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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 27.04.2005
Aktenzeichen: 7 U 2792/04
Rechtsgebiete: WpÜG


Vorschriften:

WpÜG § 29 Abs. 2
WpÜG § 30 Abs. 1
WpÜG § 30 Abs. 2
WpÜG § 35 Abs. 1
WpÜG § 35 Abs. 2
WpÜG § 38
1. Unter einem abgestimmten Verhalten in Bezug auf die Zielgesellschaft im Sinne des § 30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG ist eine nachhaltige Einflussnahme auf die Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane einer Zielgesellschaft ausschließlich oder überwiegend im Sinne der Einfluss nehmenden Personen auf Grund deren gemeinsam gefundener Überzeugung und entsprechenden Einsatzes von Stimmrechten zu verstehen.

2. Eine Vorabstimmung unter Aktionären bei Wahlen zum Aufsichtsrat oder Aufsichtsratsvorsitz fällt unter abgestimmmtes Verhalten im Sinne des § 30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG, wenn ihr eine gemeinsame unternehmerische Strategie für die Aktiengesellschaft zu Grunde liegt.

3. Eine Änderung in der Kontrollperson stellt einen Kontrollwechsel im Sinne des WpÜG dar.


Aktenzeichen: 7 U 2792/04

Verkündet am 27. April 2005

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erläßt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Goller und die Richter am Oberlandesgericht Fiebig und Kotschy aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. März 2005 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 11. März 2004 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin EUR 200.000,00 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte, die durch die Nebenintervention entstandenen Kosten die Streithelferin selbst zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von EUR 250.000,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt mit ihrer Teilklage über EUR 200.000,00 die Beklagte wegen Unterlassens einer Veröffentlichung und eines Pflichtangebotes nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz vom 20.12.2001 (WpÜG) auf Zahlung von Zinsen auf die Gegenleistung für von ihr gehaltene Aktien in Anspruch.

Die Parteien und die Streithelferin sowie die W. sind unmittelbar oder mittelbar über Tochtergesellschaften Großaktionäre der der Unternehmensmitbestimmung unterliegenden X. AG. Das Grundkapital der X. AG ist eingeteilt in nennwertlose und zum amtlichen Handel an mehreren deutschen Börsen zugelassene Inhaber-Stückaktien, und zwar in stimmberechtigte Stammaktien und nicht stimmberechtigte Vorzugsaktien. Während letztere vollständig in Streubesitz sind, halten von den Stammaktien die Klägerin, hinter der Sch. und seine Familie stehen, 33,36 %, die Beklagte über die L. Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH 17 %, die Streithelferin der Beklagten selbst und über die L. Beteiligungs GmbH 17,56 % und die W. zunächst über die B. Beteiligungs-GmbH und jetzt über die L. AG 17 %. Die Unternehmensgruppe des Sch. hatte 1986 zunächst die Mehrheit am stimmberechtigten Kapital der X. AG übernommen und hiervon 1993 an die Beklagte, deren Streithelferin und die W. die von diesen heute noch gehaltenen Anteile veräussert. Die Klägerin und die drei sich als Finanzinvestoren bezeichnenden weiteren Großaktionäre hatten daraufhin am 8., 10. und 12.12.1993 eine Vereinbarung geschlossen, in der sie sich nicht nur gegenseitig Vorkaufsrechte auf ihre jeweiligen Aktien an der X. AG einräumten, sondern auch überein kamen, dass die Klägerin zwei Mitglieder und die Finanzinvestoren je ein Mitglied des insgesamt 12-köpfigen Aufsichtsrats der X. AG stellen und ein von den Finanzinvestoren nominiertes Mitglied zum Vorsitzenden und ein von der Klägerin nominiertes Mitglied zum zweiten stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsrates gewählt wird. Diese Vereinbarung hoben die Beteiligten Ende März mit Wirkung zum 31.03.2003 ersatzlos auf. Gleichzeitig vereinbarten sie, bei der Wahl des Aufsichtsrates der X. AG in der Hauptversammlung am 26.06.2003 erneut für Frau Sch., die Ehefrau von Sch., M. als weitere Vertrauensperson von Sch., H., Mitglied des Vorstandes der Beklagten, und K., pensioniertes Mitglied des Vorstandes der Streithelferin und damals Aufsichtsratsvorsitzender der X. AG, sowie neu für den noch als Vorstandsvorsitzender der X. AG amtierenden A. und Ha., Vorstandsvorsitzender der W., als die sechs Vertreter der Anteilseigner zu stimmen (Anl. K 12). Entsprechend wurden diese Personen dann auch so bestellt. In der konstituierenden Sitzung des neugewählten Aufsichtsrates am 26.06.2003 wurden auch mit den Stimmen von Frau Sch. und M. der als Vorstandsvorsitzender nunmehr ausgeschiedene A. zum Vorsitzenden und M. zum zweiten stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. A. war zu diesem Zeitpunkt auch noch Vorsitzender des Aufsichtsrates der Y. AG. Von deren Grundkapital halten die X. AG 24,9 % sowie die Beklagte und ihre Streithelferin je 28,91 %.

