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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 16.07.2008
Aktenzeichen: 7 U 1602/08
Rechtsgebiete: InsO, HGB, BGB


Vorschriften:

InsO § 94
InsO § 96
InsO § 96 Abs. 1 Nr. 3
InsO § 129
InsO § 129 Abs. 1
InsO § 130
InsO § 130 Abs. 1 Nr. 2
InsO § 131
InsO § 131 Nr. 1
InsO § 131 Abs. 1
InsO § 131 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 141
InsO § 143 Abs. 1 Satz 2
InsO § 144
InsO § 144 Abs. 1
HGB § 355
BGB § 142 Abs. 1
BGB § 187 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1 Satz 2
BGB § 291
BGB § 819 Abs. 1
BGB § 818 Abs. 4
BGB § 987
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 7 U 1602/08

Verkündet am 16. Juli 2008

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erlässt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2008 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 7.12.2007 dahin abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 8.425,72 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.9.2006 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 85/100 und die Beklagte 15/100. Von den Kosten des Nebenintervenienten hat der Kläger 85/100 zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Der Kläger verlangt von der Beklagten als Insolvenzverwalter der Insolvenzschuldnerin B. GmbH (nachfolgend als Schuldnerin bezeichnet) nach Anfechtung die Auszahlung des Betrages, um den sich der Sollstand des von der Beklagten für die Schuldnerin geführten Kontokorrentkontos seit Beginn des letzten Monats vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin zu deren Gunsten vermindert hat.

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 01.02.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Schuldnerin hatte am 16.12.2004 Eigenantrag auf Insolvenzeröffnung beim Amtsgericht Memmingen gestellt (Anlage K 2). Am gleichen Tag wurde der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.

Die Beklagte führte für die Schuldnerin das Konto Nr. ...375, für das der Schuldnerin ein unbefristeter Kredit in Höhe von 75.000,00 € eingeräumt worden war. Das Konto wies ausweislich der Kontoübersicht (Anl. K 4) zum 16.11.2004 einen Sollstand von 74.756,82 € aus. Dieser verminderte sich in der Zeit bis einschließlich 15.12.2004 durch Gutschriften von insgesamt 76.926,06 € - darunter die Gutschrift der Beklagten vom 23.11.2004 über 49.286,42 € wegen einer Eigenverbindlichkeit - unter Berücksichtigung der Lastschriften über insgesamt 9.483,60 € auf einen Sollbetrag von 7.439,36 €. Weitere Gutschriften wegen eigener Verbindlichkeiten gegenüber der Schuldnerin hat die Beklagte in Höhe von 2.668,00 € am 17.12.2004 und in Höhe von 5.788,40 € am 20.12.2004 erteilt. Die genannten drei Gutschriften wegen Eigenverbindlichkeiten erfolgten zum Ausgleich von Forderungen der Schuldnerin für erbrachte Transportdienstleistungen aufgrund des zwischen der Beklagten und der Schuldnerin abgeschlossenen Rahmenvereinbarung vom 23.5.2001 betreffend Geldtransportleistungen (Anl. B 3), die nach den Angaben der Beklagten monatlich abgerechnet werden sollten (Bl. 15 d. A.). Die Rechnung der Schuldnerin, die Grundlage der Verrechnung vom 23.11.2004 war, wurde der Beklagten am 5.11.2004 übersandt.

Die Beklagte hat die Kreditlinie für dieses Konto in Höhe von 75.000,00 € mit Schreiben vom 13.12.2004 gekündigt (Anl. B 1). Der Kläger hat mit Schreiben vom 08.09.2006 an die von der Beklagten eingeschaltete Firma H. und S. GmbH (Anlage K 6) auf die Anfechtbarkeit der ab dem 16.11.2004 bis zur Auflösung des Kontos vorgenommenen Kontokorrentverrechnungen unter Hinweis auf § 130 und § 131 InsO hingewiesen und die Auszahlung des Betrages, um den sich das Konto zugunsten der Schuldnerin bis 31.1.2005 verändert hat, verlangt.

