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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 24.05.2005
Aktenzeichen: 6 W 1408/05
Rechtsgebiete: ZPO, TDG, UWG


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 93
ZPO § 99 Abs. 2
ZPO § 99 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 99 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 2
ZPO § 307
ZPO § 313b
ZPO § 511
ZPO § 567
ZPO § 568 Satz 1
ZPO § 576 Abs. 1 Nr. 1
TDG § 6
UWG § 4 Nr. 11
1. Die sofortige Beschwerde des § 567 ZPO ist nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung entsprechend § 99 Abs. 2 ZPO auch dann der statthafte Rechtsbehelf, wenn das Landgericht nach Teilanerkenntnis und Klagerücknahme im Übrigen seine Kostenentscheidung nicht im Anerkenntnisurteil, sondern in einem gesonderten Beschluss getroffen hat.

2. Die Annahme eines "Regelstreitwerts" in Wettbewerbssachen verbietet sich auch dann, wenn die Unlauterkeit auf Verstöße gegen § 6 TDG gestützt wird.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS

Aktenzeichen: 6 W 1408/05

In dem Verfahren

hier: Beschwerde gegen Kostenverteilung und Streitwertfestsetzung

erlässt der 6. Senat des Oberlandesgerichts München durch die unterzeichnenden Richter ohne mündliche Verhandlung am 24. Mai 2005 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 04. März 2005 gegen die mit Beschluss des Landgerichts vom 08. Februar 2005 getroffene Kostenverteilung wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Beschwerdewert wird auf € 3.118,37 festgesetzt.

IV. Die Beschwerde des Beklagten vom 04. März 2005 gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts München I vom 08. Februar 2005, Az. 33 O 14668/04, wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

Die Klägerin hatte den Beklagten im Ausgangsverfahren vor dem Landgericht wegen (1) dessen Internetpräsenz, die sie - mangels leicht erkennbarer und unmittelbar erreichbarer Angaben über den Inhaber der Fa. Steindialog sowie über die Umsatzsteueridentifikationsnummer des Unternehmens - als gegen § 6 TDG verstoßend und daher unlauter i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG erachtete, sowie (2) wegen irreführender Werbung mit insgesamt acht nicht (für den Beklagten) eingetragenen Markenrechten auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Der Beklagte hatte in der Klageerwiderung vom 16. September 2004 die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt und insoweit um Vorabentscheidung gebeten. "Hilfsweise" hatte er erklärt, für den Fall der Verweisung des Rechtsstreits an das (von ihm als einzig zuständig angesehene) Landgericht Leipzig sei "beabsichtigt, dort namens und im Auftrage des Beklagten" den unter Ziffer (2) verfolgten Anspruch anzuerkennen. Im Übrigen hatte er Klagabweisungsantrag angekündigt.

Entsprechend einer Anregung des Gerichts hat der Beklagte sodann den Anspruch zu Ziff. (2) unter dem 20. Januar 2005 anerkannt; die Klagepartei hat, wie bereits am 1.9. Oktober 2004 angekündigt, den Klageantrag zu Ziff. (1) mit Schriftsatz vom 24. Januar 2005 zurückgenommen.

