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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 08.01.2004
Aktenzeichen: 6 U 3794/03
Rechtsgebiete: BGB, StGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 2
StGB § 264a
Für die Annahme einer Zuständigkeit nach § 32 ZPO müssen die behaupteten Tatsachen den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 264a StGB auszufüllen vermögen. Dabei ist der Deliktstatbestand des § 264a StGB erst mit tatsächlicher Einstellung des Prospektvertriebs beendet.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 3794/03

Verkündet am 08.01.2004

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erlässt der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterinnen am Oberlandesgericht ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08.01.2004 folgendes

ENDURTEIL:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts München II, Az.: 14 O 269/03, vom 05.06.2003 und das ihm zugrundeliegende Verfahren aufgehoben.

2. Das Verfahren wird zur Entscheidung über die Begründetheit an das Landgericht München II zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens vorbehalten bleibt.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Rückabwicklung von zwei Beteiligungsverträgen aufgrund fehlerhafter Angaben in einem Emissionsprospekt der S AG.

Mit Vertrag vom 28.12.1999 (Anlage K 1) beteiligte sich die Klägerin als atypische stille Gesellschafterin bei der S AG am Unternehmenssegment VII mit einer Gesamtvertragssumme in Höhe von 88.200,- DM inklusive 5 % Agio. Am 12.01.2000 schloss die Klägerin mit der S AG einen weiteren Beteiligungsvertrag (Anlage K 1) mit einer Gesamtvertragssumme in Höhe von 81.690,- DM inklusive 5 % Agio. Die Klägerin zahlte auf die gezeichneten Einmaleinlagen 6.442,28 EUR (Vertrag vom 28.12.1999) und 6.979,13 EUR (Vertrag vom 12.01.2000) inklusive 5 % Agio an die S AG. Weiterhin zahlte die Klägerin monatliche Rateneinlagen von insgesamt 1.342,13 EUR auf den Vertrag vom 28.12.1999 und 885,81 EUR auf den Vertrag vom 12.01.2000 an die S AG.

Vor Abschluss der Verträge, nämlich am 19.12.1999 und am 27.12.1999, erhielt die Klägerin den Emissionsprospekt der S AG vom 01.08.1999, Kenn-Nr. 13.3 (Anlage K 2).

Die Beklagten waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Vorstände der S AG und haben für den Inhalt des Prospekts die Haftung übernommen.

Am 22.09.1999 schloss die S AG mit dem Bankhaus P GmbH & Co. KG a.A. einen Verlustübernahmevertrag, worauf die Klägerin weder im Prospekt noch in sonstiger Weise vor Vertragsschluss hingewiesen worden war. Über das Bankhaus P GmbH & Co. KG a.A. wurde durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred) mit Verfügung vom 29.01.2001 ein Moratorium verhängt.

Die Klägerin trägt vor, die Beklagten hätten im Hinblick auf den mit dem Bankhaus P GmbH & Co. KG a.A. geschlossenen Verlustübernahmevertrag ein hohes finanzielles Risiko für das Unternehmenssegment VII der S AG geschaffen. Dieses Risiko habe sich zwischenzeitlich verwirklicht, nachdem es 2001 zur Einstellung der vereinbarten Entnahmezahlungen an die Anleger gekommen sei. Die Beklagten hätten mit diesem Verlustübernahmevertrag gegen ihre im Emissionsprospekt aufgestellten Investitionsgrundsätze verstoßen und seien daher gegenüber der Klägerin zur Prospektberichtigung verpflichtet gewesen.

Die Klägerin stützt ihren Anspruch im Wesentlichen auf vertragliche Prospekthaftung. Daneben macht sie ihren Anspruch aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264 a StGB sowie vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB geltend. Mit diesen Ansprüchen begründet sie die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München II gemäß § 32 ZPO. Von diesem Gerichtsstand sei Gebrauch gemacht worden, da es in einem Parallelverfahren mit dem Landgericht Göttingen Differenzen gegeben habe.

