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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 31.05.2006
Aktenzeichen: 7 U 5721/05
Rechtsgebiete: InsO, BGB, ZPO


Vorschriften:

InsO §§ 130 ff.
InsO § 131 Abs. 1 Nr. 3
InsO § 131 Abs. 2
InsO § 131 Abs. 2 Satz 1
InsO § 133 Abs. 1 Satz 2
BGB § 93
BGB § 94
BGB § 119
BGB § 123
BGB § 138
BGB § 288 Abs. 1 Satz 2
BGB § 770
BGB § 774
ZPO § 287 Abs. 2

Entscheidung wurde am 01.02.2008 korrigiert: ein Leitsatz wurde hinzugefügt
1. Der in einer Formularbürgschaftsurkunde enthaltene Verzicht auf die Einreden der Anfechtung, der Aufrechnung und der Vorausklage erfasst nicht die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter nach den §§ 130 ff. InsO.

2. Zur Haftung der Bank aus culpa in contrahendo des Bürgschaftsvertrags, wenn sie in Kenntnis der drohenden Insolvenz ihres Kreditnehmers für diesen eine Bürgschaftserklärung unter Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit erteilt, ohne den Gläubiger auf die Anfechtbarkeit des Bürgschaftsvertrags durch den Insolvenzverwalter nach den §§ 130 ff. InsO hinzuweisen.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 7 U 5721/05

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erlässt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. G. und die Richter am Oberlandesgericht N. und F. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31.05.2006 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 10.11.2005 dahin abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 24.699,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.02.2005 zu bezahlen.

Im Übrigen werden die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 9/10 und die Beklagte 1/10.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer selbstschuldnerischen Zahlungsbürgschaft über 240.000,00 Euro in Anspruch und stützt die Klageforderung hilfsweise auf einen Schadensersatzanspruch.

Die Klägerin hat an die W. - AG , Niederlassung SF-Baudirektion Süd-West, für verschiedene Bauvorhaben Beton geliefert. Sie macht aufgrund dieser Lieferungen offene, in der Zeit vom 23.11.2004 bis 08.03.2005 fällige Einzelforderungen mit einem Gesamtbetrag von 312.713,54 Euro geltend (Anlage C zur Klageschrift).

Die Klägerin hatte mit Schreiben an die W. - AG vom 14.12.2004 (Anlage B 18) unter Bezugnahme auf den bei dem Gespräch vom 06.12.2004 gegebenen Hinweis der Mitarbeiter der W. - AG , Hi. , Ri. und Ei. , auf die schwierige Zahlungssituation dieser Gesellschaft und der Angabe, dass sich per 10.12.2004 die offenen Posten der Klägerin gegenüber der W. - AG auf einen Betrag von 325.236,98 Euro belaufen haben, eine letzte Nachfrist zur Zahlung der überfälligen Beträge bis zum 17.12.2004 gesetzt und die Einstellung der Belieferung bei Nichtzahlung innerhalb der Frist angekündigt. Die Klägerin stellte der W. - AG in Aussicht, die Lieferungen fortzusetzen und Ratenzahlung hinsichtlich eines Teilbetrages von 188.000,00 Euro zu gewähren, falls die W. - AG eine Zahlungsbürgschaft zur Sicherung des erstrangigen Teilbetrages von 188.000,00 Euro für die per 06.12.2004 bestehenden offenen Forderungen stellt, die übrigen Forderungen aus den bisherigen und laufenden Lieferungen innerhalb der vereinbarten Fälligkeiten bezahlt und eine weitere Zahlungsbürgschaft bis zu einem Höchstbetrag von 200.000,00 Euro zur Sicherung von Forderungen der Klägerin aus der Geschäftsverbindung zwischen der Klägerin und der W. - AG vorlegt.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 20.12.2004 (Anlage 2 D) unter Bezugnahme auf die am 16.12.2004 getroffenen mündlichen Absprachen bestätigt, dass sie an der Fristsetzung für ihre Leistungseinstellung nicht festhält, per 14.12.2004 ein fakturierter Außenstand von rund 325.000,00 Euro bestanden hat und im Hinblick auf die Liquiditätsengpässe der W. - AG dieser Ratenzahlung von jeweils 80.000,00 Euro gewährt wird unter der Voraussetzung, dass bis 23.12.2004 einen schriftliche Zahlungsbürgschaft eines Kreditinstituts bis zu einem Höchstbetrag von 240.000,00 Euro zur Sicherung von bereits entstandenen und künftig entstehenden Forderungen nebst Zinsen und Kosten der Klägerin gegen die W. - AG vorgelegt wird.

