entgegenstehen.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 2659/05

Verkündet am 12.01.2006

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung (BGB)

erlässt der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2006 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 04.03.2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe:

I.

Die Kläger machen als Rechtsnachfolger gegen die Beklagte einen Kaufpreisanspruch aus dem Verkauf eines Grundstücks geltend.

Die Kläger sind Miterben zu je 1/2 ihres am 25.05.1991 in P verstorbenen Vaters Dr. K.

Der Erblasser schloss mit der Beklagten am 29.11.1974 den als Anlage K 1 vorgelegten Kaufvertrag über ein Grundstück mit einer Fläche von ca. 8.000 qm. In Ziffer III. 1.) der Vertragsurkunde wurde ein Quadratmeterkaufpreis von DM 120,- vereinbart. Die amtliche Vermessung des verkauften Grundstücks ergab eine Gesamtfläche von 8.130 qm, wodurch sich ein Kaufpreis von DM 975.600,- (= 498.816,36 €) ergibt (vgl. Anlage K 2).

Ziffer III. 2 der Vertragsurkunde lautet wie folgt:

"Der Kaufpreis ist am 1. Dezember 1977 zur Zahlung fällig, vorausgesetzt, daß die in dieser Urkunde beantragte Auflassungsvormerkung für die Gemeinde G im Rang nach den in Abschnitt I dieser Urkunde aufgeführten Belastungen im Grundbuch eingetragen ist und die zur lastenfreien Umschreibung der Vertragsfläche erforderlichen Erklärungen der jeweiligen Berechtigten dem amtierenden Notar zur bedingungslosen Verwendung vorliegen.

Der Kaufpreis ist bis zur Zahlung mit jährlich 6 % seit dem 1. Januar 1976 zu verzinsen."

In Ziffer III. 4.) des Vertragswerks findet sich folgende Regelung:

"Sofern die Gemeinde G für diejenigen Teilflächen aus dem unter Abschnitt I Absatz 1.) und Abschnitt I Absatz 2.) bezeichneten Grundstücke des Herrn Dr. K und der Ehegatten A welche in dem beiliegenden Lageplan rot (Dr. K) und gelb (A) umrandet sind, einen rechtskräftigen Bebauungsplan aufstellt, oder realisierbares Baurecht bis 1. Dezember 1977 geschaffen ist mit folgenden Baumöglichkeiten:

a) Geschoßflächenzahl mindestens 0.9

b) Nutzungsart entweder Kerngebiet oder allgemeines Wohngebiet oder Mischgebiet im Sinne der Baunutzungsverordnung, gilt unwiderruflich als vereinbart, daß Herr Dr. K und die Ehegatten A den in diesem Vertrag vereinbarten Kaufpreis von vorläufig zusammen DM 1.200.000,-- samt anteiliger Zinsen der Gemeinde G bei München ohne weitere Bedingung erlassen.

Das heißt also, dass die Gemeinde G die besagte Grundstücksfläche von ca. 10.000 qm ohne Zahlung einer Gegenleistung überlassen erhält.

..."

Ziffer XI. der Vertragsurkunde lautet wie folgt:

"Salvatorische Klausel

Die Unwirksamkeit einzelner Vertragsbestimmungen läßt die Wirksamkeit des übrigen Vertragsinhaltes unberührt.

Anstelle etwa unwirksamer Bestimmungen gilt zwischen den Vertragsparteien dasjenige als vereinbart, was in rechtlich zulässiger Weise dem mit der unwirksamen Bestimmung erstrebten wirtschaftlichen Ergebnis am nächsten kommt."

Am 02.04.1979 wurde ein vom Gemeinderat der Beklagten beschlossener Bebauungsplan bekannt gemacht, welcher die Mindestbedingungen der Klausel III. 4.) des Vertragswerkes erfüllt.

Der Erblasser und Rechtsvorgänger der Kläger, der zum damaligen Zeitpunkt anwaltlich vertreten war, war über die Bauleitplanung der Beklagten bezüglich der hier maßgeblichen Grundstücke informiert. Er hat bis zu seinem Tode gegenüber der Beklagten keinerlei Kaufpreisansprüche geltend gemacht. Auf die Schreiben der Beklagten vom 14.07.1977 (Anlage B 5) und 05.10.1977 (Anlage B 6) ist weder eine Reaktion des Klägers noch seines damals von ihm beauftragten Bevollmächtigten erfolgt. Die Kläger selbst haben den Kaufpreisanspruch erstmals Mitte 2002 gegenüber der Beklagten geltend gemacht.

Die Kläger waren in erster Instanz der Ansicht, dass die Erlassklausel in Abschnitt III. 4.) des Vertrages wegen Verstoßes gegen das Koppelungsverbot unwirksam sei, der Kaufpreisanspruch damit nicht erloschen sei und deshalb gegen die Beklagte geltend gemacht werden könne.

Die Kläger beantragten:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 498.816,36 €. nebst Zinsen in Höhe von 6 % seit dem 01.01.1999 bis zur Rechtshängigkeit und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragte:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte behauptete in erster Instanz, die Initiative zum Abschluss des Kaufvertrages sei vom Rechtsvorgänger der Kläger ausgegangen. Dieser habe den Wunsch geäußert, als vorrangige Entschädigung für die Übereignung seiner Grundstücke Bauland zu erhalten.

Es sei daher grob rechtsmissbräuchlich, wenn die Kläger sich nun auf die Unwirksamkeit des Kaufvertrages wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen das Koppelungsverbot beriefen. Ein solcher Verstoß liege auch nicht vor. Bei der diesbezüglichen rechtlichen Würdigung seien die Gesamtumstände zu berücksichtigen. Die Beklagte berief sich in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in NJW 99, 208. Der durch den Vollzug des Kaufvertrags bedingte Planungsgewinn müsse bei der Prüfung eines Verstoßes gegen das Koppelungsverbot berücksichtigt werden. Weiterhin berief sich die Beklagte auf BGHZ 26, 84. Im Übrigen müsse von einem zulässigen Zielsicherungsvertrag im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB ausgegangen werden. Schließlich sei auch nicht zu beanstanden, dass die Gemeinde am Planungsgewinn partizipiere.

Mit Beschluss vom 09.03.2004 wurde der Rechtsstreit durch die 11. Zivilkammer des Landgerichts München II, bei der die Klage ursprünglich erhoben wurde, nach Feststellung der Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten an das Landgericht München I verwiesen.

Am 04.03.2005 erließ das Landgericht München I folgendes Endurteil:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger € 498.816,36 nebst Zinsen in Höhe von 6 % seit 01.01.1999 bis zum 05.01.2004 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.01.2004 zu bezahlen.

2. ...

3. ...

Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Landgericht im Wesentlichen aus, die Beklagte sei gemäß § 433 Abs. 2 BGB verpflichtet, an die Kläger den geforderten Kaufpreis nebst Zinsen zu bezahlen.

Der vom Rechtsvorgänger der Kläger mit der Beklagten geschlossene notarielle Kaufvertrag vom 29.11.1974 sei nur insoweit gemäß § 138 BGB wegen eines unzulässigen Kopplungsgeschäftes unwirksam, als sich der Rechtsvorgänger der Kläger dazu verpflichtet habe, der Beklagten die Zahlung des Kaufpreises für den Fall des Erlasses eines bestimmten Bebauungsplanes zu erlassen.

Zum einen fehle es am sachlichen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung, zum anderen sei die Gegenleistung des Rechtsvorgängers der Kläger auch nicht angemessen. Aufgrund der in Abschnitt XI. des Kaufvertrages niedergelegten salvatorischen Klausel führe die Unwirksamkeit der Verzichtsvereinbarung wegen Sittenwidrigkeit entgegen der Vermutung des § 139 BGB nicht zur Gesamtnichtigkeit.

Den Klägern sei es auch nicht gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Erlassklausel zu berufen.

