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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 22.10.2003
Aktenzeichen: 7 U 2721/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, GKG


Vorschriften:

ZPO § 301
ZPO § 301 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 538 Abs. 2 Ziff. 7
BGB § 133
BGB § 157
GKG § 8 Abs. 1
1. Stimmt der Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft gegen einen von der Mehrheit der Gesellschafter vorgeschlagenen Beschluß über die Vergütung des persönlich haftenden Gesellschafters und wird deshalb das gesellschaftsvertraglich vorgeschriebene Quorum nicht erreicht, so ist die Versagung der Zustimmung nur dann unbeachtlich, wenn die mehrheitlich vorgeschlagene Vergütung im untersten Bereich des nach den konkreten Umständen angemessenen Üblichen liegt und darüber hinaus die Stimmabgabe des Minderheitsgesellschafters zu einer Gefährdung von Bestand oder Funktionsfähigkeit der Gesellschaft führt.

2. Stehen Klage (hier: auf Feststellung der Unwirksamkeit des gefassten Beschlusses) und Eventual-Widerklage (hier: auf Zustimmung zum mehrheitlich gefassten Beschluß) in untrennbarem inneren Zusammenhang, so ist aufgrund der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen der Erlaß eines Teilurteils nur hinsichtlich der Klage regelmäßig nicht zulässig.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen 7 U 2721/03

Verkündet am 22.10.2003

In dem Rechtsstreit

wegen Feststellung u.a.

erlässt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Goller und die Richter am Oberlandesgericht Kotschy und Dr. Barwitz auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10.09.2003 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teil-Endurteil des Landgerichts München I vom 18.03.2003 samt den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Landgericht München I zurückverwiesen.

II. Gerichtskosten für dieses Berufungsverfahren werden nicht erhoben.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Wert der Beschwer der Parteien übersteigt 20.000,00 EUR.

Gründe:

I.

Die Kläger und die Beklagten zu 2) bis 12) sind Kommanditisten, der Beklagte zu 1) ist persönlich haftender Gesellschafter der J K Komm. Ges., der K KG und der K KG (nachfolgend: K Gesellschaften) mit Sitz in München.

Mit ihrer Klage begehren die jeweils mit 24,65 % beteiligten Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit eines gegen ihre Stimmen und mit den Stimmen der übrigen Gesellschafter gefassten Beschlusses über die Festsetzung der Vergütung des Beklagten zu 1) als persönlich haftender Gesellschafter der K Gesellschaften wegen Nichterreichens des in den Gesellschaftsverträgen hierfür geforderten Quorums von 90 % (§ 8 Abs. 4 und 5 der Gesellschaftsverträge, Anlage K 4).

Die Gesellschafterversammlung der K-Gesellschaften fasste am 24.01.2002 zu TOP 11 gegen die Stimmen der Kläger folgenden Beschluss:

"Die Vergütungen von Herrn P E als geschäftsführender Gesellschafter werden mit Wirkung ab 01.02.2002 festgesetzt wie folgt:

- feste Leistungsvergütungen: insgesamt DM 500.000,00

- Gewinnvoraus: 2,5 %".

In § 8 Abs. 5 der Gesellschaftsverträge der K-Gesellschaften ist geregelt, dass die Festsetzung der Vergütung für die geschäftsführenden Gesellschafter "durch Beschluss einer Gesellschafterversammlung mit 90 % aller Gesellschafterstimmen" erfolge.

Die Kläger haben erstinstanzlich beantragt, festzustellen, dass der vorzitierte Beschluss über die Vergütung des persönlich haftenden Gesellschafters P E unwirksam ist.

Die Beklagten haben für den Fall, dass diese Klage als unzulässig abgewiesen werden sollte oder dass der Klage stattgegeben wird, beantragt, die Kläger zu verurteilen, dem am 24.01.2002 zu TOP 11 gefassten Beschluss (hilfsweise: einem Beschluss gleichen Inhalts) zuzustimmen.