Die Beklagte verbürgte sich gegenüber der Klägerin unter Verzicht auf die Einreden der Anfechtbarkeit, der Aufrechenbarkeit und der Vorausklage (§ 770, § 771 BGB) für die vertragsmäßige Erfüllung der von der W. - AG mit Vertrag von 16.12.2004 wegen "Betonlieferungen im Großraum Frankfurt" gegenüber der Klägerin übernommenen Verbindlichkeiten bis zu einer Geldforderung von insgesamt 240.000,00 Euro als Selbstschuldnerin (Anlage 1). Die Bürgschaftsurkunde ist ausweislich der Bestätigung (Anlage 2 e) am 21.12.2004 bei der Beklagten eingegangen.

Die W. - AG , die dem Schreiben der Klägerin vom 20.12.2004 (Anlage K 2 d) nicht widersprochen hatte, überwies der Klägerin am 21.1.2005 80.000,00 Euro. Weitere Zahlungen erfolgten nicht. Am 01.02.2005 stellte die W. - AG Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Klägerin kündigte mit Schreiben vom 03.02.2005 (Anlage K 2 a) die Vereinbarung über Betonlieferungen und die "Vereinbarung vom 16.12.2004 gemäß unserem Bestätigungsschreiben vom 20.12.2004". Die Klägerin nahm die Beklagte mit Schreiben vom 03.02.2005 (Anlage K 2) aus der Bürgschaft in Anspruch. Eine Zahlung erfolgte nicht.

Mit Schreiben vom 03.06.2005 (Anlage B 1) hat der Insolvenzverwalter der W. - AG gegenüber der Klägerin den Bürgschaftsvertrag vom 17.12.2004 gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO angefochten.

Die Klägerin hat vorgetragen, gemäß ihrem Wortlaut umfasse die Bürgschaftserklärung der Beklagten sowohl bereits entstandene als auch zukünftige Ansprüche der Klägerin gegen die W. - AG . Die Voraussetzungen für eine Anfechtung der Bürgschaftserklärung durch den Insolvenzverwalter lägen nicht vor. Die Klägerin habe keine Kenntnis von etwaigen Sicherheiten der Beklagten, insbesondere von dem Sicherheiten-Poolvertrag gehabt. Die Klägerin habe bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages weder die Absicht, Gläubiger zu benachteiligen, noch Kenntnis von Umständen gehabt, aus denen sich auf eine Gläubigerbenachteiligung zwingend schließen lasse. Es liege nur ein Gläubigerwechsel vor, der die Masse nicht beeinträchtigt habe. Die Beklagte nehme im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma W. - AG keine bevorzugtere Stellung ein als die Klägerin. Der von der Beklagten behauptete Sicherheiten-Poolvertrag wäre nach § 138 BGB wegen sittenwidriger Benachteiligung der Klägerin nichtig. Die Einrede der insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit könne die Beklagte nicht geltend machen, da darin eine unzulässige Rechtsausübung im Sinne des "venire contra factum proprium" zu sehen sei. Die Klägerin habe auch aus der Medienberichterstattung keine Kenntnis von Umständen gehabt, die zwingend auf eine Gläubigerbenachteiligung schließen lassen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 240.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8% über dem Basiszinssatz seit dem 08.02.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, sie sei Mitglied des "Sicherheiten-Poolvertrages W. - AG 0118000/B" (Anlagen B 10 und B 10 a), durch den die der W. - AG Kredit gebenden Banken und Versicherungen abgesichert seien. Aufgrund dieses Poolvertrages bestünden für die Beklagte Sicherheiten, durch die die von der Beklagten der W. - AG gegebenen Avalkredite voll abgesichert gewesen seien. Die Avalkreditlinie der Beklagten in Höhe von 106.899.373,00 Euro sei nur in Höhe von 79.949.408,34 Euro in Anspruch genommen worden. Aufgrund des Avalkreditvertrages mit der W. - AG sei die Beklagte verpflichtet gewesen, auf Antrag der W. - AG die Bürgschaft auszureichen.

Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass sie gegen die Forderung aus dem Bürgschaftsvertrag die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung erheben könne, da die Klägerin die Bürgschaft in anfechtbarer Weise erlangt und der Insolvenzverwalter die Bürgschaft nach § 131 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 InsO wirksam angefochten habe. Die Klägerin habe durch die Bürgschaft eine inkongruente Deckung erhalten. Dadurch sei eine Gläubigerbenachteiligung eingetreten, für die die Beklagte im Falle einer Zahlung aus der Bürgschaft einen Regressanspruch gegen die W. - AG erhalten habe, für die sie als Mitglied des Sicherheiten-Pools voll abgesichert sei. Durch diese bevorzugte Stellung seien andere Gläubiger benachteiligt, da die zur Verteilung zur Verfügung stehende Masse entsprechend verringert werde. Von der durch die Bürgschaftserteilung bedingten Gläubigerbenachteiligung habe die Klägerin auch Kenntnis gehabt, da dieser die angespannte finanzielle Lage der W. - AG bekannt gewesen sei. Die Einforderung und Inanspruchnahme einer inkongruenten Leistung - hier der Bürgschaft der Beklagten - stelle ein wichtiges Indiz für die Kenntnis der Klägerin von Umständen, die auf eine Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 131 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 InsO zwingend schließen lassen, dar. Der in der Bürgschaftsurkunde enthaltene Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit beziehe sich nicht auf die nach den §§ 130 ff. InsO geregelten Anfechtungsrechte. Es liege seitens der Beklagten auch kein Rechtsmissbrauch vor, da sie gegenüber der W. - AG verpflichtet gewesen sei, die Bürgschaft auszureichen und es bei Ausreichung der Bürgschaft offen gewesen sei, ob und zu welchem Zeitpunkt in Zukunft ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der W. - AG gestellt werden würde, wovon die Anfechtbarkeit nach § 131 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 InsO wesentlich abhängt.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 240.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.02.2005 zu bezahlen und zur Begründung ausgeführt, dass durch die Bürgschaft die fakturierten Außenstände gegenüber der W. - AG von insgesamt 325.000,00 Euro sowie die Ansprüche der Klägerin aus einer Ratenzahlungsvereinbarung auf 240.000,00 Euro abgesichert gewesen seien. Unter Abzug der geleisteten 80.000,00 Euro habe die Klägerin Forderungen von insgesamt 245.000,00 Euro gegen die W. - AG gehabt, für die die Beklagte aufgrund der Bürgschaft einzustehen habe. Die Beklagte könne die Leistung auch nicht unter Berufung auf die vom Insolvenzverwalter erklärte Anfechtung der Bürgschaftserklärung verweigern. Zwar erfasse der von der Beklagten in der Bürgschaftserklärung ausgesprochene Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit nicht diejenige aus § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Jedoch greife diese Anfechtung nicht durch, weil für die Kenntnis der Klägerin von einer Gläubigerbenachteiligung durch die Ausreichung der Bürgschaft oder von Umständen, die zwingend auf eine Gläubigerbenachteiligung schließen lassen, nichts vorgetragen sei.

Gegen das landgerichtliche Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das Landgericht habe die Anforderungen an die subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen überspannt. Es genüge, dass die Klägerin Kenntnis von Umständen habe, die darauf hindeuten, dass überhaupt eine Rückbesicherung der Forderung aus dem Bürgschaftsvertrag gegeben sei. Die Klägerin habe als Kaufmann in der ihr bekannten Krisensituation der Firma W. - AG nicht davon ausgehen können, dass die Bank die Bürgschaft ohne Sicherheiten stellt. Im vorliegenden Fall sei sogar von einer vorsätzlichen Benachteiligung nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO auszugehen.

