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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 29.10.2007
Aktenzeichen: 7 U 3773/07
Rechtsgebiete: ZPO, AktG


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2
AktG § 256 Abs. 5
AktG § 249 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 7 U 3773/07

In dem Rechtsstreit

Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 12.04.2007 zurückzuweisen, § 522 Abs. 2 ZPO.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 16.11.2007.

Gründe:

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Weder weist der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung auf noch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Endurteils wird Bezug genommen.

Die Würdigung des Landgerichts ist frei von Rechtsfehlern (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Sie erschöpft den einschlägigen Sachverhalt, ist nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze liegen nicht vor. Das Ergebnis ist nahe liegend und wird durch die Berufungsbegründung und die vorgelegten Unterlagen nicht in Frage gestellt.

Ohne Rechtsfehler und unter Abwägung aller maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte geht das Gericht in 1. Instanz zu Recht davon aus, dass die Nichtigkeitsklagen nicht begründet sind, weil die Jahresabschlüsse der Geschäftsjahre 2002/2003, 2003/2004 und 2004/2005 nicht nichtig sind, da die Voraussetzungen des § 256 Abs. 5 S. 1 AktG nicht erfüllt sind.

I. Der Berufungskläger ist zunächst darauf hin zu weisen, dass die vorliegende Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der streitgegenständlichen Jahresabschlüsse, §§ 256 Abs. 7, 249 Abs. 1 AktG, nach ganz herrschender Meinung eine Feststellungsklage und keine Gestaltungsklage ist (vgl. Hüffer AktG, 7. Auflage, § 249 Rdnr. 10, § 256 Rdnr. 31) und deshalb sein Berufungsantrag vom 11.09.2007, die streitgegenständlichen Jahresabschlüsse für "nichtig zu erklären", fehlerhaft ist. In erster Instanz hatte der Kläger und Berufungsführer ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 12.04.2007 seinen ursprünglich gleich lautenden Klageantrag geändert und Feststellungsantrag gestellt.

II. Zu den Berufungsangriffen des Klägers ist Folgendes anzumerken:

1. Das Landgericht hat die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Klägers nicht überspannt. Es hat vielmehr berücksichtigt, dass der Kläger keine näheren Kenntnisse über die Interna der Beklagten und über die Positionen der Verbuchungen einzelner Zahlungen hat. Eine Beiziehung der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft München I, deren Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, kommt nicht in Betracht (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 28. Auflage, § 420 Rdnr. 2). Dies gilt auch für den Antrag des Klägers, das vorliegende Verfahren bis zu einer Entscheidung der Staatsanwaltschaft München I auszusetzen, da weder die Voraussetzungen des § 148 noch die des § 149 ZPO vorliegen.

2. Soweit der Berufungskläger sich gegen das landgerichtliche Urteil insofern wendet, als dieses eine Unterbewertung von Posten wegen fehlender Aktivierung von Rückzahlungsansprüchen verneinte, hat sein Rechtsmittel keinen Erfolg. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Ansprüche auf Rückgewähr erst dann bilanziell zu aktivieren sind, wenn sie für den Kaufmann sicher und konkretisiert sind. Dass es dabei lediglich ein Volumen von 7,8 Mio. Euro ("Griechenland") als hinreichend konkretisiert annahm, ist ebenso wenig zu beanstanden wie die Feststellung, dass die weiteren 420 Mio. Euro angesichts der noch nicht abgeschlossenen Ermittlungen u.a. der Staatsanwaltschaft eben als noch nicht hinreichend sicher zu qualifizieren waren und sind. Soweit der Kläger Beweis dafür anbietet, dass die "Jahresabschlüsse durch den behaupteten Gesamtschaden von mindestens 420 Mio. Euro infiziert und damit falsch abgebildet" seien, ist dem nicht zu entsprechen, da es insofern an einem hinreichend konkreten Sachvortrag dazu fehlt, inwiefern die Jahresabschlüsse eine Unterbewertung wegen fehlender Aktivierung aufweisen und die Ansprüche auf Rückgewähr bereits damals als so sicher und konkretisiert anzusehen waren, dass sie bilanziell zu aktivieren gewesen wären.

3. Die Vermutung des Klägers, die Schäden aus dem "Schmiergeldsumpf-Skandal" lägen "nach derzeitigen Erkenntnissen weit über dem bislang bekannt gewordenen Volumen von 420 Mio. Euro" und die hierzu vorgelegten Medienberichterstattungen (Anlagen 2 bis 6), rechtfertigen keine von der Entscheidung des Landgerichts abweichende Beurteilung der streitgegenständlichen Jahresabschlüsse.

4. Schließlich vermögen auch die Behauptungen des Klägers, dass und in welcher Weise das Erstgericht die Frage der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung fehlerhaft beurteilt habe, nicht zu überzeugen. Zu Recht hat das Landgericht darauf abgestellt, dass eine geringfügige Über- oder Unterbewertung den Schutzzweck der Norm nicht tangiert und hierbei die Relation zu denkbaren Vergleichsparametern (Jahresüberschuss, Bilanzsumme, bilanzielles Eigenkapital) entscheidend ist. Maßgeblich ist nicht die absolute Höhe der Über- bzw. Unterbewertung, aber auch nicht - wie der Kläger meint - die Frage, ob durch die Zahlungen von Bestechungsgeldern und das Anlegen von "schwarzen Kassen" ein Imageschaden, Aufklärungskosten und möglicherweise Strafzahlungen entstehen. Nicht zu beanstanden ist schließlich auch, dass das Landgericht mangels anderer, konkreter Anhaltspunkte von einer Gesamtsumme von 420 Mio. Euro und daraus sich ergebenden durchschnittlichen jährlichen Zahlungen in Höhe von ca. 60 Mio. Euro ausging. Tatsachen, die die Behauptung des Klägers belegen, bei überwiegenden Zahlungen im Jahr 2003 würden sich diese in die nachfolgenden Jahre "verschleppen", vermag der Kläger nicht vorzutragen.

5. Das Landgericht hat auch nicht verkannt, dass das Anlegen von "schwarzen Kassen" nicht ohne Vorsatz erfolgen könne, wie der Kläger meint. Entscheidend für die Beurteilung der Nichtigkeit der streitgegenständlichen Jahresabschlüsse ist vielmehr die Frage, ob die an der Aufstellung oder Feststellung der Jahresabschlüsse maßgeblich beteiligten Organmitglieder der Beklagten hierbei vorsätzlich handelten. Dies behauptet der Kläger selbst nicht.

6. Schließlich ist auch die vom Landgericht vorgenommene Differenzierung zwischen Jahres- und Konzernabschluss nicht zu beanstanden.

Der Senat regt daher an, die Berufung zur Meidung weiterer Kosten zurückzunehmen.

Ende der Entscheidung

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