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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 28.10.2002
Aktenzeichen: 7 U 4716/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
1. Einer 100%igen Tochtergesellschaft, die durch einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag mit ihrer Muttergesellschaft verbunden war, ist es als "wirtschaftlich Beteiligter" im Sinne des § 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO zuzumuten, die Kosten der Rechtsverfolgung ihrer mittellosen Muttergesellschaft aufzubringen (im Anschluß an RGZ 148, 196).

2. Ein allgemeines Interesse an der Rechtsverfolgung im Sinne des § 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO kann mit Blick auf die Belange der Gläubiger der notleidenden Gesellschaft nicht bejaht werden, wenn sich der überschaubare Kreis von 36 Gläubigern dem Schwerpunkt nach aus Unternehmen und deren Anteilseignern zusammensetzt, die mit der notleidenden Gesellschaft in konzernmäßiger Verflechtung stehen.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN Beschluß

des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 28. Oktober 2002

Aktenzeichen: 7 U 4716/02

In dem Rechtsstreit

wegen einstweiliger Verfügung

Tenor:

Der Antrag der Verfügungsbeklagten zu 2) auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Verfügungsbeklagte zu 1) war Eigentümerin von zuletzt insgesamt 13.717,550 Aktien der Klägerin; dieses Aktienpaket wurde im Jahre 1998 zur Besicherung eines Kredits an die D AG verpfändet. Die Verfügungsbeklagte zu 2) ist Alleingesellschafterin der Verfügungsbeklagten zu 1); beide Unternehmen gehören zur sogenannten K Gruppe. Zwischen beiden Gesellschaften bestand ein zwischenzeitlich aufgrund der Insolvenz der Verfügungsbeklagten zu 2) gekündigter Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag.

Die Aktien der Klägerin sind vinkuliert. Nach Fälligstellung des besicherten Kredits durch die P Bank sah die Verfügungsklägerin Anlaß zur Annahme, daß von Seiten der K Gruppe geplant sei, unter Umgehung der Vinkulierung das Aktienpaket meistbietend, insbesondere an die W Gruppe, einen Wettbewerber der Verfügungsklägerin zu veräußern.

Auf Antrag der Verfügungsklägerin erließ das Landgericht München I am 02.09.2002 eine einstweilige Verfügung, die auf Widerspruch der Verfügungsbeklagten mit Endurteil vom 12.09.2002 weitgehend bestätigt wurde. Darin wurde den Verfügungsbeklagten verboten, ohne zustimmenden Beschluß des Aufsichtsrats der Verfügungsklägerin Verfügungen gesellschaftsrechtlicher Art (auch Maßnahmen nach dem UmwandlungsG mit Verfügungscharakter) zutreffen, die zu einer Drittbeteiligung an der Verfügungsbeklagten zu 1) von mehr als 24,9 % führen.

Gegen das Endurteil hat die Verfügungsbeklagte zu 1) Berufung eingelegt; die Verfügungsbeklagte zu 2) begehrt die Gewährung von Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren. Sie trägt dazu vor, daß sich die alleinige Kommanditistin der Verfügungsbeklagten zu 2), die T Holding GmbH und Co. KG im eröffneten Insolvenzverfahren befinde und daher die Aufbringung der Prozeßkosten durch sie nicht möglich sei. Daß das Unterlassen der Rechtsverfolgung hier auch dem allgemeinen Interesse zuwiderlaufen wurde, ergebe sich daraus, daß die mit Endurteil vom 12.09.2002 der Verfügungsbeklagten zu 2) auferlegte Kostenlast zu einer erheblichen Verschlechterung der Befriedigungsaussichten der zahlreichen Gläubiger der Verfügungsbeklagten zu 2) führe. Dazu verweist die Verfügungsbeklagte zu 2) auf eine Kreditorenliste mit Stand vom 18.10.2002.

II.

Prozeßkostenhilfe für die von ihr beabsichtigte Berufung kann der Verfügungsbeklagten zu 2) nicht bewilligt werden.

Nach der hier einschlägigen Regelung des § 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO ist die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe an zwei Voraussetzungen geknüpft, an denen es hier fehlt.

1. Die Verfügungsbeklagte hat als Antragstellerin nicht dargetan, daß die Kosten des beabsichtigten Rechtsmittels weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können.