Eine Haftung aus culpa in contrahendo wegen fehlenden Hinweises auf die insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit sei nicht gegeben. Das Unterlassen des Hinweises sei nicht kausal für die weitere Belieferung der W. - AG durch die Klägerin gewesen. Es habe sich bei der gewährten Bürgschaft um kein risikofreies Sicherungsmittel gehandelt im Hinblick auf die Anfechtbarkeit der innerhalb von 3 Monaten vor dem Eröffnungsantrag vorgenommenen Rechtshandlungen. Ein Hinweis auf das bestehende Risiko hätte auch das gegenüber der Firma W. - AG bestehende Bankgeheimnis verletzt. Wenn die Sicherheit teils inkongruent und teils kongruent geleistet werde, sei das Rechtsgeschäft insgesamt anfechtbar. Die Klägerin habe in erster Linie bereits bestehende ungesicherte Forderungen absichern wollen. Da diese das Risiko der insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit hätte erkennen können und müssen, sei ihr ein Mitverschulden von 50% zuzurechnen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts München I vom 10.11.2005 (AZ 3HK O 11703/05) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt unter Wiederholung ihres erstinstanziellen Vortrags vor, die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter führe nicht zu einem Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten. Diese habe als Hausbank der W. - AG Kenntnis von deren finanziellen Schwierigkeiten gehabt. Die Beklagte habe gerade die Einstandspflicht bezüglich der Forderungen der Klägerin gegen die W. - AG übernommen. Ohne die Bürgschaft hätte die Beklagte in der Zeit vom 17.12.2004 bis 21.01.2005 die vollständige Bezahlung der Lieferantenrechnungen verlangt und erhalten.

Zu den Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 05.04.2006 darauf hingewiesen, dass ein Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo in Betracht kommen kann.

B.

Die zulässige Klage hat nur in Höhe von 24.699 Euro Erfolg.

I. Aus dem zwischen der Klägerin und der Beklagten abgeschlossen Bürgschaftsvertrag, der mit Aushändigung der Originalurkunde am 21.12.2004 wirksam wurde, steht der Klägerin keine Forderung zu, da der Bürgschaftsvertrag von dem Insolvenzverwalter der W. - AG wirksam angefochten worden ist. Die Beklagte kann sich gegen die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft auf die Bereicherungseinrede berufen (vgl. BGHZ 107, 210, 214).

1. Der in der Bürgschaftsurkunde enthaltene Verzicht auf die Einreden der Anfechtbarkeit, der Aufrechenbarkeit und der Vorausklage erfasst nicht die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter der W. - AG nach den §§ 130 ff. InsO, da der Beklagten insoweit ein Anfechtungsrecht gar nicht zustand. Dieses konnte allein der Insolvenzverwalter der W. - AG ausüben. Mangels Rechtsinhaberschaft konnte die Beklagte keinen wirksamen Verzicht auf dieses Anfechtungsrecht erklären. Der in der Bürgschaftsurkunde erklärte Verzicht auf die Einrede der Anfechtung unter Hinweis auf § 770 BGB ist dahin auszulegen, dass die Beklagte nur auf die im Rahmen des Bürgschaftsvertrags gesetzlich möglichen Anfechtungsrechte nach den §§ 119, 123 BGB verzichtet hat.

2. Die vom Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 3.6.2005 erklärte Anfechtung des Bürgschaftsvertrages führt auch in Verbindung mit dem von der Beklagten erklärten Anfechtungsverzicht nicht dazu, dass der Beklagten die Bereicherungseinrede zu versagen ist. Denn durch die Insolvenzanfechtung soll der angefochtenen Handlung gerade die Wirksamkeit zum Schutz der Gläubiger der Gemeinschuldnerin genommen werden.

