Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 18.03.2004
Aktenzeichen: 6 U 2683/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1004
BGB § 823 Abs. 1
Eine Abnehmerverwarnung stellt keinen unmittelbaren Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eines von mehreren Zulieferunternehmen dar.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 2683/03

Verkündet am 18.03.2004

In dem Rechtsstreit

erlässt der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., Richter am Oberlandesgericht ... und Richterin am Oberlandesgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2004 folgendes

ENDURTEIL:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I, Az.: 21 O 18137/00 vom 5.3.2003 aufgehoben, soweit die Hauptsache nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.

II. Die Klage wird insoweit abgewiesen.

III. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche wegen einer Abnehmerverwarnung, die die Beklagte gegenüber der Fa. K AG wegen Patentverletzung ausgesprochen hat, geltend.

Die Klägerin ist auf dem Gebiet des Uhrwerkbaus tätig.

Die Beklagte stellt her und vertreibt Uhren. Sie ist Inhaber des am 26.3.1985 unter Inanspruchnahme der inneren Priorität der Deutschen Gebrauchsmusteranmeldung G 84 32 847 vom 9.11.1984 angemeldeten und am 25.9.1986 veröffentlichten Deutschen Patents DE 35 10 861.

Im Einspruchsverfahren hat der Bundesgerichtshof das Patent mit Urteil vom 23.9.1999 (Anlage K 7) beschränkt aufrechterhalten.

Anspruch 1 lautet danach wie folgt:

"Anzeigestellungs-Detektionseinrichtung für eine Uhr mit einem optronischen Sensor, wobei Räder zum Antreiben von Anzeigemitteln als Lochblendenscheiben für eine Lichtschranke (31, 32; 39) vorgesehen sind, dadurch gekennzeichnet, dass im Inneren des Werkes (1) einer Funkuhr in die Lichtschranke (31, 32; 39) ein Zwischenrad (6, 13) und das von seinem Ritzel (7, 14) getriebene Rad (8, 15) mit je einer Blendenöffnung (35) hineinragen."

Hinsichtlich des Wortlauts des Nebenanspruchs 3 b sowie der Merkmalsanalyse, von der beide Parteien ausgehen, wird auf den Tatbestand der angegriffenen landgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen (dort Seite 9 und 10). Hinsichtlich der Beschreibung der Erfindung in der Patentschrift, dem Stand der Technik sowie der Aufgabe des Patents und der Lösung des Problems wird ebenfalls auf den Tatbestand der angegriffenen Entscheidung (dort Seiten 7, 8 und 10) verwiesen.

Die Fa. K AG vertrieb unter der Bezeichnung "Elite" einen Analog-Funkwecker. Der Aufbau des Uhrwerks ergibt sich aus der Anlage B 5. Die Klägerin lieferte dazu nach ihrem von der Beklagten bestrittenen Vortrag Funkuhrwerke an die Fa. H in Hongkong, die unter Ergänzung mit den erforderlichen Teilen funkgesteuerte Wecker herstellte und diese an die Fa. K AG in Köln verkaufte.

Die Klägerin behauptet, die von ihr an die Fa. H Hongkong gelieferten und in den an die Fa. K AG gelieferten Funkuhrweckern enthaltenen Funkuhrwerke verletzten das Deutsche Patent DE 35 10 861 der Beklagten nicht. Hinsichtlich der weiteren Ausführungen dazu, dass weder eine wörtliche noch eine äquivalente Patentverletzung vorliege, wird auf den Tatbestand der angegriffenen Entscheidung Seite 13 verwiesen.

Die Klägerin ist der Auffassung, sie besitze das für den Klageantrag I erforderliche Feststellungsinteresse. Die von der Beklagten an die K AG gerichtete Abmahnung beinhalte konkludent die Behauptung, das von der Klägerin hergestellte und in dem von der K AG vertriebenen Funkuhrwecker enthaltene Funkuhrwerk verletze das Deutsche Patent DE 35 10 861 der Beklagten. Damit sei für die Klägerin eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit gegeben, die durch die erstrebte Feststellung beseitigt werden könne.

