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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 24.07.2003
Aktenzeichen: U (K) 2067/03
Rechtsgebiete: ZPO, GWB


Vorschriften:

ZPO § 592
GWB § 19

Entscheidung wurde am 15.10.2003 korrigiert: auf Wunsch des Senates wurden die Dollar- und Eurobeträge anonymisiert
Zu Einwänden des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung im Urkundenprozess.
Aktenzeichen: U (K) 2067/03

Verkündet am 24.07.2003

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der Kartellsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter Wörle, den Richter am Bundespatentgericht Dr. Albrecht und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Kartzke aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.07.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urkunden-Vorbehaltsurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20.12.2002 - 4HK O 4303/02 abgeändert und in Nr. I des Urteilsausspruchs wie folgt gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ... € sowie ... US-Dollar zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

III. Die Berufung der Beklagten gegen das Urkunden-Vorbehaltsurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20.12.2002 - 4HK O 4303/02 - wird zurückgewiesen.

IV. Die Beklagte trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 17 % und die Beklagte 83 %.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags.

Die Klägerin kann die Vollstreckung seitens der Beklagten abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

VI. Der Beklagten bleibt die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.

Gründe:

I.

Die Klägerin, eine Corporation mit Sitz in Kanada, macht gegen die Beklagte, eine GmbH & Co. KG mit Sitz im Inland, im Urkundenprozess Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit der Überlassung eines Projektionssystems für ein Großbild-Filmtheater in W. geltend.

Das Landgericht hat die Beklagte mit Urkunden-Vorbehaltsurteil vom 20.12.2002 verurteilt, an die Klägerin ... US-Dollar zu zahlen. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Auf dieses Urteil und die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird mit der Abweichung, dass der Vertrag über I...( 3D GT Projektionssystem und Marke (Anlage K 1; im Folgenden: Systemmietvertrag) vom 24.03.2000, nicht vom 28.07./21.09.2000 datiert, und mit der Abweichung Bezug genommen, dass in diesem Vertrag eine Anfangsmiete (initial rent) von ... US-Dollar, nicht von ... US-Dollar vereinbart wurde, die mit Vereinbarung vom 21.09.2000 (Anlage K 2) auf ... US-Dollar, nicht auf ... US-Dollar ermäßigt wurde.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Klägerin und die Beklagte jeweils mit dem Rechtsmittel der Berufung.

Zur Begründung der von ihr eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, das Landgericht habe die Klage zu Unrecht teilweise in Höhe von ... US-Dollar, also ... € bei einem Umrechnungskurs von ... US-Dollar abgewiesen. Dies sei zu Unrecht geschehen, weil das Landgericht

- bei der Berechnung des auf S.13 des angefochtenen Urteils den von der Klägerin hilfsweise in Höhe eines Teilbetrags von ... US-Dollar geltend gemachten Anspruch aus dem Zahlungsplan übersehen habe

- auf S.14 des angefochtenen Urteils ohne jede erkennbare Rechtfertigung den per 01.09.2002 fälligen Gesamtbetrag des hilfsweise geltend gemachten Ratenzahlungsplans in Höhe von ... US-Dollar als Obergrenze für sämtliche geltend gemachten Ansprüche der Klägerin angesehen habe, obwohl der Ratenzahlungsplan nur Ansprüche der Parteien aus der Zeit vor dem 31.08.2001 betreffe, während Teilansprüche der Klage aus der Zeit nach Abschluss des Ratenzahlungsplans herrührten; und

- verkenne, dass die tatsächlich dem Ratenzahlungsplan unterliegenden Ansprüche die Obergrenze desselben nicht überstiegen, und die Klage daher vollumfänglich begründet sei.

Im Termin vom 08.11.2002 habe sich die Klägerin bereit erklärt, die Nachträge einschließlich des Ratenzahlungsplans als gültig anzusehen, weil nach Ansicht des Landgerichts sonst ein Sachverständigengutachten über die Wirksamkeit der Kündigung hätte eingeholt werden müssen, was das Verfahren erheblich verzögert hätte. Damit sei auch der bis dahin nur hilfsweise geltend gemachte Anspruch der Klägerin aus dem Ratenzahlungsplan durchsetzbar geworden.

