Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 25.01.2001
Aktenzeichen: 6 U 4759/00
Rechtsgebiete: RBerG


Vorschriften:

RBerG Art. 1 § 1
Leitsatz:

Das Formulieren und Niederschreiben von Anträgen für Asylbewerber, die der deutschen Sprache und Schrift nicht oder nur mangelhaft mächtig sind, stellt keine unerlaubte Rechtsberatung dar.

Ist eine Beratung erforderlich und wird ein Rechtsanwalt deshalb hinzugezogen, muß offenkundig sein, daß die Caritas hier nur eine fremde Auskunft weitergibt.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 4759/00 1 HKO 1686/00 LG Augsburg

Verkündet am 25.01.2001

Die Urkundsbeamtin: Justizangestellte

In dem Rechtsstreit

wegen Unterlassung

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 07.12.2000

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Augsburg vom 31.05.2000 - AZ.: 1 HKO 1686/00 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Wert der Beschwer des Klägers übersteigt 60.000,- DM nicht.

Tatbestand:

Der Kläger wirft dem Beklagten vor, in zwei Fällen unerlaubte Rechtsberatung geleistet zu haben, während der Beklagte in beiden Fällen sein Handeln für berechtigt hält.

Beide Seiten versuchen im Berufungsverfahren, in eine Grundsatzdiskussion einzutreten.

Im Einzelnen handelt es sich um folgendes:

Der Beklagte ist angestellter Mitarbeiter des Caritasvetbandes für die Stadt und den Landkreis A Sozialer Fachdienst für ausländische Flüchtlinge. Er ist im Rahmen der genannten Fälle in dieser beruflichen Funktion tätig gewesen.

Der Kläger macht folgendes geltend:

a) Der Beklagte habe am 28.10.1999 namens eines Ausländers folgenden Antrag an die Asylstelle des Landratsamtes A formuliert:

"Hiermit stelle ich einen Antrag auf Duldung. Eine Abschiebung in den Irak ist faktisch nicht möglich."

Er habe sich den Antrag vom Ausländer unterschreiben lassen und habe diesen mit Begleitschreiben auf Briefbogen des Caritasverbandes für die Stadt und den Landkreis A am 16.11.1999 beim Landratsamt eingereicht.

b) Im Februar 2000 habe die Polizeiinspektion A 6 gegen drei Asylbewerber wegen Verstößen gegen das AsylVfG ermittelt und schließlich Anzeigen wegen jeweiliger Ordnungswidrigkeit (Verstöße gegen die räumliche Beschränkung der Aufenthaltsgestattung) beim Landratsamt erstattet.

Ungeachtet der vorangehenden Abmahnung wegen des unter a) geschilderten Vorgehens habe der Beklagte die von den jeweiligen Betroffenen unterzeichneten Anhörungsbogen übersandt mit der Faxkopfleiste des Caritasverbandes Stadt/Land, nachdem er mit jeweils etwas unterschiedlichem Wortlaut niedergeschrieben habe, dass den Beschuldigten nicht bekannt gewesen sei, dass sie sich im Stadtgebiet unberechtigt aufgehalten hätten.

Dies stelle jeweils eine unerlaubte Rechtsberatung dar, ein Ausnahmetatbestand des § 3 RberG liege nicht vor.

Der Kläger hat beantragt zu erkennen:

Dem Beklagten wird bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 100.000,- DM und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, bei Meidung einer Ordnungshaft bis zu 6 Wochen verboten, im eigenen Namen oder im Namen des Caritasverbandes für die Stadt- und den Landkreis A, Sozialer Fachdienst für ausländische Flüchtlinge, dadurch Rechtsangelegenheiten zu besorgen, daß Anträge nach dem Ausländergesetz oder dem Asylverfahrensgesetz einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Ordnungswidrigkeitsverfahren vorformuliert und bei der Ausländerbehörde oder bei einer Polizeidienststelle eingereicht werden.

Der Beklagte hat beantragt

die Klage abzuweisen.