Insofern kann indes dahingestellt bleiben, ob sich aus der bloßen Gläubigereigenschaft eine solche wirtschaftliche Beteiligung ergibt (so Thomas/Putzo-Reichold, ZPO, 24. Aufl., Rdnr. 5 zu § 116 ZPO) oder nicht (in diesem Sinne das Reichsgericht im Beschluß vom 17. Mai 1935, RGZ 148, 196, 197; ihm folgend Münchner Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., Rdnr. 25 zu § 116 ZPO). Nach Sachlage wäre es aber der Verfügungsbeklagten zu 1), deren Gesellschaftsanteile zu 100 % die Verfügungsbeklagte zu 2) hält, zuzumuten, für die im Berufungsverfahren entstehenden Kosten auch der Verfügungsbeklagten zu 2) aufzukommen.

Für eine mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit der Verfügungsbeklagten zu 1) ist nichts vorgetragen, für ihre Leistungsfähigkeit spricht der Umstand, daß sie den offensichtlich vorsorglich gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nicht weiter verfolgt hat.

Die Verfügungsklägerin zu 1) ist auch an dem Gegenstand des Rechtsstreits "wirtschaftlich beteiligt". Entscheidend hierfür ist, ob sich das Obsiegen oder Unterliegen der juristischen Person auf die Vermögenslage des in Frage stehenden Dritten wirtschaftlich auswirkt, so daß ihm die Aufbringung der zur Prozeßführung erforderlichen Mittel zugemutet werden kann (RGZ aaO, S. 297). Eine solche wirtschaftliche Beteiligung ist nach den gesamten Umständen hier gegeben. Die Verfügungsbeklagten stehen in konzernmäßiger Verbundenheit, vormals mittels Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag geeint.

Ebenso wie die Muttergesellschaft am Rechtsstreit ihres Tochterunternehmens beteiligt ist (Münchner Kommentar zur ZPO, Rdnr. 25 zur § 116 ZPO), liegt hier eine wirtschaftliche Beteiligung der Verfügungsbeklagten zu 1) am Rechtsstreit der Verfügungsbeklagten zu 2) vor.

2. Darüber hinaus fehlt es hinsichtlich des von der Verfügungsbeklagten zu 2) beabsichtigten Rechtsmittels am tatbestandlich erforderlichen "allgemeinen Ineresse" an der Rechtsverfolgung durch die Verfügungsklägerin zu 2).

Durch das Erfordernis des "allgemeinen Interesses" soll eine staatlich unterstützte Rechtsverfolgung durch juristische Personen auf Fälle beschränkt bleiben, "die größere Kreise der Bevölkerung oder des Wirtschaftslebens ansprechen und soziale Wirkungen nach sich ziehen können" (BGH, Urt. vom 20. September 1957, BGHZ 25, 183, 185).

Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Daß die Rechtsverfolgung durch die Verfügungsklägerin zur Sicherung von Arbeitsplätzen in namhafter Zahl geboten wäre, wird nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich (die Verfügungsbeklagte zu 2) firmiert als "Beteiligungs" GmbH & Co. KG).

Daß die Fortsetzung des Rechtsstreits im Berufungsverfahren im Interesse einer "Vielzahl von Kleingläubigern" (s. dazu BGH, Beschl. vom 05.11.1985, NJW 1986, 2058, 2059; Beschl. vom 24.10.1990, NJW 1991, 703) geboten wäre, wird von der Verfügungsbeklagten zu 2) nur behauptet.

Die als Anlage zum Schriftsatz vom 22. Oktober 2002 vorgelegte "Kreditorenliste, Status: 18.10.2002" ergibt ein durchaus anderes Bild:

Zwar finden sich darin auch "Kleingläubiger" (darunter etwa F Vermögensverwaltungs GmbH, A GmbH & Co. KG, K W Wirtschaftstreuhand, G, Hotels K M Europe GmbH, V Leasing GmbH, V Versicherungs AG u. a.), dem Schwerpunkt nach enthält die 36 Posten umfassende Liste aber Forderungen gegen verbundene Unternehmen bzw. deren Anteilseigner aus der K Gruppe.

Von einer "Vielzahl betroffener Kleingläubiger" kann daher nicht die Rede sein.

Ein ausschließlich fiskalisches Interesse ist unbeachtlich (Münchner Kommentar zur ZPO, Rdnr. 27 zu § 116 ZPO). Demzufolge begründen auch die in der Aufstellung enthaltenen Steuerverbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt M ein "allgemeines Interesse" an der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht.

Ende der Entscheidung

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