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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 02.02.2000
Aktenzeichen: 7 U 4410/99
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 842
HGB § 89 b
Leitsatz:

Ein Versicherungsvertreter, der infolge eines Verkehrsunfalls berufsunfähig geworden ist, muß sich auf seinen von dem Unfallgegner zu ersetzenden Verdienstausfallschaden weder den vom Unternehmer (Versicherer) geschuldeten Handelsvertreterausgleich noch eine von diesem anstelle des Handelsvertreterausgleichs gezahlte Berufsunfähigkeitsrente anrechnen lassen.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 7 U 4410/99 7 O 1394/99 LG Traunstein

Verkündet am 02. Februar 2000

Die Urkundsbeamtin: Schlesier Justizangestellte

In dem Rechtsstreit

erläßt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Goller, Richterin am Oberlandesgericht Maier und Richter am Oberlandesgericht Hügelschäffer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02. Februar 2000 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 08.07.1999 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 125.000,-- abwenden, wenn nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Wert der Beschwer der Beklagten im Berufungsverfahren übersteigt DM 60.000,--.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls. Am 01.03.1994 fuhr der Beklagte zu 2) mit seinem bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherten Pkw auf der Kreisstraße RO 29 von J in Richtung E. Dabei geriet er infolge eines Fahrfehlers auf die Gegenfahrbahn, wo er frontal mit dem entgegenkommenden Pkw des Klägers zusammenstieß, der den Sicherheitsgurt nicht angelegt hatte und durch den Unfall erheblich verletzt wurde. Die Haftungsquote von 75 % zu Lasten der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig.

Der am 10.01.1942 geborene Kläger betrieb seit 1975 gemeinsam mit Herrn T eine Versicherungsagentur für die A, seit 1979 in der Rechtsform einer GmbH, deren Gesellschafter und alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Kläger und Herr T waren. Seit dem Unfall vom 01.03.1994 ist der Kläger infolge der dabei erlittenen Verletzungen nicht mehr in der Lage, diese Berufstätigkeit auszuüben. Mit Wirkung zum 31.12.1995 ist er deshalb auch als Gesellschafter aus der GmbH ausgeschieden.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger seinen Verdienstentgang für die Zeit vom 01.03.1994 bis 31.12.1998 geltend gemacht (Geschäftsführergehalt und entgangene Tantiemen). Seinen Nettoschaden hat er wie folgt beziffert:

1994 (1.3.-31.12.) 5.992,-- DM 1995 30.263,-- DM 1996 72.721,-- DM 1997 177.999,88 DM 1998 180.400,78 DM 467.376,66 DM davon 75 % 350.532,49 DM abzgl. Zahlung 218.338,-- DM 132.194,49 DM abzgl. Zahlung vom 6.5.99 30.127,31 DM 102.067,18 DM

In dieser - bis auf eine geringfügige Differenz von 0,36 DM unstreitigen - Abrechnung sind bereits die Rentenzahlungen berücksichtigt, die der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum wegen Berufsunfähigkeit aufgrund des erlittenen Unfalls von der Berufsgenossenschaft erhalten hat.

Darüberhinaus bezieht der Kläger seit dem 01.01.1996 vom Vertreterversorgungswerk (VVW) der A eine Berufsunfähigkeitsrente von monatlich 10.255 DM. Diese Versorgungsrente wurde zwischen dem Kläger und der A im September 1981 als Altersrente sowie für den Fall der vorzeitigen Berufsunfähigkeit des Klägers vereinbart. Diese schriftliche Vereinbarung vom 23.09.1981 (Anlage 7 a bei Blatt 66 d.A.) enthält u.a. folgende Zusatzbestimmung:

"Die hier zugesagten Renten werden nicht oder nicht mehr gezahlt, wenn oder sobald aus dem nach dem Vertretungsvertrag Ihnen zustehenden Bestandteil ein Ausgleichsanspruch hergeleitet wird."

Bei Nichtinanspruchnahme dieser Rente hätte dem Kläger unstreitig ein Handelsvertreterausgleichsanspruch gegen die A in Höhe von 1.030.978 DM per 31.12.1995 zugestanden.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß die Berufsunfähigkeitsrente des VVW der A nicht auf seinen Verdienstausfallschaden anzurechnen sei, weil diese Rente lediglich an die Stelle des ihm ansonsten zustehenden Handelsvertreterausgleichsanspruchs getreten sei.

Die Parteien haben aufgrund der nach Rechtshängigkeit erfolgten Zahlung der Beklagten vom 06.05.1999 die Hauptsache in Höhe eines Teilbetrages von 30.127,31 DM übereinstimmend für erledigt erklärt. Nach Zurücknahme der Klage in Höhe weiterer 757,76 DM hat der Kläger beantragt, die Beklagten zur Zahlung von 102.067,18 DM nebst 6,5 % Zinsen aus 132.194,49 DM vom 17.04.1999 bis 06.05.1999 und aus 102.067,18 DM seit 07.05.1999 zu verurteilen.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.

Sie meinen, der Kläger müsse sich die Leistungen des VVW wenigstens teilweise anrechnen lassen. Da nämlich diese Berufsunfähigkeitsrente an die Stelle des Handelsvertreterausgleichsanspruchs getreten sei, der sich per 31.12.1995 unstreitig auf 1.030.978 DM belaufen hätte, müsse sich der Kläger jedenfalls die fiktiven Kapitalerträge aus diesem Betrag anrechnen lassen. Dies entspreche bei einer zu erzielenden Rendite von 8 % und einer Steuerlast des Klägers von 45 % einem Betrag von je 45.363,03 DM netto für die Jahre 1996 bis 1998.