Er macht zu den beiden Vorfällen folgendes geltend:

a) Am 28.10.1999 habe während seiner Betreuungsstunden in der Asylbewerberunterkunft "G L" (in der Nähe von K ein irakischer Staatsangehöriger, dessen Asylantrag negativ rechtskräftig abgelehnt worden war, vorgesprochen und nachgefragt, ob die ihm vom Landratsamt A - Ausländerbehörde - ausgestellte "Grenzübertrittsbescheinigung" das für ihn richtige Aufenthaltspapier darstelle.

Der Beklagte habe darauf, wie in ähnlichen Fällen vor und nach dem 28.10.1999, Rechtsanwalt R der mit dem Caritasverband einen Beratervertrag hinsichtlich der Erstberatung von Flüchtlingen und der rechtlichen Hilfestellung für Flüchtlingsberatungsstellen im Bereich der Diözese A abgeschlossen hat, die wesentlichen Punkte des Falles mitgeteilt. Rechtsanwalt R habe daraufhin empfohlen, dass der Ausländer schriftlich bei der Ausländerbehörde einen Duldungsantrag stellen solle, und habe einen entsprechenden, knappen Duldungsantrag telefonisch formuliert, den der Beklagte niedergeschrieben und mit dem Ausländer besprochen habe.

Der Ausländer habe sich daraufhin entschlossen, einen Duldungsantrag mit dem vorgeschlagenen Wortlaut zu stellen und habe den von dem Beklagten auf einem Zettel handschriftlich niedergschriebenen Duldungsantrag unterschrieben.

Dieses handschriftliche Schreiben sei dann durch den Beklagten per Telefax dem Landratsamt zugeleitet worden.

b) In seiner Sprechstunde habe sich eine Gruppe von Flüchtlingen mit Anhörungsschreiben der Pl A 6 eingefunden, die diese Schreiben, da in deutscher Sprache abgefasst, nicht verstehen konnte.

Der Beklagte habe ihnen zunächst mit Hilfe eines einigermaßen deutsch beherrschenden Landsmanns den ihnen gegenüber erhobenen Vorwurf erklärt, und dann die von den Flüchtlingen vorgebrachte Rechtfertigung, die wiederum von dem Dolmetscher, soweit dies möglich war, übersetzt wurde, handschriftlich zusammengefasst und in deutscher Sprache auf dem Anhörungsbogen niedergeschrieben, da die Flüchtlinge selbst nicht deutsch zu schreiben vermochten.

Nach Rückübersetzung durch den Dolmetscher hätten die einzelnen Flüchtlinge dann selbst unterschrieben.

Die drei Formulare übermittelte der Beklagte anschließend über den Telefaxanschluß des Caritasverbandes an die Pl 6.

Der Beklagte sieht darin keine Verstösse gegen das Rechtsberatungsgesetz.

Im ersten Fall sei die Beratung durch den Prozessbevollmächtigten erfolgt; der Beklagte habe lediglich als Mittelsperson fungiert.

Im zweiten Fall habe der Beklagte nichts anderes getan als zunächst den Inhalt der polizeilichen Schreiben den betroffenen Ausländern mitzuteilen und dann die Erklärungen, die die Ausländer für ihr inkriminiertes Verhalten gegeben hätten, für sie auf deutsch niederzuschreiben sowie diese Erklärung dann per Telefax zu übermitteln. Es fehle insoweit bereits ein Vorgang, der als Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz qualifiziert werden könnte.

Des weiteren beruft sich der Beklagte auf § 3 Nr. 1 RberG und verweist auf Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Weimarer Reichsverfassung. Er nehme als Beschäftigter des Caritasverbandes grundsätzlich auch mit seiner Arbeit im Bereich der Flüchtlingsberatung an der Privilegierung des Ausnahmetatbestandes des Art. 1 § 3 Nr. 1 Rechtsberatungsgesetzes teil. Selbst wenn er, was aber nicht zutreffe, selbst den Rat gegeben hätte, einen Duldungsantrag zu stellen, und wenn die Übermittlung des Duldungsantrags sowie der polizeilichen Anhörungsprotokolle als Rechtsbetreuung verstanden werden sollte, wäre damit seine Tätigkeit durch die genannte Ausnahmeregelung gedeckt, wobei unter Betreuung auch das Tätigwerden für den Betreuten nach außen verstanden werde.