Der Kläger verlangt - nachdem die Beklagte für die nach dem 16.12.2004 erteilten Gutschriften abzüglich der Auszahlungen 12.519,42 € gezahlt hat - mit der Klage einen Betrag in Höhe der seit dem 16.11.2004 bis zum 15.12.2004 auf das Konto der Schuldnerin eingestellten Gutschriften von insgesamt 76.926,06 € abzüglich der in diesem Zeitraum vorgenommenen Auszahlungen von insgesamt 9483,60 € und weiterer von der Beklagten am 16.02.2007 gezahlten 9.730,32 €. Die Restforderung in Höhe von 57.712,14 € macht der Kläger mit der Klage geltend.

Der Kläger ist der Auffassung, er könne aufgrund der von ihm erklärten Aufrechnung den Betrag verlangen, um den sich der Sollstand des Kontokorrents der Schuldnerin ab dem 16.11.2004 abzüglich der geleisteten Zahlungen vermindert habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 57.712,14 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 08.09.2006 zu bezahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass Verrechnungen eines Kreditinstituts im letzten Monat vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwar im Regelfall eine inkongruente Deckung im Sinne des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO darstellen. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte jedoch Gutschriften von 49.286,42 €, 2.668,00 € und 5.788,40 € zum Ausgleich von Forderungen der Schuldnerin gegenüber der Beklagten für erbrachte Transportdienstleistungen erteilt. Gemäß § 144 InsO würden für den Fall einer wirksamen Anfechtung nach § 131 Abs. 1 InsO gemäß § 144 Abs. 1 InsO diese Forderungen der Schuldnerin gegen die Beklagte wieder aufleben. Die Aufrechnungslage bliebe gemäß § 94 InsO erhalten und die Beklagte könne gegen diese Forderungen der Schuldnerin mit ihren eigenen Ansprüchen aus dem Bankvertrag aufrechnen. Im vorliegenden Fall hätte sich die Befriedigungsmöglichkeit der Gläubiger ohne die konkrete Verrechnung der Gutschrift in Höhe von 49.286,42 € nicht günstiger gestaltet. Der Sollsaldo wäre um diesen Betrag höher ausgefallen. Gleichzeitig hätte der Insolvenzmasse stattdessen eine Forderung gegen die Beklagte aus dem Dienstleistungsvertrag in Höhe dieses Betrages zugestanden. Diese hätte die Schuldnerin bzw. der Kläger nicht durchsetzen können, da gemäß § 94 InsO das Aufrechnungsrecht des Insolvenzgläubigers durch das Insolvenzverfahren nicht berührt werde, dessen Voraussetzungen gegeben seien. Die Gutschriften vom 14.12.2004 in Höhe von 2.258,17 €, 536,73 € und 13.920,00 € seien erfolgt, nachdem die bisherige Kreditlinie von 75.000 € seitens der Beklagten bereits mit Schreiben vom 13.12.2004 (Anlage B 1) gekündigt worden sei. Bereits am 9.12.2004 habe ihr Mitarbeiter K. gegenüber dem Geschäftsführer S. mit den Worten "er könne nichts mehr für ihn tun" (Bl. 45 d. A.) die Kündigung erklärt. Insoweit lägen die Voraussetzungen der §§ 130, 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht vor.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und ausgeführt, dass dem Kläger ein Rückzahlungsanspruch in voller Höhe aufgrund der durchgreifenden Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO zustehe. Die angefochtene Rechtshandlung im Sinne des § 129 InsO liege in der Einstellung der Verrechnung nach § 355 HGB. Diese sei auch im letzten Monat vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. Eine Gläubigerbenachteiligung nach § 129 Abs. 1 InsO liege vor. Der Kläger habe lediglich die Verrechnungen der Beklagten im Kontokorrentkredit angefochten, nicht jedoch die Begleichung der Verbindlichkeiten der Beklagten gegenüber der Schuldnerin aus Geldtransporten. Eine Aufrechnungslage bezüglich der 49.286,42 € habe es nie gegeben, da die Forderung der Schuldnerin wegen Geldtransporten spätestens am 26.11.2004, fällig gewesen sei, während zu diesem Zeitpunkt die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag den Kontokorrentkredit noch nicht gekündigt habe, so dass dieser noch gar nicht fällig gewesen sei. Die Tilgung der Beklagtenschuld gegenüber der Schuldnerin führe daher zum Erlöschen der Forderung der Schuldnerin. Die weitere Verrechnung zugunsten der Kontokorrentkreditforderung der Beklagten führe deshalb zu einer Gläubigerbenachteiligung im Sinne von § 129 InsO, da ohne diese Verrechnung die Masse in Höhe von rund 49.000,00 € vermehrt gewesen wäre.