Hinsichtlich des weiteren Sachvortrags der Klägerin in der ersten Instanz und der dort von den Parteien gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und trägt vor, die Klage sei zum Teil unzulässig und im Übrigen als unbegründet abzuweisen. Das für den Klageantrag 1 erforderliche Feststellungsinteresse fehle. Die Beklagte habe sich gegenüber der Klägerin keiner Unterlassungs- oder sonstigen Ansprüche berühmt. Die Klägerin leite aus einer solchen Berühmung auch die behaupteten Ansprüche nicht her, sondern behaupte vielmehr, in der Verwarnung der K AG liege ein unmittelbarer Eingriff in ihren eigenen Gewerbebetrieb. Diesen behaupteten Eingriff habe die Klägerin bereits zum Gegenstand des Unterlassungsantrages II gemacht. Für einen gesonderten Feststellungsantrag sei daneben kein Raum. Die Klage sei daneben auch unbegründet. Es werde bestritten, dass die Klägerin ein Funkuhrwerk herstelle. Nach Informationen der Beklagten lasse die Klägerin lediglich Uhrwerksräder herstellen, die anschließend exportiert würden. Das Funkuhrwerk des gegenüber der Fa. K AG angegriffenen Weckers verletze das Klagepatent.

Hinsichtlich des weiteren Sachvortrags der Beklagten in der ersten Instanz auf den Tatbestand der landgerichtlichen Entscheidung verwiesen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen W sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Der Zeuge W hat dabei unter anderem erklärt, dass die Fa. H von der Klägerin lediglich die Gearbox bezieht, den optischen Sensor, der von ihr angebracht wird jedoch von einer anderen deutschen Firma. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 3.4.2002 (Bl. 152/153), die schriftlichen Gutachten von Prof. Dr. B C vom 10.8.2002 (Bl. 171-180) und vom 14.11.2002 (Bl. 197-200) sowie das Sitzungsprotokoll vom 15.1.2003 (Bl. 208-211) verwiesen.

Mit Endurteil vom 5.3.2003 hat das Landgericht München I der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht insbesondere ausgeführt, der Feststellungsantrag I sei zulässig und begründet. Ein rechtliches Interesse an der beantragten Feststellung bestehe, da die Berühmung der Beklagten gegenüber der Fa. K AG auch als Berühmung gegenüber dessen Zulieferer zu bewerten sei. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Klägerin wesentliche Bestandteile des Funkuhrwerkes hergestellt habe. Zwar habe sich die Beklagte nicht unmittelbar gegenüber der Klägerin eines Unterlassungsanspruches berühmt, da jedoch die Klägerin die möglicherweise als patentverletzend einzustufenden Teile des Weckers hergestellt habe, sei sie von den rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen der Berühmung betroffen und alleine der Umstand, dass die Beklagte den Vertreiber und nicht den Hersteller oder den Zulieferer abgemahnt habe, könne nicht dazu führen, dass der Zulieferer keine rechtliche Möglichkeit habe, zu klären, ob auch ihm gegenüber Unterlassungsansprüche bestehen bzw. ob eine Patentverletzung vorliege. Dieser Grundsatz gelte nach Auffassung der Kammer nicht nur für die nach außen als Herstellerin auftretende Firma, sondern auch für die Zulieferer von Komponenten für das Endprodukt, sofern durch die Lieferung der Komponenten auch Ansprüche gegen den Zulieferer wegen Patentverletzung begründet werden könnten. Zwar liege keine mittelbare Patentverletzung durch die Klägerin vor, da § 10 PatentG nicht nur Angebot und Lieferung im Inland, sondern auch die Benutzung des angebotenen oder gelieferten Mittels zur Voraussetzung habe, die Klägerin könnte aber im Falle einer Patentverletzung als Mittäterin einer unmittelbaren Patentverletzung in Anspruch genommen werden. Eine Mittäterschaft könne vorliegen, wenn ein Zulieferer Teile herstelle, die erfindungswesentliche Merkmale einer geschützten Gesamtvorrichtung aufwiesen, die von vorneherein dazu bestimmt seien, von einem anderen mit weiteren Teilen zusammengesetzt zu werden und dazu bestimmt seien, im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vertrieben zu werden. Die Gearbox weise, sofern eine Verletzung zu bejahen sei, erfindungswesentliche Merkmale auf.

