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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 01.03.2000
Aktenzeichen: 7 U 5080/99
Rechtsgebiete: HGB, ZPO, AGBG
Vorschriften:
HGB § 89b | |
ZPO § 148 | |
ZPO § 539 | |
ZPO § 261 | |
ZPO § 253 | |
ZPO § 39 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 546 Abs. 2 | |
AGBG § 5 |
1. Klagt ein Handeslvertreter in Deutschland auf Zahlung eines Ausgleichs nach § 89b HGB, während der in Italien ansässige Unternehmer dort auf Feststellung de Wirksamkeit einer von ihm ausgesprochenen, auf unerlaubte Konkurenztätigkeit gestützten fristlosen Kündigung des Handelsvertretervertrag klagt, so liegt Fall doppelter Rechtshängigkeit im Sinne von Artikel 21 EuGVÜ vor.
2. Art. 21 EuGVÜ kann nicht durch Parteivereinbarung abbedungen werden.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN
Aktenzeichen: 7 U 5080/99 14 HKO 20672/98 LG München I
Verkündet am 01. März 2000
Die Urkundsbeamtin: Augustin Justizangestellte
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
In dem Rechtsstreit
wegen Forderung
erläßt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Goller und die Richter am Oberlandesgericht Hügelschäffer und Glocker aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01. März 2000 folgendes Endurteil:
Tenor:
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 13.8.1999 samt dem ihm zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben, soweit der Klage stattgegeben wurde.
II. Der Rechtsstreit wird insoweit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht München I zurückverwiesen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Wert der Beschwer beider Parteien im Berufungsverfahren übersteigt 60.000,--DM.
Tatbestand:
Die Klägerin fordert von der Beklagten Handelsvertreterausgleich.
Die Klägerin war für die Beklagte, eine Herstellerin hochwertiger Strickmoden, aufgrund Vertrages vom 01.01.1988 (Anlage K 1) als Handelsvertreterin für Deutschland und Österreich tätig. Nach Ziffer 10 des Vertrages unterliegt das Vertragsverhältnis deutschem Recht; nach Ziffer 11 des Vertrages ist Gerichtsstand für etwaige Rechtsstreitigkeiten "der Sitz des Klägers".
Die Beklagte war zur Zeit des Vertragsschlusses auf dem Markt des Vertragsgebiets nicht vertreten. Alle von der Klägerin in der Folgezeit vermittelten Kunden sind von ihr geworben worden. Unstreitig bediente sich die Klägerin allerdings zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen mehrerer Untervertreter. Sie selbst erhielt gemäß Ziffer 5 des Handelsvertretervertrages eine Provision in Höhe von 13 % vom Rechnungsbetrag aller mit Abnehmern im Bezirk abgeschlossenen Geschäfte; die Untervertreter bezogen von der Klägerin Provision in Höhe von 7 % für alle von ihnen getätigten Verkäufe.
Mit Schreiben vom 02.10.1998 konfrontierte die Beklagte die Klägerin mit dem Vorwurf, als Handelsvertreterin auch für eine Konkurrenzfirma (Firma G S.r.l.) tätig geworden zu sein. Man erwarte eine Stellungnahme bis spätestens 12.10.1998. Mit Schreiben vom 23.10.1998 erklärte die Beklagte schließlich der Klägerin wegen unerlaubter Konkurrenztätigkeit die außerordentliche und fristlose Kündigung des Handelsvertretervertrages (vgl. i.e. Anlagen K 2 und K 3).
Mit Schriftsatz vom 24.10.1998 erhob die Beklagte dieses Verfahren gegen die Klägerin dieses Verfahrens Klage vor dem Landgericht Teramo/Italien. Die Klageschrift wurde der Klägerin dieses Verfahrens am 03.12.1998 zugestellt. Die Klageanträge gehen dahin, "den sofortigen, aus richtigem Grunde (per Einschreiben mit Rückschein mitgeteilten) Rücktritt vom Geschäftsbesorgungsvertrag wie oben beschrieben als berechtigt und wirksam aufgrund der schweren Nichterfüllung von seiten der [d.h.: im italienischen Verfahren] beklagten Partei zu erklären und dementsprechend die Vertragsauflösung mit allen gesetzlichen maßgebenden Folgen ab dem Tag der erhaltenen Rücktrittsmitteilung" sowie die im italienischen Verfahren Beklagte "zum Ersatz der Schäden zu verurteilen, die von der anrufenden Partei erlitten wurden sowohl als Gewinnausfall als auch (als) eintretender Schaden, der auf einer Höhe von 200.000.000 Lire zu rechnen ist, wenn nichts anderes beschlossen wird"!.
Es folgen Hilfsanträge, die sich gegen einen weiteren Beklagten, den Geschäftsführer der hiesigen Klägerin richten (vgl. i.e. Ladungsschrift des LG Teramo, Az.: 131/99 - Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 23.04.1999).
Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe in den letzten fünf Vertragsjahren einen Gesamtauftragsumsatz von 43.700.619 DM für die Beklagte erzielt, woraus sich ein durchschnittlicher Jahresumsatz von 8.740.123 DM errechne (vgl. Aufstellung der Aufträge/Anlage K 7). Allein 1998 sei ein Umsatz von 9.910.973 DM erzielt worden. Zu verprovisionieren seien dabei auch Geschäfte, bei denen, die Ware nicht ausgeliefert worden sei; die Beklagte habe den Kunden gegenüber immer alle von der Klägerin geschriebenen Aufträge in vollem Umfang bestätigt. Alle Provisionen, die die Klägerin zu beanspruchen gehabt habe, seien bei der Berechnung des Ausgleichsanspruches zu berücksichtigen. Dies gelte auch, soweit die Klägerin ihrerseits Provisionen an Untervertreter habe bezahlen müssen. Es sei Sache der Untervertreter, etwaige Ansprüche gegen die Klägerin geltend zu machen; eine "Kürzung" des klägerischen Ausgleichsanspruchs komme nicht in Betracht. Der Ausgleichsanspruch sei auch nicht wegen der Kündigung des Vertrages durch die Beklagte entfallen. Ein Grund für die fristlose Kündigung habe nicht vorgelegen. Insoweit werde eine unerlaubte Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen der Beklagten bestritten. Die Klägerin sei weder Handelsvertreterin der Firma G noch habe sie Produkte dieser Firma an Kunden der Beklagten verkauft. Alleinvertriebsberechtigter der Firma G sei vielmehr ein Herr Thomas P der seinerseits eine Vertriebsvereinbarung mit einem Herrn K in Hamburg geschlossen habe. Weder Herr P noch Herr K seien aber für die Klägerin tätig. Die Klägerin sei beiden Herrn lediglich bei der Vertragsgestaltung sowie bei der Auswahl von Kollektionsmustern behilflich gewesen. Soweit die Beklagte auf ein Fax der Firma G vom 26.08.1998 verweise, das die Klägerin bzw. deren Geschäftsführer als Handelsvertreter für Deutschland ausweise, müsse es sich um ein buchhalterisches Versehen handeln.
Gegen die Zulässigkeit der Klage könnten Bedenken nicht erhoben werden. Die ursprünglich unvollständige Bezeichnung der Beklagten in der Klageschrift sei in zulässiger Weise berichtigt worden. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergebe sich aus Ziffer 11 des Handelsvertretervertrages. Der vorliegend geltend gemachte Streitgegenstand sei auch nicht identisch mit demjenigen des Verfahrens vor dem Landgericht Teramo.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 1.301.483 nebst 5 % Zinsen seit Klagezustellung zu bezahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung sowie hilfsweise Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf das vor dem Landgericht Teramo anhängige Parallelverfahren beantragt.
Sie hat ausgeführt, die Klage sei wegen des in derselben Streitsache anhängigen Verfahrens in Teramo als unzulässig abzuweisen. Ebenso wie in vorliegender Sache gehe es in dem italienischen Verfahren entscheidend um die Frage, ob die außerordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrages durch die Beklagte wirksam sei. Es liege deshalb eine "Klagesperre" vor; zumindest sei eine Aussetzung des Verfahrens angezeigt, wiewohl grundsätzlich nicht in Zweifel gezogen werde, daß jede der Vertragsparteien berechtigt sei, am eigenen Sitz eine Klage einzureichen. Darüber hinaus sei die Änderung des Passiv-Rubrums der Beklagten als - unzulässige - Klageänderung zu werten. In der Provinz Teramo seien alleine fünf Gesellschaften im Register eingetragen, die im Textilbereich tätig seien und in ihrer Firmenbezeichnung die Angabe "Gran Sasso" führten. Nur hilfsweise werde zur Sache Stellung genommen. Ein Ausgleichsanspruch der Klägerin scheitere daran, daß die Beklagte den Handelsvertretervertrag wirksam aus wichtigem Grunde gekündigt habe. Der Klägerin sei Konkurrenztätigkeit zur Beklagten untersagt gewesen; sie habe insoweit das Interesse der Beklagten zu wahren, gehabt. Schon 1997 habe die Beklagte der Klägerin mehrfach die mangelnde Einhaltung vertraglicher Pflichten vorhalten müssen. Im ersten Halbjahr 1998 hätten sich dann Hinweise verdichtet, daß die Klägerin andere Interessen als die der Beklagten im Auge gehabt habe. Dies habe sich bestätigt, als der Beklagten im September 1998 eine Mitteilung zugespielt worden sei, wonach die Klägerin auch die Konkurrenzfirma G in Deutschland vertrete (vgl. i.e. dazu Fax vom 26.08.1998 - Anl. zum Schriftsatz der Beklagten vom 23.04.1999). Die Beklagte habe sich davon überzeugt, daß die Mitteilung den Tatsachen entsprochen habe. Die Echtheit der von der Klägerin vorgelegten Urkunden, die das Gegenteil belegen sollten (Anl. K 4 bis K 6), würden bestritten. Was die Höhe des behaupteten Ausgleichsanspruchs der Klägerin betreffe, so seien die vorgetragenen Umsatzzahlen keine geeignete Berechnungsgrundlage. Nicht alle von der Klägerin vermittelten Aufträge hätten zu Geschäftsabschlüssen geführt. Die Klägerin habe alle Rechnungen der Beklagten an ihre Kunden erhalten und auf dieser Grundlage zutreffende Provisionsabrechnungen erstellt, deren Ergebnisse die Beklagte in einer zusammenfassenden Aufstellung vorliege (Provvigioni Anl. zum Schriftsatz der Beklagten vom 23.06.1999). Die Aufstellung weise für die Jahre 1994 bis 1998 Provisionen der Klägerin in Höhe von 4.729.398,24 DM aus. Zudem müsse sich die Klägerin bei der Berechnung eines etwaigen Ausgleichsanspruches Abzüge gefallen lassen, weil ihr letztlich nur eine Provision in Höhe von 6 % '(nicht: 13 %) verblieben sei; der überschießende Betrag sei an die Untervertreter auszuzahlen gewesen. Hilfsweise sei darauf zu verweisen, daß die Untervertreter ihre eigenen Ausgleichsansprüche gegen die Klägerin an die Beklagte abgetreten bzw. höchst hilfsweise zugunsten der Beklagten auf solche Ansprüche verzichtet hätten; die Beklagte erkläre mit diesen Ansprüchen die Aufrechnung.