Es sei ferner zu berücksichtigen, dass die im G L untergebrachten Flüchtlinge sich in einer schwierigen Lage befänden, da die Unterkunft isoliert und relativ weit von den Behörden und Gerichten entfernt liege, hinzu komme, dass sie nur geringes Taschengeld zur Verfügung hätten und gerade als Neuankömmlinge regelmäßig ohne deutsche Sprachkenntnisses seien.

Der Kläger hält dem entgegen, Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Verfassung i.V.m. Art. 140 GG beziehe sich auf den innerkirchlichen Bereich, nicht jedoch auf die Gestaltung der Rechtsphäre mit Außenstehenden, wozu auch die Rechtsbesorgung gehöre.

Bezüglich des unter b) geschilderten Falles unterstellt der Kläger, dass keine Rechtsberatung stattgefunden habe; das unter a) geschilderte Verhalten sei aber als Verstoß gegen das RberG zu werten und reiche für die Begründetheit der Klage aus.

Auf Art. 1 § 3 Nr. 1 Rechtsberatungsgesetz könne sich der Beklagte nicht stützen, auch wenn der Caritasverband eine Einrichtung der römisch-katholischen Kirche sei, denn die Rechtsbetreuung sei nur "im Rahmen ihrer Zuständigkeit" erlaubnisfrei.

Der Beklagte wendet ein, nach eigenem Verständnis des Caritasverbandes liege seine Aufgabe in der "Hilfestellung für Menschen in Not" ungeachtet ihrer Religionszugehörigkeit, ihres Geschlechts, ihrer Volkszugehörigkeit und ihrer Staatsangehörigkeit. Eine ihrer Abteilungen sei auf lokaler Ebene der soziale Fachdienst für ausländische Flüchtlinge des Caritasverbandes für die Stadt und den Landkreis Augsburg. Zentrale Aufgabe dieses Fachverbandes sei die Betreuung der in Gemeinschaftsunterkünften in der Region untergebrachten Asylbewerber und ehemaligen Flüchtlinge.

Mit Endurteil vom 31.05.2000 hat das Landgericht in der Sache selbst wie folgt erkannt:

Dem Beklagten wird geboten, es zu unterlassen im eigenen Namen oder im Namen des Caritasverbandes für die Stadt und den Landkreis A, Sozialer Fachdienst für ausländische Flüchtlinge dadurch Rechtsangelegenheiten zu besorgen, daß Anträge nach dem Ausländergesetz oder dem Asylverfahrensgesetz einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Ordnungswidrigkeitsverfahren vorformuliert und bei der Ausländerbehörde oder bei einer Polizeidienststelle eingereicht werden.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Fall a sei, wie bereits aus dem Antrag hervorgehe, nicht Gegenstand des Klageantrags, der allein auf Fall b gestützt sei; die Kammer habe sich allein mit Fall b zu befassen.

Dieses Verhalten sei als Rechtsbesorgung zu werten und zwar unabhängig davon, ob die Erklärungen für ihr inkriminiertes Verhalten von den Ausländern selbst gegeben worden oder vom Beklagten nach der Erläuterung des Vorwurfs erfragt und formuliert worden seien. Es handle sich um die unmittelbare Förderung konkreter fremder Rechtsangelegenheiten, die das Ziel verfolge, konkrete fremde Rechte zu verwirklichen, hier also den konkreten Vorwurf zu erklären und die konkrete Entschuldigung für das inkriminierte Verhalten vorzutragen, um bei der Verwaltungsbehörde damit das Ziel zu erreichen, das Verfahren einzustellen etc..

