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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 05.08.2009
Aktenzeichen: 7 U 2055/09
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 89 b Abs. 1 Nr. 3
I. Der vom Versicherungsunternehmen überwiegend mitfinanzierte Barwert der Altersversorgung kann ungeachtet der Unwirksamkeit einer Regelung in den VVW-Bestimmungen (st. Rspr., vgl. BGH NJW 2003, 290) auf den Ausgleichsanspruch angerechnet werden, wenn und soweit die ungekürzte Zuerkennung des Ausgleichsanspruchs nach den Vorstellungen der Parteien sowie ihrem Verhalten während des Vertreterverhältnisses und unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unbillig wäre (st. Rspr., BGH NJW 2003, 1244; NJW 2003, 3351). Dies beurteilt sich nach § 89 b Abs.1 Nr. 3 HGB (vgl. auch Entscheidung des Senats vom 21.12.2005, VersR 2006, 1124).

II. Es bestehen keine überzeugenden Gründe von der in ständiger Rechtsprechung (seit BGH NJW 1966, 1962) hierfür herangezogenen Annahme einer "funktionellen Verwandtschaft" zwischen Altersversorgung und Ausgleichsanspruch abzurücken. Sinn und Zweck der unmittelbar nach Ausscheiden dem Versicherungsvertreter gewährten Altersversorgung ist die finanzielle Absicherung seines Lebensunterhalts. Diesem Zweck dient auch der Ausgleichsanspruch. Der Begriff der "funktionellen Verwandtschaft" setzt keine Identität oder Deckungsgleichheit der Ansprüche voraus, die gleichartige Zielrichtung ist ausreichend.

III. Eine andere rechtliche Beurteilung rechtfertigt auch die Möglichkeit des Widerrufs bzw. teilweisen Widerrufs der Versorgungszusage in Ziffer 8.1. der VVW-Bestimmungen nicht, da in diesen Fällen der Ausgleichsanspruch gem. Ziffer 8.2. der VVW -Bestimmungen in vollem Umfang verbleibt.

IV. Hat der Prinzipal einen überwiegenden Anteil an der Finanzierung der Altersversorgung übernommen, bestehen keine Zweifel daran, dass eine Doppelbelastung des Prinzipals eintreten würde, wenn er - wie vom Versicherungsvertreter beantragt - neben der auf seiner Leistung beruhenden Altersversorgung auch noch den Ausgleichsanspruch in voller Höhe leisten müsste.


Aktenzeichen: 7 U 2055/09

Verkündet am 5. August 2009

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erlässt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. K. und die Richter am Oberlandesgericht N. und E. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 05.08.2009 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Vorbehaltsurteil des Landgerichts München I vom 08.12.2008, Az: 14 HK O 24599/07, aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Anrechnung der von der Beklagten gewährten Altersversorgung auf den Anspruch des Klägers auf Versicherungsvertreterausgleich.

Von 1963 bis 1971 war der am geborene Kläger zunächst als Angestellter, ab 01.07.1971 für die Beklagte aufgrund Vertretungsvertrags vom 25.06.1971 als selbständiger Versicherungsvertreter (Generalvertreter) tätig. Wegen Erreichen des 65. Lebensjahrs endete die Tätigkeit des Klägers für die Beklagte am 31.12.2004. Seit dem 01.01.2005 erhält er aus der -Versorgungskasse, Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ( ), bei der der Kläger seit 1963 Mitglied war und in die sowohl er als auch die Beklagte bzw. deren Konzernmutter zugunsten des Klägers Beiträge leisteten, eine monatliche Rente in Höhe von derzeit 1.506,10 Euro. Darüber hinaus bezieht der Kläger vom Vertreterversorgungswerk ( ), einer rechtlich unselbständigen Untergliederung der Beklagten, eine monatliche Rente von derzeit 3.051,90 Euro.

Mit Schreiben vom 28.07.1971 hatte die Beklagte dem Kläger eine Versorgungszusage abgegeben, in dem sie bezüglich der Einzelheiten auf die Versorgungsbestimmungen 1966 verwies (Anlagen K 3, K 4). Am 01.12.1988 teilte die Beklagte dem Kläger den Stand der erreichten Alterssicherung mit und erklärte zugleich, dass diese Leistungen nach Maßgabe der beigefügten "Bestimmungen für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung der hauptberuflichen Vertreter, die ausschließlich für die Gesellschaften tätig sind" (VVW-Bestimmungen) gewährt würden. Ziffer 10. der VVW-Bestimmungen regelt die Anrechnung des Barwerts der Rente bzw. unverfallbaren Rentenanwartschaft auf den Ausgleichsanspruch, Ziffer 8. enthält Regelungen zum Widerrufsvorbehalt betreffend der Versorgungszusage. Zu den einzelnen Bestimmungen wird auf Anlage K 5 verwiesen.