Bezüglich der weiteren Begründung des Landgerichts im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe auf den Seiten 3 ff. der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Mit ihrer form- und fristgerechten Berufung wendet sich die Beklagte gegen die landgerichtliche Entscheidung.

Unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vertrags hält die Beklagte weiterhin daran fest, dass der Rechtsvorgänger der Kläger die Initiative zum Abschluss des Kaufvertrages ergriffen habe, weil er befürchtet habe, dass seine landwirtschaftlichen Flächen bei einem anderen Standort des Ortszentrums nicht zu Bauland aufgewertet würden.

Die im Kaufvertrag in Ziffer III. 4.) niedergelegte Bedingung für den Erlass des Kaufpreises sei unstreitig eingetreten. Der Kläger sei bei den Gesprächen im Zusammenhang mit dem Abschluss des Kaufvertrages anwaltschaftlich vertreten gewesen. Soweit das Landgericht in seiner Entscheidung einen Verstoß gegen das Koppelungsverbot annehme und von einer Unangemessenheit von Leistung und Gegenleistung ausgehe, sei dies unzutreffend, da das Landgericht die besonderen Umstände des streitgegenständlichen Vertragsschlusses außer Acht gelassen habe.

Ein Verstoß gegen das Koppelungsverbot liege nicht vor. Für einen solchen Verstoß bestünde nämlich dann eine Ausnahme, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein sachlicher Zusammenhang bestehe. Dieser Fall sei in § 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG und in § 11 Abs. 1 BauGB normiert. Das Erstgericht stelle darauf ab, dass die Errichtung eines Rathauses und eines Bürgerzentrums lediglich ein fiskalisches Hilfsgeschäft sei. Soweit das Landgericht die Auffassung vertrete, dass kein Sachzusammenhang zwischen Bauleitplanung und dem Grunderwerb der Beklagten bestehe, sei diese Auffassung unzutreffend. Bezüglich der weiteren Ausführungen hierzu wird auf die Seiten 4 ff. der Berufungsbegründung vom 17.05.2005 (Bl. 137 ff. d. A.) verwiesen.

Zwar müssten nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB die in einem städtebaulichen Vertrag vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein, als ein solcher Umstand sei im vorliegenden Fall aber vor allem zu berücksichtigen, dass der Rechtsvorgänger der Kläger einen immensen Planungsgewinn durch Ausweisung einer Geschoßfläche von 36.000 qm als Bauland erhalten habe. Aufgrund des enormen Planungsgewinns des Rechtsvorgängers der Kläger auf den ihm verbliebenen - vormals landwirtschaftlichen - Grundstücksflächen könne vorliegend gemäß der Erlassvereinbarung unter Ziffer III. 4.) auf die Bezahlung eines Kaufpreises verzichtet werden. Die Abschöpfung von Planungsgewinnen durch die Beklagte sei in diesem Zusammenhang nicht unzulässig.

Das Erstgericht habe den Kompensationsgedanken dem Grunde nach zwar anerkannt, gehe jedoch unzutreffend im vorliegenden Fall von Sittenwidrigkeit aus, weil überhaupt kein Kaufpreis gezahlt worden sei. Diese Auffassung verkenne die maßgeblichen Beweggründe für den Abschluss des Vertrages. Dieser sei im Jahr 1974 auf Veranlassung von Rechtsanwalt Dr. ... als Vertreter des Rechtsvorgängers der Kläger nicht deshalb geschlossen worden, damit der Kläger einen Kaufpreis erhalte. Vielmehr sei es dem Rechtsvorgänger der Kläger primär darum gegangen, dass das Ortszentrum auf seinen Grundstücken ausgewiesen werde, damit er auf den ihm verbleibenden Grundstücken einen Planungsgewinn durch Aufwertung der landwirtschaftlichen Fläche als Bauland erhalte. Die bloße Ausweisung eines symbolischen Kaufpreises sei in der Praxis weder praktikabel noch lasse sie eine Abgrenzung zu. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass auch ein voll umfänglicher Kaufpreiserlass durch Bodenwertsteigerung kompensiert werden könne, die der Veräußerer durch die Verplanung erlange. Die Beklagte beruft sich in diesem Zusammenhang - wie bereits in erster Instanz - auf die Entscheidungen BGHZ 26, 84 und BGH NJW 1999, 208. Ergänzend wird auf die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung a.a.O., Seiten 6 ff. (Bl, 139 ff. d.A.) und im Schriftsatz vom 04.07.2005, Seiten 3 ff. (Bl. 170 ff. d.A.) Bezug genommen.

Das erstinstanzliche Urteil sei aber auch deshalb fehlerhaft, weil das Erstgericht zur Frage des subjektiven Tatbestands der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB keine Ermittlungen durchgeführt habe. Insoweit ist die Beklagte insbesondere der Auffassung, dass die Rechtsauffassung der Beklagten zur Wirksamkeit des Kaufvertrages nicht unvertretbar gewesen sei und es insoweit jedenfalls am subjektiven Tatbestand einer Sittenwidrigkeit fehle. Ergänzend wird diesbezüglich auf die Ausführungen a.a.O., Seiten 8 ff. (Bl. 141 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Erlassvereinbarung sei vollumfänglich wirksam. Den Klägern stünde daher kein Anspruch auf Bezahlung des Kaufpreises zu. Aufgrund der im Kaufvertrag enthaltenen Konversionsbestimmung müssten jedenfalls nichtige Vertragsbestandteile durch eine Vertragsbestimmung ersetzt werden, die gerade nicht mehr als nichtig zu erachten sei, aber dem wirtschaftlichen Willen der Parteien möglichst weitgehend entspreche. Eine nach Auffassung des Erstgerichts unzulässige Erlassvereinbarung müsse danach in eine zulässige Erlassvereinbarung unter Bezahlung eines den Umständen nach angemessenen Kaufpreises umgestaltet werden. In diesem Zusammenhang müsste ein Kaufpreis festgesetzt werden, den die Parteien unter Berücksichtigung des Planungsgewinns festgesetzt hätten. Die Entscheidung des Landgerichts sei insoweit inkonsequent, denn einerseits ginge das Landgericht von einer Kompensationsfähigkeit aus, andererseits werde eine Umgestaltung aber nicht erwogen.

Die Parteien gingen seit nunmehr über 30 Jahren einvernehmlich davon aus, dass die Voraussetzungen der Erlassvereinbarung in Ziffer III. 4.) des streitgegenständlichen Kaufvertrages erfüllt seien. Die Kläger hätten verbindlich anerkannt, dass die Voraussetzungen der Erlassvereinbarung seit über 30 Jahren gegeben seien. Insoweit läge ein bindendes Geständnis im Sinne von § 288 ZPO vor. Unabhängig davon, dass ein insoweit gegenteiliger Vortrag verspätet sei, sei ein Abrücken vom bisher unstreitig geltenden Sachverhalt zivilprozessual nicht nur unzulässig, sondern auch materiell-rechtlich als treuwidrig einzustufen. Dies ergebe sich daraus, dass der Rechtsvorgänger der Kläger bzw. sein anwaltlicher Vertreter auf die Schreiben der Beklagten vom 14.06.1977 (Anlage B 5) und 05.10.1977 (Anlage B 6) nicht geantwortet hätten. Auch dem als Anlage B 7 vorgelegten Schreiben der Beklagten vom 02.01.1978 habe der Rechtsvorgänger der Kläger nie widersprochen. Die Einrede der Nichterfüllung des vertraglichen Terminplans sei deshalb materiell-rechtlich verwirkt.

In Bezug auf die auf den Kaufvertrag aus dem Jahr 1974 anzuwendenden Normen ist die Beklagte der Auffassung, der Bundesgerichtshof habe sein Urteil vom 02.10.1998 (NJW 99, 208) ebenfalls auf die gesetzgeberische Wertentscheidung des § 11 BauGB abgestellt. Es sei daher diese gesetzgeberische Wertentscheidung zu berücksichtigen.

