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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 18.04.2007
Aktenzeichen: 7 U 5108/06
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 427 Abs. 1 Nr. 2
HGB § 427 Abs. 1 Nr. 4
HGB § 427 Abs. 4
1. Eine zum Schutz eines Transportgutes vor Rostschäden erforderliche Primärkonservierung (Behandlung mit Öl oder Wachs) stellt keine Verpackung gemäß § 427 Abs. 1 Nr. 2 HGB, sondern eine Maßnahme zum Schutz vor Schäden i. S. d. § 427 Abs. 1 Nr. 4 HGB dar.

2. Der Frachtführer kann sich nach § 427 Abs. 4 HGB nicht auf den Haftungsausschluss des § 427 Abs. 1 Nr. 4 HGB berufen, wenn er nach dem Frachtvertrag verpflichtet ist, das Gut gegen die Einwirkung von Luftfeuchtigkeit besonders zu schützen, und er den Versender nicht auf das Fehlen der für einen Seetransport als Korrosionsschutz unerlässlichen Primärkonservierung hinweist.


Gründe:

I.

Die Klägerin, eine Transportversicherin, macht aus übergegangenem und abgetretenem Recht Ansprüche ihrer Versicherungsnehmerin auf Ersatz eines Transportschadens geltend. Die Beklagte hatte im Auftrag der Versicherungsnehmerin einen gebrauchten Stanz- und Biegeautomaten nebst Zubehör auf dem Land- und Seeweg zu fixen Kosten von einem Ort in Bayern nach Michigan/USA transportiert. Nach dem zugrunde liegenden Vertrag war die Beklagte unter anderem zu bestimmten, in ihrem schriftlichen Angebot im Einzelnen aufgeführten Verpackungsleistungen verpflichtet. Mit der Verpackung der Ware hatte die Beklagte ihrerseits die dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetretene Streithelferin beauftragt, wobei eine "seefeste Verpackung" vereinbart war.

Nach den Feststellungen des vom Landgericht beauftragten Sachverständigen wies die Ware bei Ablieferung an den Empfänger großflächige Rostschäden auf, die dadurch verursacht waren, dass an den Maschinen nicht die für einen rostsicheren Seetransport erforderliche Primärkonservierung mit Öl oder Wachs vorgenommen worden war.

Das Landgericht sprach der Klägerin einen Schadensersatzanspruch aus § 425 Abs. 1 HGB in Höhe von 46.000 € zu und führte dazu unter anderem aus, dass nach § 427 Abs. 4 HGB die Haftung der Beklagten nicht gemäß § 427 Abs. 1 Nr. 4 ausgeschlossen sei. Zwar sei der eingetretene Schaden auf die Rostanfälligkeit des beförderten Gutes zurückzuführen. Aus dem Gesamtgepräge des Vertrages, wonach alle mit dem Transport zusammenhängenden Tätigkeiten nicht von der Versenderin, sondern von der Beklagten durchgeführt werden sollten, ergebe sich jedoch, dass die erforderliche Primärkonservierung von der Beklagten vorzunehmen gewesen sei, obgleich deren Leistungsbeschreibung diese Maßnahme nicht aufgeführt habe. Selbst wenn jedoch die Beklagte diese Erstkonservierung nicht geschuldet haben sollte, könne sie sich nach § 427 Abs. 4 HGB nicht auf den Haftungsausschluss des § 427 Abs. 1 Nr. 4 HGB berufen, weil sie jedenfalls verpflichtet gewesen sei, die Versenderin auf die Notwendigkeit der Konservierung hinzuweisen.

Mit ihrer Berufung trägt die Beklagte unter anderem vor, dass nicht nur der Haftungsausschluss nach § 427 Abs. 1 Nr. 4 HGB, sondern auch der nach § 427 Abs. 1 Nr. 2 HGB greife, da die Primärkonservierung als ein Teil der Verpackung anzusehen sei, welcher vorliegend der Versenderin oblegen habe. Zumindest sei gemäß § 254 BGB, § 425 Abs. 2 HGB ein erhebliches Mitverschulden der Versenderin zu berücksichtigen.

II.

Der Senat hat den Parteien folgenden Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO erteilt:

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Weder weist der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung auf noch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Zu den Berufungsangriffen ist Folgendes anzumerken:

1. Zwar teilt der Senat nicht die Einschätzung des Landgerichts, dass die Beklagte aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen verpflichtet war, die Primärkonservierung der Maschine durchzuführen, da diese Schutzmaßnahme bereits dem Wortlaut nach nicht unter den Begriff der beauftragten "Verpackungsarbeiten" fällt.

2. Die Beklagte ist aber gleichwohl nach § 427 Abs. 4 HGB gehindert, sich auf den Haftungsausschluss des § 427 Abs. 1 Nr. 4 HGB zu berufen, da sie die Absenderin nicht auf die - nach den Feststellungen des Sachverständigen erkennbar - fehlende, für den Seetransport aber unabdingbare Primärkonservierung der Maschine hingewiesen hat.

Zu den Obliegenheiten des Frachtführers im Sinne des § 427 Abs. 4 HGB gehört es auch, den Versender darauf hinzuweisen, dass die nach den Verhältnissen eines Seetransports zum Schutz der zu befördernden Metallteile erforderliche Vorbehandlung fehlt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der Frachtführer - wie hier - zu einer vor Luftfeuchtigkeit besonders schützenden Art der Verpackung verpflichtet hat.

Soweit die Berufung dem entgegenhält, dass der Verpacker als "Laie" insoweit nicht beim Absender als "Warenfachmann" nachzufragen habe, ob er auch wisse was er tue, geht dies fehl. Durch die Bestellung einer vor Feuchtigkeit schützenden Spezialverpackung hat die Versenderin mit Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass das zu befördernde Gut besonders korrosionsanfällig ist. Aufgrund ihrer besonderen Kenntnisse der Verhältnisse eines Seetransports war es Sache der Beklagten (und ihrer Leute), Bedenken dahin anzumelden, dass ein "leichtes Einölen" keine taugliche Primärkonservierung darstellt.