Mit Schreiben vom 15.11.2005 forderte der Kläger die Beklagte auf, die Berechnungen des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b HGB vorzunehmen (Anlage K 1). Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 19.12.2005 mit, dass sich sein rechnerischer Ausgleichsanspruch auf 300.723,62 Euro beläuft, lehnte jedoch eine Auszahlung mit der Begründung ab, dass auf diesen Betrag der Barwert der dem Kläger gewährten Alterversorgung in Höhe von 532.890,00 Euro anzurechnen sei.

Der Kläger macht mit der Klage einen Anspruch auf Versicherungsvertreterausgleich in der von der Beklagten errechneten Höhe geltend. Er ist der Auffassung, eine Anrechnung des Barwerts der Alterversorgung käme nicht in Betracht, weil sie unbillig sei. Die Beklagte habe insbesondere wegen der steuerlichen Vorteile faktisch keine Beiträge für seine Altersvorsorge erbracht, er habe von der Beklagten während seiner Tätigkeit geringere Provisionssätze erhalten als in Konkurrenzunternehmen üblich. Diese habe er im Hinblick auf die gute Altersvorsorge akzeptiert. Die Altersvorsorge habe deshalb Provisionscharakter. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Lebenserwartung von Versicherungsvertretern um 8,5 Jahre unter der durchschnittlichen läge, dass die Altersversorgung einseitig durch die Beklagte entzogen/gemindert werden könne und im Falle der Nichtanrechnung keine Doppelbelastung der Beklagten vorläge.

Der Kläger beantragte deshalb in erster Instanz die Beklagte zur Zahlung von 300.723,62 Euro und 3.563,34 Euro außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten zu verurteilen.

Die Beklagte begehrte Klageabweisung und rechnete hilfsweise mit einem Rückzahlungsanspruch aus der VVW-Rente, die der Kläger bislang erhalten hat, in Höhe von 141.816,90 Euro auf. Sie ist der Auffassung, der Kläger habe durch ausdrückliche Annahme der Versorgungszusage vom 01.12.1988, der die VVW-Bestimmungen beigefügt waren, zu erkennen gegeben, dass er mit der Anrechnung einverstanden ist. Dies entspreche auch der Billigkeit, da sie ansonsten doppelt belastet würde.

Das Landgericht hat durch Vorbehaltsurteil dem Kläger den begehrten Ausgleichsanspruch in voller Höhe zuerkannt. Es ist dabei zunächst davon ausgegangen, das die Anrechnungsregelungen in den VVW-Bestimmungen wegen Verstoßes gegen § 89 b Abs. 4 HGB i.V.m. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam seien. Außerdem vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit nach § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB eine Anrechnung des Barwerts der Altersversorgung auf den Ausgleichsanspruch nicht möglich sei. Es folgte dabei der Rechtsprechung des BGH, der maßgeblich auf die funktionelle Verwandtschaft zwischen beiden Ansprüchen abstellt, ausdrücklich nicht und führte näher aus, dass entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung Barabfindung und Barwert der Rente grundverschieden seien. Der Ausgleichsanspruch sei multifunktional, die Altersversorgung monofunktional. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Rente trotz Unverfallbarkeit nachträglich gekürzt oder entzogen werden könne, wohingegen der Ausgleichsanspruch feststünde. Auch sei der vom BGH herangezogene Aspekt, dass es bei Nichtanrechnung des Barwerts der Rente zu einer Doppelbelastung des Prinzipals kommen würde, im vorliegenden Fall nicht einschlägig, da sich die Beklagte gegen diese Gefahr doppelt abgesichert habe. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände entspreche es daher der Billigkeit, dass der Kläger den Ausgleichsanspruch ungekürzt um den Barwert der Altersversorgung geltend machen könne.