Der Planungsgewinn des Rechtsvorgängers der Kläger betrage nach überschlägigen Schätzungen der Beklagten mindestens 3.900.000,- DM. Soweit die Kläger insoweit zu einem anderen Ergebnis kämen, sei nicht berücksichtigt, dass es sich ursprünglich um landwirtschaftliche Flächen und unterschiedliche Nutzungsarten gehandelt habe. Maßgeblich sei der objektive Wert. Auch sei die Bodenwertsteigerung von den Klägern insoweit unzutreffend angesetzt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestehe kein Anspruch des Rechtsvorgängers des Klägers auf Alleineinvernahme des Planungsgewinns. Insoweit wird auf die Ausführungen auf Seite 4 des Schriftsatzes vom 05.01.2006 (Bl. 210 d.A.) verwiesen.

Der Bebauungsplan sei am 23.09.1977 vom Stadtrat der Beklagten beschlossen worden. Die Regierung von Oberbayern habe jedoch die Genehmigung des Bebauungsplans verweigert, da sich Änderungen nach Durchführung der Öffentlichkeitsbeteiligung ergeben hätten. Es habe deshalb die Öffentlichkeitsbeteiligung erneut durchgeführt werden müssen. Nach der wiederholten Öffentlichkeitsbeteiligung im Jahre 1978 habe der Bebauungsplan dann am 17.11.1978 vom Stadtrat der Beklagten als Satzung beschlossen werden können. Die Regierung von Oberbayern habe daraufhin den Bebauungsplan mit Bescheid vom 09.02.1978 genehmigt. Die ortsübliche Bekanntmachung sei am 02.04.1979 erfolgt.

Unter Zugrundelegung dieser Tatsachen habe der Rechtsvorgänger der Kläger zumindest wissen können, dass ihm mangels rechtzeitiger Baulandausweisung seit dem 01.12.1977 ein Anspruch auf Kaufpreiszahlung zugestanden habe. Da der Bebauungsplan erstmals am 23.09.1977 vom Stadtrat der Beklagten beschlossen worden sei, habe der damalige Bürgermeister der Stadt G mit Schreiben vom 05.10.1977 (Anlage B 6) den Rechtsanwalt des Rechtsvorgängers der Kläger darum gebeten, schriftlich mitzuteilen, dass ein vertragsgemäßer Bebbauungsplan beschlossen worden sei und dass damit die notwendige Planungssicherheit bestehe. Hierauf habe der Rechtsanwalt des Rechtsvorgängers der Kläger nicht geantwortet. Auch auf das Schreiben vom 02.01.1978 (Anlage B 7) sei nicht geantwortet worden. Zu keinem Zeitpunkt sei ein Verstoß gegen den Ablaufplan des streitgegenständlichen Vertrages vom Rechtsvorgänger der Kläger geltend gemacht worden oder seien Kaufpreisansprüche erhoben worden. Der damalige Bürgermeister der Beklagten habe sich daher darauf verlassen, dass die vertraglichen Vorgaben erfüllt seien und dass deshalb keine Kaufpreisansprüche erhoben würden. Das Schweigen des Rechtsvorgängers der Kläger sei in diesem Zusammenhang als Zustimmung zu werten. Die Ansprüche der Kläger seien deshalb verwirkt.

Da der Rechtsvorgänger der Kläger und die Beklagte zueinander in vertraglichen Beziehungen gestanden und die Bauleitplanung gemeinsam verfolgt und konzipiert hätten, habe den Rechtsvorgänger der Kläger die besondere Verpflichtung getroffen, auf die Schreiben der Beklagten zu reagieren. Das Schweigen hierauf habe die Beklagte als Zustimmung zu der eingeschlagenen Vorgehensweise werten dürfen. Die Beklagte habe gerade nicht damit rechnen können, dass dennoch Kaufpreisansprüche gegen sie gerichtet werden würden. Soweit die Kläger sich darauf beriefen, dass der Verstoß gegen das Kopplungsverbot erst im Jahre 2002 zu Tage getreten sei, werde dies bestritten.

Die Beklagte habe dem Rechtsvorgänger der Kläger weder gedroht noch diesen unter Druck gesetzt. Im Übrigen sei er anwaltschaftlich vertreten gewesen.

Die klägerischen Ansprüche seien aber jedenfalls deshalb verwirkt, weil der Rechtsvorgänger der Kläger sehenden Auges den einvernehmlichen Fortgang der Bauleitplanung durch die Beklagte auch nach dem 01.12.1977 gebilligt habe. Der Rechtsvorgänger der Kläger bzw. dessen anwaltschaftlicher Vertreter seien stets über den Stand des Bauleitverfahrens informiert gewesen.

Die Beklagte beantragt:

Das Urteil des Landgerichts München I vom 04.03.2005 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kläger beantragen:

Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 04.03.2005 wird Zurückgewiesen.

Die Kläger verteidigen die erstinstanzlithe Entscheidung und halten daran fest, dass der Erlass des Kaufpreises ihn Falle der Baulandausweisung gegen das Verbot sachwidriger Koppelung verstoße und damit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig sei. In Rechtsprechung und Literatur sei allgemein anerkannt, dass der Staat die Erfüllung öffentlicher Aufgaben nicht von einer gesetzlich nicht vorgesehenen wirtschaftlichen Gegenleistung abhängig machen dürfe. Ein Verstoß führe zur Sittenwidrigkeit im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB und damit zur Nichtigkeit. Unter Darstellung der rechtlichen Prämissen kommen die Kläger zu dem Ergebnis, dass ein sachlicher Zusammenhang zwischen der Leistung der Behörde und der Gegenleistung des Bürgers im vorliegenden Fall nicht gegeben sei. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen auf den Seiten 5 ff. der Berufungserwiderung vom 01.07.2005 (Bl. 150/154 ff. d.A.). Zu den weiteren Ausführungen zum fehlenden sachlichen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung wird auf die Ausführungen auf den Seiten 6 ff. im Schriftsatz vom 12.12.2005 (Bl. 183 ff. d.A.) verwiesen.

Unabhängig hiervon ergebe sich die Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB auch aus der fehlenden Angemessenheit. Nach den gesetzlichen Bestimmungen müsse die Gegenleistung des Bürgers den gesamten Umständen nach angemessen sein. Eine unentgeltliche Grundabtretung wie vom vorliegenden Fall sei jedoch nicht angemessen. Insoweit wird auf die Ausführungen a.a.O., Seiten 7 ff. (Bl. 156 ff. d.A.) verwiesen. Auf einen eventuellen Planungsgewinn käme es in diesem Zusammenhang nicht an. Eine Abschöpfung des Planungsgewinns sähe das Baugesetzbuch jedenfalls nicht vor. Die Finanzierung einer Rathausfläche sei nicht Sache eines einzelnen Bürgers.

Entgegen der Auffassung der Beklagten setze ein Verstoß gegen das Kopplungsverbot keinen besonderen subjektiven Tatbestand voraus. Bereits aus dem Wortlaut des § 138 BGB ergebe sich, dass grundsätzlich allein auf den objektiven Verstoß gegen die guten Sitten abzustellen sei. Nach der Rechtsprechung sei daher unerheblich, ob die Parteien ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit gehabt hätten oder ob sie auch nur die Tatsachen gekannt hätten, die das Rechtsgeschäft sittenwidrig machten. Die von der Beklagten angeführte Rechtsprechung beziehe sich auf die vom Kopplungsverbot zu unterscheidende Fallgruppe der wucherähnlichen Rechtsgeschäfte. Im Übrigen sei die verwerfliche Gesinnung im vorliegenden Fall auch positiv nachgewiesen, denn Ziel der Vereinbarung sei allein die Abschöpfung des Planungsgewinns durch die Beklagte gewesen. Es sei verwerflich, wenn ein Hoheitsträger seine im Interesse der Allgemeinheit auszuübende Hoheitsgewalt dazu benutze, sich Vorteile zu verschaffen, auf die er keinen gesetzlichen Anspruch habe. Soweit die Beklagte sich in diesem Zusammenhang darauf berufe, sie habe eine vertretbare Rechtsauffassung vertreten, sei dieser Einwand unbehelflich, denn jedenfalls liege wegen des fehlenden Sachzusammenhangs ein unvertretbarer Verstoß gegen das Kopplungsverbot vor. Auf die Frage, ob die Beklagte die Regelung für angemessen halten durfte, komme es somit nicht mehr an. Ergänzend wird insoweit auf die Ausführungen a.a.O., Seiten 11 ff. (Bl. 160 ff. d.A.) verwiesen.