Das Landgericht gehe fälschlicherweise davon aus, dass sämtliche klägerischen Ansprüche einer Obergrenze unterlägen, nämlich der Obergrenze aller aus dem Ratenzahlungsplan zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ausstehenden und fälligen Zahlungen in Höhe von ... US-Dollar. Das Landgericht lasse dabei außer Acht, dass der Ratenzahlungsplan nur Ansprüche der Parteien aus der Zeit vor dem 31.08.2001 betreffe. Die Obergrenze des Ratenzahlungsplans könne nur für solche Ansprüche der Klägerin gelten, die diesem unterlägen bzw. auf ihm beruhten.

Die Klageerweiterung von zuletzt ... US-Dollar um ... US-Dollar auf ... US-Dollar und zusätzlich ... € sei auch noch im Berufungsverfahren zulässig. Streitgegenstand seien, wie erwähnt, die Zahlungsansprüche der Klägerin aus dem Systemmietvertrag, in erster Linie Mindestmiete und Wartungsgebühren, Filmgebühren sowie die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche aus dem Ratenzahlungsplan. Diese Ansprüche beliefen sich per 01.03.2003 auf ... US-Dollar und ... €.

Die Klägerin beantragt:

Das angefochtene Urteil wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin ... US-Dollar und ... € zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Ferner stellt die Beklagte Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO unter Bezugnahme auf ihre Begründung in erster Instanz.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, soweit zum Nachteil der Klägerin entschieden wurde. Sie macht geltend, soweit die Klägerin ihre Berufungsbegründung und die dort neu formulierte Forderung auf die Anlagen K 2 und K 3 stütze, sei ihr dies verwehrt angesichts des Geständnisses in der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2002, wonach die Nachträge aus den Anlagen K 2 und K 3 nach wie vor wirksam seien. Soweit sich die Klägerin nunmehr im Berufungsverfahren nicht mehr an ihr Geständnis in erster Instanz gebunden fühle, handele sie nicht nur treuwidrig, sondern auch rechtswidrig. In erster Linie sei darauf hinzuweisen, dass das Vertragsverhältnis unwirksam sei. Ansprüche bezüglich der Filmlizenzen seien schon deshalb zurückzuweisen, weil die Grundlage der Ansprüche hierfür nicht auf Urkunden zurückzuführen seien. Auch eine Klageerweiterung bezüglich der Filmlizenzen sei nicht möglich und zulässig, weil kein unmittelbarer Zusammenhang - abgesehen von der unzulässigen Koppelung - mit dem Systemmietvertrag bestehe. Wie das Landgericht auf S. 14 unter Nr. 2.3 richtigerweise ausgeführt habe, seien weitere Ansprüche über den Betrag von ... US-Dollar auf ausdrücklichen Wunsch der Klägerin nicht streitgegenständlich, obgleich die Klägerin diesen Betrag hätte geltend machen können. Ihr sei es deshalb verwehrt, im Berufungsverfahren im Wege einer Klageerweiterung diese Beträge geltend zu machen, weil sie hierdurch der Beklagten eine Instanz nehme. Im Übrigen werde im Hinblick auf die geltend gemachten Forderungen der Einwand der fehlenden Substantiierung gebracht. Ein Nachbessern nach der Berufungsbegründungsfrist sei nicht mehr möglich, weil es insofern an einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung fehle.

Die Beklagte macht zur Begründung der von ihr eingelegten Berufung geltend, das Landgericht habe die Einwendung der Beklagten gegen den von der Klägerin gewählten Urkundenprozess rechtsfehlerhaft als nicht durchgreifend erachtet. Gerade weil der vorliegende Kartellrechtsstreit prima vista vielfältige Probleme in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht aufwerfe, die sich bereits unmittelbar aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen selbst ergäben, könne nicht generell auf das Nachverfahren verwiesen werden.