Hiergegen wendet sich die Beklagte in ihrer Berufung, die im wesentlichen die Abweichung des landgerichtlichen Urteils von der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Anrechnung des Barwerts der Rente auf den Versicherungsvertreterausgleich rügt. Die vom Landgericht herangezogenen Überlegungen zur funktionellen Verwandtschaft der Altersvorsorge und des Ausgleichsanspruchs seien fehlerhaft, ebenso das Verständnis des einseitigen Widerrufs-, Entziehungs- und Kürzungsrechts der Beklagten bezüglich der Rente in den VVW-Bestimmungen. Dies gelte auch für die Ausführungen zur Doppelbelastung des Prinzipals.

Die Beklagte beantragt daher die Aufhebung des erstinstanzlichen Vorbehaltsurteils und Abweisung der Klage.

Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Berufung.

Er ist der Auffassung das landgerichtliche Urteil sei richtig, insbesondere habe das Erstgericht die Frage der "funktionellen Verwandtschaft" und der Doppelbelastung zutreffend beurteilt. Hinzu käme, dass die Berechnung des Rentenbarwerts durch die Beklagte nicht nachvollziehbar sei.

Der Senat hat mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 05.08.2009 die Sach- und Rechtslage umfassend erörtert. Auf die Protokolle der Sitzung und der mündlichen Verhandlungen in erster Instanz wird ergänzend ebenso verwiesen, wie auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten erweist sich in der Sache als erfolgreich. Das Landgericht hat zu Unrecht und mit nicht zutreffenden Erwägungen eine Anrechnung des Barwerts der Altersversorgung auf den Ausgleichsanspruch im vorliegenden Fall verneint. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts im angegriffenen Vorbehaltsurteil vom 08.12.2008, wonach dem Kläger der geltend gemachte Handelsvertreterausgleich in Höhe von 300.723,62 Euro zusteht, weil bei Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit nach § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB eine Anrechnung des Barwerts der Altersversorgung auf den Ausgleichsanspruch nicht zu erfolgen habe, nicht.

Voranzustellen ist zunächst, dass eine bindende Vereinbarung zwischen den Parteien darüber, dass der Barwert der von der Beklagten zu gewährenden Versorgungsleistungen auf den Ausgleichsanspruch des Klägers anzurechnen sei, nicht besteht. Die diesbezüglichen Regelungen in Ziffer 10. der VVW-Bestimmungen verstoßen - wie das Erstgericht zutreffend feststellte - gegen § 89 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 HGB i.V.m. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und sind daher unwirksam (st. Rspr., vgl. BGH NJW 2003, 240; NJW 2003, 1244). Dies wird von der Beklagten in der Berufung auch nicht angegriffen.

Im Ansatz richtig gesehen hat das Landgericht auch, dass nach ständiger Rechtsprechung des BGH dennoch eine Anrechnung der vom Versicherungsunternehmen finanzierten Altersversorgung auf den Ausgleichsanspruch in Betracht kommen kann, wenn und soweit die ungekürzte Zuerkennung des Ausgleichsanspruch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls unbillig wäre (vgl. BGHZ 45, 268; NJW 2003, 1244; vgl. auch Entscheidungen des Senats vom 21.12.2005, Az: 7 U 2941/05 - VersR 2006, 1124 - und vom 21.07.2004, Az: 7 U 1800/04). Dabei beurteilt sich die Frage, ob die Altersversorgung zu berücksichtigen ist, im Rahmen der Vorschrift des § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB.

Festzustellen ist, dass die Parteien durch ihr Einverständnis mit der Regelung zum Ausdruck gebracht haben, was sie für der Billigkeit entsprechend erachten. Dabei kommt es auf die rechtliche Wirksamkeit der Vereinbarung selbst nicht an. Der Kläger hat mehrfach sein Einverständnis mit der Anrechnungsregelung erklärt und war bei der ihm eröffneten Wahlmöglichkeit mit der Regelung ausdrücklich einverstanden. Er hat sie zum damaligen Zeitpunkt und auch in den Folgejahren nicht als unbillig angesehen. Dieser Umstand ist auch im vorliegenden Fall im Rahmen der zu treffenden Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen. Maßgeblich ist dabei, was die Parteien bei Abschluss der Vereinbarung und während der Dauer der Vertragslaufzeit für der Billigkeit entsprechend angesehen haben und nicht die Tatsache, dass der Kläger nunmehr - nach Vertragsbeendigung - die Vereinbarung über die Anrechenbarkeit des Barwerts der Rente als unangemessen und unbillig erachtet.

