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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 22.04.2004
Aktenzeichen: U (K) 1582/04
Rechtsgebiete: GWB, TKG, EG
Vorschriften:
GWB § 19 Abs. 1 | |
GWB § 19 Abs. 4 Nr. 1 | |
GWB § 19 Abs. 4 Nr. 4 | |
GWB § 20 Abs. 1 | |
TKG § 35 | |
EG Art. 82 |
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Aktenzeichen: U (K) 1582/04
Verkündet am 22.04.2004
In dem Rechtsstreit
hat der Kartellsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Wörle sowie die Richter Cassardt und Dr. Kartzke auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22.04.2004
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 28.11.2003 - 17HK O 19399/03 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin, eine Anbieterin von Telekommunikationsdienstleistungen, verlangt mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der Antragsgegnerin aufzugeben, die Sperrung von Mobilfunkkarten (so genannte SIM-Karten) aufzuheben, die für die Antragstellerin aktiviert waren und die diese in so genannten GSM-Wandlern (GSM-Gateways) eingesetzt hat, mit deren Hilfe Gespräche aus dem Festnetz an Zielteilnehmer in dem von der Antragsgegnerin betriebenen Mobilfunknetz terminiert werden. Die Antragstellerin ist keine Netzbetreiberin.
Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Urteil vom 28.11.2003 abgewiesen. Auf dieses Urteil und die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Antragstellerin. Sie macht geltend, die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts seien unvollständig und teilweise unrichtig.
Sowohl Herr H. von der Firma Ph. & C. K. Vertriebs GmbH als auch die Mitarbeiterin der Antragsgegnerin C. hätten von Anfang an Kenntnis von dem geplanten Einsatzzweck der der Antragstellerin überlassenen Mobilfunkkarten gehabt. Die Antragstellerin sei in der Lage, Anfragen der Strafverfolgungsbehörden jederzeit und nicht nur in einzelnen Fällen vollständig zu beantworten. Eine Gefährdung der Netzintegrität sei infolge der Tätigkeit der Antragstellerin nicht eingetreten.
Die Entscheidung des Landgerichts beruhe auf der Verletzung materiellen Rechts. Das Landgericht habe zu Unrecht keinen Anspruch der Antragstellerin auf Freischaltung der Mobilfunkkarten nach Nr. 6.1 und Nr. 7.1 der AGB der Antragsgegnerin angenommen.
Das Landgericht habe dadurch gegen § 305b BGB und § 166 Abs. 1 BGB analog verstoßen. Die streitgegenständliche Nutzung der Mobilfunkkarten sei Gegenstand der vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien gewesen. Sowohl Herr H. als auch Frau C. seien bei Erteilung der Aufträge über die Mobilfunkkarten bzw. bei Gegenzeichnung des Rahmenvertrags in vollem Umfang über den geplanten Einsatz der Mobilfunkkarten informiert gewesen. Weiter habe das Landgericht gegen § 305c Abs. 2 BGB verstoßen. Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass die AGB der Antragsgegnerin ein Verbot der streitgegenständlichen Nutzung von Mobilfunkkarten enthielten. Das Landgericht habe zudem gegen § 242 BGB verstoßen. Der Antragsgegnerin sei jedenfalls eine Sperrung bzw. eine Kündigung deshalb verwehrt gewesen, weil sie die streitgegenständliche Nutzung von Mobilfunkkarten über mehr als ein Jahr hinweg geduldet habe. Darüber hinaus habe das Landgericht unter Verstoß gegen Art. 82 EG, §§ 19, 20 GWB und § 1 UWG die Sperrung der Mobilfunkkarten und der zugrunde liegenden Verträge als gerechtfertigt gesehen. Schließlich werde vorsorglich darauf hingewiesen, dass eine Abweisung des Antrags, gestützt auf eine arglistige Täuschung, gegen § 123 BGB verstoßen würde. Eine Täuschung der Antragsgegnerin sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt.