Auf die Ausnahmevorschrift des Art. 1 § 3 Ziff. 1 Rechtsberatungsgesetz könne sich der Beklagte nicht berufen. Soweit er Rechte für den Verband herleite, komme dem Caritasverband Behördencharakter bzw. der Charakter einer Körperschaft öffentlichen Rechts nicht zu.

Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter und wiederholt bzw. vertieft seine Argumentation.

Das Landgericht sei schon von einem falschen Sachverhalt ausgegangen, denn der Kläger habe nur noch Fall a) als unerlaubte Rechtsberatung gewertet und auch entsprechende Tatbestandsberichtigung beantragt, über die noch nicht entschieden sei. Das Landgericht habe jedoch einen anderen Sachverhalt zugrundegelegt. Der Tenor stelle auch nicht auf die eingeschränkte Rechtsverfolgung gemäß Fall a) ab.

Der Beklagte sei ferner lediglich Erfüllungsgehilfe seines Arbeitgebers gewesen und könne als abhängige Hilfsperson einen entsprechenden (unterstellten) Wettbewerbsverstoß gar nicht verhindern. Der Caritasverband könne sich auf das Privileg des § 3 Nr. 1 Rechtsberatungsgesetz berufen.

Der Beklagte habe im übrigen keine rechtlichen Empfehlungen und/oder Erläuterungen zum Inhalt der Erklärung abgegeben. Im Falle a) sei er lediglich als Sprachmittler gegenüber Rechtsanwalt R tätig gewesen und im übrigen wie Personal in einer Anwaltskanzlei.

Er habe auch nicht im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt, sondern in Wahrnehmung des kirchlichen Auftrags im Rahmen tätiger Nächstenliebe. Im übrigen sehe das BSHG die persönliche Hilfestellung als vorrangig vor der Leistung durch staatliche Sozialträger an, wobei § 8 Abs. 2 BSHG auch die Beratung anführe. Der Caritasverband sei als eingetragener Verein von der katholischen Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts beauftragt, Wohlfahrtsleistungen zu erbringen und handle im Rahmen der "Aufgaben von Diakonie und Caritas". Der Beklagte beruft sich ferner auf die "Arbeitsanweisung zur Rechtsberatung von Asylsuchenden", die mit dem bayerischen Staatsministerium der Justiz abgestimmt ist.

Der Beklagte beantragt

unter Aufhebung des Urteils die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Der Kläger beantragt

kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung.

Auch er vertieft seine Argumente und führt aus, bereits der Vorgang a) rechtfertige den Klageantrag. Als Handelnder sei der Beklagte sehr wohl passivlegitimiert. Die Caritas sei keine Körperschaft des öffentlichen Rechts, worauf der Senat zutreffend hingewiesen habe.

Der Fall a) sei eindeutig. Schon mit dem Schreiben an die Behörde, mit dem sich der Beklagte wegen der verspäteten Zusendung entschuldige, sei er rechtsbesorgend tätig geworden. Unter die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten falle jede rechtliche Tätigkeit, durch die die Angelegenheit unmittelbar gefördert werde. Rechtsanwalt R sei nicht in Erscheinung getreten, sondern der Beklagte habe den Rechtsrat als eigene Empfehlung dem Iraker weitergegeben bzw. für ihn gegenüber dem Landratsamt gehandelt. Er habe sich somit eine ihm nicht zustehende Rechtsbesorgungsbefugnis angemasst. § 6 Satz 1 Nr. 2 RberG ermächtige ausdrücklich nur z. B. das Personal eines Rechtsanwalts zur Erledigung von Rechtsangelegenheiten, nicht jedoch Dritte, so dass sich der Beklagte hiermit nicht vergleichen dürfe.