Unabhängig davon bestehe der Kaufpreisanspruch schon deshalb fort, weil die Voraussetzungen der Erlassvereinbarung nicht eingetreten seien. In Ziffer III. 4.) hätten die Parteien vereinbart, dass der Kaufpreis entfalle, wenn bis 01.12.1977 auf näher bezeichneten Grundstücken ein rechtskräftiger Bebauungsplan erlassen worden sei. Unstreitig sei der Bebauungsplan jedoch erst am 02.04.1979 in Kraft getreten. Aus diesen Tatsachen ergebe sich, dass die Frist zum Erlass des Bebauungsplans nicht eingehalten und damit die Voraussetzungen für den Erlass des Kaufpreises nicht eingetreten seien. Die Voraussetzungen des Kaufpreiserlasses seien in zeitlicher Hinsicht jedenfalls nicht erfüllt. Insoweit wird ergänzend auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 12.12.2005, Seiten 1 ff. (Bl. 178 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Nichtigkeit der Erlassvereinbarung führe sowohl wegen der salvatorischen Klausel als auch nach § 139 BGB zur bloßen Teilnichtigkeit des Vertrags. Eine Konversion dergestalt, dass anstelle der sittenwidrigen Regelung eine gerade nicht mehr sittenwidrige Regelung trete, sei aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen ausgeschlossen. Ergänzend wird diesbezüglich auf die Ausführungen a.a.O., Seiten 15 ff. (Bl. 164 ff. d.A.) verwiesen.

Im Zusammenhang mit den Schreiben gemäß Anlagen B 5 und B 6 sei ein Vertrauenstatbestand bei der Beklagten nicht geschaffen worden, auf den sich die Beklagte habe verlassen dürfen. Gerade aufgrund des Umstandes, dass eine Bestätigung des Rechtsvorgängers der Kläger bzw. seines Prozessbevollmächtigten auf die beiden Schreiben nicht erfolgt sei, hätte die Beklagte davon ausgehen müssen, dass der Rechtsvorgänger der Kläger die Erlassbedingungen als nicht gegeben erachtet habe. Die Behauptung, der Rechtsvorgänger der Kläger oder sein Rechtsanwalt seien stets mit einer einvernehmlich entwickelten Bauleitplanung einverstanden gewesen, sei rechtlich unerheblich. Hieraus ergebe sich nicht, dass auch mit der Überschreitung der vertraglich vereinbarten Frist Einverständnis bestanden habe. Erst recht folge hieraus nicht, dass auf die Kaufpreiszahlung verzichtet worden sei.

Die Kläger selbst seien in den damaligen Vorgang nur bedingt eingebunden gewesen. Sie könnten sich nur daran erinnern, dass ihr Vater sich von der Beklagten unter Druck gesetzt gefühlt habe. Er habe den Eindruck vermittelt, als müsse er stets alles akzeptieren, was die Beklagte ihm vorgebe. Das von der Beklagten geforderte Millionengeschenk habe er nur widerwillig zugestanden. Der Rechtsvorgänger der Kläger habe befürchtet, dass seine wertvollen Flächen im Zentrum von G, im Falle einer Ablehnung der gemeindlichen Forderung als Ortspark oder ähnliches ausgewiesen würden. Weshalb der Rechtsvorgänger der Kläger trotz der Fristüberschreitung der Beklagten den Kaufpreis nicht gefordert habe, lasse sich nicht mehr rekonstruieren.

Dem Rechtsvorgänger der Kläger sei nicht nur kein Planungsgewinn verblieben, es sei vielmehr durch den streitbefangenen Vertrag sogar ein Verlust von 121.950,-- DM zusätzlich Notarkosten, Grunderwerbssteuer, Rechtsanwaltskosten etc. entstanden. Bezüglich dieser Berechnung wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 12.12.2005, Seiten 10 ff. (Bl. 187 ff, d.A.) verwiesen.

Zwar sei zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses § 11 BauGB noch nicht in Kraft gewesen, das Kopplungsverbot habe jedoch bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestanden. Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München seien bei zivilrechtlichen Verträgen im Rahmen der Beurteilung der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB die gesetzgeberischen Wertentscheidungen des § 56 VwVfG zu berücksichtigen. Bei den zum Kopplungsverbot ergangenen Normen des § 11 BauGB und Art. 56 BayVwVfG handle es sich nicht um originäre Rechtsschöpfungen. Sie stellten vielmehr lediglich die bereits zuvor geltende Rechtslage klar.

Die Kaufpreisforderung sei nicht verwirkt. Die bloße Nichtgeltendmachung einer Forderung sei allein eine Frage der Verjährung. Gegenstand der Verwirkung könnten nicht nur Ansprüche sein, sondern auch Rechtspositionen, die gegenüber einem Anspruch geltend gemacht werden könnten. Verwirken könnten demnach z. B. auch einzelne Einwendungen. Dabei müsse die Verwirkung für jede Rechtsposition gesondert geprüft werden.

Grundsätzlich stehe es einem Berechtigten frei, bei der Geltendmachung seiner Rechte die Verjährungs- oder Ausschlussfristen voll auszunutzen. Voraussetzungen der Verwirkung seien ein sog. Zeitmoment, nämlich die Untätigkeit des Berechtigten über einen längeren Zeitraum hinweg, und das sog. Umstandsmoment, nämlich die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes. Diese Voraussetzungen lägen weder im Hinblick auf die Nichterfüllung der Erlassbedingungen, noch im Hinblick auf die Nichtigkeit der Erlassklausel vor. Insoweit wird Bezug genommen auf die Darstellung im Schriftsatz vom 03.01.2006, Seiten 4 ff. (Bl. 197 ff. d.A.).

Ein Vertrauenstatbestand sei insbesondere nicht aus dem Schreiben vom 14.06.1977 (B 5) herleitbar, denn hieraus folge, dass ein Vertrauenstatbestand gerade nicht geschaffen worden sei. Die vertragliche Frist sei verstrichen gewesen. Die Beklagte sei sich dessen offensichtlich bewusst gewesen und davon ausgegangen, dass sie jederzeit mit der Kaufpreisforderung habe konfrontiert werden können. Die unterbliebene Antwort des Rechtsvorgängers der Kläger habe daher als Warnung aufgefasst werden müssen. Die Beklagte habe die Situation auch genauso eingeschätzt. Dies ergebe sich daraus, dass sie nach rund 3 Monaten am 05.10.1977 (B 6) den anwaltlichen Vertreter des Rechtsvorgängers der Kläger angeschrieben habe und erneut um Bestätigung gebeten habe. Auch diese Anfrage sei unbeantwortet geblieben. Die Beklagte habe wegen der fehlenden Antwort auch davon ausgehen müssen, dass die Anfrage bewusst nicht beantwortet worden sei. Aus den gesamten Umständen folge, dass die Beklagte keinesfalls davon habe ausgehen können, dass die Geltendmachung der Forderung für alle Zukunft ausgeschlossen sein sollte. Hätte die Beklagte eine Klärung herbeiführen wollen, hätte sei die Möglichkeit gehabt, negative Feststellungsklage zur erheben, Die Beklagte habe aber vielmehr auf den Ablauf der Verjährungsfrist gehofft.

Der Vater der Kläger habe auch niemals seinen Wohnsitz in G gehabt. Es habe weder ausdrücklich noch konkludent Äußerungen gegenüber Vertretern der Beklagten in Bezug auf den Vertragsgegenstand vom 29.11.1974 abgegeben. Der Rechtsvorgänger der Kläger habe sich vielmehr erpresst gefühlt. Er habe aus diesem Grund den Kontakt zur Beklagten unterlassen und auch jegliche Äußerungen in Richtung auf den Prozessgegenstand unterlassen.