Die Feststellungsklage sei auch begründet, da die Klägerin das Klagepatent nicht verletzt habe. Insoweit stützt sich das Landgericht auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. C Der Sachverständige und mit ihm das Landgericht sind zu der Auffassung gelangt, die Lösung der angegriffenen Ausführungsform sei nicht mehr als gleichwertige Lösung im Sinne des Klagepatents einzustufen.

Klageantrag II sowie Klageantrag IV seien begründet, da ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin gegeben sei. Die Verwarnung gegenüber der Fa. K AG sei unbegründet gewesen, da die angegriffene Ausführungsform das Klagepatent nicht verletzt habe. Nach Auffassung der Kammer war die Voraussetzung der Unmittelbarkeit des Eingriffes auch dann erfüllt, wenn nur ein mittelbarer Abnehmer abgemahnt wurde und der Gewerbebetrieb nur einen Teil der angegriffenen Vorrichtung hergestellt und geliefert habe. Ein unmittelbarer Eingriff sei zu bejahen, wenn der Hersteller eines Teils der angegriffenen Vorrichtung sich selbst im Falle einer Patentverletzung Unterlassungsansprüchen und Schadensersatzansprüchen wegen Patentverletzung ausgesetzt sehen würde und darüber hinaus wesentliche Teile, die zudem möglicherweise von den erfindungswesentlichen Merkmalen Gebrauch machten, herstelle. Dies sei bei der Klägerin der Fall. Die Beklagte habe zudem schuldhaft gehandelt, so dass sie zum Schadensersatz verpflichtet sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils verwiesen.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten, mit welcher sie unter Wiederholung und Vertiefen des erstinstanzlichen Sachvortrags die Klageabweisung weiterverfolgt.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht, dass hinsichtlich des Klageantrags 1 kein Feststellungsinteresse der Klägerin gegeben sei. Zur Bestimmung des Feststellungsinteresses habe die Kammer den Umstand herangezogen, ob gegen den Zulieferer Unterlassungsansprüche wegen Patentverletzung geltend gemacht werden könnten. Dem sei allenfalls zu folgen, wenn die Tatsachen- und Rechtslage der Unterlassungsansprüche objektiv gewürdigt würde, da bei subjektiver Würdigung das Feststellungsinteresse von dem Empfinden des Klägers abhinge. Bei objektiver Würdigung sei ein Feststellungsinteresse dann gegeben, wenn das Handeln der Klägerin als unmittelbare oder mittelbare Patentverletzung anzusehen sei. Die Klägerin habe lediglich Uhrwerksteile hergestellt und an ein im Ausland sitzendes Unternehmen geliefert. Darin könne eine Mittäterschaft an einer Patentverletzung nicht gesehen werden. Diese setze darüber hinaus auch ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken der Klägerin mit der Fa. H bzw. der Fa. K AG zur Begehung einer Rechtsverletzung voraus.

Die Klägerin habe auch nicht dargelegt, dass sie die streitgegenständlichen Funkuhrwerke in den Verkehr bringe. Sie liefere lediglich mechanische Räderwerke (Gearboxen) an die Fa. H in Hongkong, was der Zeuge W auch bestätigt habe.

Das in den Funkuhrweckern der Fa. K enthaltene Uhrwerk verletze die Ansprüche 1 und 3 b des streitgegenständlichen Patents. Es liege eine äquivalente Verletzung des Patents vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Patentverletzung wird auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 16.6.2003 (Bl. 271-295) verwiesen.

Die Verwarnung der Fa. K AG stelle auch keinen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin gemäß § 823 BGB dar, da es an der Unmittelbarkeit des Eingriffs fehle. Die Klägerin sei nicht Herstellerin des Uhrwerkes, sondern lediglich Zulieferer einer Komponente.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts München I vom 5.3.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat zunächst beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München vom 5.3.2003 zurückzuweisen.