Mit Urteil vom 28. Januar 2005 hat das Landgericht den Beklagten entsprechend seinem Anerkenntnis verurteilt. Über die Kosten des Rechtsstreits hat es mit gesondertem Beschluss vom 08. Februar 2005 (Bl. 37 f. d.A.), dem Beklagtenvertreter zugestellt am 18. Februar 2005, dahingehend befunden, dass diese nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO der Beklagte zu tragen habe. Gleichzeitig hat das Erstgericht den Streitwert auf insgesamt € 50.000.- festgesetzt, wobei es den Klageantrag zu Ziffer (1) mit € 2.000.-, denjenigen zu Ziffer 2. mit (jeweils € 6.000.-, insgesamt) € 48.000.- bewertet hat.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die (sofortige) Beschwerde des Beklagten vom 04. März 2005 (Bl. 42 f. d.A.). Unter Rekurs auf sein Vorbringen vor dem Landgericht beanstandet er zunächst die Kostenentscheidung im Wesentlichen mit der Erwägung, bereits in seiner Klageerwiderung klargestellt zu haben, dass eine streitige Auseinandersetzung über den Antrag zu Ziffer (2) nicht stattfinden solle. Dies sei für ein sofortiges Anerkenntnis i.S.d. § 93 ZPO ausreichend, so dass die Kosten des Rechtsstreits insoweit der Klägerin aufzuerlegen seien. Zumindest sei eine Quotelung nach § 92 Abs. 1 ZPO vorzunehmen. Denn es sei nicht einzusehen, dass die Klägerin ohne jedes Kostenrisiko ihre Klage teilweise zurücknehmen könne. Im Übrigen rügt er die Festsetzung eines Teilstreitwerts von lediglich € 2.000.- für den Antrag zu Ziffer (1) als zu niedrig: Vor dem Hintergrund, dass er wegen des angeblichen Verstoßes gegen § 6 TDG ausweislich Anlage K 3 bereits von Herrn E persönlich abgemahnt worden sei, müsse die nunmehrige gerichtliche Geltendmachung dieses Unterlassungsanspruchs durch die Klägerin dahingehend verstanden werden, dass ihr an der Klärung dieser Frage besonders gelegen sei. Diesem hohen klägerischen Interesse werde schon ein Teilstreitwert von € 5.000.-, wie ihn die Kammer nach der Verfügung vom 20. Oktober 2004 (Bl. 25 d.A.) "regelmäßig" ansetze, nicht gerecht. Erst recht müsse unverständlich bleiben, warum das Erstgericht nunmehr zu Lasten der Beklagten auch noch unter diesem - vorliegend unvertretbar niedrigen - Betrag geblieben sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Das Landgericht hat den Beschwerden mit Beschluss vom 22. April 2005 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es hinsichtlich der Kostenentscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 93 ZPO lägen in Bezug auf den Unterlassungsantrag zu Ziffer (2) nicht vor. Denn das in der Klageerwiderung vom 16. September 2004 lediglich für den Fall der Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Leipzig avisierte Anerkenntnis sei, insofern unter eine Bedingung gestellt, nicht als sofortig i.S.d. § 93 ZPO anzusehen; da mithin die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorlägen, habe es insoweit bei der Kostentragungspflicht der Beklagten nach § 91 Abs. 1 ZPO sein Bewenden. Insgesamt sei die Kostenentscheidung nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu treffen gewesen. Hinsichtlich der Streitwertbeschwerde hat das Landgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss ausgeführt, die Unterlassungsansprüche wegen der (8-fachen) Täuschung durch markenrechtliche Absicherung ((r), Antrag zu Ziff. 1) hätten von der wirtschaftlichen Bedeutung her klar im Vordergrund gestanden. Die in Abweichung von der regelmäßigen Übung der Kammer (maximal € 5.000.-) getroffene Bewertung des TDG-Verstoßes (Antrag zu Ziffer 2) mit € 2.000.- sei im konkreten Verletzungsfall ausreichend und angemessen. Im Übrigen hätte auch eine Festsetzung dieses Teilstreitwerts auf € 5.000.- keine andere Kostenenscheidung zur Folge gehabt.

II.

1. Kostenverteilung

a. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen die erstgerichtliche Kostenverteilung, über die nach § 568 Satz 1 ZPO der Senat zu befinden hat, insofern die angefochtene Entscheidung nicht von einem Einzelrichter erlassen worden ist, ist statthaft:

Zwar hat das Landgericht seine Kostenentscheidung entgegen §§ 307, 313b ZPO (vgl. BGH NJW-RR 1999, 1741) nicht in dem Anerkenntnisurteil vom 18. Januar 2005, sondern in einem gesetzlich nicht vorgesehenen separaten - und daher an sich nicht unter § 576 Abs. 1 Nr. 1 ZPO fallenden - Kostenbeschluss getroffen. Nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung (vgl. Rechtsprechungsnachweise bei Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., vor § 511 Rdnr. 6) hindert dies indes die Zulässigkeit des gewählten Rechtsbehelfs nicht. Denn bei korrektem landgerichtlichen Verfahren hätte dem Beklagten gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 ZPO die sofortige Beschwerde gegen die beanstandete Kostenverteilung offengestanden, zumal die weitere Voraussetzung des § 99 Abs. 2 Satz 2 ZPO insofern erfüllt ist, als der Wert der Hauptsache die Berufungssumme des § 511 ZPO übersteigt. Das Rechtsmittel ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 569 Abs. 2; Abs. 1 Satz 1 ZPO).

b. In der Sache bleibt die sofortige Beschwerde allerdings erfolglos. Nach §§ 91 Abs. 1; 269 Abs. 3 Satz 2; 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist der Beklagte verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen:

Hinsichtlich des Unterlassungsantrags zu Ziffer (2) hat das Landgericht eine Anwendung des § 93 ZPO zugunsten des Beklagten zu Recht mit der Erwägung abgelehnt, das erst mit Schriftsatz vom 20. Januar 2005 (Bl. 29 d.A.) und mithin lange nach Ablauf der Klageerwiderungsfrist vorbehaltslos erklärte Anerkenntnis sei nicht als sofortig i.S.d. § 93 ZPO anzusehen (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 93 Rdnr. 4). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch die weitere Voraussetzung, unter welcher nach der genannten Vorschrift eine - ausnahmsweise - Kostentragung der Klagepartei allein in Betracht käme, dass nämlich der Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat, nicht erfüllt ist. Denn entgegen seiner Einlassung war er vorprozessual nicht nur im Auftrag eines - wohl für die Klägerin tätigen - Herrn E. (Anlage K 3, dort Ziffer 2), sondern ausweislich Anlage K 8 mit Schreiben der Klägervertreter vom 22. Juni 2004 auch namens der Klägerin selbst wegen der als irreführend beanstandeten Werbung mit vorgeblichen Kennzeichenrechten erfolglos abgemahnt worden. Bei dieser Sachlage hat das Landgericht zu Recht befunden, dass es hinsichtlich des anerkannten Klageanspruchs bei der Kostentragungspflicht des Beklagten entsprechend § 91 Abs. 1 ZPO sein Bewenden hat.

Auch die Anwendung des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unter Ablehnung einer Kostenverteilung im anteiligen Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens gemäß § 92 Abs. 1 ZPO begegnet keinen Bedenken: Zwar hat die Klagepartei an sich den auf die Teilrücknahme entfallenden Kostenanteil nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu tragen. Insofern diese anfängliche Zuvielforderung jedoch nur 4% des klägerischen Gesamtbegehrens ausmachte und überdies mit rund € 100.- lediglich geringfügige Mehrkosten veranlasst hat, lagen die Voraussetzungen des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO - der auch im Zusammenspiel mit § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO Anwendung findet (siehe die vergleichbare Konstellation in BGH NJW-RR 1999, 1741) - zweifelsfrei vor. Dementsprechend ist der landgerichtliche Kostenausspruch nicht zu beanstanden.

c. Nach § 97 Abs. 1 ZPO hat der Beklagten die Kosten seines erfolglos eingelegten Rechtsbehelfs zu tragen. Der Beschwerdewert war entsprechend dem Begehren des Beklagten, der eine Abwälzung der gesamten ihm auferlegten Kosten auf die Klagepartei erstrebt, nach § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG wie tenoriert festzusetzen.