Das Landgericht hat der Klage mit Endurteil vom 13.08.1999 in Höhe eines Betrages von 1.136.216,-- DM nebst Zinsen hieraus stattgegeben; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig und im wesentlichen begründet. Die Klägerin habe zulässigerweise eine Rubrumsberichtigung vorgenommen; die Identität der Beklagten sei dabei gewahrt geblieben. Auch liege keine doppelte Rechtshängigkeit vor. Der Streitgegenstand in vorliegender Sache sei nicht identisch mit dem Streitgegenstand in dem Verfahren 131/99 vor dem Landgericht Teramo. Da das italienische Gericht lediglich inzidenter über die Gründe für die fristlose Kündigung der Beklagten zu entscheiden habe, sehe die Kammer auch von einer Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO ab. In der Sache könne die Klägerin von der Beklagten einen Handelsvertreterausgleich in tenorierter Höhe verlangen. Abzurechnen sei hier gemäß § 89 b Abs. 2 HGB (Höchstbetragsgrenze), da schon eine grobe Berechnung nach § 89 b Abs. 1 HGB unter Ansatz der Provisionen der Klägerin für das letzte Vertragsjahr einen weit höheren Betrag ergäbe. Die Kammer lege ihren Berechnungen im übrigen die Umsatzzahlen der Klägerin zugrunde, weil die Beklagte hierzu nicht substantiiert genug Stellung genommen habe. In dem Hinweis auf die von der Beklagten vorgelegte Aufstellung sei ein substantiierter Sachvortrag nicht zu sehen. Der Klägerin sei ferner ein Provisionssatz von 13 % in Ansatz zu bringen. Dem Hinweis der Beklagten auf die von der Klägerin zu honorierenden Untervertreter komme Bedeutung in diesem Zusammenhang nicht zu. Die Klägerin müsse den ihr zustehenden Ausgleich erhalten, um gegebenenfalls auch Ausgleichsansprüche ihrer Untervertreter befriedigen zu können. Der Vortrag der Beklagten zur Abtretung solcher Ansprüche sei ebenfalls völlig unsubstantiiert; die Hilfsaufrechnung gehe ins Leere. Der Ausgleichsanspruch der Klägerin sei schließlich auch nicht nach § 89 b Abs. 3 Ziffer 2 HGB ausgeschlossen. Es hätte der Beklagten oblegen, substantiiert darzulegen, welche konkrete, verbotene Konkurrenztätigkeit die Klägerin vorgenommen habe. Dies sei aber nicht geschehen. Allein der Umstand, daß die Klägerin in einem Schreiben der Firma G als deren Vertreter für Deutschland bezeichnet worden sei, besage nichts. Außerdem habe die Beklagte es unterlassen, die Klägerin vor der Kündigung abzumahnen. Dies wäre im vorliegenden Falle zumutbar und damit auch geboten gewesen.
Zur näheren Sachdarstellung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen, das der Klägerin am 30.08.1999 und der Beklagten am 23.08.1999 zugestellt wurde. Gegen das Urteil richtet sich die am 22.09.1999 bei dem Oberlandesgericht eingelegte und mit Schriftsatz vom 20.10.1999 fristgerecht begründete Berufung der Beklagten.