3. Die vom Insolvenzverwalter der W. - AG gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 3.6.2005 gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 InsO erklärte Anfechtung der mit Urkunde vom 17.12.2004 von der Beklagten gestellten Zahlungsbürgschaft ist wirksam.

a. Die Bürgschaft vom 17./21.12.2004 diente der Absicherung der bereits entstandenen und zukünftigen Ansprüche der Klägerin gegen die W. - AG , wie sich aus Ziffer 4 des Schreibens der Klägerin vom 20.12.2004 (Anl 2 d) ergibt, in dem die Ergebnisse der Verhandlungen vom 16.12.2004 von der Klägerin zusammengefasst worden sind. Per 14.12.2004 hatte die Klägerin nach ihren Angaben Forderungen gegen die W. - AG in Höhe von rund 325.000 Euro. Somit sicherte die Bürgschaft zunächst in voller Höhe offene, bisher ungesicherte Lieferantenforderungen der Klägerin gegen W. - AG ab. Mit dem Einbau des Betons in die jeweiligen Bauwerke verlor die Klägerin nach den §§ 93, 94 BGB etwaige dingliche Rechte an der gelieferten Sache. Die Klägerin erhielt somit am 21.12.2004 eine in vollem Umfang inkongruente Leistung, da sie auf die nachträgliche Besicherung der bisher ungesicherten Forderungen für bereits ausgeführte Betonlieferungen nach den mit der W. - AG vereinbarten Konditionen keinen Anspruch hatte.

b. Der Bürgschaftsvertrag wurde mit Zugang der Bürgschaftsurkunde bei der Klägerin am 21.12.2004 wirksam geschlossen. Die anfechtbare Handlung ist bereits in der Übernahme der Bürgschaft und nicht erst in der Leistung aus der Bürgschaft zu sehen (BGH NJW 1999, 3046). Da die W. - AG am 1.2.2005 Insolvenzantrag gestellt hat, wurde die Handlung innerhalb der Frist des § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO vorgenommen.

c. Die Beklagte hat nachgewiesen, dass sie eine im Insolvenzverfahren der W. - AG bevorrechtigte Rechtsposition auch hinsichtlich der Rückforderungsansprüche aus der Bürgschaft vom 17.12.2004 hatte. Denn sie hatte der W. - AG mit Schreiben vom 19.3.2004 (Anlage B 28) vereinbarungsgemäß einen Avalkreditrahmen von 106.899.373 Euro eingeräumt. Ausweislich der Fortschreibung des Sicherheiten-Poolvertrages W. - AG 0118000 / B (Anlage B 10a) war sie an diesem Sicherheiten-Pool, der bis mindestens 30.6.2005 fortgeschrieben worden war, beteiligt mit einer Avalkreditlinie von 106.899.373 Euro. Der Pool wies als Sicherheiten Grundschulden in Höhe von mehr als 285.000.000 Euro mit einem Beleihungswert von mindestens 249.000.000 Euro und weitere Sicherheiten in Form von abgetretenen Kaufpreisansprüchen, Verpfändung von Kontoguthaben, Verpfändung von Geschäftsanteilen und Aktien sowie von gewerblichen Schutzrechten auf. Bei Ausreichung der mit dem internen Aktenzeichen 0408/90020309/#1477 versehenen Bürgschaft am 17.12.2004 wies der Avalkreditrahmen ausweislich des Kontoauszugs zum 20.12.2004 eine Ausreichung des Avalkredites in Höhe von 79.949.408,34 Euro aus.

d. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Sicherheiten-Poolvertrag nicht sittenwidrig nach § 138 BGB. Er war diente dem legitimen Zweck, die kredit- bzw. avalkreditgebenden Banken und Versicherungen abzusichern und die W. - AG als Großunternehmen in der Baubranche mit den für ihre Geschäft notwendigen Mittel auszustatten. Dass hierdurch die Haftungsmasse für andere Gläubiger der W. - AG , die nur über ungesicherte Forderungen verfügten, vermindert wurde, begründet keine Verstoß gegen die guten Sitten. Soweit der Beklagten im Hinblick auf die für sie bestehenden Sicherheiten ein Vorwurf wegen unterlassener Hinweise im Hinblick auf die Erteilung der Bürgschaft zu machen ist wird auf die Ausführungen unter B. II. verwiesen.