3. Der Haftungsausschluss mangelhafter Verpackung kommt nicht zum Tragen, da die Primärkonservierung keine Verpackung darstellt.

4. Die Haftungsbeschränkung nach Ziffer 23.1.3 der ADSp ist mangels wirksamer Einbeziehung der ADSp nicht anwendbar. Wie sich aus dem Angebot der Beklagten ergibt, fehlt es bereits an der besonderen Hervorhebung einer Haftungshöchstsumme in drucktechnisch deutlicher Gestaltung (§ 466 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 HGB). Der kleingedruckte Hinweis auf die ADSp in einer Fußnote reicht hierfür nicht aus.

Der Senat regt daher an zu prüfen, ob die Berufung nicht zur Meidung weiterer Kosten zurückgenommen werden soll.

III.

Nach Äußerung der Beklagten hat der Senat am 18.4.2007 über die Berufung wie folgt entschieden:

Beschluss:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 27.09.2006, Az. 11 HK O 17629/01, wird einstimmig zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 46.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Berufung der Beklagten war durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung aufweist und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung erfordern. Der Senat weicht weder von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch von der anderer Oberlandesgerichte ab. Die Entscheidung betrifft einen Einzelfall, bei dem in erster Linie die Auslegung der vertraglichen Vereinbarung und die hieraus folgende Feststellung der vertraglichen Pflichten entscheidungserheblich sind.

Auf die Hinweise des Senatsvorsitzenden vom 28.02.2007 wird Bezug genommen. Die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 28.03.2007 vorgetragenen Einwände geben zu keiner von den Hinweisen des Senatsvorsitzenden abweichenden rechtlichen Bewertung Anlass und führen nicht zum Erfolg der Berufung.

1. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Beklagten, dass die Primärkonservierung, deren Fehlen den Schaden verursacht hat, als Teil der Verpackung i. S. d. § 427 Abs. 1 Nr. 2 HGB anzusehen ist. Der gesetzessystematische Zusammenhang der Regelungen des § 427 Abs. 1 und 4 HGB lässt erkennen, dass nicht sämtliche Vorkehrungen, die dem Schutz des beförderten Gutes vor Beschädigungen durch Transporteinflüsse dienen, den Verpackungsmaßnahmen zuzuordnen sind. Die vorliegend erforderliche Behandlung mit Öl oder Wachs fällt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht unter den Begriff der "Verpackung", worunter eine prinzipiell jederzeit lösbare Umhüllung des Gutes zu verstehen ist, sondern stellt eine hiervon zu unterscheidende Haltbarmachung durch Verwendung eines Konservierungsmittels und/oder -verfahrens dar. Einschlägig sind daher die Regelungen des § 427 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 HGB.

2. Dass die Beklagte gemäß § 427 Abs. 4 HGB vertraglich verpflichtet war, das Gut gegen die Einwirkung von Luftfeuchtigkeit besonders zu schützen, ergibt sich aus den Bestimmungen des Vertrags zu Vorkehrungen vor entsprechenden Schäden ("Vakuumeinschweißen der Maschinen inklusive Trockenmittel"). Darauf, dass im Vertrag keine Regelungen zur Vornahme oder Prüfung der Primärkonservierung getroffen wurden, kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen, soweit ihr gerade angelastet wird, den Versender nicht auf die Notwendigkeit einer solchen Konservierung hingewiesen zu haben.

3. Wie bereits das Landgericht als Hilfserwägung rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, war die Beklagte gehalten, die Versenderin auf die Erforderlichkeit der fehlenden Primärkonservierung hinzuweisen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen in seiner Anhörung am 24.10.2005 musste der Verpacker erkennen, dass bei der Ware nicht die unerlässliche Primärkonservierung, sondern nur ein nicht ausreichendes "leichtes Einölen" vorgenommen worden war. Den Feststellungen des Sachverständigen zufolge war es für den Verpacker somit, ohne dass es näherer Angaben der Versenderin zur Korrosionsanfälligkeit des Gutes bedurft hätte, feststellbar, dass nicht die vertraglich vorausgesetzte "Seefestigkeit" des Transports gewährleistet war. Unbeschadet dessen, dass eine solche Primärkonservierung regelmäßig vom Versender vorgenommen wird, war daher ein Hinweis an die Versenderin auf die Notwendigkeit dieser Konservierung oder zumindest eine diesbezügliche Nachfrage bei der Versenderin veranlasst. Dieser Hinweis bzw. diese Nachfrage gehörte zu den Maßnahmen, die der Beklagten gemäß § 427 Abs. 4 HGB nach den Umständen des konkreten Falles oblagen und deren Unterlassen einem Haftungsausschluss nach § 427 Abs. 1 Nr. 4 HGB entgegensteht.

4. Ein der Klägerin zurechenbares Mitverursachen des Schadens, das gemäß § 254 BGB zu berücksichtigen wäre, lässt sich nicht feststellen. So ist nicht ersichtlich, dass sich neben dem Fehlen der Primärkonservierung, das aus den unter 3. genannten Gründen der Beklagten zuzurechnen ist, ein Verursachungsbeitrag der Klägerin realisiert hätte. Auf die Rostanfälligkeit des beförderten Gutes kann sich die Beklagte nach § 427 Abs. 4 HGB nicht berufen

Die Entscheidung hinsichtlich der Kosten beruht auf § 97 ZPO.

Die Höhe des Streitwerts ergibt sich aus § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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