Die Beklagte vertieft ihren Vortrag aus erster Instanz. Sie hält insbesondere daran fest, daß die Klage unzulässig sei. Zum einen fehle den deutschen Gerichten im vorliegenden Falle schon die internationale Zuständigkeit. Die von den Parteien getroffene Gerichtsstandsklausel (Ziffer 11 Anl. K 1) sei im Hinblick auf § 5 AGBG so auszulegen, daß sie vor dem Hintergrund von Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ einen ausschließlichen Gerichtsstand für sämtliche Rechtsstreitigkeiten aus dem Handelsvertretervertrag am zuerst angerufenen Klägergerichtsstand begründe. Wolle man dem nicht folgen, liege zumindest ein Fall doppelter Rechtshängigkeit im Sinne von Art. 21 EuGVÜ vor. Das Landgericht habe in diesem Zusammenhang zu Unrecht darauf abgestellt, ob identische Streitgegenstände im Sinne des deutschen Zivilprozeßrechts vorlägen. Der Streitgegenstandsbegriff des EuGVÜ sei autonom auszulegen. Maßgeblich sei darauf abzustellen, daß es in beiden Verfahren um die gleiche Sache gehe, daß nämlich Kernpunkt beider Verfahren die Frage der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der von der Beklagten ausgesprochenen fristlosen Kündigung des Handelsvertretervertrages sei. Im italienischen Verfahren sei die Rechtmäßigkeit der Kündigung sogar zentraler Gegenstand des ersten Klageantrages. Das Landgericht hätte sich deshalb für unzuständig erklären müssen. Zumindest aber hätte das Landgericht dem Aussetzungsantrag der Beklagten entsprechen müssen (vgl. Art. 22 Abs. 1 EuGVÜ). Vorsorglich sei im übrigen daran festzuhalten, daß die Klage auch unbegründet sei. Die fristlose Kündigung der Beklagten wegen Konkurrenztätigkeit seitens der Klägerin sei wirksam und stehe jedem Ausgleichsanspruch der Klägerin entgegen. Der Nachweis der Konkurrenztätigkeit basiere nicht nur auf dem bereits vorgelegten Fax der Firma G vom 26.08.1998. In vielfacher Weise belegbare Tatsache sei, daß die Klägerin unter Inanspruchnahme des Herrn. P als Strohmann effektiv seit Februar 1998 die Vertretung der Firma G für Deutschland und Österreich übernommen gehabt habe. Die Klägerin habe die Strickkollektion der Firma G erhalten und sie an die Untervertreter von Herrn P weitergeliefert; sie habe für die vermittelten Geschäfte auch Provision von der Firma G bezogen und habe ihrerseits mit den Untervertretern abgerechnet. Für die Beklagte sei damit eine weitere Fortsetzung des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin bis zum nächstmöglichen Kündigungstermin (30.04.1999) unzumutbar gewesen. Eine Abmahnung sei angesichts des Gewichts der Vertragsverletzung und der damit für die Beklagte verbundenen schwerwiegenden wirtschaftlichen Einbußen nicht erforderlich gewesen.
Die Klägerin habe ihren Ausgleichsanspruch überdies auch dem Grunde wie der Höhe nach nicht schlüssig dargelegt. Die Auflistung bestimmter Provisionseinnahmen genüge für sich alleine nicht den Anforderungen. Das Landgericht habe sich zu Unrecht mit den Angaben der Klägerin begnügt und sei "ohne Sachvortrag schöpferisch tätig geworden". Nicht einmal die von der Klägerin genannten Umsatzzahlen und die daraus errechneten Provisionseinnahmen seien korrekt; die Beklagte habe der Klägerin tatsächlich im Jahr 1998 1.143.631,02 DM und im Jahr 1999 397.851,80 DM an Provisionen gezahlt. Seit 01.06.1994 seien 4.871.568,55 DM bezahlt worden, woraus sich eine Jahresdurchschnittsprovision in Höhe von DM 974.313,71 errechne. Die Abwanderungsquote neuer Kunden habe sich bei der Klägerin auf durchschnittlich 26 % pro Saison belaufen. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß die Klägerin die branchenunüblich hohe Provision lediglich mit Blick auf die an ihre Untervertreter weiterzuleitende Provision erhalten habe. Um diese nunmehr eingesparten Zahlungen reduzierten sich die Provisionsverluste der Klägerin. Auch bei der Höchstbetragsberechnung nach § 89 b Abs. 2 HGB seien diese Provisionen als "durchlaufende Posten" zu behandeln. Im Ergebnis errechne sich für die Klägerin ein maximaler Ausgleichshöchstbetrag von 487.156,85 DM. Zuzustimmen sei dem Landgericht lediglich insoweit, als es sich mit den "wirren Ausführungen des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten" zur Aufrechnung mit Ausgleichsansprüchen früherer Untervertreter der Klägerin nicht näher befaßt habe. Die Beklagte mache solche Ansprüche nicht (mehr) geltend.
Die Beklagte beantragt, das Endurteil des Landgerichts München I vom 13.08.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen, sowie hilfsweise das Verfahren nach Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ auszusetzen oder sich für unzuständig zu erklären.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält ihre Klage weiterhin für zulässig. Die deutschen Gerichte seien nach der getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung international zuständig. Das AGBG sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar; der vereinbarte CDH-Mustervertrag sei im gegenseitigen Einvernehmen beider Parteien verwendet worden. Im übrigen sei nicht ersichtlich, wie die Beklagte zu der Auffassung gelange, daß die fragliche Gerichtsstandsvereinbarung nur den "ersten Kläger" begünstige. Art. 21 EuGVÜ komme nicht zur Anwendung. Zum einen sei die vorliegende Klage schon anhängig gemacht worden, bevor die Klage der Beklagten in Italien rechtshängig geworden sei. Zum anderen handele es sich nicht um Klagen wegen "desselben Anspruchs". Die Frage der Rechtmäßigkeit der fristlosen Kündigung sei jeweils lediglich als Vorfrage zu klären. Außerdem sei zu beachten, daß das angerufene Gericht den getroffenen Vereinbarungen zufolge deutsches Recht anzuwenden habe. Hieraus könne (nur) der Schluß gezogen werden, daß die Parteien auch die Frage der doppelten Rechtshängigkeit nach den Bestimmungen der deutschen ZPO geregelt haben wollten.