Sie haben die Auffassung vertreten, dass ein Quorum von 90 % der Stimmen aller Gesellschafter bei sachgerechter Auslegung des Gesellschaftsvertrags nicht erforderlich sei. Darüber hinaus stelle das Verhalten der Kläger einen Missbrauch der Sperrminorität dar. Die Kläger seien verpflichtet gewesen, der von der Mehrheit beschlossenen angemessenen Vergütung zuzustimmen.

Das Landgericht hat mit Teil-Endurteil vom 18.03.2003 die Unwirksamkeit des Beschlusses vom 24.01.2002 über die Geschäftsführervergütung des persönlich haftenden Gesellschafters E festgestellt.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Mehrheit von 90 % aller Gesellschafterstimmen, die in § 8 Abs. 5 der Gesellschaftsverträge zwingend und unmissverständlich vorgeschrieben sei, sei bei der Beschlussfassung eindeutig verfehlt worden. Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung mit dem Ergebnis eines niedrigeren Quorums sei angesichts des klaren Wortlauts des § 8 Abs. 5 der Gesellschaftsverträge nicht eröffnet.

Darüber hinaus seien die Kläger auch nicht unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftsrechtlichen Ireuepflicht zur Zustimmung verpflichtet gewesen. Eine Treuepflichtverletzung komme vielmehr nur in Betracht, wenn nachgewiesen sei, dass die von den Beklagten befürwortete Vergütung nicht nur angemessen sei, sondern praktisch die unterst mögliche Vergütung darstelle oder weit unter der marktüblichen Vergütung für Personen in dieser Position liege. Dies könne nicht ohne aufwendige Beweisaufnahme geklärt werden. Die Beklagten seien insofern auf die Klage auf Zustimmung zu verweisen. Im Rahmen der Klage sei die Angemessenheit der Vergütung nicht zu entscheiden, so dass durch Teil-Endurteil über die Klage befunden werden könne.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten mit dem erstrangigen Ziel der Klageabweisung und dem hilfsweisen Antrag auf Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht.

Die Beklagten halten die Entscheidung durch Teil-Urteil für unzulässig. Darüber hinaus sei das Landgericht zu Unrecht beim Wortlaut des § 8 Abs. 5 der Gesellschaftsverträge verharrt. Eine an den Interessen der Gesellschaft orientierte, auch die Regelung in § 18 Abs. 4 der Gesellschaftsverträge einbeziehende Sichtweise ergebe vielmehr, dass ein Quorum von 90 % für die Festsetzung der Vergütung des geschäftsführenden Gesellschafters nicht gelten könne. Durch die Versagung der Zustimmung seitens der Kläger habe eine Existenzbedrohung für die K-Gesellschaften vorgelegen. Dass sich diese Existenzbedrohung letztlich aufgrund überobligationsmäßiger Anstrengungen der Gesellschafter nicht realisiert habe, ändere daran nichts.

Die Kläger halten die Entscheidung durch Teil-Urteil für zulässig.

II.

Die Berufung der Beklagten erweist sich insoweit als erfolgreich, als der Rechtsstreit unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils gemäß § 538 Abs. 2 Ziff. 7 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen ist.

1. Die Voraussetzungen des § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO für den Erlass eines Teil-Urteils hinsichtlich der Klage waren nicht erfüllt.

a) Der Bundesgerichtshof hat bereits im Urteil vom 30.05.1956 (BGHZ 21, 13, 17) die Zulässigkeit der Eventualwiderklage anerkannt, gleichzeitig jedoch darauf hingewiesen, dass es regelmäßig nicht möglich erscheine, durch Teil-Urteil dahingehend zu erkennen, dass der Klage stattgegeben wird und die Entscheidung über die eventuelle Widerklage vorzubehalten. Dies gehe bereits deshalb nicht an, da aufgrund des bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses die Klage nicht durch Anfechtung der über sie ergangenen Entscheidung in die höhere Instanz gelangen dürfe, während die Widerklage noch in der Vorinstanz anhängig bleibe.