Im Falle b) hätte der Übersetzer die Erklärungen der Asylbewerber ganz einfach in deutscher Sprache zu Papier bringen können, wenn es nur auf die Übersetzung angekommen wäre; der Beklagte habe folglich nur zur rechtlichen Unterstützung zwischengeschaltet sein können, zumal der Beklagte selber vortrage, er habe den Vorwurf erklärt und die vorgebrachte Rechtfertigung zusammengefasst und in deutscher Sprache niedergeschrieben. Diese Tätigkeit fördere die Rechtssache. Ein wesentlicher Teil der Rechtsberatung sei gerade, juristische Texte zu interpretieren und dem Betroffenen verständlich zu machen, so dass er darauf reagieren könne. Zudem habe er die Reaktion in eine Form gebracht, die der erfolgreichen Abwehr dienen sollte; auch das sei Rechtsbesorgung.

Der Fall b) sein von untergeordeter Bedeutung, denn es gehe darum, ob der Beklagte überhaupt in Rechtsangelegenheit für Ausländer tätig werden dürfe. Die Vermutung der Wiederholungsgefahr beschränke sich nicht auf die genaue identische Verletzungsform.

Die Absprachen im Bundesministerium der Justiz von 1969 (vgl. Knopp/Fichtner, BSHG 6. Aufl. § 8 RdNr. 37), an denen Vertreter der Anwaltschaft nicht mitgewirkt hätten, setzten das Rechtsberatungsgesetz nicht außer Kraft.

Den Hilfsantrag im Rahmen einer klageändernden Anschlussberufung dahingehend, dass in dem Hauptantrag die gerügten Verletzungshandlungen mit "insbesondere" aufgeführt werden, hat der Kläger nicht gestellt, so dass hierauf und auf die diesbezüglichen Einwendung des Beklagten nicht einzugehen ist.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die angefochtene Entscheidung und die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist erfolgreich, da keine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne von Art. 1 § 1 RberG durch den Beklagten vorgenommen worden ist.

Zu der Frage, inwieweit von der Caritas als eingetragenem Verein, der damit keinesfalls unmittelbar unter Art. 1 § 3 Ziff. 1 RberG fällt, die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten durchgeführt werden darf, ist nicht Stellung zu nehmen.

1. Das Ersturteil leidet an erheblichen Mängeln, jedoch sieht der Senat von einer Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 539 ZPO ab.

Es ist ferner kein Handeln im eigenen Namen oder ein Antrag nach dem Ausländergesetz erkennbar, so dass der Tenor insoweit ebenfalls zu weit gefasst ist.

Hierauf kommt es jedoch nicht an.

2. Zu dem Ereignis gemäß Abschnitt a) im Tatbestand, das der Kläger in den Vordergrund stellt ohne Fall b) fallen zu lassen, ist folgendes auszuführen:

a) Es ist zutreffend, dass gemäß BGH NJW 87, 3003, 3004 (und weiterer Rechtssprechung) unzulässige Rechtsberatung vorliegt, wenn der Rechtsanwalt als Erfüllungsgehilfe eines Dritten auftritt. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

b) Auch nach der ausführlicheren Darstellung des Beklagten im Schriftsatz vom 29.11.2000 Seite 2 (Blatt 100 der Akten) hörte er sich den Iraker an, der ihm den Sachstand seines Verfahrens vortrug (aa), rief Rechtsanwalt R an und teilte diesem mit, was ihm der Iraker erklärt hatte (bb). Abgesehen von vorliegend nicht relevanten Ausführungen zur Rechtslage empfahl Rechtsanwalt R einen schriftlichen Antrag auf Duldung, dessen Text er gegenüber dem Beklagten formulierte und weiter erklärte, unter welchen Umständen sich der Iraker an einen Anwalt wenden sollte (cc).

Der Beklagte gab diese Auskunft an den Iraker weiter (dd). Da dieser äußerte, er wolle einen schriftlichen Antrag stellen (ee), schrieb der Beklagte den von Rechtsanwalt R vorformulierten Text nieder und ließ den Iraker unterschreiben und zwar am 28.10.1999 (ff).

Weil er dem Flüchtling Kosten für Briefmarke, Umschlag usw. ersparen wollte, in der GU Lechfeld hierüber jedoch nicht verfügte, nahm er den Papierbogen in sein Büro in Augsburg mit, wo er den Vorgang zunächst vergass (gg).

