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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 18.06.2009
Aktenzeichen: 8 U 5606/08
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 117 Abs. 3
§ 117 III InsO ist auch anwendbar, wenn über das Vermögen des Schuldners bereits zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung das Insolvenzverfahren eröffnet war.
Tatbestand:

Die Klägerin erwarb im Jahre 2005 von der Beklagten, die mit Vollmacht des A. handelte, ein in dessen Eigentum stehendes Pferd zum Kaufpreis von 6.000,- Euro. Zu diesem Zeitpunkt war über das Vermögen des A. das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Kenntnis der Beklagten hiervon konnte die Klägerin nicht beweisen.

Der Insolvenzverwalter genehmigte den Verkauf des Pferdes nicht, verkaufte jedoch seinerseits im Jahr 2007 das Pferd für 1.000,- Euro an die Klägerin.

Die auf Schadensersatz gerichtete Klage hat das Landgericht abgewiesen. Die Klägerin habe zwar einen Schadensersatzanspruch nach § 179 I BGB, der nicht nach § 179 III BGB ausgeschlossen sei. Denn die der Beklagten vom Eigentümer des Pferdes zu dessen Verkauf erteilte Vollmacht sei nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam gewesen, weil das Pferd zur Insolvenzmasse gehört habe. Die Beklagte habe daher als Vertreterin ohne Vertretungsmacht gehandelt. Der Anspruch sei nicht nach § 179 III S. 1 BGB ausgeschlossen, weil die Beklagte den ihr obliegenden Beweis der Kenntnis bzw. schuldhaften Unkenntnis der Klägerin von ihrer mangelnden Vertretungsmacht nicht habe erbringen können. Die Klage habe jedoch deshalb keinen Erfolg, weil ein Anspruch nach § 179 BGB ausscheide, wenn der Vertretene vermögenslos war und der Dritte deshalb von diesem weder Erfüllung noch Schadensersatz hätte verlangen können. Der Vertreter solle nicht auf mehr haften als auf dasjenige, was der Vertragsgegner hätte, wenn der Vertrag wirksam geworden wäre. Vorliegend hafte die Beklagte daher allenfalls in Höhe der fiktiven Insolvenzquote. Trotz entsprechenden Hinweises habe die Klägerin zur Höhe einer Insolvenzquote nichts vorgetragen. Diese Quote habe daher bei "Null" angenommen werden müssen, so dass ein Schadensersatzanspruch nicht bestanden habe.

Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Gründe:

1. Eine Haftung der Beklagten nach § 179 I, II BGB ist schon dem Grunde nach ausgeschlossen, § 117 III InsO. Nach dieser Vorschrift haftet der Vertreter nicht nach § 179 BGB, solange er die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne Verschulden nicht kennt. Die Vorschrift ist auch anwendbar, wenn über das Vermögen des Schuldners bereits zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung das Insolvenzverfahren eröffnet war.

a) Der Anwendung der Vorschrift auch auf diese Fälle steht ihr Wortlaut nicht entgegen. Des Weiteren ergibt sich zwar aus der amtlichen Überschrift der Vorschrift ("Erlöschen von Vollmachten") und aus Absatz 1, dass zunächst nur die Fälle geregelt werden sollten, in denen das Insolvenzverfahren erst eröffnet wird, nachdem eine Vollmacht vom Schuldner erteilt worden war. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, die Haftungsprivilegierung des vollmachtlos auftretenden Vertreters in den Fällen der Insolvenz des Schuldners nicht auch auf Fälle wie den vorliegenden anzuwenden, bei welchen die Vollmacht durch den Schuldner erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erteilt wird.

Denn die Interessenlage ist vergleichbar. Die Unwirksamkeit der vom Schuldner erteilten Vollmacht von Anfang an ergibt sich in Fällen wie dem vorliegenden aus dem Gesetz, weil der Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über Gegenstände, die zur Insolvenzmasse gehören, nicht mehr verfügen kann, § 81 I S. 1 InsO. Er ist demnach nicht befugt, Vollmachten über entsprechende Verfügungen zu erteilen, § 81 I Satz 1 InsO analog (vgl. Braun/Kroth InsO 2. Auflage § 81 Rn. 4; MünchKommInsO-Ott/Vuia 2. Auflage § 81 Rn. 5). Die Vollmachtserteilung ist daher unwirksam und nach § 134 BGB nichtig. In beiden zu vergleichenden Fallgruppen beruht das Fehlen der Vertretungsmacht auf der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners und einer vom Gesetz bestimmten Wirkung dieses Verfahrens. Es ist kein Grund ersichtlich, nur deshalb, weil das Insolvenzverfahren ohne Kenntnis des Vertreters bereits eröffnet war, dem Vertreter die Haftung nach § 179 aufzubürden, aber ihn andererseits von dieser Haftung zu befreien, wenn das Insolvenzverfahren ohne seine Kenntnis erst eröffnet wird, nachdem er bevollmächtigt worden ist. Eine Erkundigungspflicht des Bevollmächtigten bei Entgegennahme der Vollmacht, ob über das Vermögen des Vollmachtgebers das Insolvenzverfahren eröffnet ist, besteht in dem einen Fall ebenso wenig, wie in dem anderen Fall eine (fortlaufende) Erkundigungspflicht, ob nach Erteilung der Vollmacht der Vollmachtgeber insolvent geworden ist. Konkret bedeutet dies: Wer bevollmächtigt wird, für einen Anderen Gegenstände zu verkaufen und zu übereignen, kann grundsätzlich mangels anderweitiger Hinweise davon ausgehen, dass betreffend den Vollmachtgeber bei Vollmachtserteilung und danach kein Insolvenzverfahren eröffnet ist bzw. wird.

b) Auch aus der Sicht des Dritten, dem gegenüber der Bevollmächtigte tätig wird, macht es keinen Unterschied, ob die Vollmacht vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erteilt worden ist. Sein Vertrauen auf die Vertretungsmacht ist nicht schützenswerter, wenn die Vollmacht vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits erteilt war.

c) Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die Regelungen der InsO insgesamt der entsprechenden Anwendung von § 117 III InsO widersprächen. Entscheidend ist, dass nach § 117 I InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters von einer Beeinträchtigung durch eine vom Schuldner erteilte Vollmacht geschützt wird (vgl. FK-InsO, Wimmer/Wegener, 5. Aufl., § 17 Rn. 1; MünchKomm-Ott/Vuia, aaO. § 117 Rn. 1; Braun/Kroth, aaO. § 117 Rn. 1). Diesem Zweck der Regelung läuft eine Anwendung von § 117 III InsO auf Fälle wie dem vorliegenden nicht zuwider.

d) Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erklärt, sie habe zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung keine Kenntnis vom Insolvenzverfahren gehabt, sie habe davon erst im August 2007 erfahren. Die Klägerin hat demgegenüber zwar das Gegenteil behauptet, insoweit jedoch keinen Beweis angeboten. Es ist daher von der Unkenntnis der Beklagten betreffend das Insolvenzverfahren auszugehen.

2. Da der klägerische Anspruch schon dem Grunde nach nicht gegeben ist, erübrigen sich Ausführungen zu seiner Höhe.

Ende der Entscheidung

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