Hinsichtlich des weiteren Sachvortrags der Klägerin in der ersten Instanz, insbesondere hinsichtlich der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Die Beklagten bestreiten, dass allein der Abschluss des Verlustübernahmevertrages mit dem Bankhaus P GmbH & Co. KG a.A. der Grund für die Einstellung der Entnahmezahlungen gewesen sei. Zahlungen an das Bankhaus P seien auch aufgrund anderer Verpflichtungen erfolgt, da die Securenta AG sowohl atypisch stille Gesellschafterin als auch Aktionärin des Bankhauses sei. Das verhängte Moratorium sei bei Abschluss des Verlustübernahmevertrages nicht absehbar gewesen. Man habe bei Vertragsschluss mit der Klägerin keinerlei Kenntnis von einer Gefährdung der Beteiligung der Klägerin gehabt.

Die Beklagten rügen die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München II. Eine unerlaubte Handlung der Beklagten liege nicht vor und sei auch nicht schlüssig und nachvollziehbar dargelegt.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Beklagten in erster Instanz sowie der Prozessgeschichte wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da das Landgericht München II örtlich nicht nach § 32 ZPO zuständig sei. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die von der Klägerin vorgetragenen Umstände könnten eine strafbare Handlung der Beklagten nach § 264 a StGB nicht schlüssig belegen. Der Emissionsprospekt der S AG vom 01.08.1999 enthalte unstreitig keine Angaben im Hinblick auf den Verlustübernahmevertrag mit dem Bankhaus P vom 22.09.1999. Diese Tatsache sei erst nach Prospekterstellung eingetreten und habe damit zwangsläufig nicht in dem Prospekt vom 01.08.1999 genannt werden können. Eine nach dem Vortrag der Klägerin gegebene Prospektberichtigungspflicht der Beklagten könne zwar im Hinblick auf die zivilrechtliche Prospekthaftung bestehen, eine strafbare Handlung im Sinne § 264 a StGB könne damit jedoch nicht begründet werden. Da es sich bei § 264 a StGB um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handele, sei die Tat voll- und damit beendet, wenn die Prospekte einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht seien. Der Emissionsprospekt der S sei bereits am 01.08.1999 aufgestellt und damit einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht worden. Das Delikt sei daher mit dieser Darreichung des Prospekts bereits voll- und auch beendet. Die nachträglichen Ereignisse könnten sich daher auf den Emissionsprospekt, der als Aufstellungsdatum für jeden erkennbar den 01.08.1999 trage, nicht mehr auswirken.

Die Behauptungen der Klägerin zur vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB seien ebenfalls nicht schlüssig. Es fehle auch hier an einem nachvollziehbaren Sachverhalt der Klägerin zum Schädigungsvorsatz der Beklagten.

Darüber hinaus sei selbst bei Bejahung des besonderen Gerichtsstandes nach § 32 ZPO die Ausübung des Wahlrechts nach § 35 ZPO rechtsmissbräuchlich und der Klägerin damit zu verwehren. Die Klägerin habe den Gerichtsstand nach § 32 ZPO lediglich deshalb gewählt, da es in einem Parallelverfahren mit dem Landgericht Göttingen Differenzen gegeben habe. Die Klägerin habe folglich den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nicht wegen der besseren Aufklärungsmöglichkeiten gewählt, sondern wegen einer ihr vermeintlich günstiger erscheinenden Rechtsprechung des angerufenen Gerichts. Zweck des Gerichtsstandes nach § 32 ZPO sei jedoch allein eine bessere Aufklärungsmöglichkeit der Sachlage am Tatort der unerlaubten Handlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit welcher sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanziellen Sachvortrags ihr ursprüngliches Klagebegehren weiterverfolgt.

Die Klägerin ist insbesondere der Auffassung, dass die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München II gegeben sei. Dazu hat sie erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vorgetragen, dass sie den Emissionsprospekt in ihrer Wohnung in Dachau erhalten habe. Sie habe im Zeitraum Dezember 1999 bis Anfang 2000 mehrfach von den Herren D und K der F F Besuch erhalten, die ihr Anlagemöglichkeiten zur Alterssicherung anboten. Dabei hätten sie der Klägerin in deren Wohnung in Dachau Informationsmaterial, insbesondere zwei Emissionsprospekte der S AG vom 01.08.1999, Kenn-Nr. 13.3 (Anlage K 2) - zu jedem Vertrag einen - ausgehändigt.