Die Beklagte, ihre Streithelferin oder die W. haben weder eine Erlangung der Kontrolle nach § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG noch ein Angebot nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG in Bezug auf die X. AG veröffentlicht.

Die Klägerin behauptet, die drei Finanzinvestoren hätten dies tun müssen. Diese hätten sich auf Veranlassung der Beklagten jetzt ohne sie zusammen getan, um die X. AG zu beherrschen. Die Beklagte habe daher für die Dauer des Verstoßes gegen ihre Pflicht zur Veröffentlichung Zinsen auf den Gegenwert der von ihr, der Klägerin, zu übernehmenden Aktien zu zahlen, von denen sie, die Klägerin, einen Teil in Höhe von EUR 200.000,00 geltend mache.

Die Bildung dieses neuen Pools ohne sie, die Klägerin, habe bereits Anfang 2003 stattgefunden. K. habe am 11.02.2003 an Sch. wie folgt geschrieben:

"ich möchte Ihnen und Ihrer Gattin, auch im Namen von Herrn Ha. und Herrn H., auf diesem Wege noch einmal für das gestrige Gespräch danken.

Wie ich Ihnen schon in der letzten Woche mitgeteilt hatte, möchten wir uns wegen der denkbar ungünstigen Verfassung der Märkte mindestens zur Zeit nicht von der von uns gehaltenen Mehrheit der Stammaktien an der X. AG trennen. Wir haben gern zur Kenntnis genommen, dass Sie ihrerseits zwar weiter versuchen wollen, einen Käufer für das von Ihnen gehaltene Paket zu finden, dieses jedoch nicht unter dem Einstandspreis des Jahres 1993 anbieten bzw. verkaufen wollen ..." (Anl. K 4).

Auf die Antwort von Sch. habe K. am 24.02.2003 erwidert:

"auf Ihr Schreiben vom 21.d.M., das ich soeben erhielt, möchte ich Ihnen mitteilen, daß mein Brief vom 11.d.M. Wort für Wort mit Herrn Ha. und Herrn H. abgestimmt war. Ihr offensichtlicher Versuch, die drei Partner auseinander zu dividieren, geht also ins Leere ..." (Anl. K 5).

