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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 26.05.2004
Aktenzeichen: 7 U 3802/02
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB


Vorschriften:

BGB § 278 a. F.
BGB § 326 Abs. 1 Satz 1
BGB § 326 Abs. 2
BGB § 631 Abs. 1
EGBGB Art. 229 § 5 S. 1
1. Unmöglichkeit der Leistung liegt nicht vor, wenn ein vertraglich vereinbartes Konzert eines bestimmten Orchesters mit seinem Chefdirigenten und einem festgelegten Programm wegen des krankheitsbedingten Ausfalls des Dirigenten mit diesem nicht durchgeführt werden kann.

2. Zur Haftung einer Agentur gegenüber dem Konzertveranstalter für den Ausfall des Konzerts, wenn das Orchester sich weigert, mit einem anderen Dirigenten aufzutreten.

3. Der Anspruch des Konzertveranstalters ist nach § 254 Abs. 2 BGB zu mindern, wenn dieser es unterlässt, die Aufführung - gegebenenfalls auch unter Abänderung des Programms - mit einem Ersatzorchester durchzuführen.


Aktenzeichen 7 U 3802/02

Verkündet am 26.05.2004

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erlässt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. und die Richter am Oberlandesgericht Dr. B. und F. auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28.04.2003 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 29.05.2002 dahin abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 18.571,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins seit dem 23.04.2001 zu bezahlen und im übrigen die Klage abgewiesen bleibt.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 55/100 und die Beklagte 45/100.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen eines abgesagten Orchesterkonzerts.

Die Parteien schlossen am 25./26.10.2000 einen Vertrag (Anlage K 1), in dem sich die Beklagte verpflichtete, für ein Konzert, das am Samstag, den 24.03.2001, ab 20.00 Uhr, in der Alten Oper in Frankfurt am Main durchgeführt werden sollte, das Orchestre N F (nachfolgend ONF genannt) mit seinem Chefdirigenten C. D. zur Verfügung zu stellen. Dabei sollte folgendes Programm gespielt werden:

Maurice Ravel Pavane pour une Infante défunte

Camille Saint-Saens Konzert für Violine und Orchester Nr. 3 h-moll, op. 61

Hector Berlioz Symphonie fantastique

Episode de la vie d`un artiste, op. 14

Ziffer 12 Satz 1 des Vertrages enthält folgende Regelung:

Im Falle der Absage des Konzertes durch den Künstler ist C. GmbH für einen Schaden des Veranstalters nur haftbar, wenn dieser auf ein vorsätzliches oder grob-fahrlässiges Verhalten von C. GmbH zurückzuführen ist.

Das ONF hatte weitere Konzerte mit C. D. als Dirigenten am 22.03.2001 in Paris, am 25. 03.2001 in Zürich und am 27.03.2001 in Köln sowie am 05.04.2001 in Le Havre geplant mit identischen bzw. weitgehend gleichen Programmen.

C. D. hat Anfang März 2001, nachdem er Dr. P. D. vom C. Hospital in M. konsultiert und dieser einen Leistenbruch diagnostiziert hatte, mit Dr. D. die Risiken der Erkrankung bei den geplanten Gastspielreisen durch Asien und Europa besprochen. Sie sind gemeinsam zu dem Schluss gekommen, dass bei Beachtung "gewisser Vorsichtsmaßnahmen" Herr D. diese Tourneereisen als Dirigent bestreiten könne. Nachdem sich seine gesundheitlichen Beschwerden während der Asien-Tournee verstärkt hatten, hat C. D. mit E-Mail vom 11.3.2001 (Anlage B 11) einen Mitarbeiter des ONF, K., gebeten, vertraulich zu prüfen, welche Lösungen es für seine krankheitsbedingte Ersetzung als Orchesterleiter für die Deutschland-Tournee gäbe (Anlage B 10, deutsche Übersetzung: Anlage B 11) und mit E-Mail an K. vom 13.3.2001 (Anlage B 8, deutsche Übersetzung: Anlage B 9) seine Teilnahme an den für Ende März geplanten Konzerten in Deutschland, endgültig abgesagt.