Die Antragstellerin beantragt:
Unter Aufhebung des am 28.11.2003 verkündeten Urteils des Landgerichts München I, Az.: 17 HK O 19399/03, wird es der Antragsgegnerin bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel aufgegeben,
a. die von ihr der Antragstellerin überlassenen und am 15.10.2003 gegen 09.30 Uhr gesperrten 118 ... Mobilfunkkarten, die im Laufe des 17.10.2003 gesperrten 24 ... Mobilfunkkarten, sowie die am 29.10.2003 gegen 16.45 Uhr gesperrten weiteren 10 ... Mobilfunkarten, deren Seriennummern und Rufnummern sich aus den Anlagen AS 9 und AS 14 ergeben, bis zum rechtskräftigen Abschluss des beim Landgericht München I eingeleiteten Hauptsacheverfahrens wieder zu aktivieren und der Antragstellerin auf diese Art und Weise die Nutzung der ihr überlassenen Mobilfunkkarten zu ermöglichen;
b. es zu unterlassen, weitere von ihr der Antragstellerin überlassene ... Mobilfunkkarten deshalb zu sperren (d.h. zu deaktivieren) und die Herstellung von Mobilfunkverbindungen zu anderen Mobiltelefonkunden der Antragsgegnerin deshalb zu verweigern, weil die Antragstellerin die SIM-Karten im Zusammenhang mit einem GSM Gateway dazu nutzt, anderen Unternehmen die Terminierung von Telekommunikationsverbindungen im Mobilfunknetz (d.h. bei einem Mobiltelefonendkunden) der Antragsgegnerin zu ermöglichen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin macht geltend, die Berufung der Antragstellerin sei von Haus aus unbegründet, soweit die Antragstellerin einen Unterlassungsanspruch geltend mache. Die Antragsgegnerin habe sämtliche der Antragstellerin überlassenen ... Mobilfunkkarten gesperrt. Eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich weiterer, an die Antragstellerin gar nicht überlassener Mobilfunkkarten scheide damit von vornherein aus. Auch der von der Antragstellerin geltend gemachte Leistungsanspruch sei unbegründet. Das Landgericht habe zutreffenderweise festgestellt, dass der Einsatz der der Antragstellerin von der Antragsgegnerin überlassenen SIM-Karten in GSM-Wandlern in der von der Antragstellerin praktizierten Weise gegen den Vertrag verstoße, so dass die Antragsgegnerin zur außerordentlichen Kündigung desselben berechtigt gewesen sei. Auch ein kartellrechtlicher Anspruch der Antragstellerin bestehe gemäß den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts nicht. Insofern habe das Landgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass bereits zweifelhaft sei, ob die Antragsgegnerin überhaupt marktbeherrschend sei, jedenfalls ein kartellrechtlicher Anspruch der Antragstellerin deshalb ausscheide, weil der Einsatz der SIM-Karten in der von der Antragstellerin praktizierten Art und Weise die Integrität des Netzes der Antragsgegnerin gefährde und auch den Auskunftsersuchen von Ermittlungsbehörden nicht ordnungsgemäß nachgekommen werden könne. Aufgrund dieser Rechtfertigungsgründe habe das Landgericht nicht auf die weiteren bestehenden Rechtfertigungsgründe eingehen müssen. Schließlich bestehe auch kein Verfügungsgrund.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll des Termins vom 22.04.2004 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Antragstellerin ist nicht begründet. Der Antragstellerin steht kein Verfügungsanspruch zur Seite, weshalb dahinstehen kann, ob ein Verfügungsgrund gegeben ist.
1. Das mit den Berufungsanträgen formulierte Begehren der Antragstellerin ist bei verständiger Auslegung dahingehend zu verstehen, dass es sich um einheitliches Begehren handelt, das auf Erlass einer Leistungsverfügung gerichtet ist. Nicht hingegen ist das Begehren dahingehend zu verstehen, dass die Antragstellerin mit dem Unterantrag b den Erlass einer Unterlassungsverfügung und nur mit dem Unterantrag a den Erlass einer Leistungsverfügung erstrebt. Es geht der Antragstellerin insgesamt darum, dass die Antragsgegnerin ihre - vermeintlichen - vertraglichen Pflichten aus dem geschlossenen Vertrag erfüllt. Die Antragsgegnerin soll auch weiterhin ihr Mobilfunknetz für die Terminierung von Gesprächen aus dem Festnetz mittels GSM-Wandlern, die mit SIM-Karten der Antragsgegnerin bestückt sind, zur Verfügung stellen. Die Vertragserfüllung umfasst zwei Elemente, nämlich die gesperrten SIM-Karten wieder zu aktivieren und sie zukünftig nicht aus demselben Grund wieder zu sperren (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2004 - VI - U (Kart) 35/03, UA S. 6 f).