Im Mai 2003 habe, so die Klägerin weiter, K. dem von ihr, der Klägerin, in den Aufsichtsrat der X. AG gesandten M. erklärt, ihn, M., wünschten die drei Finanzinvestoren nicht als zukünftigen Aufsichtsratsvorsitzenden, ein solcher Einfluss der Klägerin auf die X. AG widerspräche den Intentionen der Finanzinvestoren. H. habe nach dem Bekanntwerden der Absicht der Streithelferin, sich von ihren Industriebeteiligungen zu trennen, im Juni 2003 über K., beim Sprecher des Vorstandes der Streithelferin interveniert und erreicht, dass die Streithelferin im Pool der Finanzinvestoren verblieben sei. Am Vorabend der Hauptversammlung der X. AG vom 26.06.2003 hätten dann K. und H. M. mitgeteilt, sie würden am folgenden Tag A., bis dahin Vorstandsvorsitzender der X. AG, zum neuen Vorsitzenden des Aufsichtsrats der X. AG wählen. Wenn sich die Vertreter der Klägerin hierzu der Stimme enthielten, würden die Beklagte und die beiden anderen Finanzinvestoren dafür sorgen, dass die Position des zweiten stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden nicht wie bisher mit M., sondern gar nicht mehr besetzt werde. Dieses abgestimmte Verhalten der Finanzinvestoren sei überdies auf die Y. AG gerichtet gewesen. Dort sei im Zusammenhang mit einem Geschäft mit der Z. GmbH ein erheblicher Verlust angefallen, der verschleiert werden solle.

Die Beklagte bestreitet, zu einem Übernahmeangebot an alle Aktionäre der X. AG mit Ausnahme der Streithelferin und der W. verpflichtet zu sein. Deren Anteile seien ihr nicht zuzurechnen. Die Beteiligung der Finanzinvestoren stelle schon keine unternehmerische Beteiligung dar, sondern sei eine reine Finanzbeteiligung. Es gebe auch keine Vereinbarung zwischen den Finanzinvestoren, die Aktien an der X. AG nur mit Zustimmung der jeweils anderen zu verkaufen. Sowohl die Aufsichtsratswahl als auch die Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden stellten nur eine Ausübung von Stimmrechten in einem Einzelfall dar. Um M. als Vertrauensmann von Sch. als Aufsichtsratsvorsitzenden zu verhindern, habe man den in Bezug auf die Aktionäre neutralen A. wählen müssen. Zudem könne das Verhalten einzelner Aufsichtsratsmitglieder bei der Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten nicht zugerechnet werden. Aufsichtsratsmitglieder würden nur im Unternehmensinteresse tätig und verträten keine einzelnen Aktionäre. Weiter trägt die Beklagte vor, sie habe weder über den Aufsichtsrat noch über den Aufsichtsratsvorsitzenden Einfluss auf die Führung der Geschäfte der X. AG oder gar der Y. AG genommen. Letztlich gehe es der Klägerin nur darum, durch Zukauf von einem Finanzinvestor entweder selbst wieder die Stimmenmehrheit in der Hauptversammlung der X. AG zu erlangen oder bei Verkauf eines Mehrheitspaketes den sogenannten Paketzuschlag zu erzielen.

Das Landgericht München I ist der Ansicht der Beklagten gefolgt und hat am 11.03.2004 die Klage abgewiesen (veröffentlicht in DB 2004, 1252 f., Der Konzern, 2004, 355 ff. und ZIP 2004, 1101 ff. sowie ZBB 2004, 327 - nur Leitsatz -).

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Der Senat hat Sch., M., Frau Sch., K., Ha., das weitere Mitglied des Vorstandes Ka. der W., den Sprecher des Vorstandes sowie die Mitarbeiter Wi. und Schä. der Streithelferin als Zeugen vernommen und das Mitglied des Vorstandes der Beklagten H. als Partei angehört. Auf die Protokolle vom 01.12.2004, 02.02. und 16.03.2005 wird verwiesen.

Im Übrigen wird auf den Tatbestand des Ersturteils, die zwischen den Parteien im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschriften vom 28.07. und 01.12.2004, 02.02. und 16.03.2005 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Die Beklagte hat nach § 38 Nr. 1 WpÜG Zinsen mit Ablauf des 03.07.2003 auf die von ihr der Klägerin anzubietende angemessene Gegenleistung für deren Aktien an der X. AG zu zahlen. Diese Zinsen belaufen sich auf fünf Prozentpunkte auf das Jahr über dem jeweiligen Basiszinssatz und übersteigen den eingeklagten Teilbetrag von EUR 200.000,00. Die Beklagte hat nach der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme gemeinsam mit der Streithelferin und der W. die Wahl des abtretenden Vorstandsvorsitzenden A. zum neuen Aufsichtsratsvorsitzenden der X. AG am 26.06.2003 durchgesetzt, damit ihr Verhalten in Bezug auf die X. AG mit der Streithelferin und der W. über einen Einzelfall hinaus abgestimmt und deshalb unter Zurechnung deren Stimmrechte gemäß § 30 Abs. 1 und 2 WpÜG die Kontrolle über die X. AG im Sinne des 29 Abs. 2 WpÜG erlangt, jedoch unter Verstoß gegen § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG nicht innerhalb von 7 Kalendertagen seit dem 26.06.2003 die Erlangung dieser Kontrolle veröffentlicht, um innerhalb von vier Wochen danach eine Angebotsunterlage der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen zu übermitteln und nach § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG ein Angebot zu veröffentlichen. Es war somit das landgerichtliche Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben.

1. Kontrolle im Sinne des § 29 Abs. 2 WpÜG ist das Halten von mindestens 30 Prozent der Stimmrechte an einer Zielgesellschaft. Eine solche ist nach § 2 Abs. 3 WpÜG eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Sitz im Inland, deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt, insbesondere zum amtlichen Handel an einer Börse im Inland zugelassen sind (§ 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 7 WpÜG). Stimmrechten des Bieters, dieser ist nach § 2 Abs. 4 WpÜG eine natürliche oder juristische Person oder eine Personengesellschaft, die allein oder gemeinsam mit anderen Personen ein Angebot abgibt, ein solches beabsichtigt oder zur Abgabe verpflichtet ist, stehen hierbei gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpÜG Stimmrechte eines Tochterunternehmens des Bieters (§ 2 Abs. 6 WpÜG) gleich und sind ihm nach den Sätzen 2 und 3 in voller Höhe zuzurechnen. Weiter rechnet § 30 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz und Satz 2 WpÜG in Verbindung mit § 30 Abs. 1 WpÜG dem Bieter Stimmrechte eines Dritten aus Aktien einer Zielgesellschaft in voller Höhe zu, mit dem der Bieter oder sein Tochterunternehmen sein Verhalten in Bezug auf die Zielgesellschaft auf Grund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmt. Ein Verhalten in Bezug auf die Zielgesellschaft ist, wie sich auch aus der Begriffsbestimmung gemeinsam handelnder Personen in § 2 Abs. 5 WpÜG ergibt, ein Verhalten von gemeinsam handelnden natürlichen oder juristischen Personen im Hinblick auf ihre Ausübung von Stimmrechten aus Aktien der Zielgesellschaft. Ausgenommen von der Zurechnung nach § 30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG sind gemäß dessen 2. Halbsatz jedoch Vereinbarungen über die Ausübung von Stimmrechten in Einzelfällen.

2. Unter einem abgestimmten Verhalten in Bezug auf die Zielgesellschaft im Sinne des § 30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG ist eine nachhaltige Einflussnahme auf die Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane einer Zielgesellschaft ausschließlich oder überwiegend im Sinne der Einfluss nehmenden Personen auf Grund deren gemeinsam gefundener Überzeugung und entsprechenden Einsatzes von Stimmrechten zu verstehen.

Zur näheren Bestimmung des abgestimmten Verhaltens hilft zunächst die Begründung des Gesetzentwurfes (BT-Drs. 14/7034, S. 34 und 54) mit ihrer Bezugnahme auf § 2 Abs. 5 WpÜG nicht weiter (Liebscher, Die Zurechnungstatbestände des WpHG und WpÜG, ZIP 2002, 1005, 1007). Wenig hilfreich ist auch der dortige Hinweis (a.a.O., S. 54), in § 30 Abs. 2 WpÜG würden auch Verhaltensweisen erfasst, die international unter dem Begriff "acting in concert" zusammengefasst werden. Wie Casper (Acting in Concert - Grundlagen eines neuen kapitalmarktrechtlichen Zurechnungstatbestandes, ZiP 2003, 1469, 1470 f.) im einzelnen dargelegt hat, weichen die entsprechenden internationalen Regelungen von der Regelung in § 30 WpÜG ab. So umfasst die Rule 9.1 des London City Code on Takeovers and Mergers nur den abgestimmten Aktienerwerb, nicht aber das abgestimmte Stimmverhalten. Letzteres nimmt Liebscher an, wenn die Beteiligten ihr Verhalten auf der Grundlage eines bewusst und gewollt hergestellten geistigen Kontakts mit dem Ziel der Durchsetzung hinreichend gewichtiger Ziele in Bezug auf die Zielgesellschaft koordinieren, und zwar in einer beständigen und nachhaltigen Form (a.a.O., S. 1008; ihm folgend OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 25.06.2004, ZIP 2004, 1309, 1312, und OLG Stuttgart, Urt. v. 10.11.2004, ZIP 2004, 2232, 2237). Dass eine Durchsetzung im Hinblick auf die Ausübung von Verwaltungsrechten aus Aktien der Zielgesellschaft erfolgen muss, liegt auf der Hand und ist zu ergänzen. (Bülow, Kölner Kommentar zum WpÜG, Rn. 114 zu § 30; Noack, KMRK, 3. Aufl., Rn. 16 zu § 30). Die Formel von Liebscher ist indes weiter zu präzisieren und einzuschränken. Nachdem die Zurechnungen nach § 30 WpÜG der Feststellung einer Kontrolle über eine Zielgesellschaft nach § 29 Abs. 2 WpÜG dienen, muss das abgestimmte Verhalten zur Durchsetzung von Zielen, wie Noack (a.a.O., Rn. 13) zu Recht betont, auf die Herrschaftsstrukturen der Zielgesellschaft ausgerichtet sein. Deshalb können bei der Zurechnung über § 30 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz WpÜG nicht zu berücksichtigende Einzelfälle nicht auch formal (so aber Noack, a.a.O., Rn. 24), sondern nur materiell verstanden werden. Ein abgestimmtes Verhalten im Einzelfall ist daher nur dann gegeben, wenn es punktuell, also nur auf einen konkreten Einzelfall, bezogen ist (Bülow, a.a.O., Rn. 138 zu § 30) und nicht auf eine bestimmte zeitliche Intensität angelegt ist (Oechsler in Ehricke/Ekkenga/Oechsler, Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, Rn. 24 zu § 30). Damit führt umgekehrt grundsätzlich jedes einzelne abgestimmte Verhalten mit nachhaltiger Wirkung auf die Herrschaftsverhältnisse der Zielgesellschaft, also auf deren Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane, zur Zurechnung. Aus der Funktion der Zurechnung heraus, die Erlangung einer tatsächlichen Kontrolle über die Zielgesellschaft zu erfassen, ist jedoch eine weitere Einschränkung des relevanten abgestimmten Verhaltens vorzunehmen. Die über das abgestimmte Verhalten ausgeübte Einflussnahme auf die Organe der Zielgesellschaft muss auf ein Ziel gerichtet sein, das ausschließlich oder überwiegend gerade von Bieter und Drittem beabsichtigt wird. Würde man diese Einschränkung nicht vornehmen, so würde zum Beispiel der nicht seltene Fall einer koordinierten Besetzung des Aufsichtsrats, die lediglich eine Abbildung der wesentlichen Anteilsverhältnisse im Aufsichtsrat ohne weitergehende unternehmerische Absichten bereits zu einer Zurechnung führen. Entsprechend sieht die Bundesanstalt für Dienstleistungsaufsicht (BaFin) nur dann ein zurechnungsfähiges Verhalten, wenn die Vorabstimmung zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern Teil eines Gesamtplanes ist, der auf eine Dominanz der Großaktionäre über die Gesellschaft ausgerichtet ist (nach Weiler/Meyer, "Abgestimmtes Verhalten" gemäß § 30 WpÜG: Neue Ansätze der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht?, NZG 2003, 909, 910 f.).

3. Entgegen der Ansicht der Beklagten und ihrer Streithelferin muss das abgestimmte Verhalten im Hinblick auf die Ausübung von Stimmrechten aus Aktien der Zielgesellschaft nicht in der Hauptversammlung der Zielgesellschaft geltend gemacht werden.

Legt das schon die Formulierung in § 2 Abs. 5 WpÜG "im Hinblick auf die Ausübung von Stimmrechten" nahe, so ergibt sich das erst recht aus § 29 Abs. 2 WpÜG. Danach ist Kontrolle "Halten" von mindestens 30 Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft (vgl. auch Begr. in BT-Drs. 14/7034, S. 53). Es liegt auf der Hand, dass allein das Halten einer solchen Anzahl von Stimmrechten regelmäßig ausreicht, dem Willen des Halters bei der Zielgesellschaft Beachtung und Befolgung zu sichern. Da die Kontrolle der Zielgesellschaft bei der zum Zeitpunkt des Erlasses des WpÜG gültigen Verfassung von inländischen Aktiengesellschaften nur über den Aufsichtsrat vermittelt werden konnte, zwingt, wie vom Senat in der mündlichen Verhandlung vom 28.07.2004 ausdrücklich hingewiesen wurde, die unwiderlegliche Vermutung des § 29 Abs. 2 WpÜG über das Ausüben von Kontrolle (Noack, a.a.O., Rn. 18 zu § 29; Süßmann in Geibel/Süßmann, WpÜG, Rn. 13 zu § 29; a.A. ohne nähere Begrüpndung Bülow a.a.O., Rn. 69 zu § 29) zum Schluss, dass auch Vorgänge im Aufsichtsrat der Zielgesellschaft Grund für eine Zurechnung nach § 30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG sein können. Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 26.03.1984 (BGHZ 90, 381, 398), wonach ein Mitglied eines Aufsichtsrates diese Tätigkeit eigenständig und unabhängig von seiner Tätigkeit im Vorstand einer anderen, an der ersten Gesellschaft beteiligten Aktiengesellschaft vornimmt und deshalb letztere nicht für die Aufsichtsratstätigkeit haftbar gemacht werden könne, sind daher nicht auf Fälle des WpÜG zu übertragen, ganz abgesehen davon, dass sie durch spätere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGHZ 129, 136 ff.; 142, 167 ff.) zur Treuepflicht von Aktionären überholt erscheinen. Auch rechtstatsächlich kann nicht von einer völlig eigenständigen und unabhängigen Aufsichtsratstätigkeit seitens eines Vorstandsmitglieds einer nach § 21 WpHG meldepflichtigen Beteiligung ausgegangen werden. Nicht umsonst wird zudem in § 17 Abs. 2 AktG von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist. Der gleichzeitige Einsitz im Aufsichtsrat des Beteiligungsunternehmens und im Vorstand des beteiligten Unternehmens bringt ferner nicht von vornherein eine Interessenkollision mit sich.

4. Diesen Ausführungen gemäß sind die von der Streithelferin und der W. selbst oder über Tochterunternehmen an der X. AG gehaltenen Stimmrechte nach § 30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG denen der Beklagten und ihres Tochterunternehmens zuzurechnen; diese drei Großaktionäre haben ihre Stimmrechte zur Durchsetzung der Wahl des bisherigen Vorstandsvorsitzenden A. zur Wahl des neuen Aufsichtsratsvorsitzenden der X. AG zu gut 51 % der Stimmrechte gebündelt - die Vorzugsaktien nach § 139 Abs. 1 AktG sind mangels Stimmrecht nicht mitzuzählen - , und so die Kontrolle über die X. AG gemäß § 29 Abs. 2 WpÜG erlangt.

Die Beklagte hat nach Durchführung der Beweisaufnahme nunmehr in ihrem Schriftsatz vom 06.04.2005 (Bl. 593 ff.) eingeräumt, dass H. und K. am Vorabend der Hauptversammlung der X. AG vom 26.06.2003 und an diesem Tag selbst Frau Sch. und M. unter der Ankündigung, M. sonst nicht zum zweiten stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden der X. AG zu bestellen, veranlasst haben, trotz deren ursprünglicher Ablehnung und dann beabsichtigter Stimmenthaltung A. am 26.06.2003 zum Aufsichtsratsvorsitzenden der X. AG mitzuwählen. Diese Androhung konnte bei der bestehenden Beteiligung der Klägerin an der X. AG nur durch Zusammenspannen der Stimmrechte aller drei sich selbst so nennenden Finanzinvestoren real sein. Schon deshalb ist davon auszugehen, dass H. und K. mit dieser Androhung nicht auf eigene Kappe gehandelt haben, sondern zusammen mit Ha. als die Vertreter der drei Finanzinvestoren. Dies hat auch K. als Zeuge so ausdrücklich hinsichtlich des Vorschlags von A. ausgesagt. Dem entspricht ferner die bei H. und Ha. noch bestehende und bei K. früher gegebene Organstellung bei den drei Finanzinvestoren. Zudem hatte K. am 11.02.2003 bereits "von der von uns gehaltenen Mehrheit der Stammaktien an der X. AG" geschrieben und im Schreiben vom 24.02.2003 betont, dass der Inhalt des Schreibens vom 11.02.2003 "Wort für Wort mit Herrn Ha. und Herrn H. abgestimmt" gewesen sei. Soweit K. bei seiner Einvernahme rhetorisch fragte, wer ihm schon etwas sagen könne, zeigt seine Intervention beim Sprecher des Vorstandes der Streithelferin, die Beteiligung der Streithelferin zunächst nicht zum Verkauf zu stellen, dass er, nachdem schon die drei Finanzinvestoren Ende März damals noch gemeinsam mit der Klägerin die in den Aufsichtsrat der X. AG zu wählenden Anteilseignervertreter festgelegt hatten, das Vorgehen der Streithelferin bei der X. AG nicht völlig frei bestimmen konnte. Schließlich haben Frau Sch. und M. nach ihren glaubhaften Angaben H., K. und Ha. immer als Vertreter der drei Finanzinvestoren gesehen.

Der Durchsetzung von A. als neuer Aufsichtsratsvorsitzender der X. AG lag weiter eine unternehmerische Strategie der drei Finanzinvestoren zu Grunde. Das zeigt sich schon an der Machtstellung des Aufsichtsratsvorsitzenden allgemein und besonders in der mitbestimmten X. AG, zumal dort auch Aufsichtsratsausschüsse gebildet worden sind. Darüber hinaus sind H. und K., wie Sch. und M. als Zeugen bekundeten und H. bestätigte, nicht eigentlich gegen die Person von M. gewesen, vielmehr hatten sie keinen verstärkten geschäftspolitischen Einfluss der Familie Sch. über einen Aufsichtsratsvorsitzenden M. gewünscht und in A., so H. ausdrücklich, den idealen Aufsichtsratsvorsitzenden zur Gewährleistung der langfristigen Interessen des Unternehmens und der Finanzinvestoren gesehen. Mit der einstimmigen Wahl von A. zum Aufsichtsratsvorsitzenden sollte zudem, so der Zeuge K., die Geschlossenheit der Anteilseignerseite der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat gegenüber demonstriert werden und der von außerhalb kommende neue Vorstandsvorsitzende der X. AG von seinem Vorgänger im Amt "eng begleitet" werden. Dass damit der Unvereinbarkeit der gleichzeitigen Zugehörigkeit zu Vorstand und Aufsichtsrat nach § 105 AktG zwar Genüge getan ist, aber doch die Überwachung des Vorstandes durch den Aufsichtsrat faktisch eingeschränkt wird, da der neue Aufsichtsratsvorsitzende zumindest teilweise über noch in seiner Amtszeit als Vorstandsvorsitzender getroffene Entscheidungen befinden muss, drängt sich auf. Entsprechend sieht auch 5.4.2 des Deutschen Corporate Governance Kodexes vor, dass dem Aufsichtsrat nicht mehr als zwei ehemalige Mitglieder des Vorstands angehören sollen.

5. Die Beklagte kann sich gegen die Feststellung eines Kontrollerwerbs durch sie am 26.06.2003 nicht auf die Freistellung der Kontrollerlangung vom WpÜG vor dessen Inkrafttreten zum 01.01.2002 berufen.

Zum einen ist die Poolvereinbarung zwischen allen Großaktionären aus dem Jahre 1993 "ersatzlos" aufgehoben worden. Sie lebte durch das Abstimmungsverhalten bei der Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden entgegen der Einschätzung des Zeugen K. auch nicht wieder auf. Hiergegen spricht schon die Erzwingung des Stimmverhaltens von Frau Sch. und M. bei der Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden, die gegen die Intentionen der Klägerin war.

Zum andern hat die "ersatzlose" Aufhebung der Poolvereinbarung nicht einfach zu einem Ausscheiden der Klägerin aus dem Pool und dessen sonst unveränderten Fortsetzung durch die drei Finanzinvestoren geführt. Hierzu haben die Beklagte und ihre Streithelferin nichts vorgetragen. Vielmehr haben sie die im Schreiben von K. an Sch. vom 10.02.2003 angesprochene "Mehrheit" als auf einen gemeinsamen Verkauf beschränkt bezeichnet. Folgt man den Aussagen von Sch., K. und M., so hat sich ein faktisches Auseinanderbrechen des Pools und ein Ringen um die Macht in der X. AG erst Anfang 2003 in Folge der Absicht der Klägerin angebahnt, die an der X. AG gehaltenen Aktien zu veräußern. Das fand auch erst in der Wahl des bisherigen Vorstandsvorsitzenden A. zum neuen Aufsichtsratsvorsitzenden am 26.06.2003 seinen Abschluss. Dabei ist das Mitstimmen für A. seitens Frau Sch. und M. nicht als mit den Finanzinvestoren abgestimmt anzusehen, da es, wie bereits ausgeführt, nicht den Intentionen der Klägerin entsprach (a.A. für eine nicht freiwillige Koordination Wackerbarth, MünchKommAktG, Rn. 20 zu § 30 WpÜG). Insoweit liegt daher keine nach § 36 Nr. 3 WpÜG zu privilegierende Umstrukturierung innerhalb eines Konzerns vor, sondern eine Änderung in der Person der Kontrollinhaber und damit ein echter Kontrollwechsel (vgl. Liebscher, a.a.O., S. 1014).

6. Die Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Zinsteiles ist von der Beklagten nicht bestritten worden. Bei den im Rechtsstreit mitgeteilten Börsenkursen ist dieser Betrag von EUR 200.000,00 bei einem Zinsbeginn mit Ablauf des 03.07.2003 ersichtlich erreicht.

Kosten: § 91 Abs. 1, § 101 Abs. 1 2. Halbsatz ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Zulassung der Revision: § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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