Der Anfechtungsgrund im Sinne von § 131 Nr. 1 InsO stehe dem Kläger zur Seite. Im Zuge der Auslegung des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO seien die rechtsgeschäftlichen Verbindungen zwischen der Beklagten und der Schuldnerin in die Einzelverträge zu zerlegen, nämlich in a) den Geldtransportvertrag, in dessen Rahmen die Beklagte Forderungen der Schuldnerin durch Überweisung der rund 49.000,00 € getilgt habe, b) die Kreditgewährung der Beklagten an die Schuldnerin in Höhe von maximal 100.000,00 € sowie c) den zwischen und der Schuldnerin bestehende Girovertrag zur Durchführung des unbaren Zahlungsverkehrs der Schuldnerin.

Die Aufteilung dieser rechtlichen Beziehungen zwischen Beklagter und Schuldnerin zeige, dass die Beklagte über den Girovertrag eine Befriedigung erlangt habe, die sie für den Kreditvertrag habe verwenden können. Die Beklagte habe diese Befriedigung im Rahmen des Girovertrages zu einem Zeitpunkt erlangt, als der Kreditvertrag noch nicht fällig gestellt sei. Sie habe deshalb im Rahmen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO keinen Anspruch auf diese Befriedigungsart. Die Kreditkündigung sei durch das Schreiben der Beklagten vom 13.12.2004 (Anlage B 1) erfolgt. Soweit die Beklagte in Abweichung zu ihrem ursprünglichen Vortrag eine Kündigung bereits am 07.12.2004 behauptet habe, sei diese nicht schlüssig dargetan.