In ständiger Rechtsprechung hat der BGH bei der nach § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB vorzunehmenden Billigkeitsprüfung die grundsätzliche Zulässigkeit der Anrechnung des Barwert der Rente auf den Ausgleichsanspruch auf zwei Erwägungen gestützt. Nämlich zum Einen auf die "funktionelle Verwandtschaft" zwischen Ausgleichsanspruch und Altersversorgung, die insbesondere dann bejaht worden ist, wenn - wie vorliegend die Altersversorgung dem Versicherungsvertreter gewährt wird, der wegen Erreichung der Altersgrenze aus seiner Tätigkeit ausscheidet (BGH NJW 1966, 2188; NJW 1982, 1814). Und zum anderen die andernfalls mögliche unbillige Doppelbelastung des Prinzipals.

In Abweichung von dieser gefestigten Rechtsprechung des BGH und mit nicht überzeugenden, im Ergebnis nicht zutreffenden Erwägungen wendet sich das Erstgericht gegen die Annahme einer "funktionellen Verwandtschaft" zwischen Altersversorgung und Ausgleichsanspruch im Allgemeinen und für den vorliegenden Fall im Besonderen ausdrücklich und lehnt bereits deshalb eine Anrechnung ab. Das Landgericht ist der Auffassung, der Anspruch auf Barabfindung und der Barwert der Rente seien funktionell grundverschieden. Der Ausgleichsanspruch sei multifunktional, da der Handelsvertreter über ihn frei verfügen könne, wohingegen die Altersversorgung rein monofunktional, nämlich nur und einzig zur Alterssicherung diene. Dem ist nicht zu folgen. Der Senat sieht keine überzeugenden Gründe, von dem Gedanken der "funktionellen Verwandtschaft" - wie ihn der BGH in ständiger Rechtsprechung seit der Entscheidung aus dem Jahre 1966 (NJW 1966, 1962) zu Grunde legt - abzurücken. In der zitierten Entscheidung erkennt der BGH an, dass der Ausgleichsanspruch zwar rechtlich kein Versorgungsanspruch, sondern ein Entgelt für frühere Dienstleistungen ist. Er sieht jedoch andererseits, dass er dem Vertreter, der wegen der Erreichung der Altersgrenze aus seiner Tätigkeit ausscheidet, tatsächlich doch zur Sicherung seiner Altersversorgung dient. Sinn und Zweck der dem Kläger, der unstreitig mit Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand trat, gewährten Altersversorgung ist die finanzielle Absicherung seines Lebensunterhalts nach Vertragsbeendigung. Diesem Zweck dient im vorliegenden Fall, in dem es keine Fälligkeitsdifferenz zwischen beiden Ansprüchen gibt, auch der Ausgleichsanspruch (vgl. OLG München OLG Report 2001, 168). Der Begriff der "funktionellen Verwandtschaft" ist gerade nicht so zu verstehen, dass Identität und Deckungsgleichheit beider Ansprüche gegeben sein muss, sondern eine gleichartige Zielrichtung ausreichend sein kann. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 22.08.1995 (NJW 1996, 381) klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sich der "Gesetzgeber mit der Einführung des Ausgleichs auch dafür entschieden (habe), einen Beitrag zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation und sozialen Absicherung von Handelsvertretern zu leisten". Zudem verweist auch der BGH in der oben zitierten Entscheidung auf die Motive des Gesetzgebers bei der Einführung des Ausgleichsanspruchs, der soziale Erwägungen, finanzielle Absicherung des Alters, für relevant erachtete (vgl. BT. Drs. 1. Wahlperiode, S. 14207).