Letztlich sei auch Art. 22 EuGVÜ nicht anzuwenden, zumal der Rechtsstreit vorliegend nicht mehr in erster Instanz anhängig sei.
Die Klage sei in der Sache auch begründet. Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 23.10.1998 sei nicht wirksam geworden. Der diesbezügliche Sachvortrag der Beklagten sei verspätet. Im übrigen handele es sich bei der Firma G nicht um ein Konkurrenzunternehmen der Beklagten. Außerdem hätten weder die Klägerin noch der Geschäftsführer der Klägerin jemals für die Firma G Verkäufe getätigt. Die Beklagte habe die entsprechenden Vorwürfe konstruiert, um der Klägerin den wohlverdienten Handelsvertreterausgleich verweigern zu können. Richtig sei zwar, daß die Klägerin Angebote der Firma G zur Vertretung von deren Kollektion auf dem deutschen Markt erhalten habe. Man habe diese Angebote aber nicht angenommen, sondern an andere Agenturen weitergeleitet. Herr P habe sich schließlich bereit erklärt, die Vertretung zu übernehmen. Ab diesem Zeitpunkt habe die Klägerin mit der Firma G nichts mehr zu tun gehabt. Sie habe weder Provisionen von G erhalten noch ihrerseits Provisionen an Herrn K den Untervertreter von Herrn P bezahlt. Herr P und die Firma G hätten zudem Ende 1998 den von ihnen geschlossenen Vertrag wieder gelöst. Zu Grund und Höhe des geforderten Ausgleichs habe die Klägerin bereits in erster Instanz hinreichend vorgetragen; es sei von einer durchschnittlich verdienten Jahresprovision in Höhe von 1.136.216,-- DM auszugehen. Alle Kunden seien von der Klägerin neu geworben worden. Was die behauptete Kundenfluktuation betreffe, so sei es der Klägerin immer gelungen, die Umsätze in etwa der gleichen Höhe zu halten. Die Verträge der Klägerin mit ihren Untervertretern seien ohne Einfluß auf die Berechnung des Ausgleichsanspruches. Es gehe nicht an, der Klägerin insoweit ersparte Aufwendungen in Abzug zu bringen. Außerdem werde bestritten, daß die Klägerin keine eigenen Vermittlungstätigkeiten für die Beklagte entfaltet habe.
Im einzelnen wird auf die Berufungsbegründung vom 20.10.1999, auf die Berufungserwiderung vom 18.01.2000 sowie auf die Schriftsätze beider Parteien vom 10.02.2000 und vom 29.02.2000 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten führt zur Aufhebung des Ersturteils, soweit der Klage in erster Instanz stattgegeben wurde, und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
I.
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß die deutschen Gerichte international für die Entscheidung des anhängigen Rechtsstreits zuständig sind.
1. Die Zuständigkeit folgt zum einen schon aus der Gerichtsstandsvereinbarung in Ziffer 11 des Handelsvertretervertrages Anl. K 1. Maßgebend ist insoweit auf Art. 17 EuGVÜ abzustellen, das im Verhältnis zu Italien in der Fassung des Dritten Beitrittsübereinkommens zur Anwendung kommt. Eine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung in Form eines Formularvertrages ist hiernach grundsätzlich möglich (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 22. Aufl., Art. 17 EuGVÜ, Rn. 8). Für die Auslegung der Klausel gilt im vorliegenden Falle deutsches Recht (vgl. Reithmann-Martiny, Internationales Vertragsrecht, 5. Aufl., Rn. 2140; Ziffer 10 des Vertrages Anl. K 1). Nach Auffassung des Senats ist die Klausel nach Wortlaut, Sinn und Zweck eindeutig in dem Sinne zu verstehen, daß dem jeweiligen Kläger das Recht eingeräumt wird, den Rechtsstreit an seinem Sitz zu führen. Zum einen sieht die Klausel nämlich ausdrücklich die Möglichkeit vor, daß "Rechtsstreitigkeiten" (= Plural) auszutragen sein werden, verzichtet aber auf die eindeutige Festlegung eines einheitlichen, für alle Streitigkeiten maßgebenden bestimmten Gerichtsstandes, sondern knüpft an den "Sitz des Klägers" an, wobei den Vertragsparteien aller Lebenserfahrung nach klar gewesen sein muß, daß jeder von ihnen als potentieller Kläger in einem Prozeß gegen den anderen Vertragspartner in Betracht kommen kann. Die Parteien haben damit die Möglichkeit voneinander abweichender Gerichtsstände in etwaigen Prozessen bewußt in Kauf genommen. Demgegenüber findet sich schlechthin kein Anhaltspunkt dafür, daß die Parteien sich für einen gemeinsamen Gerichtsstand am Sitz desjenigen von ihnen entscheiden wollten, der zuerst Klage gegen seinen Vertragspartner erhebt. Es lag und liegt insbesondere auch keinerlei Sinn darin, mit einer solchen Regelung ein "Wettrennen" der Parteien um den letztlich maßgeblichen Gerichtsstand zu eröffnen, wohingegen die Regelung, einen Gerichtsstand des jeweiligen Klägers zu schaffen, ganz offensichtlich dem Ziel zu dienen geeignet ist, jeder der Vertragsparteien die Verfolgung tatsächlicher oder vermeintlicher eigener Rechtsansprüche zu erleichtern. Vor diesem Hintergrund hat der Senat keinerlei Zweifel, die verabredete Gerichtsstandsklausel so wie geschehen auszulegen.