2. Die Antragstellerin hat die Voraussetzungen für einen vertraglichen Verfügungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Die Antragstellerin hat nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass der von ihr vorgenommene Einsatz von SIM-Karten in GSM-Wandlern zum Zweck der Terminierung von Gesprächen, die aus dem Festnetz herrühren, vor oder bei Vertragsschluss zur Kenntnis der Antragsgegnerin gelangt und von dieser gebilligt worden ist. Die Vertragsauslegung ergibt im Übrigen, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, dass der Einsatz von SIM-Karten in GSM-Wandlern zu dem genannten Zweck einen vertragswidrigen Gebrauch darstellt. Die Antragstellerin hat des Weiteren nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin durch Frau Conrad nach Vertragsschluss Anfang 2003 den Einsatz von SIM-Karten in GSM-Wandlern zum Zwecke der Terminierung von Gesprächen, die aus dem Festnetz herrühren, gebilligt hat.
Die eidesstattlichen Versicherungen von Herrn He. vom 28.11.2003 (Protokoll des Termins vom 28.11.2003) und vom 20.04.2004 (Anlage BB 16), von Herrn Dr. G. vom 11.12.2003 (Anlage BB 3), von Herrn B. vom 03.12.2003 (Anlage BB 5) und von Herrn W. vom 21.04.2004 (Anlage BB 18), mit denen glaubhaft gemacht werden soll, dass Frau C. vor oder bei Vertragsschluss und spätestens Anfang 2003 Kenntnis von dem Einsatz der SIM-Karten in GSM-Wandlern zum Zwecke der Terminierung von Gesprächen, die aus dem Festnetz herrühren, hatte, stehen im diametralen Widerspruch zu den eidesstattlichen Versicherungen von Frau C. vom 27.11.2003 (Anlage EVB 22) und vom 09.04.2004 (Anlage EVB 38a), in denen diese ausführt, dass immer nur über den Einsatz der SIM-Karten in einem Callcenter gesprochen wurde. Noch in einer auf den 21.03.2003 datierten E-Mail von Frau C. (Anlage zum Protokoll vom 28.11.2003) ist davon die Rede, dass die Antragstellerin ein Angebot über 166 Mobilfunkkarten benötigte, die "im Callcenter eingesetzt werden sollten". Bei dieser Lage hat die Antragstellerin nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin vor oder bei Vertragsschluss oder Anfang 2003 Kenntnis von dem Einsatz der SIM-Karten in GSM-Wandlern zum Zwecke der Terminierung von Gesprächen, die aus dem Festnetz herrühren, hatte und dies gebilligt hat, zumal es nahegelegen hätte, diesen neuartigen, für die Antragsgegnerin wegen des Entgangs von Interconnection-Gebühren (vgl. Schutzschrift vom 07.10.2003, S. 7) nachteiligen Einsatz von SIM-Karten vertraglich zu fixieren. Den eidesstattlichen Versicherungen von Herrn H. vom 17.11.2003 (Anlage AS 35), vom 28.11.2003 (Anlage EVB 24a) und vom 14.01.2004 (Anlage BB 2), die untereinander substantiell differieren, vermag der Senat keinen relevanten Beweiswert zuzuerkennen, weshalb dahinstehen kann, ob die etwaige Kenntnis von Herrn H. unbeschadet der nachfolgenden Kontaktaufnahme zwischen Frau C. und dem Geschäftsführer der Antragstellerin He. releant wäre.
Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist dahingehend auszulegen, dass der Einsatz der überlassenen SIM-Karten in GSM-Wandlern zum Zwecke der Terminierung von Gesprächen, die aus dem Festnetz herrühren, nicht gestattet ist. Auch wenn weder der Rahmenvertrag über Mobilfunkservice von ... und Kauf von Mobilfunkgeräten vom 28.08./04.09.2002 (Anlage AS 2) noch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der ... für Mobilfunkdienstleistungen (Vertragskunden), Stand: Mai 2002 (Anlage AS 4), die nach den Feststellungen des Landgerichts Vertragsbestandteil geworden sind, ein ausdrückliches Verbot des Einsatzes von SIM-Karten in GSM-Wandlern zu dem genannten Zweck enthalten, ergibt sich ein solches Verbot aus dem Gesamtkontext des Vertrags; es handelt sich ersichtlich um einen Endkundenvertrag, bei dem der Vertragspartner der Antragsgegnerin die Mobilfunkdienstleistungen lediglich als Endkunde nutzen darf. So heißt es etwa in Nr. 7.6 Satz 3 der genannten Allgemeinen Geschäftsbedingungen: "Die Bereitstellung und der Einsatz des geeigneten und notwendigen Endgerätes obliegt dem Kunden". Der vorstehenden Auslegung steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin nach ihrem Vortrag den Einsatz der SIM-Karten in einem Callcenter konsentiert hatte. Auch hierbei handelt es sich um einen Endkundenvertrag, bei dem die SIM-Karten zur Verkehrsführung innerhalb eines Unternehmens mit dessen Mitarbeitern eingesetzt worden wären.
3. Die Antragstellerin kann den geltend gemachten Verfügungsanspruch auch nicht auf § 33 Satz 1 i.V.m. § 20, § 19 GWB stützen.
a) Im Streitfall kann offen bleiben, ob die §§ 33 ff TKG für eine Netznutzung, wie sie hier in Rede steht, eine abschließende und insoweit Individualrechtsschutz ausschließende Regelung darstellen, die der Anwendung der §§ 20, 19 GWB von vornherein entgegenstehen (vgl. KG, Urteil vom 15.01.2004 - 2 U 28/03 Kart, UA S. 5 f m. N. zum Streitstand).
b) Die Antragsgegnerin ist allerdings marktbeherrschendes Unternehmen im Sinne der § 20 Abs. 1, § 19 GWB. Betroffen ist in sachlicher und räumlicher Hinsicht der Markt für die Terminierung von Gesprächen, die aus dem Festnetz herrühren, in das von der Antragsgegnerin betriebene Mobilfunknetz (vgl. KG, Urteil vom 15.01.2004 - 2 U 28/03 Kart, UA S. 5 f; OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2004 - VI - U (Kart), UA S. 11 f). Für einen Festnetzbetreiber, der - ausgelöst durch einen von seinen Kunden getätigten Anruf - die Terminierung in das von der Antragsgegnerin betriebene Mobilfunknetz nachfragt, besteht naturgemäß keine Substitutionsmöglichkeit durch Terminierung in ein anderes Mobilfunknetz, weil sein Endkunde andernfalls den von ihm gewünschten Gesprächspartner in dem von der Antragsgegnerin betriebenen Mobilfunknetz nicht erreicht. Die Mitwirkung der Antragsgegnerin als Mobilfunknetzbetreiber bei der Terminierung einer Gesprächsverbindung aus dem Festnetz in das von der Antragsgegnerin betriebene Mobilfunknetz ist unabdingbar. Selbst wenn entsprechend der Betrachtung des Bundeskartellamts (Stellungnahme vom 09.01.2003, S. 3 (Anlage BB 13)) bei der Erbringung der Leistung der Antragstellerin zwischen einer Transit- und einer Terminierungskomponente unterschieden wird, wobei die eigentliche Terminierung technisch vom Mobilfunknetzbetreiber vorgenommen wird, ändert dies nichts daran, dass die Leistung der Antragstellerin dem Terminierungsmarkt zuzurechnen ist. Denn die Antragstellerin bietet der Marktgegenseite - den Festnetzbetreibern - diejenige Leistung an und erbringt sie, die diese allein nachfragen und die für sich auch nur in ihrer Gesamtheit mit der Gesprächszustellung via Netzzusammenschaltung funktional austauschbar ist, nämlich die Herstellung einer Gesprächsverbindung zwischen dem Festnetz- und dem Mobilfunknetzendkunden (vgl. KG, Urteil vom 15.01.2004 - 2 U 28/03 Kart, UA S. 6 f).