Dem entspricht eine inzwischen gefestigte Rechtsprechung, nach der kein Teil-Urteil ergehen darf, wenn Klage und Widerklage denselben Streitgegenstand betreffen (BGH, Urteil vom 16.06.1992, NJW-RR 1992, 1339, 1340, Urteil vom 05,06.1991, NJW 1991, 2699) oder in einem unlösbaren Zusammenhang stehen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.12.1991, NJW-RR 1993, 976; dazu auch Zöller-Vollkommer, 23. Auflage, Rn. 9 zu § 301 ZPO) und von daher die Gefahr widersprechender Entscheidungen im Teil- und Schlussurteil besteht, bzw. parallel stattfindende Beweisaufnahmen in erster und zweiter Instanz zu besorgen sind.

b) Ein solcher unlösbarer Zusammenhang ist hier gegeben. Während der Erfolg der Klage einerseits davon abhängt, dass das gesellschaftsvertraglich vorgesehene Quorum von 90 % hier anwendbar ist und andererseits die Stimmabgabe der Kläger zur mehrheitlich beschlossenen Vergütungsregelung nicht wegen treuwidrigen Verhaltens unbeachtlich ist, hat die Eventual-Widerklage zum Thema, dass die Kläger verpflichtet sein sollen, einem Beschluss zuzustimmen, der inhaltsgleich zu dem streitgegenständlichen Vergütungsbeschluss ist.

c) Dieser Zusammenhang wird auch nicht etwa dadurch unterbrochen, dass - wie die Beklagten mit ihrer Berufung meinen - für die Regelung der Vergütung des persönlich haftenden Gesellschafters der K-Gesellschaften nicht die in § 8 Abs. 4 und 5 der Gesellschaftsverträge vorgeschriebene Mehrheit, sondern aus teleologischen und systematischen Erwägungen nur die in § 18 Abs. 4 der Gesellschaftsverträge vorgesehene einfache Mehrheit erforderlich wäre mit der Folge, dass die Klage bereits von daher unbegründet wäre und die Widerklage nicht zum Zuge käme.

Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass es bei der eindeutigen Regelung eines Quorums von 90 % in § 8 Abs. 4 und 5 der Gesellschaftsverträge sein Bewenden haben muss. Dieser Befund steht ungeachtet der Streitfrage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen gesellschaftsvertragliche Regelungen von Personengesellschaften objektiv auszulegen sind oder nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 133 und 157 BGB (zum Streitstand siehe Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, § 5 I Seiten 93 ff.).

Der Wortlaut der vertraglichen Regelung in § 8 Abs. 4 und 5 der Gesellschaftsverträge ist eindeutig. Dies erkennen auch die Beklagten mit ihrer Berufung an, meinen jedoch, dass die vorgenannte Bestimmung im Lichte des § 18 Abs. 4 der Gesellschaftsverträge (behandelnd die Nachfolge bei Tod eines persönlich haftenden Gesellschafters) zu sehen sei und nicht unberücksichtigt bleiben dürfe, dass es bei Abschluss der Gesellschaftsverträge drei Komplementäre gegeben habe, während in den letzten Jahren stets nur ein einziger persönlich haftender Gesellschafters vorhanden gewesen sei. Gerade der letztgenannte Umstand führe im Zusammenspiel mit einem Quorum von 90 % für die Festsetzung der Vergütung des persönlich haftenden Gesellschafters zur naheliegenden Gefahr, dass die Gesellschaft geradewegs in die Liquidation getrieben werde.