Entgegen der Auffassung des Klägers und des Landgerichts steht die Möglichkeit der Kürzung bzw. des Entzugs der Rente einer Anrechnung nicht entgegen. Soweit sich die Beklagte in Ziffer. 8.1 der VVW-Bestimmungen den Widerruf bzw. den teilweisen Widerruf der Versorgungszusage bei wesentlicher Veränderung ihrer wirtschaftlichen Lage oder (steuer-)rechtlichen Behandlung der Versorgungsaufwendungen vorbehalten hat, ist zu berücksichtigen, dass der Kläger vor einer Insolvenz der Beklagten zunächst einen unabdingbaren Schutz genießt, und ferner, dass ihm in allen Widerrufsfällen der Ausgleichsanspruch gem. Ziffer 8.2. in vollem Umfang verbleibt (vgl. BGH NJW 1966, 1962, VersR 1984, 185, OLG München 23. Senat, Entscheidung vom 30.06.2005, Az: 23 U 2382/05). Danach wird der Versicherungsvertreter so gestellt, wie wenn der Ausgleichsanspruch fristgerecht geltend gemacht worden wäre. Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung, wonach diese Klausel den Verjährungseinwand nicht ausschließen würde, geht der Senat davon aus, dass ein solcher Einwand eine unzulässige Rechtsausübung darstellte (vgl. BGH VersR 1984, 184). Nach all dem fällt der Hinweis des Klägers auf die Widerruflichkeit der Versorgungszusage bei den Billigkeitserwägungen nicht ins Gewicht. Unabhängig von der möglichen Unverfallbarkeit nach den Vorschriften des BetrAVG kommt hinzu, dass der Kläger keine konkreten Tatsachen vortragen konnte, die den Widerruf der Versorgungszusage und die Zahlungsunfähigkeit der Beklagten als wahrscheinlich erscheinen lassen.

Die im landgerichtlichen Urteil dargestellten Erwägungen zur Frage der Doppelbelastung des Prinzipals bei Gewährung der Altersversorgung und Zahlung des Versicherungsvertreterausgleichs überzeugen nicht und sind insbesondere insofern nicht nachvollziehbar, als das Landgericht eine "doppelte Absicherung" der Beklagten gegen die Gefahr der Doppelbelastung als Begründung heranzog.

Mit der Finanzierung der Altersversorgung durch den Unternehmer übernimmt dieser eine dem Handelsvertreter obliegende Aufgabe, der anderenfalls die dafür erforderlichen Aufwendungen aus seinen laufenden Einkünften bestreiten müsste. Im Regelfall ist daher eine solche Altersversorgung auf den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB anzurechnen, um eine Doppelbelastung des Unternehmers zu vermeiden (vgl. BGH NJW 2003, 1244; NJW 2003, 3351). Das beruht auf der Erwägung, dass Ausgleich und Rente ihre Grundlage in demselben Vertragsverhältnis haben, dass die Altersversorgung dazu dient, den praktischen Zweck einer Ausgleichszahlung zu übernehmen und dass deshalb das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im Rahmen ein und desselben Vertragsverhältnisses zu Lasten des Unternehmers unangemessen gestört wäre, wenn er neben der Versorgungszusage auch noch den Ausgleichsanspruch in voller Höhe erfüllen müsste (vgl. BGH VersR 1984, 184, Entscheidung des 7. Senats vom 21.12.2005 a.a.O). Dies gilt auch im vorliegenden Fall, weil der Kläger den Ausgleichsanspruch geltend macht ohne sich die Rentenleistungen anrechnen lassen zu wollen. Vor diesem Hintergrund kann Ziffer 10.2 der VVW-Bestimmungen nicht als Argument gegen eine Doppelbelastung der Beklagten herangezogen werden.

Der Senat verkennt nicht, dass nach übereinstimmendem Vortrag der Parteien, der Kläger einen eigenen Anteil an der Finanzierung der Altersversorgung geleistet hat. Da jedoch die Beklagte - vom Kläger nicht substantiiert bestritten - eine überwiegenden Anteil an der Finanzierung der Altersversorgung übernommen hat, gibt es keinen Zweifel, dass hinsichtlich dieser Leistung eine Doppelbelastung des Prinzipals eintreten würde, wenn er neben der auf ihrer Leistung beruhenden Altersversorgung auch noch den Ausgleichsanspruch in voller Höhe leisten müsste.

Soweit der Kläger meint, er habe faktisch die Beiträge zur Altersversorgung geleistet, da er während der Vertretertätigkeit geringere Provisionen als andere Versicherungsvertreter erhalten habe, kann dies eine andere rechtliche Beurteilung nicht rechtfertigen. Für den Schluss des Klägers, aus dem Provisionsgefälle seien Leistungen zum Zwecke der Altersversorgung geflossen, fehlen konkrete Anhaltspunkte und hinreichender Sachvortrag. Der Kläger hätte insbesondere darlegen müssen, dass und inwieweit die niedrigeren Provisionen gerade auch nach den Vorstellungen beider Vertragspartner der Finanzierung der Altersversorgung, auf die er bei Abschluss des Versicherungsvertretervertrags noch keinen Anspruch hatte, gedient haben (OLG München, Entscheidung vom 21.12.2005 a.a.O.). Den Kläger trifft die Darlegungs- und Beweislast hierfür in vollem Umfang. Hinzu kommt, dass es in unserem Wirtschafts- und Rechtssystem keine "richtigen" Provisionen gibt. Die vertraglich vereinbarten Provisionen hat der Kläger in der Vergangenheit vollständig und in der Höhe von ihm unbeanstandet erhalten. Diesbezüglich kann ergänzend auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil verwiesen werden.

