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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 23.07.2008
Aktenzeichen: 7 U 2446/08
Rechtsgebiete: HGB, BGB
Vorschriften:
HGB § 438 Abs. 4 | |
HGB § 439 Abs. 3 | |
BGB § 126 b |
Für eine Auslegung der Norm dahingehend, dass entgegen ihrem Wortlaut eine Erklärung in Textform ausreichend ist, oder für eine analoge Anwendung der §§ 438 Abs. 4 HGB, 126 b BGB besteht kein Raum.
Aktenzeichen: 7 U 2446/08
Verkündet am: 23. Juli 2008
Im Namen des Volkes Urteil
In dem Rechtsstreit
wegen Forderung
erlässt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.07.2008 folgendes Endurteil:
Tenor:
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 12.02.2008, 16 HK O 18599/07 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aufgrund Transportschadens. Die Klägerin ist zu 60% Versicherer der D. S. GmbH & Co. KG, weitere 40% werden durch die H. Versicherungs-AG gedeckt (vgl. Anlage K 1). Die Versicherungsnehmerin der Klägerin hatte die Fa. N. GmbH & Co. KG mit der Durchführung des Transportes eines Containers mit Chemikalien von Großbritannien zur M. S. GmbH nach M. beauftragt. Die Firma N. beauftragte ihrerseits die Beklagte mit der Durchführung des Transports auf einer Teilstrecke. Die Beklagte lieferte am 05.04.2006 die streitgegenständliche Ladung beim Empfänger ab. Bei der Entladung stürzte der Container von der Ladebordwand.
Mit e-mail vom 08.01.2007 (Anlage K 5) teilte eine Mitarbeiterin der Fa. N. der Beklagten unter Verweis auf eine Haftbarerklärung vom 06.04.2006 den Schaden mit und bat um eine direkte Schadensabwicklung zwischen Anspruchssteller und der Beklagten.
Die Klägerin hat in erster Instanz vortragen lassen, durch den Sturz des Containers von der Ladefläche sei Totalschaden entstanden, da die Chemikalie ausgelaufen sei und Feuchtigkeit gezogen habe. Die Höhe des Schadens belaufe sich auf 7.602,00 Euro. Sie sei zur Geltendmachung des Schadens als führende Versicherung aktivlegitimiert. Zudem sei der Schaden reguliert. Die Beklagte sei zum Schadensersatz verpflichtet, da der Transport noch nicht beendet gewesen sei, als der Schaden eingetreten sei. Zum Transport hätte das Absenken der Ware vom LKW gehört. Die Beklagte sei durch e-mail vom 06.04.2006 haftbar gemacht worden. Spätestens mit der e-mail vom 08.01.2007 sei die Verjährung gehemmt.
Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin und erhebt die Einrede der Verjährung, da sie der Ansicht ist, die Erklärungen in der e-mail vom 08.01.2007 entsprechen nicht den eine Verjährungshemmung auslösenden Formvorschriften nach § 439 Abs. 3 HGB. Sie ist weiter der Auffassung, eine Haftung der Beklagten sei ausgeschlossen, da der Schaden erst nach Beendigung des Transports eingetreten sei. Die Sendung, die ein Gewicht von über 1,4 Tonnen gehabt habe, hätte zudem gesondert gekennzeichnet werden müssen, sie sei im Hinblick auf das Gewicht auch nicht ausreichend verpackt gewesen.
