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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 15.11.2000
Aktenzeichen: 7 U 3545/00
Rechtsgebiete: HGB
Vorschriften:
HGB § 87 c | |
HGB § 88 |
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Aktenzeichen: 7 U 3545/00 13 HKO 22583/99 LG München I
Verkündet am 15. November 2000
Die Urkundsbeamtin: Haindl Justizangestellte
In dem Rechtsstreits
wegen Forderung
erläßt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Goller sowie die Richter am Oberlandesgericht Maier und Hügelschäffer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04.10.2000 folgendes
Teilurteil:
Tenor:
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Landgerichts München I vom 04.04.2000 wird zurückgewiesen.
II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
III. Der Wert der Beschwer der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf DM 2.500,-- festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger war seit Anfang 1994 für die Beklagte als Handelsvertreter tätig. Nach dem im Januar 1994 geschlossenen Vertrag war ihm die Alleinvertretung für die Gebiete Hessen und Rheinland-Pfalz übertragen. Der unbefristete Vertrag war mit einer Frist von sechs Monaten zum 30.6. oder zum Jahresende kündbar. Zur Provisionsabrechnung und zur Verjährung enthält der Vertrag der nach Behauptung des Klägers mit gleichem Wortlaut von der Beklagten auch gegenüber anderen Handelsvertretern verwendet worden ist, folgende Bestimmungen:
§ 12: Die Provisionsabrechnung erfolgt monatlich, jeweils bis zum Ende des darauffolgenden Monats. Etwaige Differenzen aus vorangegangenen Monaten werden ausgeglichen, wobei alle Valuta-Rechnungen erst im Valuta festgesetzten Monat abgerechnet werden.
§ 14: Die Verjährungsfrist für alle Ansprüche aus diesem Vertrag und anläßlich seiner Beendigung beträgt 12 Monate. Die Frist beginnt mit der Fälligkeit des Anspruchs bzw. mit der Kenntniserlangung von der Anspruchsentstehung.
Bei Provisionen beginnt die Frist mit Ende des Monats, in dem sie gemäß § 12 abzurechnen sind.
Mit Schreiben vom 6.5.1999 erklärte die Beklagte die Kündigung des Vertrages zum 30.6.1999 oder zum nächstmöglichen Termin.
Der Kläger hat im Wege der Stufenklage die Erteilung eines Buchauszuges für die Zeit vom 1.1.1995 bis 31.12.1999 und die sich daraus ergebenden (unbezifferten) Provisionsansprüche geltend gemacht, außerdem Schadensersatz in Höhe von 18.331,67 DM und einen Ausgleichsanspruch von 57.067,12 DM.
Das Landgericht hat mit Teilurteil vom 4.4.2000 die Beklagte zur Erteilung des Buchauszuges verurteilt und die Klage hinsichtlich der bezifferten Zahlungansprüche abgewiesen. Dagegen haben beide Parteien Berufung eingelegt.
Die Beklagte meint, einen Buchauszug nicht zu schulden, jedenfalls nicht in dem vom Landgericht zugesprochenen Umfang. Der Kläger habe den monatlich erteilten Provisionsabrechnungen nie widersprochen. Etwaige Provisionsansprüche des Klägers seien zum größten Teil auch verjährt, ebenso der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges.
Von der weiteren Darstellung des Tatbestands wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung der Beklagten, mit der sie sich gegen ihre Verurteilung zur Erteilung eines Buchauszuges wendet, ist zulässig. Insbesondere übersteigt ihre Beschwer die Berufungssumme von DM 1.500,-- (§ 511 a Abs. 1 ZPO). Maßgebend ist insoweit das nach § 3 ZPO zu schätzende Interesse der Beklagten daran, den Buchauszug nicht erteilen zu müssen, wobei der erforderliche Aufwand an Zeit und Kosten für die Erstellung des Buchauszuges maßgebend ist (BGH NJW 95, 664; MDR 92, 1007). Da sich hier der Buchauszug auf einen Zeitraum von fünf Jahren erstreckt und andererseits die Angaben, die der Buchauszug zu enthalten hat, weitgehend in der EDV der Beklagten erfaßt sind, schätzt der Senat den Wert der Beschwer der Beklagten auf DM 2.500,--.
II. Die Berufung der Beklagten ist aber nicht begründet. Der Kläger hat nach § 87 c Abs. 2 HGB Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges für den Zeitraum vom 01.01.1995 bis zum 31.12.1999. Der Senat folgt insoweit den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts unter Ziffer 1. der Entscheidungsgründe und nimmt auf diese Bezug (§ 543 ZPO). Auch das Berufungsvorbringen der Beklagten führt nicht zu einer anderen Beurteilung.
1. Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch.
a) Zwar ist der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges als bloßer Hilfsanspruch gegenstandslos, wenn und soweit der Provisionsanspruch verjährt ist, dessen Vorbereitung er dient (BGH NJW 96, 2100). Die seit 01.01.1995 entstandenen und fällig gewordenen Provisionsansprüche des Klägers (§ 87 a Abs. 1 und 4 HGB) sind indessen nicht verjährt.
Nach § 88 HGB beträgt die Verjährung für sämtliche Ansprüche aus dem Handelsvertreterverhältnis vier Jahre und beginnt mit dem Schluß des Jahres, in dem sie fällig geworden sind. Diese Frist hat danach bezüglich der seit 01.01.1995 fällig gewordenen Provisionsansprüche am 31.12.1995 begonnen und ist mit dem 31.12.1999 abgelaufen. Durch die Erhebung der vorliegenden Stufenklage ist die Verjährung aber rechtzeitig unterbrochen worden (§ 209 Abs. 1 BGB). Diese Unterbrechung ist bereits mit Einreichung der Klageschrift am 29.12.1999 eingetreten, da sie der Beklagten alsbald zugestellt worden ist (§ 270 Abs. 3 ZPO), nämlich am 10.01.2000.
Eine Verkürzung der Verjährungsfrist auf 12 Monate haben die Parteien nicht wirksam vereinbart. Denn die diesbezügliche Regelung in § 14 des Handelvertretervertrages vom 04./10.01.1994 ist unwirksam. Zwar heißt es dort, daß die Verjährungsfrist für alle Ansprüche aus dem Vertrag 12 Monate beträgt und diese Frist mit der Fälligkeit des Anspruchs bzw. mit der Kenntniserlangung von der Anspruchsentstehung beginnt. Nach § 14 Satz 3 des Vertrages soll die Verjährungsfrist für Provisionsansprüche aber bereits mit Ende des Monats beginnen, in dem diese abzurechnen sind, also mit Eintritt der Fälligkeit (§ 87 a Abs. 4 HGB); auf die Kenntniserlangung von der Anspruchsentstehung kommt es danach gerade nicht an. Der Senat folgt damit der vom Landgericht vorgenommenen Auslegung dieser Vertragsklausel.
Diese Abkürzung der Verjährungsfrist auf 12 Monate, die ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Klägers von der Entstehung des Provisionsanspruchs mit dessen Fälligkeit beginnt, ist nicht nur dann unwirksam, wenn es sich bei dem von den Parteien geschlossenen Handelsvertretervertrag um einen von der Beklagten mehrfach verwendeten Formularvertrag handelt (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG; BGH NJW 96, 2097; Senat NJW-RR 96, 991), wie der Kläger behauptet, sondern auch dann, wenn es sich um einen Individualvertrag handelt (§ 242 BGB). Denn auch in einem von den Parteien ausgehandelten Individualvertrag ist eine Abkürzung der Verjährungsfrist auf 12 Monate nur wirksam, wenn unter Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Handelsvertreter und Unternehmer für den Beginn der abgekürzten Frist die Kenntnis von der Anspruchsentstehung Voraussetzung ist (BGH NJW-RR 91, 35; NJW 80, 286; Küstner/Thume, Hdb. des gesamten Außendienstrechts, Bd. 1 3. Aufl., Rdnr. 1297, 1301). Diesen Anforderungen genügt die vertragliche Regelung der Verjährungsfrist nicht. Denn nach § 14 Satz 3 des Vertrages beginnt die Verjährungsfrist ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Klägers bereits mit dem Ablauf des Monats, in dem die Provisionsansprüche abzurechnen sind und nicht erst - wie in dem von BGH NJW-RR 91, 35 entschiedenen Fall - mit Erteilung der Endabrechnung. Aufgrund der hier vorliegenden Vertragsklausel ist keineswegs sichergestellt, daß der Kläger im Zeitpunkt der Fälligkeit seiner Provisionsansprüche bereits Kenntnis von der Entstehung sämtlicher Ansprüche hatte. Denn als Bezirksvertreter hat er auch Anspruch auf Provision für Geschäfte der Beklagten, die ohne seine Mitwirkung mit Kunden aus seinem Vertragsgebiet geschlossen worden sind (§ 87 Abs. 2 HGB). Darüberhinaus widerspricht es dem Grundsatz der Gleichbehandlung, den Beginn der Verjährung der Provisionsansprüche des Klägers allein an deren Fälligkeit zu knüpfen, während für alle anderen Ansprüche - insbesondere sämtliche Ansprüche der Beklagten aus dem Vertragsverhältnis - weitere Voraussetzung des Verjährungsbeginns die Kenntnis von der Entstehung des Anspruchs ist.
b) Die somit unwirksame einseitige Abkürzung der Verjährungsfrist bezüglich der Provisionsansprüche des Klägers hat zur Folge, daß die vertragliche Verjährungsregelung insgesamt unwirksam ist und die gesetzliche Verjährungsfrist von vier Jahren Platz greift (BGH NJW 80, 286). Deshalb ist auch der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges, der einer selbständigen Verjährung unterliegt (BGH NJW 82, 235), für den geltend gemachten Zeitraum ab 01.01.1995 nicht verfährt.
2. Der Anspruch auf Erteilung des Buchauszuges ist auch nicht verwirkt. Insbesondere ist er auch durch die jahrelange widerspruchslose Hinnahme der Provisionsabrechnungen der Beklagten nicht ausgeschlossen (BGH NJW 96, 588).
3. Zutreffend hat das Landgericht den Zeitraum für die Erteilung des Buchauszuges auf alle Geschäfte erstreckt, die bis zum 31.12.1999 zustande gekommen sind. Denn selbst wenn die von der Beklagten mit Schreiben vom 06.05.1999 erklärte Kündigung bereits zum 30.06.1999 wirksam geworden wäre, sind auch die danach noch abgeschlossenen Geschäfte nach Maßgabe des § 87 Abs. 3 AGB provisionspflichtig, so daß sich der Buchauszug auch auf diese zu erstrecken hat (Hopt, Handelsvertreterrecht, 2. Aufl., § 87 c Rdnr. 13). Im übrigen teilt der Senat auch die Auffassung des Landgerichts, daß die Beklagte zur fristlosen Kündigung des Vertrages nicht berechtigt gewesen ist und in Folge dessen das Vertragsverhältnis erst zum 31.12.1999 beendet worden ist.
4. Auch der Umfang der vom Kläger geforderten und vom Landgericht zugesprochenen Einzelangaben ist nicht zu beanstanden. Denn der Buchauszug muß alles enthalten, was die Bücher des Unternehmers im Zeitpunkt der Erstellung des Buchauszuges über die fraglichen Geschäfte ausweisen und für die Berechnung der Provision von Bedeutung sein kann. Dazu gehören auch Angaben zum Stadium der Abwicklung des Geschäfts sowie Annullierungen, Nichtauslieferungen, Stornierungen und Retouren, jeweils mit Angabe von Gründen (Hopt a.a.O. Rdnr. 14; Küstner a.a.O. Rdnr. 1488).
II. Da die vom Kläger geltend gemachten bezifferten Zahlungsansprüche noch weiterer Aufklärung bedürfen, war über die Berufung der Beklagten durch Teilurteil zu entscheiden (§ 301 ZPO).
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 713, 546 Abs.2 ZPO. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Ende der Entscheidung
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