Am Vormittag des 14.03.2001 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass Herr D. einen Bandscheibenvorfall (in Wahrheit: Leistenbruch) habe und am 21.03.2001 in M. operiert werde. Er könne das Konzert nicht dirigieren. Mit einer am 15.03.2001 um 10.31 Uhr übermittelten E-Mail (Anlage K 6) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass das ONF sich entschieden habe, das Konzert abzusagen. Die Beklagte bot einen Nachholtermin im November 2001 an. Die Klägerin hat das für den 24.03.2001 geplante Konzert ersatzlos abgesagt. Die geplante Aufführung in Köln wurde mit der Sinfonia Varsovia und dem Dirigenten Jan K. und eigenem Programm als Ersatz anstelle der mit dem ONF geplanten Aufführung durchgeführt.

Das ONF hat das Konzert in Paris mit dem Dirigenten A. F. und das Konzert in Le Havre mit dem Dirigenten Kr. durchgeführt.

Die Klägerin, eine Konzertagentur mit 6 Mitarbeitern, macht als Schadensersatz insgesamt 80.654,60 DM geltend. Dieser Betrag setzt sich aus folgenden Einzelpositionen zusammen:

Miete Großer Saal Alte Oper 18.297,00 DM Erstellung des Textes für das Abendprogramm 180,00 DM Druckkosten Abendprogramm 1.579,32 DM Layoutkosten Plakat 319,00 DM Plakatdruck 1.080,13 DM Plakatüberkleber 348,00 DM Anzeigenkosten 2.162,44 DM Porti für Benachrichtigung Abonnenten und Einzelkartenkäufer 811,80 DM Bankspesen für Rücküberweisungen 133,80 DM Gemeinkostenanteil pro Konzert 42.144,29 DM Entgangener Gewinn 13.598,90 DM