Selbst dann, wenn man die Klausel am Maßstab des § 5 AGBG messen wollte, läge keinerlei Unklarheit vor, die eine Auslegung zulasten des "Verwenders" gebieten würde. Hinzukommt, daß die Klägerin zu Recht in Frage stellt, als "Verwender" des streitgegenständlichen Formularvertrages betrachtet zu werden. Ihrem Vortrag zufolge wurde das Vertragsmuster auf Vorschlag beider Parteien zur Grundlage der vertraglichen Beziehung gemacht. Verlangen aber beide Parteien unabhängig voneinander die Einbeziehung derselben AGB bzw. die Verwendung desselben Vertragsmusters, ist das AGBG unanwendbar (vgl. Palandt, BGB, 59. Aufl., § 1 AGBG Rn. 10).
2. Unabhängig von der getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung ergibt sich die Zuständigkeit des Landgerichts München I im vorliegenden Falle auch aus Art. 18 EuGVÜ (rügelose Einlassung). In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, daß sich die Beklagte überhaupt erstmals in zweiter Instanz auf die angeblich fehlende internationale Zuständigkeit des Erstgerichts bezogen hat. In erster Instanz hat sie noch ausdrücklich bestätigt, daß es grundsätzlich das Recht jeder Vertragspartei sei, Klage gegen den Vertragspartner am eigenen Sitz zu erheben; insofern seien "durchaus Parallel-Klagen möglich". Die Zulässigkeit der Klage wurde ausschließlich mit anderen Argumenten in Zweifel gezogen, nämlich mit dem Argument, es liege eine unzulässige Klageänderung vor, sowie mit dem - gewichtigeren - Argument, es liege eine "Klagesperre" vor wegen doppelter Rechtshängigkeit. Die letztgenannte Rüge, zu der im folgenden noch ausführlicher Stellung zu nehmen sein wird, umfaßt auch keineswegs die Rüge der internationalen Zuständigkeit. Auch ein im Sinne von Art. 21 EuGVÜ "später" angerufenes Gericht verliert durch die zeitlich frühere Rechtshängigkeit des Verfahrens in einem anderen Vertragsstaat nicht von vorneherein seine internationale Zuständigkeit (vgl. Zöller, ZPO, 21. Aufl., Art. 21 GVÜ Rn. 20; BGH IPrax 87, 314/5). Eine rügelose Einlassung im Sinne von Art. 18 EuGVÜ ist aber bereits dann anzunehmen, wenn zwar Einreden zum Verfahren erhoben werden, die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts als solche aber nicht in Zweifel gezogen wird. Es bedarf nicht etwa einer rügelosen Einlassung zur Hauptsache (Thomas-Putzo, a.a.O., Art. 18 EuGVÜ Rn. 3; Zöller, a.a.O:, Art. 18 GVÜ Rn. 2).
Lediglich der Vollständigkeit halber ist noch anzumerken, daß eine Zuständigkeit kraft rügeloser Einlassung auch dann Platzreifen kann, wenn die Parteien ursprünglich eine Zuständigkeitsvereinbarung im Sinne von Art. 17 EuGVÜ getroffen haben (Zöller, a.a.O., Art. 18 GVÜ Rn. 4 m.w.N.)
II.
Zutreffend ist das Landgericht ferner davon ausgegangen, daß die Klägerin in erster Instanz lediglich eine - jederzeit mögliche - Berichtigung des Rubrums der Beklagten veranlaßt und keine - möglicherweise unzulässige- Klageänderung vorgenommen hat. Die Identität der Beklagten blieb gewahrt. Selbst wenn es so sein sollte. daß in der italienischen Provinz Teramo mehrere Textilfirmen die Bezeichnung "Gran Sasso" führen, war es allen am vorliegenden Verfahren Beteiligten schon aufgrund des bereits in der Klageschrift in bezug genommenen Handelsvertretervertrages Anl. K 1 von Anfang an klar, daß sich die Ansprüche der Klägerin gegen ihre frühere Vertragspartnerin, eben die Beklagte, richten sollten. Die Bestimmung der Partei ist notfalls durch Auslegung vom Standpunkt des Gerichts bzw. des Beklagten aus vorzunehmen (vgl. Thomas-Putzo, a.a.O., vor § 50 Rn. 4). Diese Bestimmung war im vorliegenden Falle eindeutig; die ursprünglich unvollständige Parteibezeichnung war wie geschehen zu berichtigen.
III.