Sie beantragt:

1. Das Urteil des Landgerichts München II vom 05.06.2003, Az.: 14 . O 269/03, wird aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

2. Hilfsweise hierzu wird vorsorglich im Fall einer eigenen Sachentscheidung des Berufungsgerichts beantragt,

abändernd die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 15.549,35 EUR Zug um Zug gegen schriftliche Zustimmung zur Übertragung der Beteiligungen an der S AG mit den Vertrags-Nr. 634818 und 642424 und Übergabe der Zeichnungsscheine mit den Vertrags-Nr. 634818 und 642424 nebst Zinsen in Höhe von 6 % aus 13.421,41 EUR seit 16.02.2000 bis Rechtshängigkeit sowie in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des BÜG vom 09.06.1998 aus 15.649,35 EUR seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanziellen Sachvortrages das angegriffene Urteil.

Den neuen Sachvortrag der Klägerin zur Übergabe der Emissionsprospekte hat die Beklagte unbeantwortet gelassen, insbesondere nicht bestritten.

Die Beklagten sind der Auffassung, der Prospekt sei zum Zeitpunkt der Aufstellung richtig gewesen. Dies sei der maßgebliche Zeitpunkt, auf den hinsichtlich der Strafbarkeit nach § 264 a StGB abzustellen sei. Auf nachträgliche Veränderungen käme es daher nicht an. Es bestehe insbesondere keine Aktualisierungspflicht im Rahmen des § 264 a StGB.

Darüber hinaus fehle es an dem erforderlichen Vorsatz auf Seiten der Beklagten. Der Schädiger müsse Art und Umfang der Schadensfolge voraussehen und gewollt bzw. billigend in Kauf genommen haben.

Hinsichtlich der Einstellung des Vertriebs sei der Sachvortrag der Klägerin unsubstantiiert. Vielmehr seien von dem Emissionsprospekt vom 01.08.1999 am 09.12.1999 nochmals 30.160 Stück von der Druckerei ausgeliefert worden. Dies wurde von der Klägerin nicht bestritten.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien und seiner Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien, die von ihnen in Bezug genommenen Urkunden und Unterlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 08.01.2004 Bezug genommen.

Der Senat hat mit Verfügung vom 26.08.2003 sowie vom 06.10.2003 Hinweise erteilt. Hinsichtlich des Inhalts der Hinweise wird auf diese Bezug genommen.

Der Senat hat die Klägerin im Termin vom 08.01.2004 gemäß § 141 ZPO informatorisch gehört. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll vom 08.01.2004 (Blatt 227/231 d.A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in vollem Umfang Erfolg. Dementsprechend war das Verfahren auf Antrag der Klägerin unter Aufhebung des erstinstanziellen Urteils sowie des zugrundeliegenden Verfahrens an das Landgericht München II zur Entscheidung über die Begründetheit zurückzuverweisen.

1. Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO liegen vor.

Das Landgericht hat nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden. Die Klagepartei hat mit Schriftsatz vom 07.01.2004 (Bl. 191 d.A.) die Zurückverweisung beantragt. Dem war zu entsprechen, da die Rechtssache nicht entscheidungsreif ist, sondern eine weitere Verhandlung zur Sache nötig ist.

2. Das Landgericht ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Klage zu dem Ergebnis gelangt, dass die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München II nicht gegeben ist. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach Auffassung des Senats ist das Landgericht München II gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig.

Im Einzelnen ist dazu folgendes auszuführen:

Für die Annahme einer Zuständigkeit nach § 32 ZPO genügt es, wenn vom Kläger Tatsachen schlüssig vorgetragen werden, aus denen sich das Vorliegen einer im Bezirk des angerufenen Gerichts begangenen unerlaubten Handlung ergibt. Zuständig ist mithin das Gericht, in dessen Bezirk ein Tatort liegt. Das ist jeder Ort, an dem eines der wesentlichen Tatbestandsmerkmale verwirklicht wurde. Daher sind häufig mehrere Tatorte gegeben, so dass dann § 35 ZPO gilt.

a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Senat der Meinung, dass die von der Klägerin vorgetragenen Umstände eine strafbare Handlung der Beklagten nach § 264 a StGB schlüssig belegen. Die behaupteten Tatsachen vermögen den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 264 a StGB auszufüllen.