Die Klägerin hat vorgetragen, es wäre der Beklagten mit zumutbarem Einsatz möglich gewesen, einen Ersatzdirigenten zu beschaffen, wofür insbesondere Jan Krenz zur Verfügung gestanden habe. Es sei auch üblich, geplante Konzerte mit Ersatzdirigenten zu bestreiten, wenn der vorgesehene Dirigent ausfalle. Die Beklagte habe sich nicht ausreichend um Ersatz bemüht. Das Programm sei auch nicht außergewöhnlich oder besonders schwierig gewesen. Es hätte von einem Ersatzdirigenten dirigiert werden können. Ein etwaiges Verschulden des Orchesters oder seines Dirigenten sei der Beklagten zuzurechnen. Die Klägerin habe sich um eine Ersatzaufführung mit einem gleichwertigen Orchester bemüht und 6 Konzertdirektionen sowie 4 Orchester unmittelbar kontaktiert. Das Orchester der Sinfonia Varsovia sei als Ersatz nicht in Frage gekommen, weil an dem 24.03.2001 ein Konzert mit einem französischen Orchester, das die Werke französischer Komponisten zur Aufführung hätte bringen sollen, geplant gewesen sei. Ihr sei ein Schaden in Höhe der Klageforderung entstanden, wobei der diesem Konzert zuzurechnende Gemeinkostenanteil 42.144,29 DM und der entgangene Gewinn mit 13.598,90 DM zu beziffern sei.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 80.654,60 DM nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins nach § 1 des Diskontüberleitungs-Gesetzes seit dem 23.04.2001 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe, nachdem sie am 13.03.2001 erfahren habe, dass Maître D. krankheitsbedingt das Konzert nicht leiten könne, alle Anstrengungen unternommen, einen geeigneten Ersatzdirigenten zu finden. A. F., der das ONF am 22.03.2001 dirigiert habe, sei am 24.03.2001 terminlich verhindert gewesen. Ein gleichwertiger Dirigent habe als Ersatz nicht zur Verfügung gestanden. Es sei dem ONF, das sich gerade bei auswärtigen Tourneen um die Wahrung seines Ansehens zu bemühen habe, nicht zumutbar gewesen, mit einem Dirigenten der "2. Garde" zu musizieren. Die Höhe des Schadens werde mit Nichtwissen bestritten. Insbesondere sei die Höhe der Gemeinkosten unüblich. Die Beklagte hafte nach Ziffer 12 des Vertrages nur für vorsätzliches oder grob-fahrlässiges Verhalten, das nicht vorgelegen habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag als Werkvertrag angesehen mit der Verpflichtung der Beklagten, das ONF - unter dem Dirigenten Maître D. - zur Aufführung des für den 24.03.2001 geplanten Konzerts mit dem im Vertrag aufgeführten Programm zur Verfügung zu stellen. Diese Leistung sei nach Abschluss des Vertrages infolge eines Umstandes, den die Beklagte nicht zu vertreten habe, unmöglich geworden; die Beklagte sei somit von der Verpflichtung zur Leistung frei geworden. Angesichts der Ausrichtung des Konzerts auf ein französisches Spitzenorchester mit einem französischen Chefdirigenten und einem Programm mit französischen Komponisten und der hierauf gegründeten Erwartungshaltung des Publikums sei es dem ONF nicht zuzumuten gewesen, einen Ersatzdirigenten zu akzeptieren mit dem Risiko, das Publikum zu enttäuschen und den Ruf des Orchesters aufs Spiel zu setzen. Somit sei die Abhaltung des vereinbarten Konzerts objektiv unmöglich geworden. Diese Unmöglichkeit sei weder von der Beklagten noch vom ONF zu vertreten, da diese auf die Erkrankung des Dirigenten und auf die angeordnete Operation keinen Einfluss gehabt haben.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 17.06.2002 zugestellte Urteil am 12.07.2002 Berufung eingelegt und diese am 12.08.2002 begründet.

Die Klägerin trägt vor, es sei im internationalen Musikgeschäft üblich, dass Orchester auch mit Ersatzdirigenten auftreten. Für den Einsatz eines Ersatzdirigenten seien nicht mehr als 2 bis 3 Proben à 2 Stunden erforderlich gewesen. Die Beklagte habe es versäumt, Jan K. zu kontaktieren, der als adäquater Ersatz für Maître D. zur Verfügung gestanden habe.

Es liege durch den Ausfall von Maître D. allenfalls eine Teilunmöglichkeit vor. Eine Einheit zwischen dem Orchester und dem Dirigenten bestehe nicht. Wenn Orchester und Dirigent als Einheit angesehen würden, so hätte die Beklagte ein gleichwertiges Ersatzorchester anbieten müssen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 29.05.2002, Az.: 12 HKO 12481/01 wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin DM 80.654,60 (= EUR 41.238,04) zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes vom 9. Juli 1998 gerechnet auf einen Betrag über DM 80.654,60 seit dem 23. April 2001 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte wiederholt ihre Einwendungen aus der ersten Instanz und trägt vor, die Einstudierung des vereinbarten Programms mit einem erfahrenen Dirigenten beanspruche mindestens 5 Proben. Vor dem 13.03.2001 seien weder die Ärzte noch Maître D. davon ausgegangen, dass dieser sich operieren lassen müsse. Die Beklagte habe sich intensiv bemüht, einen Ersatzdirigenten zu finden, wobei als Ersatz für Maître D. nur ein Dirigent "aus der 1. Reihe" als Ersatz in Frage gekommen wäre. Der Dirigent Jan K. hätte das Konzert nicht retten können, weil er nicht frei gewesen sei und zum anderen auch mit dem ONF noch nicht gearbeitet habe und das Programm mit dem Orchester erst hätte erarbeiten müssen. Die Beklagte habe gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, da sie das Orchester Sinfonia Varsovia mit Jan Krenz hätte akzeptieren müssen.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß den Beweisbeschlüssen vom 23.10.2002 und 28.4.2004 durch Einvernahme der Zeugen H., Sch. und von Sö..