Auf Hinweis des Gerichts hat die Klägerin die Klageanträge I und II neu formuliert:

I. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, der Klägerin zu untersagen, ein Funkuhrwerk in den Verkehr zu bringen bzw. herzustellen, welches zum Zusammenwirken mit einem optronischen Sensor und einer Lichtschranke zur Bildung einer Anzeigestellungs-Detektionseinrichtung vorgesehen ist, das folgende Merkmale aufweist:

Zum Antreiben von Zeigern dienende Räder,

umfassend ein Minutenrad zum Antrieb des Minutenzeigers sowie

ein Stundenrad zum Antrieb eines Stundenzeigers, und

ein Übertragungsrad, welches ein Ritzel zum Antrieb des Minutenrades aufweist;

im Inneren des Werkes ragen in die Lichtschranke hinein

das Stundenrad und das Minutenrad mit je einer Blendenöffnung und ein Spiegel, der auf dem Übertragungsrad angeordnet ist und das durch die Blendenöffnungen fallende Licht reflektiert.

II. Der Beklagten wird bei Meidung ... untersagt, unmittelbare oder mittelbare Abnehmer der Klägerin wegen der Abnahme eines Funkuhrwerkes mit

- zum Antreiben von Zeigern dienenden Rädern

umfassend ein Minutenrad zum Antrieb des Minutenzeigers sowie

ein Stundenrad zum Antrieb eines Stundenzeigers, und

ein Übertragungsrad, welches ein Ritzel zum Antrieb des Minutenrades aufweist;

im Inneren des Werkes ragen in die Lichtschranke hinein

das Stundenrad und das Minutenrad mit je einer Blendenöffnung und ein Spiegel, der auf, dem Übertragungsrad angeordnet ist und das durch die Blendenöffnungen fallende Licht reflektiert.

und des Vertriebs dieses Funkuhrwerkes als Anzeigestellungs-Detektionseinrichtung mit einem

- optronischen Sensor und

- einer Lichtschranke

in der Bundesrepublik Deutschland zu verwarnen.

Sie hat anschließend beantragt,

die Berufung der Beklagten nach Maßgabe der übergebenen neuen Anträge zurückzuweisen.

Sie trägt vor, das erforderliche Feststellungsinteresse sei gegeben. Die Klägerin liefere einen wesentlichen Teil des Funkuhrwerkes, nämlich das Räderwerk (Gearbox) an die Fa. H in Hongkong. Nach der Verwarnung der K AG habe die Fa. H die Klägerin zur Klärung der patentrechtlichen Problematik gedrängt und bis auf weiteres sämtliche der Klägerin erteilten Aufträge storniert. Damit sei für die Klägerin eine "gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit" entstanden, die durch die beantragte Feststellung beseitigt werden könne. Durch die ausgesprochene Verwarnung seien auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen der Klägerin tangiert. Es könne daher kein Zweifel daran bestehen, dass für die Klägerin nach der gegenüber einem ihrer mittelbaren Abnehmer ausgesprochenen Verwarnung die gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit bestehe, von der Beklagten wegen des Herstellens des als patentverletzend angesehenen Funkuhrwerks angegriffen zu werden.

Eine Patentverletzung sei nicht gegeben, da es an der Gleichwirkung fehle. Hinsichtlich der Einzelheiten zur Patentverletzung wird auf die Ausführungen) in der Berufungserwiderung (Bl. 304-321) verwiesen.

Es sei auch ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin gegeben. Die gegenüber der K AG ausgesprochene Verwarnung beeinträchtige gleichzeitig die geschäftliche Tätigkeit des Herstellers dieses Funkuhrwerkes bzw. eines wesentlichen Teils des Funkuhrwerks. Die Behauptung einer Patentverletzung durch den Vertrieb eines angegriffenen Produktes impliziere die Behauptung, dass auch die Herstellung der angegriffenen Ausführungsform eine Patentverletzung darstelle. Die von der Beklagten behauptete Patentverletzung betreffe damit unmittelbar die betriebliche Tätigkeit der Klägerin als Herstellerin eines wesentlichen Bestandteils des Funkuhrwerks.

In der mündlichen Verhandlung vom 19.2.2004 hat die Beklagte erklärt, sie werde die Klägerin nicht wegen Patentverletzung (unmittelbar oder mittelbar) infolge der bloßen Lieferungen der hier streitgegenständlichen Gearbox im Inland oder Ausland aus dem hier streitgegenständlichen Patent DE 3510861 in Anspruch nehmen.