Die von der Beklagten aufgezeigte Gefahr vermag indes keine vom Wortlaut des § 8 Abs. 5 der Gesellschaftsverträge abweichende Beschlussmehrheit für die Festsetzung der Vergütungen zu rechtfertigen. Wie die Regelungen in § 18 Abs. 4, § 8 Abs. 5 und § 8 Abs. 6 der Gesellschaftsverträge zeigen, haben sich die Gesellschafter der K Gesellschaften ganz bewusst für ein stark differenziertes System erforderlicher Mehrheiten (einfache Mehrheit, 90 %ige und 62 %ige Mehrheit) entschieden. Insbesondere das 90 %ige Quorum in § 8 Abs. 5 der Verträge macht deutlich, dass der Frage der Höhe der Vergütungen der persönlich haftenden Gesellschafter offensichtlich eine so große Bedeutung zugemessen wurde, dass die - durchaus vorhersehbaren - Risiken eines dermaßen hohen Quorums in Kauf genommen wurden.

Von daher ist es nicht angängig, Abhilfe durch eine Auslegung entgegen dem Wortlaut des § 8 Abs. 5 der Gesellschaftsverträge zu schaffen. Gleichzeitig verbleiben jedoch die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Unbeachtlichkeit treuwidrig versagter Zustimmung, hilfsweise die Klage auf Zustimmung zum bereits mehrheitlich gefassten Beschluss der Gesellschafter.

2. Mithin ist die Frage, ob die Versagung der Zustimmung der Kläger zum Vergütungsbeschluss vom 24.01.2002 treuwidrig war (und die Kläger zur Zustimmung verpflichtet waren), sowohl hinsichtlich der Klage als auch hinsichtlich der Eventual-Widerklage erheblich:

Die auf Zustimmung gerichtete Eventual-Widerklage kann nur erfolgreich sein, wenn die Zustimmung von den Klägern ohne vertretbaren Grund verweigert wurde, obgleich der Gesellschaftszweck und das Interesse der Gesellschaft eine solche Zustimmung erfordert hätte, wobei eine Zustimmungspflicht nur dann angenommen werden kann, wenn sich das dem Gesellschafter zuzubilligende Ermessen im Einzelfall auf "Null" reduziert hat (Schlegelberger-Martens, 5. Auflage, Rn. 14 zu § 116 HGB m.w.N.). Dies hat das Landgericht auf Seite 20 der Urteilsgründe richtig erkannt. Nicht berücksichtigt hat das Landgericht aber, dass die Frage einer Zustimmungspflicht auch hinsichtlich der Entscheidung über die Klage insofern von Bedeutung ist, als das Abstimmungsverhalten der Kläger dann unbeachtlich sein könnte, wenn sie aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht zur Zustimmung verpflichtet waren und die Versagung der Zustimmung zu einer Gefährdung von Bestand oder Funktionsfähigkeit der Gesellschaft führte (BGH, Urteil vom 17.12.1959, NJW 1960, 434, 435; Urteil vom 28.05.1979, BB 1979, 1522, 1523; Urteil vom 19.11.1984, NJW 1985, 972, 973; Urteil vom 29.09.1986, BB 1987, 506; Baumbach/Hopt, 31. Auflage, Rn. 28 zu § 109 HGB).

Mit der letztgenannten Frage hat sich das Landgericht (Seiten 20 bis 22 der Urteilsgründe) nicht auseinandergesetzt.

3. Der Rechtsstreit ist daher an das Landgericht zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren ist davon auszugehen, dass von einer Zustimmungspflicht der Kläger nur dann ausgegangen werden kann, wenn sich ihr Ermessen auf Null reduziert hat. Davon kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht bereits dann ausgegangen werden, wenn sich die mehrheitlich beschlossene Vergütung nach objektiven Kriterien als "angemessen" oder "marktüblich" erweist. Vielmehr wird eine solche Pflichtbindung nur dann in Betracht kommen, wenn sich die vorgesehene Vergütung im untersten Bereich einer angemessenen und üblichen Vergütung für einen geschäftsführenden Gesellschafter in der Position des Beklagten zu 1) bewegt.

Gerichtskosten: §§ 8 Abs. 1 GKG; das unter Verstoß gegen § 301 ZPO ergangene Teilurteil stellt einen wesentlichen Verfahrensfehler dar (Zöller-Vollkommer, 23. Auflage, Rn. 13 zu § 301 ZPO).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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