§ 264 a Abs. 1 StGB lautet wie folgt:

"(1) Wer in Zusammenhang mit

1. dem Vertrieb von Wertpapieren, Bezugsrechten oder von Anteilen, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen, oder

2. dem Angebot, die Einlage auf solche Anteile zu erhöhen, in Prospekten oder in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand hinsichtlich der für die Entscheidung über den Erwerb oder die Erhöhung erheblichen Umstände gegenüber einem größeren Kreis von Personen unrichtige vorteilhafte Angaben macht oder nachteilige Tatsachen verschweigt, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Das Gericht hat im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung zu prüfen, ob die behaupteten Tatsachen den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 264 a StGB auszufüllen vermögen. Im Rahmen dieser Schlüssigkeitsprüfung muss dem Gericht eine unerlaubte Handlung nachvollziehbar sein. Insoweit hat es auch den gegnerischen Sachvortrag, soweit dieser unstreitig ist und das klägerische Vorbringen erheblich erschüttert, zu berücksichtigen. Anderenfalls könnte ein Kläger allein durch die bloße Behauptung einer unerlaubten Handlung die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts begründen, welches dann den Sachverhalt unter sämtlichen Gesichtspunkten zu würdigen hätte, auch wenn für die weiteren Ansprüche unter Umständen ein anderes Gericht örtlich zuständig wäre. Die Möglichkeit des § 32 ZPO darf dem Kläger nicht zu einer willkürlichen Wahl des Gerichtsstandes verhelfen.

Die Klägerin hat eine Haftung der Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264 a StGB schlüssig dargelegt. § 264 a StGB ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Die Vorschrift schützt nicht nur die Funktion des Kapitalmarktes, sondern auch das individuelle Vermögen der einzelnen Anleger und dessen hierauf bezogene Dispositionsfreiheit.

Der Tatbestand des § 264 a StGB erfordert keinen Schädigungsvorsatz, sondern lediglich die Kenntnis der Umstände, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit des Prospekts ergibt. Diese Umstände hat die Klägerin im Hinblick auf die behaupteten Prospektmängel, nämlich die fehlende Information über den Verlustübernahmevertrag, hinreichend substantiiert vorgetragen. Dies gilt auch für die subjektive Tatseite, also die Kenntnis der Beklagten. Die vorangegangenen vorgerichtlichen und gerichtlichen Auseinandersetzungen mit dem BAKred lassen ebenso wie der Abschluss des Verlustübernahmevertrages, der nach Darstellung der Beklagten zur Konzernkonsolidierung abgeschlossen wurde, den sicheren Schluss zu, dass alle Vorstandsmitglieder hiervon Kenntnis hatten. Dass die Beklagten als damalige Vorstandsmitglieder entscheidenden Einfluss auf die unternehmerische Tätigkeit der S AG hatten, ergibt sich ausdrücklich aus dem Inhalt des Prospekts vom 01.08.1999 (Anlage K 1, Seite 120) wonach "der Vorstand der S AG.....für den Inhalt des Prospekts die Verantwortung (übernimmt) und erklärt, dass seines Wissens die Angaben in dem Prospekt richtig und keine wesentlichen Umstände ausgelassen sind". Zudem haben die Beklagten R und H eine sogenannte Verantwortlichkeitserklärung abgegeben und persönlich unterzeichnet. Es wäre daher Sache der Beklagten gewesen, im Rahmen der bei ihnen liegenden sekundären Darlegungslast entsprechende Tatsachen vorzutragen, aus denen sich ihre Unkenntnis im einzelnen ergeben soll (Zöller/Greger, ZPO 23. Auflage vor § 284 ZPO, Rn. 34 m.w.N.). Der bloße Hinweis auf die übliche Zuweisung eigenverantwortlicher Resorts innerhalb des Vorstands reicht hierzu nicht aus.

Der Emissionsprospekt der S AG wurde am 01.08.1999 aufgestellt. Er enthält unstreitig keine Angaben im Hinblick auf den Verlustübernahmevertrag mit dem Bankhaus P GmbH & Co. KG a.A., der vom 22.09.1999 datiert, mithin erst nach Prospekterstellung geschlossen wurde. Der Senat stimmt insoweit mit dem Landgericht überein, als er daher zwangsläufig in dem Prospekt vom 01.08.1999 nicht genannt sein konnte.