Auch aus dem Verhalten der Kläger selbst ließen sich keine Anhaltspunkte für ein die Verwirkung rechtfertigendes Umstandsmoment entnehmen. Die Kläger hätten nach dem Tod ihres Vaters den Nachlass geordnet. Dabei hätten zunächst die laufenden Geschäfte abgewickelt werden müssen. Mit Altverträgen habe man sich in den ersten Jahren nach dem Tod des Vaters nicht befasst. Für eine Überprüfung des Vertrages auf seine Rechtmäßigkeit habe sich aus Sicht der Kläger kein Anlass ergeben.

Aus Sicht der Beklagten habe auch klar sein müssen, dass die Forderung nicht ohne besonderen Anlass vor Ablauf der Verjährungsfrist aufgegeben werden würde. Aus den dargestellten Gründen sei weder seitens des Vaters der Kläger noch von diesen selbst in irgendeiner Form ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden.

Die Berufung auf die Nichtigkeit der Erlassklausel wegen Verstoßes gegen das Kopplungsverbot sei ebenfalls nicht verwirkt. Insoweit wird ergänzend Bezug genommen auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 03.01.2006, Seiten 8 ff. (Bl. 201 ff. d.A.).

Die Besonderheit des Falles bestünde darin, dass die Kläger ihren Zahlungsanspruch auf zwei Säulen stützten, zum einen auf den Nichteintritt der vertraglichen Erlassbedingung und zum anderen auf die Nichtigkeit der gesamten Erlassvereinbarung. Die Kläger dürften aber nicht schlechter stehen, als im Falle einer bloßen Nichtigkeit der Erlassklausel ohne Fristversäumnis.

Da die Erlassklausel nichtig sei, verbliebe es bei dem vertraglich vereinbarten Kaufpreis. Ob die in der nichtigen Regelung dargestellten Bedingungen eingetreten seien oder nicht, sei in diesem Zusammenhang irrelevant und wäre nur dann von Bedeutung, wenn der Zahlungsanspruch sich ausschließlich auf den Nichteintritt der Bedingungen und der Erlassklausel stützte.

Hinsichtlich des Verstoßes gegen das Kopplungsverbot sei unstreitig keinerlei Vertrauenstatbestand gesetzt worden, da diese Problematik erst im Jahre 2002 zutage getreten sei.

Mangels subjektiver Zurechenbarkeit der Verspätung sei ein Vertrauen des Verpflichteten nicht schutzwürdig, wenn der Berechtigte die Rechtslage verkenne. Die Kläger bzw. ihr Rechtsvorgänger hätten die Nichtigkeit der Erlassklausel nicht gekannt, sie seien deshalb schutzbedürftig und schutzwürdig.

Der Verkauf von Hoheitsrechten sei sittenwidrig und verstoße gegen § 138 Abs. 1 BGB. Wer sittenwidrig handle, sei im Rahmen von § 242 BGB nicht schutzwürdig. Andernfalls würde man den sittenwidrigen Zustand manifestieren.

Die Beklagte habe vorliegend auch nicht auf die Nichtausübung eines Rechtes vertrauen dürfen, da sie vom fraglichen Recht keine Kenntnis gehabt habe. Die Beklagte sei davon überzeugt gewesen, dass die Erlassklausel rechtmäßig sei und ihr ein Verkauf von Planungsrechten zustünde.

Auch in diesem Zusammenhang sei das erforderliche Zeitmoment nicht gegeben. Weder den Klägern noch ihrem Rechtsvorgänger sei eine Geltendmachung des Anspruchs gestützt auf die Nichtigkeit der Erlassklausel zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen. Demzufolge hätte eine derartige Geltendmachung auch nicht erwartet werden können.

Ergänzend wird auf die Ausführungen auf Seiten 10 ff. des Schriftsatzes vom 03.01.2006 (Bl. 203 ff. d.A.) verwiesen.

Der Senat hat den Parteien unter dem 20.05.2005 (Bl. 148/149 d.A.) und 13.12.2005 (BL 175/177 d.A.) Hinweise erteilt, zu denen die Parteien schriftsätzlich Stellung genommen haben. Bezüglich des Inhalts der Hinweise wird auf diese Bezug genommen.

Die Anlagen B 5 und B 6 wurden den Klägervertretern unmittelbar von der Kanzlei der Beklagten am 09.01.2006 übermittelt.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründung vom 17.05.2005 (Bl. 134/147 d.A.) sowie die sie ergänzenden Schriftsätze vom 04.07.2005 (Bl. 168/174 d.A.), 05.01.2006 (Bl. 207/222 d.A.), 09.01.2006 (Bl. 223 d.A.) und 11.01.2006 (Bl. 224/226 d.A.) und auf die Berufungserwiderung vom 01.07.2005 (Bl. 150/167 d.A.) sowie die sie ergänzenden Schriftsätze vom 12.12.2005 (Bl. 178/193 d.A.) und 03.01.2006 (Bl. 194/206 d.A.) insgesamt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist in vollem Umfang begründet.

Den Klägern stehen die geltend gemachte Kaufpreisforderung und die geltend gemachten Zinsen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Der Kaufpreisanspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 433 Abs. 2, 1922, 2032 BGB in Verbindung mit Ziffern III. 1.) des Kaufvertrages und II. der Messungsanerkennung, denn der ursprünglich entstandenen Kaufpreisforderung steht der Einwand der Verwirkung entgegen.

Der Zinsanspruch ist ebenfalls unbegründet.

Die Klage ist zulässig.

Bezüglich der Zulässigkeit der Klage und des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten wird auf die Beschlussbegründung der 11. Zivilkammer des Landgerichts München II vom 09.03.2004 (Bl. 32 d.A.) verwiesen.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

A

Den Klägern steht kein Anspruch auf Zahlung von 498.816,36 € nebst dazugehöriger Zinsen aus §§ 433 Abs. 2, 1922, 2032 BGB i.V.m. Ziffer III. 1.), III. 2.) letzter Satz des Vertrags, II. der Messungsanerkennung, §§ 291, 288 Abs. 1, 187 Abs. 1 BGB zu.

1. Der Rechtsvorgänger der Kläger hat mit der Beklagten am 29.11.1974 den als Anlage K 1 vorgelegten Kaufvertrag über die in der Vertragsurkunde näher bezeichneten Grundstücksflächen geschlossen.

Nachdem in Ziffer III. 1. a) zunächst ein vorläufiger Kaufpreisanspruch von DM 960.000,-- ausgewiesen wurde, ergab sich nach der in Ziffer III. 3 vereinbarten Vermessung eine Gesamtfläche von 8.130 qm und damit ein Gesamtkaufpreisanspruch von 975.600,- DM (= 498.816,36 € - Ziffer II. der Messungsanerkennung Anlage K 2).

Ausweislich der in Ziffer III. 2.) Satz 1 des Vertrags getroffenen Vereinbarung war der Kaufpreisanspruch erst am 01.12,1977 unter bestimmten sachlichen Voraussetzungen fällig, deren Eintritt zwischen den Parteien, da unstreitig, nicht näher problematisiert wurde. Der Kaufpreis war nach Satz 2 der Regelung mit jährlich 6 % seit dem 1. Januar 1976 zu verzinsen.

Mit Abschluss des Vertrages am 29.11.1974 und mit Ablauf des Fälligkeitsdatums vom 01.12.1977 war damit ein fälliger Kaufpreisanspruch des Rechtsvorgängers der Kläger in der geltend gemachten Höhe entstanden, der durch den Erbfall am 25.05.1991 gemäß § 1922 auf die sich gemäß § 2032 BGB in Erbengemeinschaft befindlichen Kläger übergegangen ist.

