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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 19.11.2003
Aktenzeichen: 7 U 4505/03
Rechtsgebiete: HGB
Vorschriften:
HGB § 164 |
2. Weigert sich der Gesellschafter der Geschäftsfuhrungs-GmbH, die gleichwohl vollzogene Auswechslung des Geschäftsführers gemäß einem daraufhin gefaßten Gesellschafterbeschluß der KG wieder rückgängig zu machen, so kann die Ausschließung der Komplementär-GmbH gerechtfertigt sein, (im Anschluß an RGZ 163, 35, 38)
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Aktenzeichen: 7 U 4505/03
Verkündet am 19. November 2003
In dem Rechtsstreit
wegen einstweiliger Verfügung
erlässt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgericht München durch Richter am Oberlandesgericht Fiebig als Vorsitzenden, Richterin am Oberlandesgericht Aubele und Richter am Oberlandesgericht Dr. Barwitz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. November 2003
folgendes Endurteil:
Tenor:
I. Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 21.07.2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Die Verfügungsklägerin verlangt von den Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung von Geschäftsführungsmaßnahmen sowie die Unterlassung einer Änderung des Gesellschaftsvertrages der E GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG) dahingehend, dass die Verfügungsbeklagte zu 2) als Komplementärin der KG aufgenommen wird. Darüber hinaus sollen den Verfügungsbeklagten entsprechende Handelsregisteranmeldungen untersagt werden.
Alleiniger Gesellschafter und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Verfügungsklägerin ist der Sohn des Verfügungsbeklagten zu 1), der bis zum 31.12.2002 an der KG mit einer Kommanditeinlage von DM 1,5 Mio. beteiligt war. Die Verfügungsklägerin wurde auf Grund Gesellschaftsvertrags der KG vom 20.01.1993 (Anlage ASt 1) persönlich haftende Gesellschafterin der KG, ohne dass ihr ein Kapitalanteil und damit Stimmrecht zugekommen wäre.
An der KG, einer Holding-Gesellschaft, hielt der Sohn des Verfügungsbeklagten zu 1) seit 1990 60 % der Kommanditanteile, jedoch stand dem Verfügungsbeklagten zu 1) auf Grund gesellschaftsvertraglicher Regelung ein Stimmrecht von 60 % zu. Auf Grund von Auseinandersetzungen zwischen dem Verfügungsbeklagten zu 1) und seinem Sohn kündigte letzterer die von ihm seit 1993 ausgeübten Geschäftsführertätigkeiten in allen Gesellschaften der E Gruppe zum 31.12.1998 und verhandelte in der Folgezeit über die Abfindung seiner KG-Anteile, die er mit Wirkung zum 31.12.2002 gekündigt hatte.
Zum Geschäftsführer der Verfügungsklägerin war neben anderen seit 1996 G D der Schwiegersohn des Verfügungsbeklagten zu 1), bestellt. Auf diesen übertrug der Verfügungsbeklagte zu 1) im April 2003 seine Kommanditanteile. G D erklärte hierzu als Geschäftsführer für die Verfügungsklägerin deren Zustimmung. Unter anderem diese Geschehnisse veranlassten den Sohn des Verfügungsbeklagten zu 1) als Alleingesellschafter der Verfügungsklägerin, mit Beschluss vom 06.05.2003 (ASt 51) G D als Geschäftsführer abzuberufen. Dies wiederum nahm der Verfügungsbeklagte zu 1) zum Anlaß, den Gesellschafterbeschluss der KG vom 06.06.2003 (Anlage ASt 69) herbeizuführen, mit welchem die Verfügungsklägerin aufgefordert wurde, G D wieder zum Geschäftsführer zu bestellen, darüber hinaus der Übertragung der Kommanditanteile auf D zuzustimmen und die entsprechende Handelsregisteranmeldung vorzunehmen.
Nachdem die Verfügungsklägerin dieser Aufforderung nicht nachkam, wurde sie mit Gesellschafterbeschluss der KG vom 26.06.2003 (Anlage ASt 72) gemäß § 12 Ziff. 3 des Gesellschaftsvertrags mit sofortiger Wirkung aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Mit Vereinbarung vom selben Tage, deren Rechtswirksamkeit die Verfügungsklägerin bestreitet, nahm die KG die Verfügungsbeklagte zu 2) mit Wirkung ab Beschlussfassung über den Ausschluss der Verfügungsklägerin als Komplementärin auf.