Mit einem Begleitschreiben (mit dem Stempel des Caritasverbandes und seinem Namen) faxte er am 16.11. den Antrag an das Landratsamt A (hh).

Dieses wandte sich umgehend mit Schreiben vom 22.11. an den Klägervertreter mit der Bitte mitzuteilen, ob die Tätigkeit des Beklagten mit den Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes konform gehe (Anlage K 1).

Über den Zeitpunkt einer Entscheidung des Landratsamt über den Duldungsantrags des Irakers ist nichts bekannt.

c) Es ist nicht ersichtlich, daß Rechtsanwalt R hier als Erfüllungsgehilfe für den Beklagten oder für dessen Arbeitgeber tätig geworden ist.

Der Senat geht dabei davon aus, dass der Iraker während des Telefonats anwesend war und wahrgenommen hat, dass der Beklagte nicht selber die Auskünfte erteilte, sondern eingeholte Auskünfte weitergab.

Anderes ist vom Kläger nicht behauptet.

d) Für den Begriff der "Rechtsbesorgung" wird zwar eine weite Definition dahingehend verwendet, dass darunter " jede Tätigkeit falle, die auf unmittelbare Förderung konkreter fremder Rechtsangelegenheiten gerichtet ist" (Rennen/Calibe 2. Aufl. 1992, § 1 RN. 24), doch werden dann das Fertigen von Entwürfen oder das Formulieren von Anträgen als Beispiele gewählt, während das Beschaffen von Gesetzestexten und ähnliches keine Rechtsbesorgung ist (a.a.O. RN 26).

Der Senat hält die Beispiele für zutreffend, die Definition jedoch für zu weitgehend, denn dann würden auch die Deutsche Post AG oder die Deutsche Telekom AG rechtsbesorgend bei der Übermittlung von Anträgen tätig, die sonst gar nicht oder verfristet an Landratsämter oder Gerichte gelangten.

Das ist sicher nicht Sinn des Gesetzes.

Man kann das Gesetz kritisieren und geißeln wie z. B. R in der Deutschen Richterzeitung 2000, Seite 442 f., aber auch sinnvoll dahin auslegen, dass nur eine gestaltende Beratungs- und Besorgungstätigkeit hier angesprochen ist und nicht mehr oder weniger reine Hilfsdienste. Dabei ist, wie zum Fall b) noch dargelegt werden wird, keine zu engherzige Auslegung angezeigt, soweit nämlich andernfalls unverzichtbare Tätigkeiten unmöglich gemacht würden.

Die "Arbeitsanweisung (Leitlinien) zur Rechtsberatung von Asylsuchenden" von 1997, die der Beklagte heranzieht und die mit dem Bayerischen Innen- und Justizministerium abgestimmt worden sind, belegen die Meinung des Senats:

Es dürfen sprachliche und kulturelle Bildungsdefezite ausgeglichen werden, eine juristische Bewertung darf dagegen nicht erfolgen. Die Worte des Antragstellers sind ohne rechtliche Argumentationshilfe unter Ausgleich sprachlicher und kultureller Defezite niederzuschreiben. Ein Rechtsanwalt darf aber befragt werden, soweit ersichtlich ist, dass der Hilfeleistende, also der Beklagte oder wer auch immer, nur dessen Ratschläge und Formulierungen verwendet.

Diese Grundsätze sind bei Vorfall gemäß a) gewahrt, denn entsprechend vorstehend Abschnitt b) handelt es sich bei aa) um eine Darstellung des Irakers, die der Beklagte lediglich unter Ausgleich des sprachlichen Defezits an den Rechtsanwalt weitergab (bb). cc) ist die zulässige Tätigkeit von Rechtsanwalt R, die dieser über den Beklagten als Boten dem Iraker übermittelte (dd). Der Iraker entschied sich selbst (ee) und der Beklagte wurde als Schreibkraft tätig für Rechtsanwalt R (ff).