2. Der Kaufpreisanspruch ist nicht gemäß Ziffer III. 4.) Satz'1 des Vertrags erloschen.

a) Bei dieser Kaufpreisklausel handelt es sich um eine Kombination aus einer auflösenden Bedingung im Sinne von § 158 Abs. 2 BGB und einer Zeitbestimmung gemäß § 163 BGB.

Die Vereinbarung hat somit zur Folge, dass nicht nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich den im Vertrag festgelegten Fälligkeitszeitpunkt der Kaufpreisforderung, bestimmte sachliche Voraussetzungen, insbesondere die rechtskräftige Aufstellung eines Bebauungsplanes mit bestimmten Mindestvoraussetzungen oder realisierbares Baurecht geschaffen sein mussten, sondern dass dies auch zu einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich am 01.12.1977, erfolgt sein musste.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die sachlichen Bedingungen, wie sie in Ziffer III. 4.) niedergelegt sind, von der Beklagten erfüllt wurden.

Unstreitig ist zwischen den Parteien jedoch auch, dass die Schaffung der sachlichen Voraussetzungen nicht bis zum 01.12.1977 erfolgt ist.

Nach dem Vortrag der Kläger in der Klageschrift (Seite 5 unter 1.5.) hat die Beklagte am 23.09.1979 - möglicherweise ein Schreibversehen - den hier maßgeblichen Bebauungsplan Nr. 77 erlassen. Diese in erster Instanz unstreitige Tatsache begegnet erheblichen Zweifeln, da ausweislich der mit Schriftsatz der Kläger vom 12.12.2005 (Bl. 178 ff.) vorgelegten Anlage BB 1 und den dort enthaltenen Verfahrensvermerken (Vermerk Nr. 2) der Bebauungsplan erstmals am 23.09.1977 und damit vor dem 01.12.1977 beschlossen wurde. Letztlich kann der genaue Beschlusszeitpunkt jedoch dahinstehen, denn nach der vertraglichen Regelung konnte nur ein rechtskräftiger Bebauungsplan zum Zeitpunkt 01.12.1977 überhaupt die zeitliche Bedingung für den Erlass des Kaufpreises erfüllen. Zwischen den Parteien unstreitig und durch Anlage BB 1 Vermerk Nr. 4 belegt trat die Rechtsverbindlichkeit des hier maßgeblichen Bebauungsplans jedoch erst am 02.04.1979 und damit nach dem 01.12.1977 ein.

Nach Sinn und Zweck der Klausel kann diese nur dahingehend verstanden werden, dass nicht nur die Schaffung realisierbaren Baurechts von der zeitlichen Bedingung erfasst werden sollte, sondern auch die Aufstellung eines rechtskräftigen Bebauungsplans, denn weder aus den Gesamtumständen noch aus dem gesamten Sachvortrag der Parteien ist ersichtlich, wie ein realisierbares Baurecht bis zum 01.12.1977 ohne die Aufstellung eines rechtskräftigen Bebauungsplans hätte möglich sein sollen. Zwar mag dies rechtlich nicht ausgeschlossen sein, jedoch zeigt schon der Umstand, dass sowohl der Rechtsvorgänger der Kläger, die Kläger selbst und die Beklagte in ihrem gesamten Sachvortrag ohne Einschränkung davon ausgehen, dass sich die zeitliche Bedingung auf beide sachliche Bedingungen, nämlich die Aufstellung eines rechtskräftigen Bebauungsplans und die Schaffung realisierbaren Baurechts bezieht. Es kann auch nicht angenommen werden, dass es der erklärte Wille der Parteien war, bereits die bloße, zeitlich nicht gebundene Aufstellung eines rechtskräftigen Bebauungsplans durch die Beklagte als Bedingung für den Erlass der gesamten Kaufpreisschuld ausreichen zu lassen, denn die Fälligkeit des Zahlungsanspruchs wurde gerade auch an den Termin 01.12.1977 geknüpft. Außerdem wäre damit der aus der vertraglichen Regelung begründete zeitliche Druck für die Beklagte gänzlich entfallen.

Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass weder die Aufstellung eines rechtskräftigen Bebauungsplans noch die Schaffung realisierbaren Baurechts innerhalb der zeitlichen Befristung bis zum 01.12.1977 erfolgt sind. Somit sind nicht sämtliche Voraussetzungen für den Erlass der Kaufpreisschuld nach Ziffer III. 4.) Satz 1 eingetreten.

Dies hat zur Folge, dass der Kaufpreisanspruch des Rechtsvorgängers des Klägers, so wie er auf die Kläger übergangen ist, nicht durch den Bedingungseintritt im Sinne von Ziffer III. 4.) erloschen ist. Dies hat weiterhin zur Folge, dass, wie in Ziffer III. 4.) Satz 2 festgehalten, die Beklagte die besagte Grundstücksfläche vom Rechtsvorgänger der Kläger nicht ohne Zahlung einer Gegenleistung erhalten sollte.

Die zwischen den Parteien in nicht unerheblichen Umfang erörterte Frage, inwieweit die Erlassklausel der Ziffer III. 4.) Satz 1 gegen das Verbot der Koppelung bzw. das Verbot der Unangemessenheit im Sinne von § 138 BGB verstößt und damit nichtig ist, ist aus Sicht des Senats im vorliegenden Fall nicht entscheidungsrelevant, denn nur dann, wenn die Erlassbedingung für den Kaufpreisanspruch überhaupt eingetreten wäre, wäre zu prüfen, ob die Regelung zum Erlass des Kaufpreisanspruches wegen eines Verstoßes gegen § 138 BGB nichtig wäre.

Dann wäre allerdings aus Sicht des Senats auch ergänzend zu prüfen, ob die salvatorische Klausel in Ziffer 11 des Vertragswerkes tatsächlich geeignet wäre, entgegen der Regel des § 139 BGB dazu zu führen, dass der Vertrag in seinem Restbestand tatsächlich wirksam sein sollte. Aus Sicht des Senats bestehen hieran erhebliche Zweifel, denn mit der Erlassklausel, die letztendlich Folge des zu erwartenden Planungsgewinns war, steht und fällt möglicherweise das gesamte Vertragswerk. Unter diesen Umständen hätte es daher eine Rückabwicklung des Vertrags nach §§ 812 ff. BGB bedurft. Diese Überlegungen können im Ergebnis jedoch dahinstehen.

Soweit die Beklagte sich darauf beruft, beide Parteien wären unstreitig vom Eintritt der Zeit-/Sachbedingung ausgegangen, vermag dies nicht zu überzeugen. Die bloße Kenntnis und "Beteiligung" des Rechtsvorgängers des Klägers an der Bauleitplanung vermag den Bedingungseintritt jedenfalls nicht zu begründen.

Die Voraussetzungen des § 288 ZPO sind schon deshalb nicht gegeben, weil eine Rechtsfolge keine Tatsache darstellt und deshalb zwischen den Parteien nicht unstreitig gestellt werden kann bzw. nicht die Geständnisfunktion erfüllt. Aus diesem Grund scheidet auch der Einwand der Beklagten aus, die Kläger verhielten sich insoweit treuwidrig, denn der Eintritt der Rechtsfolge wurde von ihnen weder herbeigeführt noch in sonstiger Weise beeinflusst. Gleiches gilt für den Rechtsvorgänger der Kläger.

Die weiterhin von der Beklagten vorgenommene rechtliche Einordnung des Schweigens des Rechtsvorgängers der Kläger als Zustimmung hält der Senat schon wegen des im Bürgerlichen Recht bestehenden Grundsatzes, dass Schweigen grundsätzlich keine Zustimmung bedeutet, für unzutreffend (Palandt-Heinrichs, BGB, Kommentar, 65. Auflage, vor § 116 Rd. 7); Die zu dieser Problematik entwickelten Ausnahmefälle sind hier im vorliegenden Fall nicht einschlägig.

Da auch ein Fall des § 162 BGB nicht vorliegt, verbleibt es somit - insoweit übereinstimmend mit dem Landgericht, wenngleich mit anderen Gründen - zunächst beim Bestand des ursprünglichen Kaufpreisanspruches des Rechtsvorgängers.