Das Landgericht hat der Klage mit Endurteil vom 08.07.1999 in der Hauptsache stattgegeben nebst Zinsen in Höhe von 4 %. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Anrechnung der Rente im Wege des Vorteilsausgleichs komme nicht in Betracht, auch nicht der fiktiven Erträge aus einem dem Kläger zustehenden Handelsvertreterausgleichsanspruch. Dabei handele es sich nämlich um eine vom Unternehmer vertraglich geschuldete Vergütung für die Schaffung des Kundenstamms und damit um einen vom Kläger selbst erarbeiteten Anspruch, weshalb - wie bei einer Betriebsrente - eine Anrechenbarkeit nicht gegeben sei.

Dagegen haben die Beklagten Berufung eingelegt. Sie wiederholen und vertiefen ihre Rechtsausführungen und meinen, mit einer Betriebsrente seien die Erträge aus einem fiktiven Handelsvertreterausgleichsanspruch nicht vergleichbar.

Die Beklagten beantragen,

das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 08.07.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt das Ersturteil. Vorsorglich bestreitet er auch, daß im streitgegenständlichen Zeitraum eine Rendite von 8 % jährlich zu erzielen gewesen wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften, das angegriffene Urteil und den Akteninhalt insgesamt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Sie schulden gemäß §§ 823 Abs. 1, 842 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG den geltend gemachten Verdienstausfall des Klägers in Höhe von 350.532,49 DM, abzüglich der geleisteten Zahlungen also noch 102.067,18 DM.

1) Die Berufsunfähigkeitsrente, die der Kläger vom VVW der A bezieht, muß dieser sich auf seinen Verdienstausfallschaden nicht anrechnen lassen.

a) Zwar sind nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dem Geschädigten diejenigen Vorteile anzurechnen, die ihm im adäquaten Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen. Denn der Geschädigte darf nicht besser gestellt werden als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nicht alle durch das Schadensereignis begründeten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, sondern nur solche, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, d.h. wo diese dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet, Vor- und Nachteile müssen bei wertender Betrachtung gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sein (BGH NJW 90, 1360, 84, 2457).

Nach diesen Grundsätzen, von denen auch das Landgericht ausgegangen ist, kann die Berufsunfähigkeitsrente auf den Verdienstausfallschaden nicht angerechnet werden. Denn diese denn Kläger nunmehr aufgrund des erlittenen Unfalls schon vor Eintritt des 65. Lebensjahres zufließende Rente stellt sich als Entgelt seiner früheren Arbeitsleistung als Handelsvertreter dar, die nur ihm, nicht aber dem Schädiger zugute kommen soll. Dementsprechend werden auch Ansprüche gegen den Arbeitgeber oder Pensionskassen und ähnliche Einrichtungen nicht auf einen Verdienstausfallschaden angerechnet (BGHZ 10, 107, Wussow/Dressler/Kürschner, Unfallhaftpflichtrecht, 14. Aufl., Rn. 1931), denn die dem Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber gegebene Versorgungszusage stellt ein Entgelt für übernommene oder erbrachte Dienstleistungen dar (BGH NJW 98, 3277 m.w.N.). Dasselbe gilt für die hier vom Kläger bezogene Berufsunfähigkeitsrente. Diese ist nämlich an die Stelle des Ausgleichsanspruchs getreten, der dem Kläger ansonsten nach § 89 b HGB gegen die A zugestanden hätte. Das ergibt sich aus der Versorgungszusage vom 23.09.1981 und ist zwischen den Parteien auch unstreitig. Auch der Ausgleichsanspruch ist eine vom Unternehmer - hier der A - geschuldete vertragliche Vergütung für die vom Handelsvertreter mit der Werbung des Kundenstamms während der gesamten Vertragszeit geleisteten Dienste (BGH NJW 64, 1622). Das gilt auch für den Versicherungsvertreter (BGH NJW 66, 1962). Darüberhinaus hat der Ausgleichsanspruch auch Versorgungscharakter (BGH, a.a.O., NJW 71, 462).

b) Soweit die Beklagten behaupten, die Rentenansprüche aus dem VVW seien angesichts der Lebenserwartung des Klägers sicher noch höher als sein fiktiver Handelsvertreterausgleichsanspruch, ist ihr Vorbringen unsubstantiiert.

c) Der Kläger muß sich auch nicht fiktive Kapitalerträge aus dem fiktiven Ausgleichsanspruch anrechnen lassen, wie die Beklagten meinen. Abgesehen davon, daß der Kläger solche Erträge tatsächlich nicht erzielt, muß auch berücksichtigt werden, daß der Kläger ohne den Unfall und die dadurch eingetretene Berufsunfähigkeitzumindest die Möglichkeit gehabt hätte, den Kundenstamm der A weiter auszubauen und dadurch im Fall der späteren Beendigung des Handelsvertretervertrages einen höheren Ausgleich zu erzielen. Auch deshalb wäre eine Anrechnung fiktiver Kapitalerträge unbillig.

2) Soweit die Beklagten behaupten, vorgerichtlich an den Kläger über die von diesem zugestandenen Beträge hinaus weitere 0,36 DM bezahlt zu haben, ist diese Behauptung nicht unter Beweis gestellt.

3) Die vom Landgericht zugesprochenen Zinsen ergeben sich aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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