Die Verfügungsklägerin hält ihren Ausschluss aus der KG für unwirksam. Daraus leitet sie ihren Verfügungsanspruch ab.
Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung mit Endurteil vom 21.07.2003 zurückgewiesen. Die Verfügungsklägerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass sie befugt gewesen sei, sich den Aufforderungen der KG aus der Gesellschafterversammlung vom 06.06.2003 zu widersetzen. Die dort gefassten Beschlüsse seien nicht erkennbar rechtswidrig und damit nichtig. Nach dem Gesellschaftsvertrag handele es sich bei der Verfügungsklägerin um eine reine Geschäftsführungs-GmbH, deren gesetzliche Mitwirkungsrechte soweit wie möglich zurückgedrängt seien. Ein eigenes wirtschaftliches Interesse sei ihr nicht zugebilligt worden, wie sich im Fehlen von Kapitalanteilen und Stimmrechten erweise. Ihre Geschäftsführungsbefugnis sei auf den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb beschränkt. Der fehlende Gleichlauf zwischen Kommanditisten und GmbH-Gesellschaftern sei kein Indiz für eine beabsichtigte Eigenständigkeit der GmbH. Die Verfügungsklägerin sei daher nach dem Gesellschaftsvertrag - im Rahmen der Gesetze - verpflichtet, die Interessen der Kommanditisten zu vertreten und deren Weisungen Folge zu leisten. Insbesondere könne in den erhobenen Einwänden gegen den Wechsel des Kommanditisten kein originäres Interesse der Geschäftsführer-GmbH erkannt werden. Das Interesse des GmbH-Gesellschafters hinsichtlich seines Abfindungsanspruchs sei keine beachtliche Rechtsposition der Verfügungsklägerin innerhalb der KG. Vorangegangene Auseinandersetzungen zwischen Vater und Sohn - bzw. früheren Kommanditisten - führten nicht zur Treuwidrigkeit, da sie im Kern nicht die gesellschaftsrechtliche Stellung der GmbH beträfen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Verfügungsklägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Hinsichtlich der Abberufung ihres Geschäftsführers D habe das Landgericht verkannt, dass die Geschäftsführer-GmbH im Rahmen der Privatautonomie frei gewesen sei, ihre Rechtsverhältnisse zu gestalten. Bezüglich des Kommanditistenwechsels liege ein Grundlagengeschäft der Gesellschaft vor, bei dem die Verfügungsklägerin befugt gewesen sei, ihre Gesellschafterinteressen wahrzunehmen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Verfügungsklägerin bleibt ohne Erfolg. Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass ein Verfügungsanspruch nicht glaubhaft gemacht ist, da in der Person der Verfügungsklägerin ein Grund für die Ausschließung aus der KG gemäß § 12 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags bestanden hat.
1. Zum Ausschluss berechtigende Pflichtverletzungen der Verfügungsklägerin im Sinne von § 12 Ziffer 2 c des Gesellschaftsvertrags liegen hier vor.
a) Die Verfügungsklägerin war nicht befugt, den Geschäftsführer G D, der das Vertrauen des alleinigen Kommanditisten der KG hatte, aufgrund eigener Organisationsgewalt abzuberufen. Insoweit lag für die Verfügungsklägerin ein außergewöhnliches Geschäft vor, das nach § 5 Ziffer 2 des Gesellschaftsvertrags der vorherigen Zustimmung der Kommanditisten bedurft hätte, insoweit greift der Gesellschaftsvertrag der KG die bereits auf das Reichsgericht zurückgehende herrschende Ansicht auf, nach der bei außergewöhnlichen Geschäften die Kommanditisten nicht nur ein bloßes Widerspruchsrecht gegen Handlungen der geschäftsführenden Gesellschafter haben, sondern es deren Zustimmung bedarf (RGZ 158, 302, 307; Baumbach/Hopt, 31. Aufl., RdNr. 2 zu § 164 HGB; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 53 III 2 b; Schlegelberger-Martens, 5. Aufl., RdNr. 16 zu 164 HGB; Heymann-Horn, 2. Aufl., RdNr. 4 zu § 164 HGB; Staub/Schilling RdNr. 5 zu § 164 HGB; MüKo HGB-Grunewald RdNr. 10 zu § 164 HGB; Roth/Altmeppen, 4. Aufl., RdNr. 13 zu § 37 GmbHG).