Daraufhin haben beide Parteien übereinstimmend den Feststellungsantrag gemäß Ziffer 1 in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien und seiner Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien, die von ihnen in Bezug genommenen Urkunden und Unterlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 19.2.2004 Bezug genommen.

Der Senat hat mit Verfügung vom 16.7.2003 (Bl. 296-298) den Parteien Hinweise erteilt. Bezüglich des Inhalts wird auf die genannten Hinweise verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat vollumfänglich Erfolg.

Das landgerichtliche Urteil war daher, soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache nicht übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

1. Über den Feststellungsantrag gemäß Ziffer I war in der Sache nicht zu entscheiden, da die Parteien die Hauptsache diesbezüglich übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

2. Der unter Ziffer II geltend gemachte Unterlassungsanspruch war als unbegründet zurückzuweisen, da der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Unterlassungsanspruch zusteht. Insbesondere kann er nicht auf §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gestützt werden, so dass die Klage insoweit abzuweisen war.

Eine Verwarnung kann als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Verwarnten oder dessen Zulieferer gemäß § 823 Abs. 1 BGB zu beanstanden sein, wenn sie sich mangels eines besonderen Rechts als unbegründet erweist (BGH GRUR 95, 424 ff. - Abnehmerverwarnung -). Die Abnehmerverwarnung stellt zudem einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Herstellers dar. Voraussetzung für die Bejahung eines solchen Eingriffs ist dabei nach der Rechtsprechung, dass ein unmittelbarer betriebsbezogener Eingriff in den Gewerbebetrieb vorliegt. Der von der Rechtsprechung erarbeitete Deliktsschutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs darf nicht in einen allgemeinen deliktischen Vermögensschutz für Gewerbetreibende ausufern, der dem Deutschen Rechtssystem der in kasuistischer Art geregelten Delikttatbestände zuwiderlaufen würde. Deshalb bedarf es für eine sachgerechte Eingrenzung des Haftungstatbestands des Erfordernisses eines unmittelbaren Eingriffs in dem Sinne, dass der Eingriff sich irgendwie gegen den Betrieb als solchen richtet, also betriebsbezogen ist und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betrifft. Von einem derart abgegrenzten Eingriff kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Rede sein, wenn es zu Störungen im Betriebsablauf aufgrund eines schädigenden Ereignisses kommt, das in keinerlei Beziehung zu dem Betrieb steht, mag dadurch auch eine für das Funktionieren des Betriebs maßgebliche Sache betroffen sein (BGH NJW 2003, 1040, 1041 m.w.N.). Die Haftung für Eingriffe in den Gewerbebetrieb dient als Auffangtatbestand, der lediglich den gesetzlichen Schutz ergänzen und bestehende Haftungslücken ausfüllen kann. Er bietet keine Handhabe, den Haftungsschutz dort auszudehnen, wo ihn das Gesetz gerade verwehrt. Dies ist aber im Bereich der mittelbar durch ein Schadensereignis erlittenen Vermögensschäden der Fall.

Von einem derart abgegrenzten Eingriff kann keine Rede sein, wenn es sich bei dem in Rede stehenden Gewerbebetrieb nur um einen von mehreren Zulieferern an den Hersteller handelt. Die Klägerin beliefert nicht die abgemahnte K AG mit Funkuhrweckern, sondern die Fa. H in Hongkong mit einer Gearbox, die in die dort weitervertriebenen Funkuhrwecker mit weiteren, von einem weiteren Zulieferer gestellten Elemente eingebaut wird. Die Klägerin ist also nicht die Herstellerin der Funkuhrwecker und auch nicht der Zulieferer der abgemahnten K AG, sondern nur eines von mehreren Zulieferunternehmen der Fa. H. Im vorliegenden Fall fehlt es an der Unmittelbarkeit, die von der Rechtsprechung lediglich für den Verwarnten selbst und unter bestimmten Umständen für den Hersteller der die Abmahnung betreffenden Ware angenommen werden kann.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung - Klarsichtverpackung - in GRUR 77, 805 ff. ausgeführt, dass wirtschaftliche Nachteile, die ein Zulieferer des Verwarnten dadurch erleidet, dass dieser die Verwarnung befolgt, grundsätzlich nur als mittelbare - auch sonst nicht unter § 823 Abs. 1 BGB fallende - Beeinträchtigung eines anderen angesehen werden könne. Dies muss umso mehr gelten, wenn es sich, wie hier, um einen Zulieferer (= Klägerin) des Zulieferers (= Fa. H )handelt.