c) Das Verbot der Diskriminierung bzw. unbilligen Behinderung gemäß § 20 Abs. 1 GWG greift indes nicht ein, weil ein Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, im Streitfall nicht eröffnet ist. Die Terminierung von Gesprächen aus einem Festnetz in ein Mobilfunknetz mit Hilfe von GSM-Wandlern, in denen SIM-Karten des betreffenden Mobilfunknetzbetreibers eingesetzt werden, wird auch von anderen Mobilfunknetzbetreibern, wie durch die vorgelegten Gerichtsentscheidungen (vgl. etwa KG, Urteil vom 15.01.2004 - 2 U 28/03 Kart (Anlage EVB 26); KG, Urteil vom 15.01.2004 - 2 W 25/03 Kart (Anlage EVB 27); OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2004 - VI - U (Kart)(Anlage EVB 25a); LG Hamburg, Urteil vom 06.11.2003 - 315 O 508/03 (Anlage EVB 19); LG Düsseldorf, Urteil vom 21.12.2001 - 34 0 (Kart) 127/03 Q (Anlage EVB 15)) belegt wird, nicht gestattet. Eine solche Terminierung ist nicht branchenüblich, zumal die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post hinsichtlich eines derartigen Einsatzes von SIM-Karten telekommunikationsrechtliche und lizenzrechtliche Bedenken aufgeworfen hat (vgl. Schreiben der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 08.05.2003 (Anlage SCH 7); vgl. auch Wemmer, K & R 2002, 559 f).
Die Antragstellerin kann sich unter dem Gesichtspunkt der Diskriminierung nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Antragsgegnerin den Einsatz so genannter Corporate GSM-Gateways durch Unternehmen als Endkunden im Einzelfall duldet. Die betreffenden Unternehmen, die Corporate GSM-Gateways nutzen, sind der Antragstellerin nicht gleichartig. Die unternehmerische Tätigkeit der Antragstellerin liegt in der Terminierung von Gesprächen beliebiger Dritter, die aus dem Festnetz herrühren, in das von der Antragsgegnerin betriebene Mobilfunknetz mittels GSM-Wandlern. Der Einsatz von Corporate GSM-Gateways betrifft nach den Ausführungen der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation (Schreiben vom 18.09.2003 (Anlage AS 24)) die unmittelbare Verkehrsführung bei Mobilfunkverkehr von Unternehmen als Kunden, die z.B. Mitarbeiter im Außendienst haben. Diese Form der Verkehrsführung von einer Telekommunikationsanlage des Kunden zu seinen mobilen Mitarbeitern stellt keine Zusammenschaltung von Telekommunikationsnetzen dar und ist mit dem Einsatz von mit SIM-Karten bestückten GSM-Wandlern zum Zwecke der Terminierung von Gesprächen Dritter, die aus dem Festnetz herrühren, nicht vergleichbar. Der Einsatz solcher Corporate GSM- Gateways dient nicht der Übergabe von Verkehr zwischen verschiedenen Netzen (vgl. KG, Urteil vom 15.01.2004 - 2 U 28/03, UA S. 8 f; OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2004 - VI- U (Kart) 35/03, UA S. 13).
Die Antragstellerin kann sich unter dem Gesichtspunkt der Diskriminierung auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie im Vergleich zur Deutschen Telekom AG, die Zusammenschaltungsleistungen zwischen Festnetzen und dem von der Antragsgegnerin betriebenen Mobilfunknetz anbietet, ohne sachlichen gerechtfertigten Grund unterschiedlich behandelt wird. Bei derartigen Netzzusammenschaltungen, die auf gänzlich unterschiedlicher technischer und telekommunikationsrechtlicher (vgl. §§ 35 ff TKG) Grundlage erfolgen, handelt es sich um einen nicht vergleichbaren Geschäftsverkehr.