Gegen das landgerichtliche Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Verrechnungen auf dem Konto der Schuldnerin im Zeitraum 16.11.2004 bis 07.12.2004 seien in jedem Falle kongruent gewesen, da die Beklagte den Kreditrahmen offen gehalten habe. Die Rückführung der Darlehensforderung beruhe auf dem zufälligen Umstand, dass keine weiteren Überweisungsaufträge seitens der Schuldnerin erteilt worden seien. Wären solche Aufträge erteilt worden, wären sie von der Beklagten zu jenem Zeitpunkt ausgeführt worden. Auch die wirtschaftlichen Interessen der Bank sprächen für die Wertung eines vertragsgemäßen Verhaltens der Bank als kongruent. Andernfalls wäre die Kredit gebende Bank gezwungen, in sich nur möglicherweise abzeichnenden Krisensituationen einen noch nicht in voller Höhe in Anspruch genommenen Kredit vorzeitig zu kündigen, um einer möglichen insolvenzrechtlichen Anfechtung vorzubeugen. Die Beklagte habe in der Zeit vom 16.11.2004 bis 07.12.2004 auch keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gehabt. Die Schuldnerin habe durch Begleichung der Forderung in Höhe von 49.286,42 € den Kreditrahmen in gleicher Höhe wieder zusätzlich nutzen können. Das Landgericht sei zu Unrecht von einer Kündigung zum 14.12.2004 ausgegangen und habe es insoweit verfahrensfehlerhaft unterlassen, die Beklagte auf deren insoweit nach Auffassung des Landgerichts unschlüssigen Vortrag hinzuweisen. Hinsichtlich der Zahlungen der Beklagten am 17.12.2004 in Höhe von 2.668,00 € und am 20.12.2004 in Höhe von 5.788,40 € habe es sich um Gutschriften nach Beendigung des Vertragsverhältnisses gehandelt, die zu einem Zeitpunkt erfolgt seien, als die Forderung der Beklagten aus der Kontoverbindung fällig gewesen sei. Es habe somit eine insolvenzrechtlich nicht anfechtbare Aufrechnungslage bestanden. Die Gutschriften seien als konkludente Aufrechnung anzusehen. Nach § 94 InsO bleibe die Aufrechnung möglich. Da die Beklagte die beiden Beträge im Jahr 2005 versehentlich an die Masse ausgekehrt habe, bestehe insoweit ein Rückforderungsanspruch. Mit dieser Forderung könne wirksam aufgerechnet werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts München I vom 07.12.2007 (Az. 14 HKO 6881/07) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor, das Landgericht sei zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Anspruch auf Herausgabe auf das aus inkongruenten Verrechnungen der Beklagten Erlangte gemäß § 141 InsO i.V.m. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO zustehe. Eine wirksame Aufrechnung mit Gegenforderungen in Höhe von 2.668,00 € und 5.788,40 € liege nicht vor. Die Beklagte habe die Berechtigung der geltend gemachten Anfechtung durch die vorbehaltlose Zahlung zumindest inzident anerkannt. Eine Rückzahlung sei niemals verlangt worden. Die Beklagte habe spätestens seit dem 13.12.2004 von der Zahlungsunfähigkeit und spätestens am 16.12.2004 vom Insolvenzantrag der Schuldnerin Kenntnis gehabt. Hinsichtlich der Gutschriften vom 17.12.2004 und 20.12.2004 könne eine Aufrechnungslage zwischen der Schuldnerin und der Beklagten bestanden haben. Die Beklagte habe jedoch die Möglichkeit der Aufrechnung nicht genutzt, sondern die Forderung der Schuldnerin durch Überweisung auf deren Girokonto vorbehaltlos erfüllt. Mit der Gutschrift auf dem Girokonto der Schuldnerin seien die Forderungen der Schuldnerin gegen die Beklagte erloschen. Eine Aufrechnung gegen die Ansprüche der Schuldnerin sei daher nicht mehr möglich. Der Beklagten habe zu keinem Zeitpunkt ein unbestrittener wirksamer und fälliger Anspruch gegen den Kläger auf Rückzahlung des damals ausgekehrten Betrages zugestanden, mit dem sie gegen den Klageanspruch hätte aufrechnen können. Die hier streitgegenständlichen Verrechnungen der Zahlungseingänge, die tatsächlich zu einer Rückführung der Darlehensforderung der Beklagten geführt haben, stellten anfechtbare, inkongruente Deckungshandlungen dar.

Ergänzend wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung hat im Wesentlichen Erfolg. Die Klage ist in der Hauptsache nur in Höhe von 8.425,72 € begründet.

I.

Dem Kläger steht, nachdem er die Kontokorrentverrechnungen vom 16.11.2004 bis 15.12.2004 mit Schreiben vom 8.9.2006 (Anlage K 6) gemäß § 131 InsO und ab 16.12.2004 gemäß § 130 InsO angefochten hat, von der Klageforderung ein Teilbetrag von 8.425,72 € zu.

Dieser ergibt sich aus der Summe der Einnahmen für das Konto Nr. ...375 für den Zeitraum 16.11.2004 bis 15.12.2004 (Anlage K 4) in Höhe von 76.926,-- € abzüglich der Summe der Ausgaben für diesen Zeitraum von 9.483,60 € und dem unstreitig auf diese Forderung geleisteten Betrag von 9.730,32 €. Der Restbetrag von 57.712,14 € stellt die Klageforderung dar, von der jedoch noch der Betrag von 49.286,42 €, der der Verrechnung vom 23.11.2004 zugrunde lag, abzuziehen ist.