Das Landgericht hat die Klage aus mehreren Gründen abgewiesen. Es hat die Aktivlegitimation der Klägerin als nicht hinreichend nachgewiesen erachtet. So sah es durch die vorgelegte Kopie eines Verrechnungsschecks vom 27.04.2006 (Anlage K 4) einen Nachweis für die Schadensregulierung als nicht erbracht an. Außerdem war es der Auffassung, die Klägerin habe nicht ausreichend dargelegt und bewiesen, dass der Versicherungsvertrag zum streitgegenständlichen Zeitpunkt noch bestand. Zudem sah das Erstgericht die Forderung gem. § 439 Abs. 1 S. 1 HGB als verjährt an. Eine Hemmung der Verjährung sei nicht eingetreten, da die e-mail (Anlage K 5) dem Schriftformerfordernis des § 439 Abs. 3 HGB nicht genüge. Eine analoge Anwendung des § 438 Abs. 4 HGB, der für die Schadensanzeige die Textform als ausreichend ansehe, komme angesichts des klaren Wortslauts des § 439 Abs. 3 HGB nicht in Betracht. Es fehle an einer planwidrigen Regelungslücke, zudem erscheine aus Gründen der Rechtssicherheit und wegen der Bedeutung der Verjährungshemmung das Schriftformerfordernis sinnvoll. Schließlich lehnte das Erstgericht eine Haftung der Beklagten nach § 425 Abs. 1 HGB auch deshalb ab, weil der Schaden erst nach Ablieferung entstanden sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihren Anspruch auf Schadensersatz weiterverfolgt. Das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft, nämlich ohne Hinweis, ihre Aktivlegitimation verneint. Die Klägerin trägt unter Beweisangeboten vor, sie sei aktivlegitimiert, da der Versicherungsvertrag ungekündigt fortbestanden habe, die Schadensregulierung erfolgt sei, nach § 67 VVG eine konkludente Forderungsabtretung stattgefunden habe und sie als führende Versicherung zur Geltendmachung des Schadens berechtigt sei. Verjährung sei nicht eingetreten, das Landgericht habe die Vorschrift des § 439 Abs. 3 HGB verkannt. Bei der Formulierung des § 439 Abs. 3 HGB handle es sich um ein redaktionelles Versehen. Wenn schon die Schadensanzeige, die im Rahmen des Vertragsverhältnisses gravierend ist, die Textform genügen lässt, so sei es nur folgerichtig, dass für die Haftbarmachung nach § 439 Abs. 3 HGB, die lediglich zu einer Verjährungshemmung eines bereits bestehenden Anspruchs führe, ebenfalls die Textform ausreiche. Zudem sei es im Fracht- und Speditionsgewerbe üblich, dass eine Vielzahl von Haftbarmachungen nur noch per e-mail erfolgten. Damit sei die Verjährung durch die e-mail vom 08.01.2007 gehemmt. Die Beklagte hafte für den Schaden, da dieser in ihrer Obhut entstanden sei, ein Haftungsausschluss aufgrund des hohen Gewichts des Gutes komme nicht in Betracht.
Die Beklagte hält das landgerichtliche Urteil für zutreffend. Sie ist der Auffassung, der Vortrag der Klägerin bezüglich der Aktivlegitimation und die hierzu angebotenen Beweise seien als verspätet zurückzuweisen. Das Landgericht habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die geltend gemachten Ansprüche verjährt seien. Für eine teleologische Auslegung dahingehend, dass entgegen dem Wortlaut die Hemmung der Verjährung nach § 439 Abs. 3 HGB auch durch Erklärung mittels Textform eintreten könne, bestehe kein Raum. Zutreffend habe das Landgericht eine Haftung der Beklagten auch deshalb ausgeschlossen, weil der Schaden nach Beendigung des Transports eingetreten sei und Haftungsausschlüsse eingriffen.
Der Senat hat mit den Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.07.2008 die Sach- und Rechtslage umfassend erörtert. Auf das Protokoll der Sitzung wird verwiesen. Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin erweist sich als nicht begründet. Wie das Landgericht zutreffend feststellte, steht der Klägerin der geltend gemachte Schadensersatzanspruch schon deshalb nicht zu, weil die Forderung gem. § 439 Abs. 1 S. 1 HGB verjährt ist.
Die einjährige Verjährungsfrist ist am 05.04.2007 eingetreten, ohne dass zuvor eine Hemmung erfolgte. Zutreffend gesehen hat das Erstgericht, dass die Verjährung insbesondere nicht durch die e-mail vom 08.01.2007 (Anlage K 5) gehemmt wurde, da diese nicht dem in § 439 Abs. 3 HGB ausdrücklich normierten Schriftformerfordernis genügte. Im Gegensatz zur Regelung des § 438 Abs. 4 HGB, der für die Schadensanzeige explizit die Schadensanzeige in Textform, d.h. auch mittels e-mail, ausreichend sein lässt, verlangt § 439 Abs. 3 HGB für die verjährungshemmende Erklärung die Schriftform.