Die Beeinträchtigung der geschäftlichen Tätigkeit der Klägerin als Zulieferunternehmen beruht ausschließlich auf der Entscheidung der Fa. K AG, die angegriffene Ausführungsform entsprechend der Verwarnung nicht weiter zu vertreiben. Die Verwarnung der K AG durch die Beklagte stellt demzufolge nur einen mittelbaren Eingriff in den Gewerbebetrieb der Klägerin dar.

3. Der unter Ziffer III geltend gemachte Auskunftsanspruch ist ebenfalls unbegründet, da er auf den Unterlassungsanspruch gemäß Ziffer II rückbezogen und von dessen Begründetheit abhängig ist. Der Auskunftsanspruch gemäß Ziffer III soll lediglich der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs gemäß Ziffer II dienen. Er scheidet daher schon allein mangels Begründetheit von Anspruch II aus.

4. Der Klägerin steht auch der Schadensersatzfeststellungsanspruch gemäß Ziffer IV unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Sie kann ihren Anspruch insbesondere nicht auf §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stützen. Die Klage war daher insoweit abzuweisen.

Wie oben ausführlich dargelegt, fehlt es an einem unmittelbaren betriebsbezogenen Eingriff in den Gewerbebetrieb der Klägerin. Der allgemeine Vermögensschaden wird, wie ebenfalls ausgeführt, von § 823 Abs. 1 BGB nicht erfasst. Es kann daher dahinstehen, ob ein Verschulden auf Seiten der Beklagten gegeben ist.

5. a) Soweit die Klage auf die Berufung abgewiesen wurde, hat die Klägerin die Kosten gemäß § 91 ZPO zu tragen.

b) Hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils (Feststellungsantrag I) beruht die Kostenentscheidung auf § 91 a ZPO. Die Klagepartei hat auch diesbezüglich die Kosten zu tragen, da die Klage auch insoweit voraussichtlich keinen Erfolg gehabt hätte.

Die Klage wäre insoweit als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

aa) Bei dem geänderten Klageantrag I handelt es sich um eine Klageänderung, da mit dem neuen Klageantrag ein anderer Streitgegenstand gegeben ist. Während die Klägerin ursprünglich festgestellt haben wollte, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, der Klägerin zu untersagen, Funkuhrwerke in den Verkehr zu bringen oder herzustellen, die genau bezeichnete Merkmale haben, beantragte sie zuletzt festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, der Klägerin zu untersagen, Funkuhrwerke in den Verkehr zu bringen bzw. herzustellen, welche zum Zusammenwirken mit einem optronischen Sensor und einer Lichtschranke zur Bildung einer Anzeigestellungs-Detektionseinrichtung vorgesehen sind, die genau bezeichnete Merkmale aufweisen. Während die Beklagte also ursprünglich auf das gesamte Funkuhrwerk abgestellt hat, stellt sie nur noch auf die sogenannte Gearbox ab. Die Klägerin ist mithin von einer unmittelbaren Patentverletzung auf eine mittelbare übergegangen.

Die Klageänderung war gemäß § 533 ZPO unzulässig. Die Klageänderung ist in der Berufungsinstanz stark eingeschränkt, da die Berufung keine vollständige zweite Tatsacheninstanz ist, sondern vor allem der Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung dient. Sie ist daher nur mehr zulässig, wenn sie auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Klägerin hat bis zuletzt trotz wiederholten Bestreitens durch die Beklagte vorgetragen, sie habe Uhrwerke an die Fa. H geliefert. Obwohl der Zeuge W in der ersten Instanz ausgesagt hat, die Klägerin habe nur Gearboxen an die Fa. H geliefert, hat die Klägerin erklärt, der Zeuge habe ihren Vortrag bestätigt. Erst in der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz hat sie erklärt, nur die Gearboxen ohne optischen Sensor zu liefern und ihren Klageantrag geändert. Woraus sich die Gearbox konkret zusammensetzt, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Es steht lediglich fest, dass sie nur einen Teil des gesamten Uhrwerks herstellt und an die Fa. H geliefert hat.