1. Der Kläger hat die Verrechnungen, soweit sie sich auf den Zeitraum vom 16.11.2004 bis 15.12.2004 beziehen, nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 erste Alternative InsO und die ab dem 16.12.2004 vorgenommenen Verrechnungen gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO bzw. § 131 Abs. 1 Nr. 1 zweite Alternative InsO wirksam angefochten.

a) Bei den einzelnen Verrechnungshandlungen im Rahmen des zwischen der Schuldnerin und der Beklagten vereinbarten Kontovertrags mit der vereinbarten Kreditlinie von 75.000 € betreffend das Konto Nr. ...375 handelt es sich um Rechtshandlungen im Sinne des § 131 Abs. 1 InsO. Eine Rechtshandlung ist jedes rechtlich erhebliche, d. h. jedes Handeln, das eine rechtliche Wirkung auslöst (vgl. BGH WM 1983, 214). Insoweit haben die von der Beklagten vorgenommenen Verrechnungen von Einnahmen in Höhe von insgesamt 76.926,06 und Ausgaben in Höhe von 9.483,60 € zu einer Verminderung des der Schuldnerin in Höhe von insgesamt 75.000,-- € eingeräumten Kredites um 67.442,46 € geführt. In Höhe dieses Differenzbetrages ist im Hinblick auf den eingeräumten Kredit Befriedigung des Gläubigers eingetreten, die er mangels Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs nicht zu der Zeit beanspruchen konnte. Dies entspricht auch dem Vortrag des Klägers.

b) Die Fälligkeit der Forderung der Beklagten trat nicht vor dem 15.12.2004 ein. Sie hat zunächst (Bl. 17 d. A.) vorgetragen, das Kontokorrent sei seitens der Beklagten spätestens mit Schreiben vom 17.12.2004 gekündigt worden. Dass das Kündigungsschreiben vom 13.12.2004 (Anlage B 1) vor dem 15.12.2004 bei der Schuldnerin eingegangen ist, hat die für den Zeitpunkt des Zugangs beweisbelastete Beklagte nicht nachgewiesen. Soweit sie unter Bezugnahme auf die E-Mails vom 9.12.2004 (Anlage B 2) einen früheren Kündigungszeitpunkt behauptet, ist eine wirksame Kündigungserklärung nicht substantiiert dargetan. Auf die Ausführungen des landgerichtlichen Urteils unter Ziffer 5 der Entscheidungsgründe kann verwiesen werden.

Somit sind - ausgehend von dem Kündigungsschreiben der Beklagten vom 13.12.2004 unter Berücksichtigung eines Postlaufs von einem Tag gemäß § 187 Abs. 1 BGB sämtliche bis einschließlich 14.12.2004 vorgenommene Verrechnungen als Rechnungsposten im Rahmen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu berücksichtigen. Denn die Rückführung eines von der Bank bewilligten, ungekündigten Kredits in der Zeit der wirtschaftlichen Krise des Schuldners ist auch dann inkongruent, wenn sie durch Saldierung im Kontokorrent erfolgt (vgl. BGH NJW 2002, 1722).

2. Die Anfechtung ist vom Kläger im Schreiben vom 8.9.2006 (Anl. K 6 ) umfassend unter Hinweis auf die §§ 130, 131 InsO erklärt worden.