C. D. hat auf die schriftliche Anfrage des Senats über seine Mitarbeiterin L. eine schriftliche Erklärung abgegeben (Bl. 249 d.A., in deutscher Übersetzung als Anlage B 7), deren Inhalt die Beklagte zum Gegenstand ihres Vortrags gemacht hat.

Der Senat hat im Termin vom 28.04.2004 den Parteien mitgeteilt, dass er keine weitere Beweiserhebung beabsichtige.

Hinsichtlich der Aussagen der Zeugen H. und Sch.wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 30.04.2003, hinsichtlich der Angaben der im Termin vom 28.04.2003 vernommenen Zeugin von Sö. auf das Protokoll der Sitzung vom 28.04.2004 verwiesen. Im Übrigen wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 24.12.2001 dem ONF den Streit verkündet.

II.

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Die Klage ist in Höhe von 18.571,96 EUR begründet.

1. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung steht der Klägerin gemäß den §§ 631 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 278 BGB a. F. in Verbindung mit Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB zu. Gegenstand der vertraglichen Leistung war eine zu einem Fixtermin durchzuführende Aufführung, die als künstlerische Wertschöpfung dem Werkvertragsrecht zuzuordnen ist (Palandt, BGB, 63. Auflage, Einführung vor § 631 Rn. 15).

2. Unmöglichkeit liegt nicht vor. Sie ist gleichbedeutend mit genereller Unerfüllbarkeit. Dagegen ist keine Unmöglichkeit gegeben, wenn nur die ursprünglich vorgesehene Erfüllungsart undurchführbar geworden ist, die Leistung aber vom Schuldner in anderer Weise erbracht werden kann und die Änderung beiden Parteien zumutbar ist (BGHZ 38, 149; Palandt, BGB, 63. Auflage, § 275 Rn. 4). Die Erbringung der Leistung in geänderter Form, hier die Stellung eines Ersatzdirigenten, ist beiden Parteien zumutbar. Zwar handelt es sich bei dieser Orchesteraufführung um eine auf die vereinbarten Künstler zugeschnittene Werkleistung. Bei einem Orchesterkonzert ist jedoch die Aufführung mit einem anderen gleichwertigen Dirigenten als zumutbar anzusehen. Denn die vereinbarte Leistung bestand aus drei Elementen: Der Darbietung eines konkret vereinbarten Programms durch das Orchester National de France mit dem Dirigenten D.. Der Ausfall dieses Dirigenten macht die Darbietung des vereinbarten Programms durch das gleiche Orchester mit einem anderen Dirigenten nicht wertlos, zumal die Klägerin mit einem Ersatzdirigenten einverstanden war. So hat auch das ONF die Aufführungen in Paris und Le Havre mit den Ersatzdirigenten A. F. und Kre. bestritten. Eine in besonderem Maße auf die Person des Künstlers bezogene Aufführung, die eine Ersatzstellung unzumutbar macht, lag bei dem Konzert des ONF mit dem Dirigenten C. D. nicht vor. Dies mag bei Solokonzerten mit einem besonders herausgestellten und berühmten Solisten anders zu bewerten sein. Die Grenze der Zumutbarkeit der Ersatzgestellung wird im vorliegenden Fall zum Nachteil der Beklagten dadurch herabgesenkt, dass die Ursache für die Weigerung des ONF, das Konzert durchzuführen, allein der Sphäre der Beklagten zuzurechnen ist unabhängig davon, ob die Beklagte mit dem Dirigenten einen gesonderten Vertrag geschlossen hat oder in einem Gesamtvertragsverhältnis Orchester und Dirigent engagiert hat.