Für eine Auslegung dahingehend, dass die Norm - entgegen ihrem Wortlaut - eine Erklärung in Textform ausreichen lässt, oder für eine analoge Anwendung der §§ 438 Abs. 4 HGB, 126 b GBG besteht kein Raum.
Ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers liegt unter Würdigung der Gesetzgebungsverfahren und der Begründungen der maßgeblichen Gesetzentwürfe zur Änderung insbesondere der §§ 438, 439 HGB; 126, 126 a, 126 b BGB nicht vor. Vielmehr ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, dass der Gesetzgeber bewusst unterschiedliche Formerfordernisse für die Schadensanzeige (§ 438 HGB) und die verjährungshemmende Erklärung nach § 439 HGB festlegen wollte. Bereits im Gesetz zur Neuregelung des Fracht-, Speditions- und Lagerrechts (Transportrechtsreformgesetz - TRG, BGBl. 1998 I 1588) vom 25.06.1998 erfolgte die Ausgestaltung des § 438 Abs. 4 HGB dahingehend, dass eine Schadensanzeige nach Ablieferung zwar grundsätzlich schriftlich zu erstatten ist, die Übermittlung jedoch auch mit Hilfe einer telekommunikativen Einrichtung erfolgen kann und es dann einer Unterschrift nicht bedarf, wenn aus der Anzeige der Aussteller in anderer Weise erkennbar ist. Hingegen sieht § 439 Abs. 3 HGB nach wie vor ausdrücklich Schriftform ohne Ausnahme vor. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT Drs. 13/8445, S. 79) zu § 439 HGB sollte die Verjährung auch künftig durch schriftliche Erklärung des Absenders oder Empfängers, durch die diese Ersatzansprüche erheben, gehemmt werden. Auch die weitere Änderung des § 438 Abs. 4 HGB im Zuge des Gesetzes zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13.07.2001 (BGBl. 2001 I 1542) hält an diesen unterschiedlichen Formerfordernissen fest. Durch das Gesetz wurde in § 126 b BGB ein neuer Formtyp, nämlich der der lesbaren, aber unterschriftslosen Erklärung eingeführt und die Zulässigkeit der Textform in einzeln aufgelisteten Normen ausdrücklich geregelt. Hierzu gehört auch die Vorschrift des § 438 Abs. 4 HGB, die ausweislich der Gesetzesbegründung bereits durch das Transportrechtsreformgesetz einen entsprechenden Inhalt erfahren hat, so dass die Intention der bislang geltenden Bestimmung beibehalten und lediglich eine Anpassung an die neu geregelte Textform des § 126 b BGB vorgenommen wurde. Eine Änderung des § 439 Abs. 3 HGB erfolgte nicht. Von einer planwidrigen Regelungslücke, die eine analoge Anwendung des § 438 Abs. 4 HGB, § 126 b BGB begründen könnte, kann nach der Gesetzesgenese nicht die Rede sein. Dass der Gesetzgeber in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 126 b BGB (BT Drs. 14/4987, S. 18) eine Überprüfung weiterer Normen dahingehend, ob sie sich für die Einführung der Textform eignen, in Aussicht stellte, lässt erkennen, dass er sich diesbezügliche gesetzliche Regelungen vorbehält. Gerade dies steht einer Auslegung einzelner Vorschriften dahingehend, dass statt der normierten Schriftform die Textform ausreichend sein soll, grundsätzlich entgegen.