Das Ersturteil war jedoch nebst dem ihm zugrundeliegenden Verfahren auf Berufung der Beklagten nach § 539 ZPO aufzuheben, soweit die Beklagte verurteilt worden war. Das Urteil beruht insoweit auf einem wesentlichen Verfahrensfehler. Das Landgericht wäre nach Art. 21 EuGVÜ gehalten gewesen, das Verfahren mit Blick auf das in gleicher Sache anhängige Verfahren vor dem Landgericht Teramo/Italien, Geschäftszeichen 131 /99, auszusetzen.
1. Das Landgericht in Teramo wurde von der im hiesigen Prozeß Beklagten zuerst angerufen; das dortige Verfahren ist vor dem hiesigen Verfahren rechtshängig geworden.
Zunächst ist davon auszugehen, daß "Anhängigkeit" im Sinne von Art. 21 EuGVÜ Rechtshängigkeit meint (BGH IPrax 87, 314/5). Insoweit gelten für jedes Gericht die eigenen, nationalen Vorschriften (vgl. Kropholler, Europäisches, Zivilprozeßrecht, 6. Aufl., Art. 21 EuGVÜ Rn. 12; Zöller, a.a.O., Art. 21 Rn. 4).
Im vorliegenden Verfahren gelten somit §§ 261, 253 ZPO; Rechtshängigkeit ist eingetreten mit Zustellung der Klageschrift am 17.03.1999.
Für das Verfahren in Teramo gilt § 39 der italienischen ZPO. Auch insoweit bestimmt sich die "zeitliche Rangfolge" geltend gemachter Ansprüche nach der Zustellung der Klageschrift. Diese Zustellung ist im italienischen Verfahren unstreitig bereits am 03.12.1998 erfolgt.
2. In beiden Verfahren sind die gleichen Parteien beteiligt (Parteiidentität). Dem steht auch nicht entgegen, daß im "italienischen" Verfahren zusätzlich der Geschäftsführer der hiesigen Klägerin mitinvolviert ist (vgl. Zöller, a.a.O., Art. 21 GVÜ Rn. 6).
3. Zudem geht es im hiesigen wie im "italienischen" Verfahren auch um denselben Anspruch im Sinne von Art. 21 EuGVÜ.
Maßgebend ist hier nicht der Streitgegenstandsbegriff der ZPO. Der Verfahrensgegenstandsbegriff im Sinne von Art. 21 EuGVÜ ist vielmehr konventionsautonom und unter besonderer Berücksichtigung der ratio conventionis auszulegen (vgl. Thomas-Putzo, a.a.O., Art. 21 EuGVÜ Rn. 5; Zöller, a.a.O., Art. 21 GVÜ Rn. 13; Kropholler, a.a.O., Art. 21 EuGVÜ Rn. 7). Der EuGH läßt es mit Blick auf das Ziel der Konvention, Doppelprozesse, insbesondere aber einander widersprechende Entscheidungen zu vermeiden (vgl. dazu Zöller, a.a.O., Rn. 2), genügen, daß der "Kernpunkt" der beiden Verfahren identisch ist (so auch: Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Art. 21 EuGVÜ Rn. 8; Zöller, a.a.O., Rn. 13 m.w.N.). Hiernach liegt z.B. "dieselbe Sache" vor, wenn in einem Verfahren die Feststellung der Auflösung eines (Kauf-)Vertrages begehrt wird, während die Gegenpartei im zweiten Verfahren auf Vertragserfüllung klagt. Wenn in diesem Falle nicht dasselbe Gericht entscheidet, müßte - so die dem zugrundeliegende Überlegung - die auf Erfüllung klagende Partei damit rechnen, daß ein zu ihren Gunsten ergehendes Urteil im anderen Vertragsstaat nicht anerkannt würde, weil ein Gericht dieses Staates im Sinne der Vertragsauflösung erkannt hat (vgl. i.e. Kropholler, a.a.O., Rn. 7 m.w.N.).
Legt man diese Rechtsprechung des EuGH zugrunde, so muß man auch im vorliegenden Falle zu der Feststellung gelangen, daß es im "deutschen" wie im "italienischen Verfahren" um "dieselbe Sache" geht: Die Beklagte klagt in Italien auf Feststellung der Wirksamkeit der von ihr ausgesprochenen, auf unerlaubte Konkurrenztätigkeit gestützten fristlosen Kündigung des Handelsvertretervertrages, während die Klägerin in Deutschland einen Handelsvertreterausgleich erstreiten möchte, der ebenfalls auf dem nämlichen Handelsvertretervertrag beruht und der - so das nach Ziffer 10 des Handelsvertretervertrages anzuwendende deutsche Recht in § 89 b Abs. 3 Nr. 2 HGB - ausgeschlossen ist, wenn der Unternehmer das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grunde wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters gekündigt hat. Auch im vorliegenden Falle könnte die Klägerin mit einer Anerkennung eines stattgebenden Urteiles in Italien nicht rechnen, wenn dort im Sinne des von der hiesigen Beklagten zur Entscheidung gestellten Feststellungsantrages erkannt würde.