Unstreitig war der Emissionsprospekt seit Abschluss des Verlustübernahmevertrages mit dem Bankhaus P am 22.09.1999 unrichtig. Der Senat ist nun entgegen der Meinung des Landgerichts der Auffassung, dass es hinsichtlich des für die Beurteilung der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospektes maßgeblichen Zeitpunktes bei § 264 a Abs. 1 StGB nicht (nur) auf die Erstellung dieses Prospektes ankommt, sondern vielmehr die Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit während des gesamten Zeitraumes des Vertriebes maßgeblich ist. Daher besteht nicht nur zivil- sondern auch strafrechtlich die Verpflichtung des Prospektherausgebers, einen unrichtigen oder unvollständigen Prospekt nicht weiter zu verwenden (vgl. LK-Tiedemann, StGB-Kommentar, 11. Auflage, § 264 a, Rn. 58 m.w.N.). Es kann nach Auffassung des Senates dahinstehen, ob daraus eine Aktualisierungspflicht des Prospektes besteht. Ernsthafte Zweifel daran, dass ein unrichtig gewordener Prospekt nicht mehr weiter verwendet werden darf, können jedoch nach Auffassung des Senates nicht bestehen. Andernfalls würde dies zu dem Ergebnis führen, dass ein ursprünglich richtiger Emissionsprospekt über einen langen Zeitraum weiter verwendet werden dürfte, obwohl der Prospekt durch zwischenzeitlich eingetretene Ereignisse unvollständig bzw. unrichtig geworden wäre, ohne dass strafrechtliche Folgen zu fürchten wären.

Der Senat schließt sich der Auffassung des Landgerichts nicht an, dass Stichtag der 01.08.1999 ist und mithin Veränderungen die nachträglich eintreten, jedenfalls im Hinblick auf § 264 a StGB, nicht mehr in den Prospekt aufgenommen werden müssen. Denn der Deliktstatbestand des § 264 a StGB ist erst beendet, wenn der Vertrieb tatsächlich eingestellt ist. Im Zeitpunkt der Übergabe des Prospektes an die Klägerin im Dezember 1999 war der Vertrieb des Prospektes nach Vortrag der Beklagten nicht beendet. Vielmehr wurden am 09.12.1999 noch weitere 30.164 Stück des Emissionsprospektes Kenn Nr. 13.3. von der Druckerei abgeholt, obwohl dieser nunmehr unzweifelhaft unvollständig und damit unrichtig war. Auf dieser Grundlage hat dementsprechend auch die Klägerin die hier streitgegenständlichen Verträge unterzeichnet.

Der Senat hat auch keine Zweifel daran, dass es sich bei dem Verlustübernahmevertrag um einen "erheblichen Umstand" i.S.v. § 264 a StGB handelt, da dieser Vertrag einen gewichtigen Einfluss auf den Wert, die Chancen und die Risiken einer Kapitalanlage haben kann. Dabei ist zu beachten, dass aufklärungspflichtige und erhebliche Umstände auch solche sind, von denen zwar noch nicht feststeht, die aber wahrscheinlich machen, dass sie den vom Anleger verfolgten Zweck gefährden werden. Dass es sich bei einem Verlustübernahmevertrag um eine risikoträchtige Angelegenheit handelt, die Auswirkungen auf die Beteiligung haben kann, bedarf keiner weiteren Begründung. Auf die Verwirklichung des Risikos kommt es hingegen nicht an.

b) Ob daneben auch der Tatbestand der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB schlüssig vorgetragen ist, kann für die Prüfung der Zuständigkeit dahinstehen.

c) Der Klägerin kann der Gerichtsstand nach § 32 ZPO auch nicht deswegen verwehrt werden, weil die Ausübung des Wahlrechts nach § 35 ZPO rechtsmissbräuchlich wäre.

Die Voraussetzungen des § 32 ZPO sind gegeben. Die Klägerin hat damit nach § 35 ZPO unter mehreren Gerichtsständen die Wahl. Dabei steht es ihr zu, den für sie günstigsten auszuwählen. Bei der Auswahl kann u.a. auch eine Rolle spielen, wie andere Landgerichte in Parallelverfahren bereits entschieden haben, ohne dass dies zum Rechtsmissbrauch führt. Es liegen damit nämlich keine sachfremden Gründe vor, die das Rechtsschutzbedürfnis entfallen ließen.

3) Über den gestellten Hilfsantrag war nicht zu entscheiden, da bereits der Hauptantrag erfolgreich war.

4) Im Hinblick auf die zurückverweisende Entscheidung war eine eigene Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren durch den Senat nicht veranlasst. Über die Kosten des Berufungsverfahrens ist vielmehr im Rahmen der vom Landgericht München II neu zu treffenden Kostenentscheidung mitzuentscheiden.

5) Die Revision war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind.



Ende der Entscheidung

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