In letzterer Tätigkeit liegt sicherlich keine Rechtsbesorgung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes, auch wenn der Kläger nicht expressis verbis, aber de facto ausführen lässt, gemäß Art. 1 § 6 Abs. 1 Ziff. 2 RberG würden Schreibkräfte in Anwaltskanzleien beim Schreiben des Diktats bzw. dem Verbringen der Kanzleipost zum Briefkasten "Rechtsangelegenheiten erledigen". Vorgang gg) ist eine etwas missglückte caritative Hilfeleistung, Vorgang hh) ist wiederum sicherlich kein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz.

3. Das Ereignis gemäß Abschnitt b) im Tatbestand, auf das der Kläger nicht eindeutig verzichten wollte und das auch für den Klageantrag, der nicht geändert wurde, wesentlich ist, ist ebenfalls kein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz:

Wenn der Kläger hier beanstandet, angesichts der Tätigkeit eines ausländischen Sprachhelfers sei die Einschaltung des Beklagten zum Übersetzen und Abfassen von Schreiben völlig überflüssig gewesen und könne nur zum Zweck der Rechtsberatung erfolgt sein, so berücksichtigt er nicht, dass der ausländische Sprachhelfer offenbar noch nicht ausreichend deutsch konnte und noch nicht in der Lage war, für Polizeibehörden ausreichend verständliche Erklärungen der Betroffenen abzufassen oder diesen zu übersetzen, was "Par. 86 AsylVFG" bedeutet und was hier als Ordnungswidrigkeit gewertet wird.

Die Flüchtlinge konnten ferner unbestritten nicht deutsch schreiben.

Der Beklagte war hier nach dem unstreitigen Sachverhalt nicht rechtsberatend tätig, sondern glich lediglich wiederum nur das sprachliche und kulturelle Defizit aus.

Der Kläger macht sich nicht einmal die Mühe vorzutragen, woher die drei Ausländer stammten und daß sie die hier übliche Schrift wenigstens lesen konnten.

Der Beklagte muß sich im Gegenteil noch rügen lassen, daß er das sprachliche Bildungsdefizit nicht perfekt ausgeglichen hat, sondern bei dein Text für einen der Asylsuchenden angefangen hat mit den Worten "Herr ... hat besucht" und dann in der "ich-Form" fortgefahren ist.

Der Senat ist der Ansicht, es liege wiederum lediglich nur eine zulässige Hilfstätigkeit, keine Rechtsbesorgung vor.

Dabei ist allerdings noch ein Problem zu erörtern, das allgemein beim Übersetzen auftritt: Ein Dolmetscher oder Übersetzer verändern mehr oder weniger zwangsweise den Text, wobei es zusätzlich auf die jeweilige Fremdsprache und die Fähigkeiten des Übersetzenden ankommt.

Da schon die Umformulierung eines laienhaft vorgebrachten Begehrens unter Art. 1 § 1 RebG fällt, könnte beim Übersetzer bei zu enger Auslegung stets eine Rechtsbesorgung vorliegen. Das entspricht aber nicht dem Sinn des Rechtsberatungsgesetzes. Der Senat ist daher der Ansicht, daß erst eine zusätzliche rechtliche Argumentationshilfe in solchen Fällen in den Bereich der unzulässigen Rechtsbesorgung führt.

Wenn der Beklagte also das Deutsch eines radebrechenden Sprachhelfers in vernünftige Sätze umformuliert und niederschreibt, begeht er keine unzulässige Rechtsberatung oder -besorgung nach Art. 1 § 1 Rechtsberatungsgesetz.

Das gilt auch, wenn er den Asylbewerbern über den Sprachhelfer den Inhalt der Vorwürfe usw. darzustellen versucht: dies bewegt sich nur im Rahmen einer zulässigen Übersetzertätigkeit.

4. Auf die übrigen Fragen kommt es hiernach nicht mehr an.

5. Kosten und weitere Nebenentscheidungen: § 91, § 708 Nr. 10, § 713 und § 546 Abs. 2 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision, die der Kläger beantragt hat, liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück