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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 10.01.2001
Aktenzeichen: 7 U 3569/00
Rechtsgebiete: AktG, ZPO
Vorschriften:
AktG § 320 b | |
AktG § 320 b Abs. 2 S. 2 | |
AktG § 320 b Abs. 3 | |
AktG § 306 | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 546 Abs. 2 | |
ZPO § 708 Nr. 10 |
Art. 15 des Übernahmekodex der Börsensachverständigenkommission beim Bundesfinanzministerium i.d.F. vom 28.11.1997 erfasst nicht aktiengesetzlich zwingend vorgesehene Abfindungsangebote (hier: § 320 b AktienG).
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Aktenzeichen: 7 U 3569/00 16 HKO 1796/00 LG München I
Verkündet am 10.01.2001
Die Urkundsbeamtin: Haindl
Justizangestellte
In dem Rechtsstreit
wegen Schadensersatzes
erläßt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.11.2000 folgendes
Endurteil:
Tenor:
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 02.05.2000, Az. 16 HKO 1796/00, wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Wert der Beschwer der Klägerin im Berufungsverfahren übersteigt 60.000,- DM.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte aus einem öffentlichen Kaufangebot bei freiwilliger Unterwerfung unter den Übernahmekodex der Börsensachverständigenkommission beim Bundesfinanzministerium d.F.v. 28.11.1997 verpflichtet ist, den an die Klägerin für den Kauf von 8.424 Aktien der AG bezahlten Kaufpreis mit Rücksicht auf eine im Rahmen der Eingliederung der Zielgesellschaft nachträglich gezahlte höhere Barabfindung an außenstehende Aktionäre der AG nachzubessern.
Im November 1998 richtete die Beklagte an die Aktionäre AG, zu denen auch die Klägerin gehörte, ein freiwilliges öffentliches Kaufangebot, das über DM 845,- je Aktie der AG im Nennbetrag von DM 50,- lautete. Die Annahme des Angebots konnte bis zum 15.01.1999 erfolgen. In dem Angebot unterwarf sich die Beklagte dem Übernahmekodex der Börsensachverständigenkommission bei dem Bundesministerium der Finanzen in der Fassung vom 28.11.1997 (im folgenden: BSK). Das von der Beklagten im Bundesanzeiger Nr. 216 vom 17.11.1998 veröffentlichte Kaufangebot enthält unter dem Stichwort "Gleichbehandlung" in Abs. 2 folgende Art. 15 des Übernahmekodex im wesentlichen entsprechende Regelung:
"Sollte die H GmbH bis zum 17.01.2000 im Rahmen eines weiteren freiwilligen öffentlichen Kaufangebotes einen höheren Kaufpreis für Aktien anbieten und liegt bis dahin kein öffentliches Kaufangebot eines Dritten für Aktien vor, so gilt dieser höhere Kaufpreis auch für alle Aktionäre, die dieses Kaufangebot annehmen werden."
In dem öffentlichen Kaufangebot wies die Beklagte darauf hin, daß sie mit der Übernahme der AG das Ziel einer Reorganisation des Konzerns verbinde und daß in diesem Zusammenhang auch eine Eingliederung in eine mit der Beklagten verbundene Gesellschaft erwogen werde. Auf den Inhalt des Kaufangebots (K 1) und den Wortlaut des Übernahmekodex (K 1a) wird im übrigen ergänzend Bezug genommen.
Die Klägerin, die sich mit Wertpapierhandel befaßt, nahm das Angebot der Beklagten an und veräußerte insgesamt 8.242 Stück Aktien der AG. Diese, sowie die von ihr im Juli 1998 erworbenen 82,5 % und bereits vorher in ihrem Besitz befindlichen Aktien brachte die Beklagte gemäß notariellem Einbringungsvertrag vom 10.02.1999 (K 3) als Sacheinlage in die AG, die kurz zuvor gegründet Worden war, ein Die AG besaß damit mehr als 99 % der Aktien der AG.
Die Anfang März 1999 veröffentlichte Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung der AG am 13.04.1999 sah unter TOP 8 eine Beschlußfassung über die Eingliederung der AG in die AG vor, wobei sich die AG verpflichtete, die außenstehenden Aktionäre der AG nach deren Wahl mit Aktien oder in bar abzufinden. Auf der Grundlage eines Gutachtens der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Hannover, zum Unternehmenswert beider Gesellschaften mit Stichtag 14.04.1999 wurde die Höhe der Barabfindung auf DM 976,- festgesetzt. Die Angemessenheit der Barabfindung wurde von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, München, überprüft. Die Gutachten datieren vom 24.02.1999 bzw. 03.03.1999.
Die Höhe der Barabfindung lag pro Aktie DM 131,- über dem Betrag, der aufgrund des freiwilligen Übernahmeangebots vom November 1998 an die Klägerin bezahlt worden ist.
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin einen Teilbetrag von insgesamt DM 1.103.544,- in Höhe von DM 68.000,- als Differenzbetrag der zwischen der Barabfindung und der der Klägerin im Rahmender, freiwilligen öffentlichen Übernahme zugeflossenen Kaufpreissumme geltend. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Beklagte schulde den Betrag aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung und nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo.
Eine Verletzung der Kaufvertragspflicht sieht die Klägerin darin, daß es die Beklagte vorprozessual abgelehnt hat, DM 131,- pro Aktie als Nachbesserungsbetrag zu bezahlen. Die Verpflichtung, die Kaufpreissumme im Verhältnis zu der im Rahmen des Eingliederungsverfahrens gemachten Abfindung nachzubessern, folge jedenfalls aus Art. 15 des Übernahmekodex i.V.m. der von der Beklagten unter dem Punkt "Gleichbehandlung" im Angebot übernommenen Nachbesserungspflicht. Die von der Beklagten vorprozessual vertretene Auffassung, wonach Art. 15 des Übernahmekodex lediglich spätere freiwillige Angebote, nicht aber aktiengesetzlich zwingend vorgesehene Abfindungsangebote erfasse, sei unzutreffend. Der Ausschluß von Angeboten, die nachträglich aufgrund zwingender aktiengesetzlicher Regelungen erfolgen aus dem Anwendungsbereich des Art. 15, widerspreche der Regelungsabsicht dieser Vorschrift. Vorliegend beruhe die gesetzliche Folge des Eingliederungsvorgangs, nämlich den außenstehenden Aktionären ein Abfindungsangebot zu erteilen, auf einer durchaus freiverantwortlichen Entscheidung der Beklagten, was aber bedeute, daß auch das Abfindungsangebot freiwillig i.S.d. Art. 15 abgegeben worden sei. Aufgrund ihrer Eigenschaft als Alleinaktionärin müsse sich die Beklagte das Handeln ihrer 100-%igen Tochter, die das Barabfindungsangebot abgegeben habe, auch anrechnen lassen.
Eine Haftung der Beklagten ergebe sich alternativ auch nach den Grundsätzen der c.i.c.. Die Beklagte habe es nämlich vorwerfbar unterlassen, in ihrem Angebot ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß eine Nachbesserung dann nicht beabsichtigt sei, wenn ein nachträglich besseres Angebot aufgrund einer von ihr freiwillig vorgenommenen Eingliederung aufgrund einer aktienrechtlich zwingenden Verpflichtung erfolge. Vorwerfbar sei der Beklagten auch, daß sie es unterlassen habe, das freiwillige öffentliche Kaufangebot zu erhöhen, obwohl sie bereits während der Laufzeit des Angebots erfahren habe, daß das Barabfindungsangebot höher ausfallen würde.
Die Klägerin hat beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 68.000,- zuzüglich 5 % Zinsen seit dem 24.01.2000 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte hat den Standpunkt vertreten, eine Nachbesserung sei nicht geschuldet, da die Voraussetzungen der im Angebot abgegebenen Zusagen nicht vorlägen. Ein weiteres öffentliches Angebot habe die Beklagte nicht abgegeben. Die von der AG vorgenommene Eingliederung und die deswegen an die Aktionäre der AG gezählte Abfindung stelle kein öffentliches Angebot i.S.d. öffentlichen Kaufangebots bzw. des Art. 15 des Übernahmekodex dar. Im übrigen könne die Vorgehensweise der AG der Beklagten auch nicht zugerechnet werden. Die AG sei rechtlich selbständig, mit der Beklagten sei sie nicht durch Beherrschungsvertrag verbunden. Auch sei die Beklagte nicht alleinige Aktionärin. Die Voraussetzungen eines haftungsrechtlichen Durchgriffs lägen somit nicht vor.
Eine Haftung der Beklagten aus positiver Vertragsverletzung bestehe auch dann nicht, wenn die Eingliederung als Maßnahme der Beklagten gewertet würde. Denn die Abfindung des §320 b AktG unterfalle - da kein Angebot und nicht freiwillig - nicht dem Kodex und löse somit keine Nachbesserungspflicht nach Art. 15 aus. Eine andere Beurteilung sei auch nicht deswegen geboten, weil die Entscheidung der Gesellschaft, eine Eingliederung vorzuschlagen, als geschäftsführende Maßnahme freiwillig erfolgt sei. Die gesetzlich hieran geknüpften zwingenden Leistungen seien jedenfalls nicht freiwillig.
Ein Schadensersatz aus c.i.c. bestehe ebenfalls nicht. Die Beklagte habe in ihrem Kaufangebot deutlich klargestellt, daß eine Nachbesserung ausschließlich im Falle eines weiteren freiwilligen öffentlichen Kaufangebots gewährt werden würde. Der von der Klägerin verlangte zusätzliche Hinweis sei nicht veranlaßt gewesen, zumal die Beklagte die Aktionäre über ihre Absicht, eine Reorganisation verbunden mit einer möglichen Eingliederung vorzunehmen, umfassend informiert habe. Im Zeitpunkt des Kaufangebots sei es noch fraglich gewesen, ob eine Eingliederung tatsächlich stattfinden werde. Dies sei vom Ergebnis des Übernahmeangebots abhängig gemacht worden. Eine Entscheidung sei erst nach dem 15.01.1999 gefallen. Die nach § 320 b AktG zu zahlende Barabfindung sei durch Gutachten ermittelt worden, wobei das Gutachtensergebnis am 24.02.1999, der Prüfungsbericht am 03.03.1999 vorgelegt worden sei. Im übrigen bestehe keine Verpflichtung der Beklagten, die Aktionäre im Rahmen eines öffentlichen Kaufangebots über die Kalkulation einer Barabfindung aufzuklären.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ergebe sich aus dem freiwilligen öffentlichen Kaufangebot der Beklagten vom November 1998 nicht, eine Verpflichtung der Beklagten, eine Nachzahlung zu leisten, lasse sich hieraus nicht herleiten. Auch aus dem Übernahmekodex, dem ich die Beklagte unterworfen habe, folge nichts anderes. Art. 15 stelle ausdrücklich und abschließend auf ein weiteres freiwilliges öffentliches Kaufangebot ab. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, daß im öffentlichen Angebot ein Hinweis dahingehend, daß gegebenenfalls ein Abfindungsbetrag gem. § 320 b AktG höher sein könne als der angebotene Kaufpreis, nicht erfolgt sei. Eine dahingehende Informationspflicht der Beklagten habe nicht bestanden.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt klarstellend und ergänzend vor:
Entgegen der Auffassung des Landgerichts hätte aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers das Angebot der Beklagten unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben nur dahingehend verstanden werden können, daß sich die Beklagte auch im Falle eines nachfolgenden aktiengesetzlich notwendigen (Barabfindungs-)Angebots zur Nachbesserung verpflichtete. Dies ergebe sich zwar nicht ohne weiteres aus dem im Bundesanzeiger veröffentlichen Wortlauf des von der Beklagten abgegebenen Kaufangebots, folge jedoch aus dem Umstand, daß sich die Beklagte in ihrem Angebot dem Übernahmekodex der BSK in der ab 1998 gültigen Fassung unterworfen habe, somit der Text des Kodex Bestandteil des öffentlichen Kaufangebots geworden ist. Nach dem somit maßgeblichen Art. 15 sei die Beklagte verpflichtet, auch für den Fall, daß sie nachträglich ein nach den Vorschriften des Aktienrechts zwingend erforderliches besseres Abfindungsangebot mache, denjenigen Aktionären, die das ursprüngliche Angebot bereits angenommen haben, einen entsprechenden Differenzbetrag nachzuzahlen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts erfasse Art. 15 des Übernahmekodex auch diesen Fall eines nachträglich besseren Angebots. Daß das Angebot formal von der AG stamme, müsse sich die Beklagte anrechnen lassen. Im Zeitpunkt der Abgabe des Abfindungsangebots hätten sich die Aktien der AG zu 100 % in der Hand der Beklagten befunden. Schließlich weist die Klägerin darauf hin, daß die ehemals außenstehenden Aktionäre der mit Blick auf das Barabfindungsgebot der AG die gerichtliche Bestimmung einer angemessenen Abfindung nach §§ 320 b Abs. 2 S. 2, Abs. 3, 306 AktG beantragt hätten. Das damit eingeleitete Spruchstellenverfahren sei durch Abschluß eines Vergleichs beendet worden. Nach dem Inhalt des Vergleichs hätten die ehemaligen außenstehenden Aktionäre u.a. nunmehr eine von DM 976,- auf DM 1.500,- erhöhte Barabfindung erhalten, was auch für die nicht-antragstellenden ehemaligen außenstehenden Aktionäre gelte. Die Klägerin vertritt den Standpunkt, daß jedenfalls in Form dieses Vergleichsabschlusses ein besseres, freiwilliges Angebot i.S.d. Art. 15 des Übernahmekodex vorliege.
Die Klägerin beantragt:
1. Das Urteil des Landgerichts München I vom 02.05.2000 (Az. 16 HKO 1796/00) wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 68.000,- zuzüglich 5 % Zinsen hieraus seit dem 24.01.2000 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt:
Die Berufung der Klagepartei zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Auch sie wiederholt ihr Vorbringen aus der 1. Instanz. Sie hält insbesondere daran fest, daß gemäß den Begriffsbestimmungen des Übernahmekodex aktienrechtliche Pflichtangebote vom Regelungsbereich des Kodex ausgenommen seien. Im übrigen meint sie, daß ungeachtet dieser Auffassung die Beklagte jedenfalls nicht hafte, da sie das gesetzlich zwingend Abfindungsangebot nach § 320 b AktG nicht abgegeben habe und keine Identität mit der Tech Data Germany AG bestehe.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils und den gesamten Akteninhalt im übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Eine schadensersatzauslösende Verletzung des zwischen den Parteien zustande gekommenen Kaufvertrags durch die Beklagte liegt nicht vor. Auch der Vorwurf eines Verschuldens vor oder bei Vertragsabschluß ist nicht begründet.
1. Eine Verpflichtung der Beklagten, den Differenzbetrag zwischen Kaufpreis und Barabfindung nachzuzahlen, besteht nicht.
Der Argumentation der Klagepartei, wonach das im Bundesanzeiger vom 17.11.1998 veröffentlichte Kaufangebot aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers nur dahingehend zu verstehen gewesen sei, daß sich die Beklagte auch im Falle eines nachfolgenden aktiengesetzlich notwendigen - besseren - Barabfindungsangebots zur Nachbesserung verpflichte und dies Inhalt des streitgegenständlichen Vertrags geworden sei, folgt der Senat nicht.
Das im November 1998 veröffentlichte Kaufangebot, das den Anforderungen des Übernahmekodex der BSK i.d.F.v. 28.11.1997 entsprach, ergibt konkret nichts dafür, was für eine solche Nachbesserungsverpflichtung der Beklagten sprechen könnte.
Unter dem Punkt "Gleichbehandlung" sind die Voraussetzungen, die eine Erhöhung des Kaufpreises auslösen konnten, eindeutig bestimmt. Die Formulierung "sollte die GmbH bis zum 17.01.2000 im Rahmen eines weiteren freiwilligen öffentlichen Kaufangebotes einen höheren Kaufpreis für Aktien anbieten ... so gilt dieser höhere Kaufpreis auch für alle Aktionäre, die dieses Kaufangebot annehmen werden" konnte objektiv von den verkaufswilligen Aktionären nur so verstanden werden, daß lediglich ein weiteres Kaufangebot und nicht aktienrechtlich gebotene Barabfindungen die Nachbesserungsverpflichtung auslösen würden.
Mit der im Angebot enthaltenen Begründung ("... es ist vorgesehen, die AG anschließend in eine der deutschen Tochtergesellschaften bzw. in eine neu zu gründende H-Gesellschaft einzugliedern oder Unternehmensverträge zwischen der AG und der GmbH abzuschließen ...") war zudem klargestellt, daß Ziel des Kaufangebots ein Übernahmeversuch der AG durch das Management der Beklagten war und eine Eingliederung der Zielgesellschaft in eine Tochtergesellschaft bzw. in eine neu zu gründende H im Rahmen einer Reorganisation der Unternehmensstruktur erfolgen sollte. Mit diesen Fakten hat die Beklagte alle Aktionäre der Zielgesellschaft mit gleichen - ausreichenden - Informationen versorgt, die für die Beurteilung des Angebots von Bedeutung waren. Weitere Mitteilungen - wie sie die Klagepartei fordert - so insbesondere daß die Zahlung einer den Kaufpreis übersteigenden Barabfindung keine Kaupreiserhöhung zur Folge haben würde, waren nicht veranlaßt. Der Inhalt des Angebots entsprach den Vorgaben des Art. 7 des Übernahmekodex.
2. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung des Differenzbetrages folgt auch nicht unmittelbar aus den - infolge der Unterwerfung der Beklagten im Angebot - für die Vertragsbeziehungen der Parteien rechtsverbindlichen Regelungen des Übernahmekodex selbst.
Der klägerischen Interpretation, wonach Art. 15, der als Grundlage für die behauptete Nachbesserungsverpflichtung der Beklagten allein in Betracht kommt, auch bei aktienrechtlich gebotener Barabfindung gilt, d.h. einem "besseren freiwilligen Angebot" i.S.d. Vorschrift entspricht, stehen der Wortlaut, Wortsinn, der Regelungszusammenhang, insbesondere aber die von der Kommission selbst formulierten Anmerkungen und Begriffsbestimmungen zum Übernahmekodex - herausgegeben Juli 1996 - sowie das Anliegen des Kodex entgegen.
Der Übernahmekodex ist eine von der BSK erstellte Empfehlung von Verhaltensnormen für die an freiwilligen öffentlichen Übernahmeangeboten beteiligten Parteien (vgl. Einleitung des Übernahmekodex vom 14.07.1995 mit Wirkung ab 01.01.1998 - Anlage K 1 a -).
Öffentliche Angebote i.S.d. Kodex sind öffentliche Kauf- und Umtauschangebote, sowie Aufforderungen zur Abgabe von Angeboten, die ohne Bestehen einer Rechtspflicht von einem Bieter an die Inhaber von Wertpapieren einer Zielgesellschaft gerichtet sind mit dem Ziel, deren Wertpapiere zu einem bestimmten Preis in bar oder im Tausch gegen andere Wertpapiere ... zu erwerben, wobei in den Anmerkungen zum Übernahmekodex insoweit klargestellt ist, daß der Kodex öffentliche Angebote zum Gegenstand hat, die nicht nach dem deutschen Gesellschaftsrecht für Minderheitsaktionäre vorgesehen sind, und daß gesetzlich vorgeschriebene Angebote nicht dem Kodex unterliegen (vgl. S. 3 d. Anmerkungen zum Übernahmekodex - Juli 1996 -).
Der Klägerin ist dahin zu folgen, daß die von der BSK festgelegten Begriffsbestimmungen den Regelungsbereich des Kodex festlegen und hierdurch verdeutlicht wird, daß der Kodex nur solche Bereiche erfaßt, die im Gesellschaftsrecht nicht geregelt sind. Schlüssig ergibt sich aber hieraus auch, daß mit der Formulierung "freiwilliges Angebot" in den einzelnen Regelungen des Kodex - so auch in Art. 15 - damit vorgegeben ist, daß gesetzlich vorgeschriebene Angebote grundsätzlich nicht erfaßt sind, wobei - wie der vorliegende Fall zeigt und sich auch aus der Anmerkung zu Art. 15 vom Juli 1996 ergibt - ein dahingehender Klärungsbedarf durchaus besteht. Nicht gefolgt werden kann der Klägerin dahingehend, daß der Begriff "freiwilliges Angebot" in Art. 15 lediglich der Abgrenzung zum "Pflichtangebot" in Art. 16 dient. Auch das "Pflichtangebot" beinhaltet nämlich keine gesetzliche, sondern nur eine nach dem Kodex vorgegebene Verpflichtung, so daß ein Abgrenzungsbedarf nicht gegeben ist.
Auch die Argumentation der Klägerin, wonach durch die in der Anmerkung zu Art. 15 enthaltenen Feststellung, "... danach waren Banken auf Bitten von Aktionärsvereinigungen dazu übergegangen, Bieter zu verpflichten, allen Aktionären, die ein öffentliches Übernahmeangebot angenommen hatten, dann eine Nachbesserung in Höhe des Differenzbetrages zu bezahlen, wenn sogar innerhalb von 18 Monaten nach Abschluß des öffentlichen Übernahmeangebotes der Bieter ein neues Angebot (sei es im Rahmen von aktienrechtlichen Abfindungen oder in Form eines neuen freiwilligen Angebots) unterbreitet ..." belegt sei, daß auch aktienrechtliche Abfindungen der Regelung des Art. 15 unterlägen, was im übrigen auch den Leitsätzen von 1979 entspräche, überzeugt nicht. Die Anmerkungen von 1996 sind das Ergebnis einer Überarbeitung und Weiterentwicklung der Regelungen in den Leitsätzen von 1979. Dementsprechend hat die Kommission in den Erläuterungen zu Art. 15 auch nur dargestellt, welche Praktiken sich im Laufe der Zeit herausgebildet haben, so u.a. Nachbesserungen auch bei aktienrechtlichen Abfindungen. Nicht festgestellt ist aber, daß diese Praktiken von der Kommission übernommen werden sollten und tatsächlich ergibt der maßgebliche Text des Art. 15 auch nicht die von der Klagepartei angenommene Regelung, wonach die gesetzlich gebotene Barabfindung die Nachbesserungsverpflichtung auslösen soll.
Das gesetzlich zwingende Abfindungsangebot nach § 320 b AktG, sowie der Vergleichsabschluß im Spruchstellenverfahren nach §§ 320 b, 306 AktG sind auch nicht deswegen dem freiwilligen Angebot i.S.d. Art. 15 des Kodex gleichzustellen, weil - wie die Klägerin meint - die Entscheidung über die Eingliederung samt den sich hieraus ergebenden Verpflichtungen gegenüber den Aktionären freiwillig erfolgt sei. Denn die Umstrukturierungsmaßnahme des Managements löst die gesetzlichen Folgen zwingend aus (§ 320 b AktG) auf die die Klägerin ihre Nachbesserungsforderung stützt. Eine Wertung i.S. der Klägerin würde damit aber der - dargelegten - Definition des freiwilligen Angebots klar widersprechen.
Auch Sinn und Zweck des Übernahmekodex führen im Ergebnis nicht zu einer Auslegung i.S.d. Klägerin. Eckpfeiler des Kodex ist neben dem Transparenzgebot auch der Gleichbehandlungsgrundsatz, der besagt, daß alle Aktionäre der Zielgesellschaft im Übernahmeverfahren mit gleichen Rechten ausgestattet sein sollen und zwar unabhängig von ihrem Stimmrechtsanteil. Gleichbehandlung beinhaltet insbesondere den Schutz von Minderheitsaktionären, d.h. im wesentlichen von Privatanlegern und institutionellen Investoren, die das Vermögen von Privatanlegern verwalten. Diesem von den betroffenen Aktionären verfolgten Interesse hat die Beklagte durch Einhaltung der Regelungen im Übernahmekodex aber entsprochen. Allen Aktionären stand die Möglichkeit offen, das Angebot vom November 1998 anzunehmen oder abzuwarten, welche der im Angebot angesprochenen Management-Entscheidungen getroffen werden würden mit der, möglichen Folge einer aktienrechtlich gebotenen Abfindung. Damit hatten alle Aktionäre ein faires und durchschaubares Umfeld, in dem sie ihre Entscheidung treffen konnten. Anders als bei festverzinslichen Wertpapieren kann es bei der Investition in Risikopapiere wie Aktien keine Wertgarantie geben. Würde man der Forderung der Klägerin entsprechen und bei dem öffentlichen Angebot nachfolgenden nach Aktienrecht vorgegebenen Abfindungen - sofern sie das Kaufangebot übersteigen - eine Nachbesserung für gerechtfertigt halten, würde dies dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Kodex deswegen widersprechen, weil die das Kaufangebot annehmenden Aktionäre jedenfalls gesichert durch den Kaufpreis bei einer nachfolgend geringeren Barabfindung nicht benachteiligt, andererseits bei einer höheren Barabfindung - risikofrei - einen höheren Kaufpreis erhalten würden.
3. Der Anspruch der Klägerin nach den Grundsätzen der c.i.c. wegen Irreführung über den Umfang des öffentlichen Kaufangebots und Zurückhaltung von Informationen ist ebenfalls nicht begründet.
Dem von der Klägerin zur Begründung einer Haftung nach c.i.c. vorgetragenen Standpunkt, nach dem Wortlaut des Angebots vom November 1998 habe sie bei objektiver Auslegung annehmen und sich sicher fühlen können, daß die Beklagte den Kaufpreis nachbessern werde, sofern im Rahmen der angekündigten Eingliederung ein aktienrechtlich gebotenes höheres Angebot erfolgen würde, ist nicht zu folgen.
Wie dargelegt, nennt das Angebot mögliche Unternehmensentscheidungen im Rahmen einer Reorganisation des Konzerns, so auch die Eingliederung der Zielgesellschaft, zur Begründung des Kaufangebots. Daß die Eingliederung eine von der Beklagten ernsthaft in Betracht gezogene Management-Maßnahme war, war damit deutlich herausgestellt, daß bei dieser Alternative ein aktienrechtlich gebotenes Barabfindungsangebot gegenüber den außenstehenden Aktionären erfolgen würde, war der Klägerin - wie sie einräumt - als ein mit Wertpapierhandel befaßtes Unternehmen "abstrakt" auch durchaus klar. Weder aus Wortlaut noch nach dem Gesamtinhalt des Angebots, das den Anforderungen des Kodex entsprach, konnte die Klägerin mangels konkreter Anhaltspunkte vernünftigerweise der Auffassung sein, im konkreten Fall würde auch ein gegenüber dem Kaufpreis höheres Barabfindungsangebot eine Nachbesserung durch die Beklagte zur Folge haben.
Auch konnte sie nicht mit einem weiteren erhöhten Kaufangebot rechnen, da naheliegend war, daß die Beklagte nach dem Ergebnis des Übernahmeangebots auch eine Entscheidung über die Umstrukturierungsmaßnahme treffen würde. Zu einem ausdrücklichen Hinweis, daß eine Nachbesserung des Kaufpreises bei einem höheren Abfindungsbetrag nach § 320 b AktG nicht erfolgen würde war die Beklagte daher nicht verpflichtet.
Auch eine Zurückhaltung von Informationen kann der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der c.i.c. nicht vorgeworfen werden.
Die für die Höhe der Barabfindung maßgeblichen Gutachten datieren vom 24.02.1999 und 03.03.1999. Selbst wenn der Beklagten noch während der Laufzeit des öffentlichen Angebots im Zusammenhang mit den Unternehemensbewertungen bekannt geworden wäre, daß der Betrag der Barabfindung voraussichtlich höher als der im Angebot genannte Kaufpreis sein könnte, bestand keine Verpflichtung, die verkaufswilligen Aktionäre über die noch nicht abschließend gesicherten Zahlen zu unterrichten und im Zusammenhang hiermit klarzustellen, daß eine Erhöhung des Kaufpreises nicht erfolgen wird.
Auch wenn der Kodex die Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben grundsätzlich verlangt und Marktmanipulationen begegnen will, kann eine Information, wie sie die Klägerin insoweit für geboten hält, nicht verlangt werden. Es liegt durchaus im berechtigten Interesse des kaufwilligen Unternehmens und verstößt nicht gegen die Interessen der außenstehenden Aktionäre, wenn dem öffentlichen Kaufangebot nachfolgende Bewertungen der Wertpapiere jedenfalls dann nicht veröffentlicht werden, wenn diese noch ungesichert und rein betriebsintern sind.
4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 546 Abs. 2, 708 Nr. 10 ZPO.
Ende der Entscheidung
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