3. Der Anspruch der Kläger auf Zahlung des Kaufpreises aus dem Vertrag vom 29.11.1974 ist jedoch verwirkt.

a) Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (vgl. Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 242 Rd. 87 mit Rechtsprechungsnachweisen). Die Verwirkung begründet eine inhaltliche Begrenzung des Rechtes. Sie ist eine rechtsvernichtende Einwendung und im Prozess von Amts wegen zu berücksichtigen (BGH NJW 66, 343 <345>). Der Verwirkung unterliegen grundsätzlich alle subjektiven Rechte, insbesondere auch Ansprüche (Palandt-Heinrichs, a.a.O., Rn. 91).

In Rechtsprechung und Literatur werden als die zwei grundlegenden Voraussetzungen für die Annahme einer Verwirkung somit das sog. Zeitmoment und das sog. Umstandsmoment angesehen (Palandt-Heinrichs, a.a.O., Rd. 93 und 95).

b) Seit der Möglichkeit, den Kaufpreisanspruch geltend zu machen, ist ein erheblicher Zeitraum verstrichen.

Im konkreten Fall liegt aus Sicht des Senats ein "doppeltes" Zeitmoment vor.

Der Kaufpreisanspruch des Rechtsvorgängers der Kläger war am 01.12.1977 zur Zahlung fällig. Da die Erlassbedingungen, wie oben dargestellt, nicht erfüllt wurden, standen der Geltendmachung des Kaufpreises keine Einwände mehr entgegen.

In Kenntnis dieser Fälligkeit hat der Erblasser bis zu seinem Tod am 25.05.1991 den Kaufpreisanspruch gegen die Beklagte nicht geltend gemacht. Dies bedeutet, dass der Anspruch trotz seines Bestehens und seiner Fälligkeit über einen Zeitraum von fast 14 Jahren vom Kläger nicht geltend gemacht wurde.

Die Kläger sind sodann im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in die Rechtsposition des Erblassers gemäß § 1922 BGB eingetreten und haben ihrerseits in der Zeit vom 25.05.1991 bis in das Jahr 2002 und damit fast weitere 11 Jahre den Anspruch gegen die Beklagte ebenfalls nicht geltend gemacht.

Damit ist aus Sicht des Senats sowohl für den Rechtsvorgänger als auch für die Kläger selbst, je für sich gesehen, schon das Zeitmoment erfüllt. Selbst wenn man jedoch von einem einheitlichen Zeitmoment ausgehen wollte, wurde der Kaufpreisanspruch aus dem Vertrag vom 29.11.1974 somit über einen Zeitraum von ca. 25 Jahren gegen die Beklagte nicht geltend gemacht. Im Hinblick darauf, dass es sich immerhin um einen Anspruch von fast 1 Mio. DM gehandelt hat, kann nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden, dass das Zeitmoment im vorliegenden Fall erfüllt ist.

Da von den Parteien trotz entsprechendem Hinweis des Gerichts keine Tatsachen vorgetragen wurden, die auf eine Geltendmachung oder auf ein Beharren der klägerischen Rechtsposition schließen lassen, und eine Kenntnis des Berechtigten vom Bestehen seines Rechts nach absolut herrschender Meinung und Rechtsprechung nicht Voraussetzung für die Begründung des Zeitmomentes ist (Palandt-Heinrichs, a.a.O., Rn. 94), geht der Senat, zumal sich der klägerische Anspruch auch der Verjährung genähert hat, davon aus, dass das Zeitmoment erfüllt ist.

c) Die Beklagte als Anspruchsverpflichtete konnte und durfte aufgrund des Verhaltens des Rechtsvorgängers des Klägers und der Kläger selbst davon ausgehen, dass diese den Kaufpreisanspruch nicht mehr geltend machen würden.

Zwar weisen die Kläger insoweit zutreffend darauf hin, dass die Verwirkung auch einzelne Einwendungen und nicht nur den Anspruch als solchen betreffen kann, jedoch bezieht der Senat sowohl das Zeit- als auch das Umstandsmoment nicht auf die Unwirksamkeit der Erlassklausel allein, sondern auf den Anspruch insgesamt.

Der Rechtsvorgänger der Kläger hat am 29.11.1974 den hier maßgeblichen Kaufvertrag mit der Beklagten geschlossen. Aus seiner und auch aus Sicht der Beklagten war gemäß Ziffer III. 4.) der 01.12.1977 nicht nur der Tag, an dem die Kaufpreisforderung fällig sein sollte, sondern auch der Tag, der maßgeblich für die Frage war, ob der Kaufpreisanspruch als solches insgesamt erloschen sein sollte. Nachdem zum 01.12.1977 die zeitliche Voraussetzung für den Bedingungseintritt, nämlich Erlass des Kaufpreises, nicht erfolgt war und der Kläger in der Folgezeit unstreitig Kenntnis von der zeitlich später erfolgten Überplanung seiner Grundstücke durch die Beklagte hatte, konnte und musste die Beklagte davon ausgehen, dass der Kläger - in Kenntnis der vertraglichen Bestimmungen - auch Kenntnis von der Kaufpreisschuld der Beklagten hatte.

Dies gilt vollkommen unabhängig davon, ob die Erlassklausel wegen Verstoßes gegen das Kopplungsgebot oder den Angemessenheitsgrundsatz unwirksam war, denn jedenfalls dann, wenn am 01.12.1977 die Voraussetzungen für den Erlass des Kaufpreises keinen Bestand hatten, waren diese Überlegungen für den Rechtsvorgänger der Kläger unbeachtlich. Spätestens mit Ablauf des 01.12.1977 war der Kaufpreisanspruch des Klägers durch die Beklagte unvernichtbar entstanden und fällig.

Der Rechtsvorgänger der Kläger hat sodann die Überplanung seiner Grundstücke und die damit verbundenen baurechtlichen und finanziellen Folgen faktisch hingenommen. Dabei ist nicht von Relevanz, inwieweit der Rechtsvorgänger der Kläger mit der Bauleitplanung als solcher einverstanden gewesen ist, denn er hatte nur die ihm im Rahmen der Bauleitplanung zustehenden subjektiven Rechte, von denen er aber ersichtlich keinen Gebrauch gemacht hat. Er hat somit den Fortgang der Bauleitplanung hingenommen und in Kenntnis dieser Bauleitplanung nach Ablauf des 01.12.1977 bis zu seinem Tod im Jahre 1991 keinerlei Zahlungsansprüche an die Beklagte gerichtet.

Hinzu kommt, dass der Rechtsvorgänger der Kläger jedenfalls im Vorfeld des Abschlusses des Kaufvertrages anwaltlich vertreten und beraten war und daher die Beklagte auch davon ausgehen musste, dass jedenfalls dann, wenn der Bedingungseintritt zum 01.12.1977 nicht erfolgte, der Kaufpreisanspruch gegen sie geltend gemacht werden würde. Zu keinem Zeitpunkt wurden jedoch nach Ablauf des 01.12.1977 vom Rechtsvorgänger der Kläger bzw. seinem anwaltschaftlichen Vertreter gegen die Beklagte trotz Kenntnis der verspäteten Überplanung Ansprüche geltend gemacht. Der Rechtsvorgänger der Kläger hat sich vielmehr so verhalten, als ob der Vertrag - so wie vereinbart - durchgeführt werden sollte.

Aufgrund dieser Gesamtumstände konnte und durfte die Beklagte aus Sicht des Senats nur davon ausgehen, dass der Rechtsvorgänger der Kläger den Kaufpreisanspruch wegen den mit der Überplanung für ihn auch als günstig verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Folgen nicht mehr geltend machen würde.