3. Die Beklagte hat die Nichtleistung zu vertreten auch unter Berücksichtigung der in Ziffer 12 des Vertrages vom 25./26.10.2000 getroffenen Haftungsbegrenzung auf. Denn das ONF hat sich vorsätzlich geweigert, die Aufführung durchzuführen und den Auftritt abgesagt. Dieses Verhalten des ONF muss sich die Beklagte über § 278 BGB zurechnen lassen. Insoweit hat die Einvernahme der Zeugin von Sö. ergeben, dass der Dirigent L. S., Chefdirigent der Philharmonie von S. und im März 2001 wohnhaft in Island, als Ersatzdirigent sogar für die gesamte Konzertreihe zur Verfügung gestanden hätte und das ONF sich geweigert habe, das Konzert mit diesem Dirigenten aufzuführen. Im Übrigen hat die Zeugin von Sö. angegeben, dass ein Ersatzdirigent für die gesamte geplante Konzertreihe von 4 Konzerten gesucht worden sei. Dies hat auch der Zeuge H. bestätigt. Angesichts der kurzfristigen Absage des Dirigenten und des bei Absage des Konzertes absehbaren erheblichen Schadens des Konzertveranstalters wäre es der Beklagten und dem ONF zuzumuten gewesen, für eine Einzelveranstaltung einen Ersatzdirigenten zu engagieren, auch wenn dies mit einem zusätzlichen Organisationsaufwand und Kosten verbunden ist. Der Gesichtspunkt des Risikos der Rufschädigung kann entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht zur Annahme einer Unzumutbarkeit führen. Es ist zu berücksichtigen, dass die Erkrankung des Dirigenten allein in der Sphäre der Beklagten liegt und dem Orchester in diesem Fall auch eine Aufführung des Programms, bei der eine Spitzenleistung nicht zu erwarten ist, zugemutet werden kann. Dem Publikum kann der Sachverhalt vor der Aufführung zur Erläuterung mitgeteilt werden.

Im Übrigen ist das Verhalten des Dirigenten als grob fahrlässig anzusehen, als er Anfang März 2001, nachdem er Dr. D. vom N. Hospital in M. konsultiert und dieser einen Leistenbruch diagnostiziert hatte, es unterließ, die Beklagte bzw. das ONF hiervon zu unterrichten, um die Verantwortlichen dieses Orchesters zu veranlassen, frühzeitig Vorsorge für einen möglichen Dirigentenausfall bei der geplanten Gastspielreise durch Deutschland und die Schweiz zu treffen. Zwar haben Maître D. und Dr. D. die Risiken bei den geplanten Gastspielreisen durch Asien und Europa besprochen und sind gemeinsam zu dem Schluss gekommen, dass bei Beachtung gewisser Vorsichtsmaßnahmen Herr D. diese Tourneereisen als Dirigent bestreiten könne. Angesichts der erheblichen Schäden bei Absage von Konzerten und der Möglichkeit einer Verschlimmerung der Erkrankung und eines dadurch bedingten Dirigentenausfalls hätte es sich aufgedrängt, das Orchester und die Beklagte unverzüglich zu informieren, um für den möglichen und nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit liegenden Ersatzfall Vorsorge treffen zu können. Auch dieses Fehlverhalten muss sich die Beklagte über § 278 BGB zurechnen lassen, unabhängig davon, ob Herr D. unmittelbar Erfüllungsgehilfe der Beklagten war oder Erfüllungsgehilfe des von der Beklagten komplett mit dem Orchester engagierten Dirigenten.