e. Die für die Klägerin Handelnden hatten zur Überzeugung des Senats am 17./21.12 2004 Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Absicht, andere Gläubiger zu benachteiligen, schließen lassen. Nach ständiger Rechtsprechung ist in der Gewährung einer inkongruenten Deckung ein erhebliches Beweisanzeichen für die Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Gemeinschuldners sowie deren Kenntnis beim Anfechtungsgegner zu sehen (BGHZ 123, 320, 326; BGH NJW NJW 1999, 3046). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Klägerin wegen der Überfälligen Zahlungen der W. - AG am 6.12.2004 ein Gespräch führte, in dem ausweislich des Schreibens der Kägerin vom 14.12.2004 die Mitarbeiter der W. - AG , Hi. , Ri. und Ei. , auf die schwierige Zahlungssituation der W. - AG hingewiesen hatten (Anl. B 18). Die Klägerin setzte der W. - AG eine letzte Nachfrist bis 17.12.2004 zur Zahlung der fälligen Beträge und kündigte Einstellung der Belieferung bei Nichtzahlung innerhalb der Frist an. Hieraus ergibt sich, dass die Klägerin die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit der W. - AG erkannt hat und mit der angedrohten Einstellung der Belieferung, die für die Weiterführung der verschiedenen, von der W. - AG durchgeführten Bauvorhaben wichtig waren, Druck auf die W. - AG ausüben wollte, um die eingeforderte Bürgschaft zu erlangen.

Die Klägerin verlangte in dem Schreiben vom 14.12.2004 die Zahlungsbürgschaft eines Kreditinstituts oder Kreditversicherers sowohl für die bestehenden als auch für zukünftige Verbindlichkeiten der W. - AG . Bei der der Klägerin geschilderten finanziellen Situation der W. - AG musste ein redlich Denkender, der vom Gedanken auf den eigenen Vorteil nicht beeinflusst ist (auf eine derartige Person ist abzustellen, vgl. Kreft in Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Auflage, § 131 Rn. 22) davon ausgehen, dass die W. - AG in absehbarer Zeit nicht in der Lage sein würde, alle Gläubiger zu befriedigen und ein Kreditinstitut oder ein Kreditversicherer die verlangte Bürgschaft nicht ungesichert ausgeben würde. Dies würde dem Handeln eines ordentlichen Kaufmanns widersprechen und war auch von der Beklagten nicht zu erwarten. Anhaltspunkte dafür, dass die bürgende Bank von Dritter Seite eine Sicherheit erhalten hat, um sich im Falle der Inanspruchnahme gegenüber Dritten schadlos zu halten, sind weder vorgetragen noch sonst aus den Umständen ersichtlich angesichts der Zahlungsschwierigkeiten der W. - AG und der Höhe der aufzuwendenden Finanzmittel bei den von ihr durchgeführten Bauvorhaben.

Damit deuten die vorgenannten Umstände darauf hin, dass die Verantwortlichen der Klägerin annahmen, die Beklagte als Bürgin könne nach Zahlung die nach § 774 BGB auf sie übergegangene Forderung auch gegen die W. - AG in irgend einer Weise realisieren. Die genaue Kenntnis von der Art der Absicherung, ist nicht erforderlich. Die erfolgreiche Realisierung der Ansprüche der Beklagten gegen die W. - AG hat jedoch zwingend zur Folge, dass die Haftungsmasse für die übrigen Gläubiger des W. - AG geschmälert wird und diese hierdurch benachteiligt werden. Hinzu kommt die Kenntnis der Klägerin von der bei Erteilung der Bürgschaft vollständigen Inkongruenz der Leistung, die ein gewichtiges Indiz darstellt für die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf eine Gläubigerbenachteiligung schließen lassen (vgl Kreft, a.a.O., § 131 Rn. 24).

Somit liegt eine wirksame Anfechtung des Bürgschaftsvertrages durch den Insolvenzverwalter vor.

4. Soweit die Klägerin einwendet, die Beklagte könne die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung nicht erheben, weil dies als unzulässige Rechtsausübung anzusehen sei, ist darauf hinzuweisen, dass wegen der wirksamen Anfechtung des Bürgschaftsvertrages dessen Wirkung ex tunc entfallen ist und der Klägerin somit ein Erfüllungsanspruch aus der Bürgschaft nicht mehr zusteht.

II. Die Klägerin kann jedoch 24.699 Euro von der Beklagten als Schadensersatz wegen Verschuldens der Beklagten im Rahmen der Anbahnung des Bürgschaftsvertrages verlangen.