Das Umstandsmoment bezieht sich jedoch auch auf das Verhalten der Kläger persönlich. Die Kläger wurden im Wege der Gesamtrechtsnachfolge im Jahre 1991 Miterben ihres Vaters und haben infolge des Erbfalls den Nachlass gesichtet und geordnet. Dies hat zur Folge, dass sie in den Erbschaftsbesitz gelangt sind und damit auch Kenntnis von den vertraglichen Grundlagen des den Kaufpreisanspruch zu Grunde liegenden Vertrags hatten oder haben mussten.

Erst im Jahre 2002 wurden nach anwaltschaftlicher Beratung von den Klägern gegen die Beklagte Zahlungsansprüche geltend gemacht. Dabei ist es rechtlich unbeachtlich, inwieweit die Kläger selbst oder durch Dritte zu irgendeinem Zeitpunkt Kenntnis von der vermeintlichen Sittenwidrigkeit des Vertrags vom 29.11.1974 hatten, denn für die Frage des Umstandsmoments ist weder ein Verschulden des Berechtigten zu prüfen, noch würde sich ein vermeintlicher Rechtsirrtum in irgendeiner Form auf den Vertrauenstatbestand der Beklagten auswirken, solang diese den Rechtsirrtum des Berechtigten nicht erkannt hätte. Hinzu kommt, dass die Frage der Sittenwidrigkeit mit Ablauf des 01.12.1977 - nur auf diesen Beginnzeitpunkt stellt der Senat ab - überhaupt keine Rolle mehr spielte, sondern der entstandene Kaufpreis ohne rechtliche Einschränkung fällig war.

Damit haben auch die Kläger selbst über einen Zeitraum von 11 Jahren, in denen sie selbst im Besitz und Eigentum der maßgeblichen Vertragsunterlagen waren, den bis dahin 14 Jahre alten Anspruch nicht geltend gemacht.

Jedenfalls in der Gesamtschau beider Umstandsmomente ergibt sich somit, dass der Anspruch insgesamt über einen Zeitraum von 25 Jahren trotz Kenntnis der vertraglichen Umstände und trotz Kenntnis der Bauleitplanung der Beklagten weder vom Rechtsvorgänger der Kläger noch von diesen selbst geltend gemacht wurde.

Diese Gesamtumstände sind aus Sicht des Senats nur dahingehend zu würdigen, dass die Beklagte darauf vertrauen durfte, dass der Kaufpreisanspruch gegen sie nicht mehr geltend gemacht werden würde.

Ein besonderes schutzwürdiges Interesse des Rechtsvorgängers der Kläger als auch der Kläger selbst ist aus Sicht des Senats nicht gegeben. Es handelt sich um einen rein zivilrechtlichen Vertrag. Der Rechtsvorgänger der Kläger war insbesondere nicht gezwungen, ein derartiges Vertragsverhältnis einzugehen. Selbst wenn auf den Rechtsvorgänger der Kläger in irgendeiner Form informeller Druck ausgeübt worden sein sollte, so war er immer noch anwaltschaftlich beraten und war unter keinem denkbaren tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, einen Vertrag mit diesem Inhalt abzuschließen. Wenn er sich jedoch sodann entschlossen hatte, einen Vertrag dieses Inhalts abzuschließen und darüber hinaus erkennen konnte, dass die Überplanung seiner Grundstücke ersichtlich nach dem Stichtag 01.12.1977 erfolgte, war es für ihn ohne weiteres möglich, den Kaufpreisanspruch bereits ab Ende 1977 geltend zu machen. Dass die Beklagte in diesem Fall möglicherweise von einer Überplanung der hier maßgeblichen Grundstücke abgesehen hätte, ist für den Bestand und die Durchsetzbarkeit des Kaufpreisanspruches ohne rechtlichen Belang. Im Übrigen wäre diese Besorgnis jedenfalls mit der Bekanntmachung des Bebauungsplans am 02.04.1979 nicht mehr begründet gewesen.

Auch ein öffentliches Interesse steht der Annahme einer Verwirkung nicht entgegen. Hierbei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich um einen Anspruch handelt, der über 25 Jahre hinweg nicht geltend gemacht wurde. Inwieweit die Beurteilung des möglichen öffentlichen Interesses anders zu erfolgen hätte, wenn das Vertragsverhältnis jüngeren Datums wäre, kann im vorliegenden Fall dahinstehen.

d) Anders als die Parteien vermag der Senat aus den Schreiben vom 14.06.1977 (Anlage B 5) und 05.10.1977 (Anlage B 6) für das Umstandsmoment keine Erkenntnisse zu gewinnen, denn beide Schreiben wurden ersichtlich vor dem 01.12.1977 abgefasst und abgesendet und vermögen daher für die Begründung des Umstandsmomentes, das der Senat frühestens ab dem 01.12.1977 als relevant erachtet, nichts beizutragen.

Soweit sich die Beklagte im Schriftsatz vom 05.01.2006 auf das Schreiben vom 02.01.1978 (Anlage B 7) beruft, kann auch dieses keine andere rechtliche Beurteilung rechtfertigen, da es ersichtlich auf das Schreiben vom 05.10.1977 Bezug nimmt und wegen der in diesem Schreiben ausgesprochenen Erwartungshaltung weder für die Klageseite noch für die Beklagte eine zuverlässige Aussage über die Begründung oder Nichtbegründung eines Vertrauenstatbestandes zulässt. Damit spielen die drei Schreiben für die Beurteilung des Umstandsmomentes keine Rolle.

Soweit sich die Beklagte in diesem Schriftsatz auf den richterlichen Hinweis vom 13.12.2005 zum Kopplungsverbot und zur Angemessenheitsfrage äußert, sind die Ausführungen rechtlich nicht von Relevanz (s.o. 2.a.).

Gleiches gilt für die Ausführungen in diesem Schriftsatz auf den Seiten 7 ff. (Bl. 213 ff.), denn diese befassen sich ebenfalls und ausschließlich mit den zwischen den Parteien streitigen Problemen des Kopplungsverbotes und der Angemessenheit der Leistung und sind deshalb für die Senatsentscheidung unbeachtlich.

Hinsichtlich der Verwirkungsfrage schließt sich die Beklagte der Rechtsansicht des Senats an. Soweit in diesem Zusammenhang erneut auf die Anlagen B 5 und B 6 sowie erstmals die Anlage B 7 (Schreiben vom 02.01.1978) Bezug genommen wird, sind diese Anlagen, wie oben ausgeführt, für die Beurteilung des Umstandsmoments nicht maßgeblich. Es kann daher dahinstehen, inwieweit der diesbezügliche Sachvortrag der Beklagten prozessual überhaupt zu berücksichtigten wäre.

Dem vom Rechtsvorgänger auf die Kläger übergegangenen Kaufpreisanspruch steht daher der Einwand der Verwirkung entgegen.

Da auch andere Anspruchsgrundlagen nicht in Betracht kommen, ist die Klage in der Hauptsache unbegründet.

B

An dieser Verwirkung nimmt auch der geltend gemachte Zinsanspruch teil, denn dieser ist in seinem Bestand vom (Haupt-) Kaufpreisanspruch abhängig.

Gemäß Ziffer III. 2.) letzter Satz des Vertrags bezieht sich die Verzinsungspflicht des Käufers auf den Kaufpreis selbst. Da der diesbezügliche Anspruch jedoch verwirkt ist, erstreckt sich die Verwirkung auch auf die damit verbundenen Zinsen. Die Zinsen wären nach der Regelung in Ziffer III. 4.) auch ausdrücklich von einem Erlass umfasst.

Rechtshängigkeitszinsen können schon aus Rechtsgründen ebenfalls nicht gewährt werden.

Die Klage ist daher insgesamt unbegründet.

Da das Landgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben hat, ist das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 91, 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen.

Die zwischen den Parteien in erheblichem Umfang diskutierte Frage der Sittenwidrigkeit der Erlassklausel war im vorliegenden Fall nicht entscheidungsrelevant. Insoweit bedarf es daher keiner weiteren obergerichtlichen Klärung.

Im Übrigen handelt es sich bei der Entscheidungsfindung um einfache Rechtsanwendung aufgrund gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO sind daher nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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