Die Abberufung des Geschäftsführers C unterfiel auch nicht dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb des Unternehmens, wie er nach § 5 Ziffer 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags der Verfügungsklägerin allein übertragen war. Dass die Abberufung des Geschäftsführers D dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb zuzurechnen wäre, ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass eine solche Maßnahme nicht in der Aufzählung des § 5 Ziffer 2 Satz 3 des Gesellschaftsvertrags enthalten ist. Die dortige Aufzählung außergewöhnlicher und damit zustimmungsbedürftiger Geschäfte ist nämlich nicht abschließend, wie sich aus dem Wort "insbesondere" ergibt.
Vielmehr ist für die Frage der Außergewöhnlichkeit einer Maßnahme anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob die Handlung nach ihrem Inhalt und Zweck über den Rahmen des Geschäftsbetriebs hinaus geht, oder durch ihre Bedeutung und die mit ihr verbundene Gefahr eine Ausnahme darstellt (RGZ 158, 302, 308; Baumbach/Hopt, 31. Aufl., RdNr. 2 zu § 116 HGB; Schlegelberger-Martens, 5. Aufl., RdNr. 17 zu § 164 HGB).
In Anwendung dieser Grundsätze kann hier kein Zweifel daran bestehen, dass die Abberufung des Geschäftsführers D des Schwiegersohns des Verfügungsbeklagten zu 1), ein außergewöhnliches Geschäft darstellt. Hierbei ist insbesondere von Bedeutung, dass der Geschäftsführer D zur Zeit seiner Abberufung das Vertrauen des alleinigen Kommanditisten hatte. Demgegenüber bestanden zwischen dem sodann neu zum Geschäftsführer berufenen Sohn des Verfügungsbeklagten zu 1) und seinem Vater tiefgreifende Zerwürfnisse. Auch hat der Verfügungsbeklagte zu 1) in seinem Schriftsatz vom 17.11.2003 unwidersprochen vorgetragen, dass nach gesellschaftlicher Übung alle Geschäftsführeranstellungen und -entlassungen in der Gesellschafterversammlung der KG besprochen und beschlossen und von der Komplementär-GmbH sodann vollzogen worden seien. Insoweit ist ergänzend darauf zu verweisen, dass in § 5 Ziffer 2 j des Gesellschaftsvertrags auch die Erteilung oder der Entzug von Prokuren und Generalhandlungsvollmachten unter Zustimmungsvorbehalt gestellt ist.
Angesichts, dieser Umstände kann sich die Verfügungsklägerin nicht auf den formellen Standpunkt zurückziehen, dass sie bei Auswechslung des Geschäftsführers H lediglich von Ihrer Organisationshoheit Gebrauch gemacht habe. Vielmehr war die Verfügungsklägerin verpflichtet, entsprechend dem Gesellschafterbeschluss vom 06.06.2003 G D wieder zum Geschäftsführer zu bestellen.
Die diesbezügliche Weigerung der Verfügungsklägerin stellt sich als willkürlich dar (vgl. bereits RGZ 163, 35, 38).
b) Die Verfügungsklägerin war ebenso nicht befugt, sich der Übertragung des Kommanditanteils vom Verfügungsbeklagten zu 1) auf dessen Schwiegersohn G D zu widersetzen.