d) Auch auf § 33 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 4 GWB kann die Antragstellerin den geltend gemachten Verfügungsanspruch nicht stützen. Es kann dahinstehen, ob die Anwendbarkeit dieser Vorschrift bei einer Konstellation wie im Streitfall bereits deshalb ausscheidet, weil, wie das Kammergericht (Urteil vom 15.01.2004 - 2 U 28/03 Kart, UA S. 7) und das OLG Düsseldorf (Urteil vom 24.03.2004 - VI - U (Kart) 35/03, UA S. 11 f) ausgeführt haben, die Antragstellerin die Nutzung des Netzes nicht begehrt, um auf einem vor- oder nachgelagerten Markt tätig zu werden; die Nutzung des Mobilfunknetzes zur Terminierung sei integraler Bestandteil der Terminierung selbst; es gebe keine Nutzung des Mobilfunknetzes als solche, die einen eigenständigen, der Gesprächszustellung vor- oder nachgelagerten Markt bilde. Dies könnte im Hinblick auf die Wertung des § 35 TKG, der Zusammenschaltungen von Telekommunikationsnetzen als Unterfall des Netzzugangs behandelt, zweifelhaft sein.
Auch wenn sich die Tätigkeit der Antragstellerin auf einen vor- oder nachgelagerten Markt erstrecken sollte, steht ihr kein Verfügungsanspruch nach § 33 Satz 1 GWB i.V.m. § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 4 GWB zu. Zum einen ist zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin Wettbewerber der Antragstellerin auf dem etwa vor- oder nachgelagerten Markt der Terminierung von Gesprächen, die aus dem Festnetz herrühren, in das von der Antragsgegnerin betriebene Mobilfunknetz ist (vgl. Bundeskartellamt, Stellungnahme vom 09.01.2003, S. 12 (Anlage BB 13); KG, Urteil vom 15.01.2004 - 2 U 28/03 Kart, UA S. 7 f). Zum anderen könnte die Antragstellerin nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB allenfalls Netzzugangsgewährung gegen angemessenes Entgelt verlangen. Das Begehren der Antragstellerin läuft indes darauf hinaus, ihr Zugang zur Nutzung des von der Antragsgegnerin betriebenen Netzes für Zwecke der Terminierung von aus dem Festnetz herrührenden Gesprächen zu denselben Konditionen zu gewähren, die für die Nutzung dieses Netzes als Mobilfunk-Endkunde gelten. Es ist nicht hinreichend dargetan oder sonst ersichtlich, dass die Antragsgegnerin die begehrte Nutzung gemäß § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB zu den identischen Konditionen gewähren müsste wie bei Nutzung im Rahmen eines Endkundenvertrags (vgl. KG aaO). Außerdem ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin die Terminierung von Gesprächen, die aus dem Festnetz herrühren, an Endkunden in dem von ihr betriebenen Mobilfunknetz nicht grundsätzlich verweigert, sondern zu anderen Konditionen via Netzzusammenschaltung durch die Deutsche Telekom AG (vgl. Schutzschrift vom 07.10.2003, S. 6-7) diskriminierungsfrei gestattet.
e) Auch auf einen Missbrauch nach § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 GWB kann die Antragstellerin den geltend gemachten Verfügungsanspruch nicht stützen. Bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung des Verhaltens der Antragsgegnerin ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung (vgl. BGHZ 128, 18, 36 ff - Gasdurchleitung; KG, Urteil vom 15.01.2004 - 2 U 28/03 Kart, UA S. 9-10) jedem Unternehmen, auch einem marktbeherrschenden, ein unternehmerischer Freiraum zusteht. Es ist grundsätzlich ihm selbst überlassen, die Art seiner wirtschaftlichen Betätigung zu bestimmen und zu entscheiden, mit welchen Waren oder Leistungen es am Markt teilnehmen will. Bei der danach vorzunehmenden Interessenabwägung darf die grundsätzliche Betätigungsfreiheit des in Anspruch genommenen Unternehmens schon mit Rücksicht auf das Grundrecht aus Art. 12 GG nicht von vornherein ausgeklammert werden. In die Abwägung ist auch einzubeziehen, dass das betroffene Unternehmen, das sein Netz für fremde Zwecke einsetzen muss, in seinem durch Art. 14 GG geschützten Eigentum berührt ist. Bei der Beurteilung, welches Gewicht diesen Interessen beigemessen werden kann, ist aber auch zu beachten, dass ein Unternehmen mit besonderer Marktmacht im Vergleich zu anderen Unternehmen engeren Schranken in seiner Betätigungsfreiheit und im Gebrauch seines Eigentums unterliegt. Dies schließt gegebenenfalls auch Pflichten zum Tätigwerden für andere Unternehmen ein. Ein Tätigwerden im Interesse eines Wettbewerbers kann aber auch einem marktmächtigen Unternehmen nicht ohne Weiteres auferlegt werden. Vielmehr ist auch der allgemeine Grundsatz zu beachten, dass niemand verpflichtet ist, einen (potenziellen) Wettbewerber zum eigenen Schaden zu befördern (vgl. BGH WuW/E 2755, 2759 - Aktionsbeiträge).