2. Streitwertbeschwerde

a. Soweit das Landgericht den auf den Klageantrag zu Ziffer (1) entfallenden Teilstreitwert in Anlehnung an eine Übung der Kammer, wonach Verstöße gegen das TDG "regelmäßig mit maximal € 5000.-" bewertet werden, auf € 2.000.- festgesetzt hat, begegnet eine solche Verfahrensweise durchgreifenden Bedenken. Eine Orientierung an derartigen "Regelstreitwerten" sieht die Zivilprozessordnung nicht vor. Nach § 3 ZPO hat das Gericht den Streitwert für auf Wettbewerbsrecht gestützte Verbotsanträge vielmehr nach freiem Ermessen festzusetzen, wobei es sich ausschließlich daran zu orientieren hat, welches wirtschaftliche Interesse der Kläger an der Unterbindung der beanstandeten Handlung hat. Dieses Eigeninteresse des potentiell Verletzten ist unter Berücksichtigung aller Umstände nach der objektiven Gefährlichkeit ("Angriffsfaktor") des monierten Verhaltens, auch an Hand des drohenden Schadens, zu bestimmen (Baumbach/Hefermehl/Köhler, UWG, 23. Aufl., § 12 Rdnr. 5.6), wobei insbesondere die Größe und Wirtschaftskraft der einander gegenüberstehenden Unternehmen, die Intensität des Wettbewerbs zum Verletzten in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht, die zu erwartenden Auswirkungen künftiger Verletzungshandlungen, die Intensität der Wiederholungsgefahr sowie die Gefahr, dass das als unlauter beanstandete Verhalten Nachahmer findet, zur Beurteilung heranzuziehen sind. Nach allgemeiner Ansicht stellt hierbei die eigene Wertangabe des potentiell verletzten Klägers zu Beginn des Rechtsstreits - sofern sie sich nicht außerhalb objektiv vertretbarer Grenzen bewegt - ein gewichtiges Indiz für eine zutreffende Bewertung dar, da der Ausgang des Rechtsstreits zu diesem Zeitpunkt noch nicht zuverlässig vorhersehbar ist (ständige Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München; vgl. auch BGH GRUR 1968, 106, 107 - Ratio-Markt; BGH GRUR 1977, 748, 749 - Kaffeeverlosung II; BGH GRUR 1986, 93, 94 - Berufungssumme).

Der danach erforderlichen, nach dem klägerischen Interesse im Einzelfall vorzunehmenden Beurteilung wird der Rekurs auf Regelstreitwerte nicht gerecht. Insbesondere sind ohne Weiteres Konstellationen vorstellbar, in denen die Bemessung des wirtschaftlichen Interesses der Klagepartei an einem gerichtlichen Verbot fortgesetzter Verstöße gegen § 6 TDG mit lediglich € 5.000.- außerhalb des objektiv vertretbaren Rahmens liegt.

b. Ungeachtet der dargelegten generellen sachlichen Bedenken bleibt die - nach § 68 Abs. 1 Satz 4 GKG i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1, Halbs. 2 GKG vom Senat zu entscheidende - Streitwertbeschwerde des Beklagten, mit welcher er die Bemessung des für Klageantrag zu Ziffer (1) angesetzten Werts von € 2.000.- als zu niedrig angreift und insoweit eine Erhöhung auf € 5.000.- erstrebt, ohne Erfolg. Denn das Rechtsmittel ist nach § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht zulässig, insofern es an der dafür erforderlichen (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., GKG § 68 Rdnr. 5) Beschwer mangelt: Der Beklagte selbst ist, wie dies für die Partei regelmäßig gilt (BGH NJW-RR 1986, 737; OLG Zweibrücken, GRUR 2001, 285), durch einen als zu niedrig erachteten Teilstreitwert nicht beschwert, zumal die von ihm zu tragenden Kosten lediglich aus den festgesetzten € 2.000.- und nicht aus einem höheren Betrag errechnet werden. Anhaltspunkte, denen ausnahmsweise ein Rechtsschutzinteresse für die Erhöhung des Teilstreitwerts zu entnehmen wäre, sind weder dargetan noch ersichtlich.

c. Eine Kostenentscheidung ist hinsichtlich der Streitwertbeschwerde nicht veranlasst, § 68 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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