Schließlich begründet auch die teleologische Auslegung, d.h. die Auslegung nach Sinn und Zweck des Gesetzes, kein anderes Ergebnis. Unterschiedliche Formerfordernisse sind - wie das Erstgericht mit zutreffender Argumentation feststellte - hinsichtlich der in § 438 HGB geregelten Schadensanzeige einerseits und der eine Hemmung der Verjährungsfrist auslösenden Erklärung nach § 439 HGB andererseits durchaus sinnvoll. Die Textform soll nämlich insbesondere in den Fällen ausreichen, in denen das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift unangemessen und verkehrserschwerend wäre. Dies ist vorallem bei Vorgängen ohne erhebliche Beweiswirkung und bei nicht erheblichen oder rückgängig zu machenden Rechtsfolgen einer der Schriftform unterworfenen Erklärung der Fall, also in den Fällen, in denen der Beweis- oder der Klarstellungsfunktion der Unterschrift (vgl. Palandt, BGB, 67. Auflage, § 126 Rdnr. 5) ohnehin kaum Bedeutung zukommt. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Beweiswirkung bezüglich der Auslösung der Verjährungshemmung, die bis zur schriftlichen Ablehnung des Anspruchs durch den Frachtführer dauert, kommt der Erklärung nach § 439 HGB eine solche besondere Bedeutung durchaus zu. Diese ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht als weniger gravierend als die Schadensanzeige des § 438 HGB anzusehen. Abweichend von der schlichten Schadensanzeige des § 438 HGB verlangt die Haftbarmachung des § 439 Abs. 3 HGB, dass dem Frachtführer durch ein Anspruchsschreiben unzweideutig klargemacht wird, er müsse für den entstandenen Transportschaden einstehen. Die Haftbarmachung muss gegenüber dem Frachtführer erfolgen, sie muss sich auf ein konkretes Schadensereignis beziehen und die Person des Anspruchstellers unzweideutig ausweisen (vgl. Ebenroth, Boujong, Joost HGB, Kommentar Band 2, 2001, § 439 Rdrn. 24, 25, m.w.N.). Damit sind an die Erklärung nach § 439 HGB keinesfalls geringere Anforderungen gestellt, als an die Schadensanzeige nach § 438 HGB, die allenfalls den von der Klägerin angewandten Umkehrschluss, dass die einfachere Textform erst recht für die Erklärung nach § 439 HGB gelten müsse, rechtfertigen würden. Es besteht daher auch kein sachlicher Grund die ausdrücklich normierte Schriftform, die im übrigen für die Ablehnungserklärung des Frachtführers ebenfalls explizit festgelegt ist, durch die Textform zu ersetzen.
Nach alldem vermag der Senat der von der Klägerin zitierten Kommentierung bei Koller (Transportrecht, 6. Auflage, 2007, § 439 Rdnr. 33), der die Auffassung vertritt, es seien §§ 438 Abs. 4 HGB, 126 b BGB analog heranzuziehen, nicht zu folgen (vgl. auch Ebenroth, Boujong, Joost HGB, Kommentar Band 2, 2001, § 439 Rdrn. 24, 25, m.w.N., Andresen/Valder Speditions-, Fracht- und Lagerrecht, Handbuch des Transportrechts, 2000, § 439 Rdnr. 29; Fremuth/Thume Kommentar zum Transportrecht, 2000, § 438 Rdnr. 24, 25; § 439 Rdnr. 29).
Auf die weiteren Fragen, ob die Klägerin aktivlegitimiert ist, der Schaden vor oder nach der Ablieferung entstand, wie hoch der Schaden ist, ob eine Haftung wegen fehlender Kennzeichnung der Ware als besonders schwer ausgeschlossen ist und ob ein Verpackungsmangel vorlag, ist angesichts der eingetretenen Verjährung nicht mehr einzugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu, weil sich die Auswirkungen der Entscheidung im Wesentlichen in einer Regelung der Beziehungen zwischen den Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits erschöpfen. Eine Zulassung der Revision ist gleichfalls zur Fortbildung des Rechts nicht erforderlich. Die vorliegende Entscheidung ist das Ergebnis der Anwendung anerkannter Methoden der Auslegung auf einen Einzelfall. Schließlich ist die Zulassung auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten, insbesondere weicht die Entscheidung nicht von vergleichbaren Entscheidungen höher- oder gleichrangiger Gerichte ab.
Ende der Entscheidung
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