3. Die Anfechtung der von der Beklagten zur Erfüllung eigener Verbindlichkeiten gegenüber der Schuldnerin vorgenommenen Verrechnung von 49.286,42 € vom 23.11.2004, führt entgegen der Auffassung des Landgerichts auch zur Nichtigkeit des auf die Bezahlung des Transportleistungen gerichteten Erfüllungsgeschäfts und damit der entsprechenden Gutschrift auf dem Konto der Schuldnerin. Gemäß § 142 Abs. 1 BGB ist das anfechtbare Rechtsgeschäft als von Anfang an nichtig anzusehen. Nach § 144 Abs. 1 InsO lebt eine ursprüngliche Forderung des Empfängers einer anfechtbaren Leistung wieder auf. Es handelt sich bei dieser Verrechnung um ein einheitliches Handeln, das sowohl die Erfüllungswirkung hinsichtlich der Verbindlichkeit der Beklagten aufgrund der Transportleistung der Schuldnerin als auch die Veränderung des Kontostandes im Rahmen der Kreditvereinbarung und dementsprechend die Höhe des aktuellen Soll-Saldos des Kontos bewirkt. Die Anfechtung dieser einheitlichen Rechtshandlung kann nicht in einen angefochtenen Teil und in einen nicht angefochtenen Teil aufgespalten werden. Insoweit geht auch der vom Landgericht auf Seite 9 der Entscheidungsgründe aufgeführte Drittvergleich fehl. Denn bei der Einzahlung eines Dritten auf das vom Schuldner angegebene Bankkonto hat der Dritte durch die Zahlung an die vom Schuldner genannte Empfangsbank auf dessen Konto befreiend geleistet. Die Bank ist um den gezahlten Betrag zunächst bereichert, den sie entsprechend der Giro-Vereinbarung auf das Konto des Gläubigers gutschreibt. Die Bank hat den Überweisungsbetrag von einem Dritten erhalten und diesen durch Gutschrift an den Gläubiger weitergeleitet. Im vorliegenden Fall fallen die Leistung des Dritten - hier der Bank zur Bezahlung der Transportleitung - und die Verrechnung auf dem Konto der Schuldnerin mit der Folge der Verringerung des Soll-Saldos zusammen. Durch den Akt der Gutschrift erfüllt die Bank sowohl die eigene Verbindlichkeit aus dem Transportvertrag als auch ihre Pflichten aus dem Girovertrag und der Kreditabrede. Die Anfechtung dieser Rechtshandlung erfasst einheitlich auch die Erfüllungshandlung hinsichtlich der Verbindlichkeit aus dem Transportvertrag. Damit ist die Summe der Einnahmen, die der Rückführung des Saldos dienten, um 49.286,42 € geringer anzusetzen, was zu einer entsprechenden Verminderung der Klageforderung führt. Diese Auslegung entspricht auch der Billigkeit. Denn die vertragstreue Bank, die einem finanziell schlecht gestellten Kunden Ansprüche aus Dienstvertrag vertragsgerecht erfüllt und damit Forderungen des Kunden unter Reduzierung des aktuell in Anspruch genommenen Kredits tilgt, darf im Insolvenzfall des Kunden nicht schlechter gestellt werden als eine Bank, die auf berechtigte, fällige Forderungen des Kunden nicht zahlt, um sich die Aufrechnungslage im Hinblick auf diese vertragwidrig nicht beglichene Forderung des Kunden zu erhalten.

Als Folge lebt die der Rechnung der Schuldnerin vom 5.11.2004 zugrunde liegende Forderung von 49.286,42 € wieder auf, die jedoch nicht streitgegenständlich ist und hinsichtlich derer im Hinblick auf die Leistungserbringung durch die Schuldnerin vor der Rechnungsstellung vom 5.11.2004 und damit vor Beginn des in § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO genannten Zeitraums die Aufrechnung nach den §§ 94, 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO in Betracht kommt.