4. Den geltend gemachten Schaden hat die Klägerin in Höhe von 72.647,18 DM nachgewiesen. Die angefallenen Kosten für Saalmiete, Texterstellung, Druck, Layout, Plakat, Plakatüberkleber, Anzeigen und Porti sind durch die Vorlage der Kopien der Rechnungen nachgewiesen. Bankspesen für Rücküberweisungen von 133,80 DM erachtet das Gericht gemäß § 287 Abs. 2 ZPO als angemessen. Der Gemeinkostenanteil von 42.144,29 DM, dessen Höhe die Beklagte anzweifelt und für unüblich erachtet, ist zur Überzeugung des Senats nachgewiesen. Die Klägerin hat die Bestätigung des Steuerberaters Blank vorgelegt, nach der im Wirtschaftsjahr 1999/2000 ausweislich der von ihm erstellten und von den Gesellschaftern festgestellten Gewinn- und Verlustrechnung Gemeinkosten in Höhe von insgesamt 927.174,52 DM festgestellt worden sind. Angesichts der Größe der Konzertagentur der Klägerin mit 6 Mitarbeitern erscheinen diese Kosten auch plausibel. Die Aufteilung dieser Kosten auf jedes der 22 von der Klägerin im Wirtschaftsjahr veranstalteten Konzerte ist nicht zu beanstanden. Somit geht der Senat von Gemeinkosten in Höhe des geltend gemachten Betrages aus.

Der entgangene Gewinn ist nur in Höhe von 5.591,40 DM anzusetzen. Der Senat folgt bei der Berechnung der von der Klägerin vorgenommenen und auf den Anlagen K 22 a bis K 22 e aufgeführten Berechnungsweise. Allerdings geht der Senat bei der nach § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO vorzunehmenden Schätzung der nach dem 15.03.2001 noch verkauften Restkarten nicht von dem Durchschnitt der von der Klägerin auf der Anlage K 22 b angegebenen 3 Vergleichskonzerte aus, sondern im Hinblick auf die Beweislast der Klägerin von der niedrigsten Verkaufsquote von 14 %, die die Veranstaltung vom 29.01.2001 mit dem Orchester G. erzielt hat.

Der Anspruch auf Ersatz des Schadens ist nach § 254 Abs. 2 BGB zu mindern, weil es die Klägerin unterlassen hat, Maßnahmen zur Schadensminderung zu ergreifen. Die Beklagte hat insoweit substantiiert vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass es der Klägerin möglich gewesen wäre, am 24.03.2001 in Frankfurt die Aufführung mit einem Ersatzorchester zu organisieren. Mit dem Hinweis auf die vergebliche Anfrage bei 6 Agenturen und 4 Orchestern hat die Klägerin entsprechende Ersatzbemühungen nicht hinreichend dargetan. Die Beklagte hat insoweit konkret behauptet und unter Beweis gestellt, dass die Sinfonia Varsovia mit dem Dirigenten Jan K. in der Lage und bereit gewesen wäre, das Ersatzkonzert zu bestreiten. Dieses Orchester ist auch als Ersatz bei der Veranstaltung in Köln herangezogen worden. Die Klägerin hat zwar in erster Instanz pauschal bestritten, dass dieses Orchester zur Verfügung gestanden habe, hat sich jedoch wiederholt darauf berufen, dass der Dirigent dieses Orchesters, Jan Krenz, als Ersatz für das ONF zur Verfügung gestanden habe. Umstände, weswegen das Orchester der Sinfonia Varsovia nicht zur Verfügung stand, hat die Klägerin nicht dargelegt. Angesichts des hohen drohenden Schadens, der im wesentlichen aus den Positionen Saalmiete und Gemeinkostenanteil bestanden hat, hätte die Klägerin weitere Bemühungen zur Veranstaltung eines Ersatzkonzertes entfalten müssen. Die Suche hätte sie dabei im Rahmen der ihr obliegenden Schadensminderungspflicht auch auf andere, nichtfranzösische Orchester und Dirigenten mit einen Programm nichtfranzösischer Komponisten erstrecken müssen.

Angesichts der vorgenannten Umstände erachtet der Senat einen Minderungsbetrag von 50 % als angemessen. Somit ist die Klage in Höhe von 18.571,96 EUR begründet.

Zinsen in der beantragten Höhe kann die Klägerin gemäß den §§ 286, 288 BGB verlangen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar nach den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin ist nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Für die Beklagte ist die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO nicht eröffnet.

Ende der Entscheidung

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