1. Denn die Beklagte hatte aufgrund des Bürgschaftsvertrages die Nebenpflicht, die Klägerin bei Ausreichung der Bürgschaft, darauf hinzuweisen, dass die Wirksamkeit des Bürgschaftsvertrages nur Bestand vorbehaltlich einer etwaigen zukünftigen insolvenzrechtlichen Anfechtung. Dieser Hinweis war auch nicht entbehrlich im Hinblick auf die gesetzlich in den §§ 130 ff. InsO vorgesehenen Anfechtungsrechte. Die Beklagte verfügte aufgrund ihrer geschäftliche Kontakte zur W. - AG über bessere Kenntnisse von der finanziellen Situation dieses Unternehmens und dessen Zahlungsschwierigkeiten. Sie wusste, dass die Vereinbarungen vom 16.12.2004 über die Bürgschaft auch die Absicherung von Forderungen aus bereits ausgeführten Leistungen umfasste und dass die Klägerin eine umfassende und risikofreie Absicherung ihrer Forderungen gegen die W. - AG wünschte. Aus diesen Umständen war sie verpflichtet, im Rahmen der Angabe, dass sie die Bürgschaft unter Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit erteilt, den Hinweis zu geben, dass die Wirksamkeit der Bürgschaftsvereinbarung unter dem Vorbehalt einer etwaigen insolvenzrechtlichen Anfechtung steht.

2. Eine Verletzung des mit der W. - AG bestehenden Kreditvertrages ist in einem derartig allgemein gehaltenen Hinweis nicht enthalten, da weder Tatsachen zur aktuellen Finanzlage der W. - AG bekannt gegeben noch konkrete Hinweise zur Einschätzungen der Insolvenzlage gegeben werden.

3. Der Schaden der Klägerin ist auf 24.699 Euro festzusetzen. Er bemisst sich nach dem Entgelt der Lieferungen, die von der Klägerin nach dem Erhalt der Bürgschaft am 21.12.2004 an die W. - AG geleistet worden sind. Ausweislich der in der Anlage C mit Rechnungsdatum ab 22.12.2004 ausgeführten Lieferungen und unter Abzug der Zinsaufwendungen von 3077,24 und 1728,29 sowie von 772,65 Euro für die Rechnung vom 11.1.2005 mit der Op-Nummer 47725, die für eine schon am 3.5.2004 ausgeführte Lieferung erteilt worden ist, ergibt sich ein Betrag von 30.158,76 Euro. Von diesem ist die im Rahmen des Schadensersatzes nicht zu erstattende Mehrwertsteuer von 16 % abzusetzen. Von dem verbleibenden Betrag von 25.998,93 Euro ist der entgangene Gewinn, den die Beklagte unwidersprochen mit 5 % bemessen hat, abzuziehen. Dieser Wert entspricht auch der Schätzung des Senats gemäß § 287 Abs. 2 ZPO.

Die Auffassung der Klägerin, der Schaden sei in Höhe der vollen 240.000 Euro anzusetzen, weil die Klägerin ohne risikofreie Absicherung der verbürgten Forderung die Belieferung der W. - AG eingestellt und die W. - AG dadurch veranlasst hätte, diesen Betrag sofort zu zahlen, was die Beklagte bestritten hat, findet in den festgestellten Tatsachen keine hinreichende Stütze. Die Klägerin hatte auf sofortige Zahlung gedrängt. Dass sie die vollständige sofortige Bezahlung ihrer offenen Forderungen mit einem Lieferstop gerade nicht durchsetzen wollte, ergibt sich aus ihrem eigenen Verhalten.

4. Ein Mitverschulden ist der Klägerin nicht anzulasten. Sie hat auf die Werthaltigkeit der von der Hausbank der W. - AG erteilten Bürgschaft vertraut. Die Beklagte verfügte über die überlegenen Kenntnisse von der Finanziellen Lage der W. - AG und die Absicherung der ihr erteilten Bürgschaft.

5. Zinsen kann die Klägerin nach § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 8.2.2005 beanspruchen.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar nach den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. VI. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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