Ergänzend und der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die jetzigen Rentenzahlungen auch dann von der Beklagten finanzierte bleiben, wenn diese in der Vergangenheit steuerliche Vorteile aus dieser Finanzierung der Altersversorgung gezogen haben sollte. Diese Beurteilung entspricht ebenfalls gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 1966, 1962).

Schließlich bestehen auch gegen die Höhe des Barwerts der Rente keine durchgreifenden Bedenken. Die Höhe des Ausgleichsanspruchs ist unbestritten, die Höhe des Barwerts der Rente ist entgegen der Auffassung des Klägers nachvollziehbar, plausibel und detailliert dargelegt. Die Beklagte hat den vom Kläger mitfinanzierten Anteil der Rente berücksichtigt und bei der Berechnung nur den Barwert zu Grunde gelegt, der ihrem eigenen Finanzierungsanteil entspricht, d.h. 61,5 %. Angesichts der ausführlich dargelegten Berechnungsmethode und -parameter und auch in Hinblick auf die allgemein zugängliche Anlage 9 a zu § 13 BewG ("Kapitalwert einer wiederkehrenden, zeitlich beschränkten Nutzung oder Leistung im Jahresbetrag von einem Euro"), der bei der Schlüssigkeitsprüfung der Barwertberechnung im vorliegenden Fall dem Grunde nach herangezogen werden kann und die das Ergebnis der Barwertberechnung der Beklagten stützt, wäre es dem Kläger oblegen, konkrete Einwände, die die Berechnung der Beklagten zu erschüttern vermögen, zu erheben. Es ergeben sich aus den lediglich pauschalen Einwänden des Klägers auch nicht annähernde Anhaltspunkte dafür, dass der Barwert der Rente geringer sein kann als der (unstrittige) Ausgleichsanspruch. Hinzu kommt, dass bei der zu leistenden Altersversorgung auch die - bei Vorversterben des Versicherungsvertreters - ggf. zu leistende Witwenrente in Betracht zu ziehen wäre. Soweit der Kläger gegen die Berechnung des Barwerts der Rente konkret einwendet, die Lebenserwartung von Versicherungsvertretern sei geringer als die durchschnittliche, so dass bei der Ermittlung des Barwerts diese zu Grunde zu legen gewesen wäre, kann auch das ihm nicht zum Erfolg verhelfen. Unabhängig davon, ob es tragende und belegbare Faktoren für die Ermittlung der durchschnittlichen Lebenserwartung von Versicherungsvertretern/Handelsvertretern gibt und diese bei der Berechnung herangezogen werden können, ist auf diese Fragestellung der BGH bereits in seiner Entscheidung vom 23.05.1966 (NJW 1966, 1962) eingegangen. Der BGH sah die Bewertung der Rente nach der durchschnittlichen Lebenserwartung für sachdienlich und angemessen an, da lebenslängliche Rentenbezüge nach der Natur der Sache nicht anders bewertet werden könnten. Wie im vorliegenden Fall hat auch im dort entschiedenen Verfahren der Kläger keine Tatsachen vorgetragen, dass etwa besondere in seiner Person liegende Umstände die Zugrundelegung der durchschnittlichen Lebenserwartung nicht als gerechtfertigt und billig erscheinen ließen.

Nach all dem entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit, den Barwert der Altersversorgung auf den unstreitigen Ausgleichsanspruch des Klägers anzurechnen. Dies hat zur Folge, dass dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung von Versicherungsvertreterausgleich gegen die Beklagte mehr zusteht. Deshalb erweist sich die Berufung der Beklagten gegen das Vorbehaltsurteil des Landgerichts München I als erfolgreich. Die Klage ist unbegründet.

Kosten: § 91 ZPO

vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht. Der Senat hält mit seiner Entscheidung an den in ständiger Rechtsprechung des BGH entwickelten Grundsätzen zur Anrechnung des Barwerts der Altersversorgung auf den Versicherungsvertreterausgleich fest.

Ende der Entscheidung

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