Der Streitfall ist nicht mit den Fällen vergleichbar, für die Pflichten zum Tätigwerden des Marktbeherrschers anerkannt sind, wie der Einsatz ihrer Unternehmensmittel, um andere mit ihren Produkten zu beliefern oder Produkte anderer abzunehmen. Im Streitfall geht es um eine dem Kundentausch vergleichbare Konstellation, bei der ein Weigerungsrecht des Netzbetreibers bejaht wird (vgl. Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 19, Rdn. 217). Das Geschäftsmodell der Antragstellerin läuft nämlich darauf hinaus, dass der Festnetzbetreiber mit ihr kontrahiert anstatt einen Verbindungsweg zu wählen, an dem die Antragsgegnerin bei der Terminierung vertraglich beteiligt ist, wobei die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin nach dem Begehren der Antragstellerin nur eine netzinterne Verbindung nach Maßgabe des mit der Antragstellerin geschlossenen Endkundenvertrags abrechnen können soll, während die Antragsgegnerin bei einer Terminierung via Netzzusammenschaltung ein höheres Terminierungsentgelt erhält (vgl. Schutzschrift vom 07.10.2003, S. 6-7).
4. Aus den vorstehend dargelegten Gründen sind im Streitfall auch die Voraussetzungen von Art. 82 EG, insbesondere Art. 82 Abs. 2 Buchst. b EG nicht erfüllt. Die Gesichtspunkte, die zur Verneinung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nach nationalem Kartellrecht führen, gelten auch für die entsprechende Norm im EG-Kartellrecht. Soweit die Antragstellerin sich auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 20.03.1985 - Rs. 41/83 = Slg. 1985, 880 - British Telecommunications beruft, handelt es sich um eine anders gelagerte Fallkonstellation, die mit der im Streitfall nicht vergleichbar ist. Dort ging es um die durch technischen Fortschritt ermöglichte Ausnutzung der Tarifstruktur von British Telecom für telegrafische Dienstleistungen in der Weise, dass Telegramme gleichsam gebündelt und komprimiert aufgegeben werden konnten, so dass zum Preis für ein Telegramm eine Vielzahl solcher Sendungen zum Einzeltarif verschickt werden konnten. Der erhebliche Unterschied zum Streitfall liegt darin, dass es im Fall British Telecommunications um die identische Nutzungsart ging, nämlich die Übermittlung von Telegrammen mittels des dafür bereitgehaltenen Dienstleistungsangebots. Im Streitfall geht es dagegen, wie ausgeführt, darum, dass ein Dienstleistungsangebot der Antragsgegnerin (Mobilfunkdienstleistungen, insbesondere Telefonieren im Mobilfunknetz als Endkunde) für einen anderen Zweck, nämlich die gewerbliche Terminierung von Gesprächen, die aus dem Festnetz herrühren, in das von der Antragsgegnerin betriebene Mobilfunknetz wird (vgl. KG, Urteil vom 15.01.2004 - 2 U 28/03 Kart, UA S. 10 f).
5. Aus den vorstehend genannten Gründen steht der Antragstellerin auch kein Verfügungsanspruch nach § 1 UWG etwa unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch i.V.m. Art. 82 EG oder § 19, § 20 GWB zur Seite.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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