Anders läge der Fall nur dann, wenn die Klägerin vorliegend Erfüllungsansprüche geltend machen würde, die in ihrem Bestand von der Wirksamkeit der Vertragskündigung durch die Beklagte unabhängig wären. In diesem Falle wären die beiden Klagebegehren selbständig zu beurteilen; keines wäre die natürliche Folge des anderen oder im Gegenantrag implizit enthalten (vgl. dazu Senat, EWS 1997, 324; EuGH EuZW 1995, 309/312). Diese Konstellation steht vorliegend aber nicht zur Entscheidung an; hier steht vielmehr die Frage der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der von der Beklagten ausgesprochenen fristlosen Kündigung des Handelsvertretervertrages im Mittelpunkt beider Verfahren (vgl. EuGH EuZW 1995, 309/311).
4. Ohne Relevanz bleibt die Tatsache, daß sowohl das von der Beklagten angerufene Landgericht Teramo als auch das in vorliegender Sache angerufene deutsche Gericht materiell deutsches Recht anzuwenden haben (vgl. Ziffer 10 des Vertrages Anl. K 1). Selbstverständlich ist auch das Landgericht Teramo in der Lage, gegebenenfalls mit Hilfe Sachverständiger das maßgebende deutsche Handelsvertreterrecht zu ermitteln und anzuwenden. Entgegen den Überlegungen der Klägerin führt die von den Parteien getroffene Rechtswahl auch keinesfalls dazu, Art. 21 EuGVÜ als abbedungen anzusehen bzw. den Begriff des Verfahrensgegenstandes im Sinne von Art. 21 EuGVÜ deutschem Zivilprozeßrecht zu unterstellen. Rechtswahlvereinbarungen betreffen nämlich stets nur die Sachvorschriften, Art. 4 Abs. 2 EGBGB. Im Prozeßrecht gilt die lex fori (Zöller, a.a.O., IZPR Rn: 1). Für das EuGVÜ gilt, daß Parteivereinbarungen über die Geltung der europäischen Zuständigkeitsordnung generell unwirksam sind; die Anwendungsnormen sind zwingend (Zöller, a.a.O., Art. 2 GVÜ Rn JU. Zur Zuständigkeitsordnung des Titels II. im EuGVÜ gehören auch die Regelungen des 8. Abschnitts über die Rechtshängigkeit und die im Zusammenhang stehenden Verfahren.
5. Soweit gelegentlich die Auffassung vertreten wird, daß Art. 21 EuGVÜ den Justizgewährleistungsanspruch des Klägers tangiert (vgl. dazu Zöller, a.a.O., Art. 21 GVÜ Rn. 14 ff m.w.N.), bedarf dies hier keiner vertieften Erörterung. Fragen der Verjährung streitgegenständlicher Ansprüche sind bisher nicht aufgegriffen worden; auch ist bisher nicht einmal im Ansatz erkennbar, daß das in Italien anhängig gemachte Verfahren - aus welchen Gründen auch immer - in unvertretbarer Weise verzögert und die Klägerin dadurch rechtlos gestellt würde.
6. Rechtsfolge ist, daß das vorliegende Verfahren, soweit es noch zur Entscheidung ansteht, als das später rechtshängig gemachte Verfahren auszusetzen ist, bis das Landgericht Teramo über seine Zuständigkeit entschieden hat. Eine Abweisung der Klage wegen doppelter Rechtshängigkeit könnte nur dann in Betracht kommen, wenn die Zuständigkeit des Landgerichts Teramo aufgrund eigener Entscheidung des Gerichts bereits feststehen würde, was nach Parteivortrag nicht der Fall ist. Eine "Anerkennungsprognose" durch das später angerufene Gericht läßt Art. 21 EuGVÜ nicht zu (vgl. Zöller, a.a.O., Art. 21 GVÜ Rn. 8; Thomas-Putza, a.a.O., Art. 21 EuGVÜ Rn. 1 und 2).
Das Landgericht hat dem Gebot des Art. 21 EuGVÜ nicht entsprochen. Es liegt damit ein Verfahrensfehler vor (vgl. Zöller, a.a.O., Rn. 23), auf dem das Ersturteil beruht, weil es als solches gar nicht hätte ergehen dürfen. Der Senat sieht sich auch nicht in der Lage, hier anstelle des Landgerichts selbst zu entscheiden (§ 540 ZPO). Eine Sachentscheidung kommt derzeit ohnehin nicht in Betracht (s.o.). Der ratio conventionis (s.o.) wäre aber auch nicht damit gedient, wenn der Senat das anhängige Verfahren nunmehr in zweiter Instanz aussetzen würde. In diesem Fall bliebe nämlich das Ersturteil als zumindest vorläufig vollstreckbarer Titel bis auf weiteres wirksam; der Verstoß gegen Art. 21 EuGVÜ würde dadurch sogar perpetuiert. Hinzu kommt, daß für den Fall, daß im vorliegenden Rechtsstreit letztlich doch eine Entscheidung in der Sache selbst ergehen müßte, noch erhebliche Sachaufklärung zu leisten wäre, die vernünftigerweise in erster Instanz durchgeführt werden sollte.
Vorläufig aber wird das Landgericht nichts weiter zu veranlassen haben als das Verfahren auszusetzen, soweit die Klage nicht bereits rechtskräftig abgewiesen ist. IV.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (vgl. Zöller, a.a.O., § 539 Rn. 27).
Die prozessualen Nebenentscheidungen im übrigen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 546 Abs. 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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