Es bleibt daher beim ursprünglichen Klageantrag I. Dieser wäre als unzulässig zurückzuweisen gewesen, da die Klägerin unstreitig keine kompletten Uhrwerke an die Fa. H geliefert hat, die die im Antrag ausgeführten Merkmale aufweisen. Daher fehlt es für die beantragte Feststellung am erforderlichen Feststellungsinteresse.

bb) Selbst bei Annahme der Zulässigkeit der Klageänderung wäre der neue Feststellungsantrag Ziffer 1 als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Unterstellt, die von der Fa. K AG vertriebenen Funkuhrwecker verletzten das streitgegenständliche Patent der Beklagten, läge in der Lieferung der Gearbox an die Fa. H keine mittelbare Patentverletzung. Dies hat auch das Landgericht zutreffend festgestellt. Eine mittelbare Patentverletzung setzt Angebot und Lieferung im Inland und auch die Benutzung des angebotenen und gelieferten Mittels voraus. (vgl. Busse-Keukenschrijver, PatG, 6.Auflage, § 10 Rn 16) Danach scheidet eine mittelbare Patentverletzung durch die Klägerin von vorneherein aus. Zu Inlandslieferungen der Klägerin fehlt jeglicher Sachvortrag, so dass davon ausgegangen werden muss, dass die Klägerin lediglich ins Ausland, insbesondere an die Fa. H in Hongkong liefert.

Der Senat schließt sich jedoch der Auffassung des Landgerichts nicht an, als diese der Auffassung ist, die Klägerin könnte im Falle einer Patentverletzung als Mittäterin einer unmittelbaren Patentverletzung in Anspruch genommen werden. Schon die Konstruktion der Behauptung der Klägerin, Mittäterin an einer nicht begangenen Patentverletzung zu sein, überzeugt nicht. Es fehlt in jedem Fall an dem für eine Mittäterschaft erforderlichen bewussten und gewollten Zusammenwirken der Klägerin einerseits und der Fa. H bzw. der Fa. K AG andererseits. Daneben müssten auch der oder die weiteren Zulieferer an die Fa. H am genannten Zusammenwirken beteiligt gewesen sein. Dazu fehlt jeglicher Sachvortrag. Der einzige Beitrag zur "gemeinsamen Tat" der Klägerin kann nur die Herstellung und Lieferung der Gearbox an ein im Ausland sitzendes Unternehmen sein. Eine weitergehende Mitwirkung ist nicht vorgetragen. Bei der Betrachtung der Mittäterschaft ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der Klägerin nicht um den alleinigen Lieferanten des Uhrwerkes handelt, sondern dass die Klägerin lediglich eine Teilkomponente zum Uhrwerk liefert, welches bei der Fa. H zusammen mit anderen Teilen zu einem Funkuhrwerk zusammengesetzt wird, das vermeintlich das Patent der Beklagten verletzt.

cc) Unabhängig von dem unter aa) und bb) Ausgeführten besteht weder für den ursprünglichen noch für den neuen Feststellungsantrag gemäß Ziffer 1 ein Feststellungsinteresse. Die Beklagte hat mehrfach im Laufe des Verfahrens und zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 19.2.2004 erklärt, dass sie die Klägerin nicht wegen Patentverletzung (unmittelbar oder mittelbar) infolge der bloßen Lieferung der hier streitgegenständlichen Gearbox im Inland oder Ausland aus dem hier streitgegenständlichen Patent DE 35 10 861 in Anspruch nehmen werde. Die Beklagte hat bislang wegen der streitigen Patentverletzung nichts gegen die Klägerin unternommen. Insbesondere hat sie weder die Klägerin wegen der von ihr hergestellten und an die Fa. H gelieferten Räderwegen der Räderwerke abgemahnt. Die Abmahnung an die Fa. K AG erfolgte ausschließlich wegen der kompletten Funkuhrwerkes. Der Beklagten war auch bis zum Antwortschreiben der Fa, K AG auf die Abmahnung nicht bekannt, von wem die Funkuhrwecker bezogen wurden. Damit ist jegliche "gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit" entfallen, die durch die beantragte Feststellung noch beseitigt werden könnte.

6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.

7. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

Zurück