4. Die Aufrechnung der Beklagte mit Bereicherungsansprüchen wegen der am 10.3.2005 an den Kläger vorgenommenen Zahlung über 12.515,57 € wegen der Kontoverfügungen vom 16.12.2004 bis 11.3.2005, in der Beträge zum Ausgleich der Verrechnungen vom 17.12.2004 über 2.668,-- € und vom 20.12.2004 über 5.788,40 € enthalten waren, greift nicht durch. a) Zwar hat die Anfechtung des Klägers aus den oben unter B.I.3 genannten Gründen zur Nichtigkeit der Kontoverrechnung und zum Wiederaufleben der Forderungen der Schuldnerin geführt. Die Zahlung der 12.515,57 € diente jedoch ersichtlich auch der Tilgung etwaiger Forderungen der Schuldnerin aus dem Transportvertrag. Die Beklagte hat sich sowohl in dem Schreiben vom 14.12.2006 (Anl. K 10) auf die Aufrechnung der wechselseitigen Ansprüche unter Hinweis auf die §§ 94, 96 InsO und die ursprünglich bestehende Aufrechnungslage berufen als auch in dem Schreiben vom 6.2.2007 (Anl. K 12), in dem sie angibt, dass aufgrund der zulässigen Aufrechnung die Beträge in Höhe von 49.286,42 €, 2.668,-- € und 5.788,40 € nicht zu berücksichtigen seien. Damit ist davon auszugehen, dass die Zahlung der 12.515,57 € auch der Tilgung der entsprechenden Forderungen der Schuldnerin über die Beträge von 2.668,-- € und 5.788,40 € dienten. b) Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, der Bereicherungsanspruch bleibe erhalten, weil die Zahlung erfolgt sei, obwohl eine Aufrechnungslage für die Beklagte gegeben sei, die der Kläger bestritten habe.

aa) Die Aufrechnungslage bleibt der Beklagten nach § 94 InsO hinsichtlich der Beträge von 2.668,-- € und 5.788,40 € nicht erhalten. Denn wird die Aufrechnungslage dadurch hergestellt, dass der Schuldner in der Krise einen Vertrag abschließt, der den Gläubiger befähigt, sich durch Aufrechnung mit einer uneinbringlichen Altforderung seiner durch den Vertrag begründeten Zahlungspflicht zu entziehen, führt die Anfechtung regelmäßig dazu, dass der Aufrechnung keine Rechtswirkung beigemessen wird, der Insolvenzverwalter mithin die Forderung aus dem Vertrag ohne Rücksicht auf die Altforderung durchsetzen kann (vgl. BGHZ 145, 253 ff.; 147, 236 f.). Ähnlich vollzieht sich die Anfechtung der Aufrechnung, wenn ein in unverdächtiger Zeit geschlossener Vertrag vom Schuldner erst in der Krise erfüllt und dem Gläubiger so ermöglicht wird, gegen den jetzt werthaltig gewordenen Anspruch des Schuldners mit einer Altforderung aufzurechnen. In einem solchen Fall kann der Insolvenzverwalter die vereinbarte Zahlung ohne Rücksicht auf die Aufrechnung einklagen (BGHZ 129, 343 f.; Eickmann-Kreft, InsO, 4. Aufl. § 129 Rn. 16).

bb) Hinsichtlich der am 17.12.2004 in Höhe von 2.668,-- € und am 20.12.2004 in Höhe von 5.788,40 € ausgeführten Gutschriften sind angesichts des Umstands, dass nach dem eigenen Vortrag der Beklagten "glaublich monatliche Abrechnung erfolgt sei" (Bl. 15 d. A.), und des zeitlichen Zusammenhangs Indizien für die Annahme dargetan, dass die zugrunde liegenden Leistungen nach dem 15.11.2004 und damit innerhalb des letzten Monats vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO erbracht worden sind. Gegenteilige Umstände hat die für die Voraussetzungen ihres Bereicherungsanspruchs beweispflichtige Beklagte nicht vorgetragen. Die Aufrechnungslage bleibt insoweit gemäß §§ 94, 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht erhalten. Die Beklagte hat auch eine wirksam bestehende Forderung aus Transportleistungen, deren Höhe unstreitig ist, geleistet.

II.

Der geltend gemacht Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291, 288 Abs. 1 Satz 2, 987 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2, 101 Abs. 1 ZPO. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar nach den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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