Der Kommanditistenwechsel setzt nach § 11 Ziffer 1 des Gesellschaftsvertrags die Zustimmung aller Mitgesellschafter voraus, die im übrigen unabhängig davon bereits deshalb erforderlich wäre, da es sich um ein sogenanntes Grundlagengeschäft handelt (siehe nur Baumbacht/Hopt, RdNr. 70 zu § 105 HGB). Indes verstößt die Versagung der Zustimmung durch die Verfügungsklägerin gegen die zwischen den Gesellschaftern untereinander sowie zwischen den einzelnen Gesellschaftern und der Gesellschaft bestehende gesellschaftsrechtliche Treupflicht. Nach dieser hat der geschäftsführende Gesellschafter in allen Angelegenheiten, die das Interesse die Gesellschaft berühren, deren Wohl und nicht seinen eigenen Nutzen oder den Vorteil anderer im Auge zu halten (BGH NJW 1989, 166, 167). Diese Treuepflicht gilt hier dadurch verstärkt, da es sich um ein Familiengesellschaft handelt. Ihre Grenze findet diese Pflicht dort, wo der Gesellschafter berechtigte eigene Interessen wahrnimmt (BGH a.a.O. Seite 168; Baumbach/Hopt RdNr. 23 zu § 109 HGB).
Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass es an der Wahrnehmung solcher berechtigter eigener Interessen seitens der Verfügungsklägerin fehlt. In der Tat ist die Verfügungsklägerin nach dem Gesellschaftsvertrag, dem auch die vorherige Gesellschaftspraxis entsprochen hat, als reine Geschäftsführungs-GmbH angelegt, deren gesetzliche Mitgliedschaftsrechte soweit wie möglich zurückgedrängt wurden. Während die Geschäftsführungsbefugnis der Verfügungsklägerin auf den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb beschränkt wurde, waren alle wesentlichen Entscheidungen dem Kommanditisten vorbehalten. Die Verfügungsklägerin war weder kapitalmäßig beteiligt noch mit Stimmrechten ausgestattet, nach § 6 Ziffer 1 des Gesellschaftsvertrags wurden ihr sämtliche Ausgaben und Aufwendungen für die Geschäftsführung von der KG erstattet. Mithin könnte ein anerkennenswertes Interesse der Verfügungsklägerin nur insoweit bestehen, als es um ihre Gewinnbeteiligung in § 6 Ziffer 2 des Gesellschaftsvertrags geht. Diese Vergütung war jedoch ersichtlich durch einen Kommanditistenwechsel nicht in Frage gestellt, zumal die Gewinnbeteiligung der Verfügungsklägerin auf 10 % ihres Eigenkapitals, also DM 5.000,00 jährlich beschränkt war. Mithin resultiert auch hieraus kein schützenwertes Eigeninteresse der Verfügungsklägerin dahingehend, den Generationenwechsel in der Kommanditistenstellung der KG zu blockieren.
Auch in der Berufungsinstanz hat die Verfügungsklägerin solche berechtigten Interessen nicht schlüssig dargetan. Der Verweis darauf, dass die Geschäftsführungs-GmbH nicht als Gesellschafter minderen Rechts angesehen werden könne, reicht hierfür jedenfalls nicht aus. Der Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11.02.1980 (BGH Z 76, 160) geht bereits deshalb fehl, da der dortigen Entscheidung eine Publikums-KG zugrunde lag, deren Struktur mit der hier vorliegenden Familiengesellschaft nicht vergleichbar ist.
Hatte mithin die Geschäftsführungs-GmbH kein berechtigtes eigenes Interesse an einer Versagung der Zustimmung zur Übertragung der Kommanditanteile, so geschah die Versagung der Zustimmung willkürlich. Ging es dagegen um die Verbesserung der Verhandlungsposition des Alleingesellschafters der Verfügungsklägerin im Streit um die Höhe der Abfindung seiner Kommanditanteile, so ist die Versagung der Zustimmung rechtsmissbräuchlich, da in diesem Falle gesellschaftsfremde (Individual-) Interessen verfolgt werden, deren Geltendmachung über die Verfügungsklägerin nicht statthaft ist.
2. Die erheblichen Verstöße der Verfügungsklägerin gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht führen dazu, dass deren Ausschließung aus der Gesellschaft auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. RGZ 163, 35, 38; Baumbach/Hopt, RdNr. 28 zu § 109 HGB). Insbesondere kann nach den gegebenen Umständen der Verfügungsbeklagte zu 1) nicht auf die klageweise Durchsetzung pflichtgemäßen Verhaltens der Verfügungsklägerin verwiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10 und 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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