Soweit das Landgericht den streitgegenständlichen Systemmietvertrag vom 24.03.2000 nebst Ergänzungen vom 28.07./21.09.2000 als rechtswirksam ansehe und einen kartellrechtlichen Rechtsmissbrauch insbesondere im Sinne von § 19 GWB verneine, sei dem nicht zu folgen. Zunächst bestätige das Landgericht, dass es sich bei der Klägerin mindestens um ein marktstarkes Unternehmen im Sinne des GWB handele. Der Sachvortrag der Beklagten in erster Instanz, wonach sich ein sachlicher Vergleichsmarkt erst Anfang des Jahres 2001 herausgebildet habe, bedürfe einer Korrektur. Aus der Anlage B 6b ergebe sich, dass die M. bereits ab 1997 Großbildprojektionssysteme für Filmprojektoren auf Großleinwände angeboten und Filmtheater mit derartigen Projektionssystemen und Großleinwänden ausgestattet habe.

Das Landgericht habe sich in nicht nachvollziehbarer Weise im Rahmen der Beurteilung, ob ein kartellrechtlicher Missbrauch vorliege, mit dem Sachvortrag und den auch für den Urkundenprozess zulässigen Beweisangeboten der Beklagten auseinandergesetzt. Völlig unbeachtet habe das Landgericht die Ausführungen und Beweisangebote im Hinblick auf die Generalklausel in § 19 Abs. 1 GWB i.V.m. Art. 82 EG gelassen, was eine schwerwiegende Rechtsverletzung darstelle. Die tatsächliche und rechtliche Ausgangslage in der Tetra Pak II-Entscheidung der Kommission sei nahezu identisch mit der Tatsachen- und Rechtslage im Streitfall. Es sei eingehend dargestellt worden, dass die Anfangsmiete (initial rent) den Warenwert des streitgegenständlichen Projektionssystems nebst dazugehöriger Systemgegenstände darstelle. Aufgrund der urkundlich verbrieften Auskunft der Klägerin durch deren Wirtschaftsprüfer werde deutlich, dass das streitgegenständliche Vertragsverhältnis im Grunde genommen einem Kaufvertrag gleichkomme, allerdings mit der Einschränkung, dass die Vertragsgegenstände nach Ablauf der Vertragszeit wieder an die Klägerin zurückzugeben seien. und darüber hinaus eine Zusatzmiete zu zahlen sei. Soweit das Landgericht darauf abstelle, dass im Rahmen des streitgegenständlichen Vertragsverhältnisses Lizenzen und spezielles Know how Leistungsgegenstand der Klägerin seien, sei darauf hinzuweisen, dass sich Letzteres nicht aus der Vertragsurkunde ergebe. Die Markenlizenz und die hierfür zu entrichtenden Lizenzgebühren seien allerdings nicht Gegenstand der initial rent. In einem vergleichbaren Verfahren vor der Kommission habe die Klägerin die Zusatzmiete zudem als Markenlizenzgebühr (trade mark licence fee) bezeichnet. Soweit in der additional rent noch Mietzahlungen bzw. Leasingraten enthalten seien, werde der vorher dargestellte Missbrauch noch intensiviert und verstärkt.

Ferner sei es rechtsmissbräuchlich, wenn Unternehmen in beherrschender Marktstellung den Abschluss von Verträgen mit einem Vertragspartner an die Bedingung knüpften, dass die Vertragspartner zusätzliche Waren oder Dienstleistungen abzunehmen hätten, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stünden. In erster Instanz seien drei Koppelungsgeschäfte vorgetragen worden, nämlich

- der Wartungsvertrag

- die Brille

- die Brillenwaschmaschine.

Weder die Brillen noch der Wartungsvertrag noch die Brillenwaschmaschinen stünden in einem engen bzw. zwingenden sachlichen Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Vertrag; auch bestehe insoweit kein Handelsbrauch.

Ein Konditionenmissbrauch liege in der langen Vertragsdauer (20 Jahre). Die lange Bindungsdauer solle nicht zuletzt auch verhindern, dass die Beklagte auf ein System eines Wettbewerbers ausweiche.

Ein weiterer Konditionenmissbrauch, mit dem sich das Landgericht nicht auseinander gesetzt habe, bestehe darin, dass die Beklagte eine Garantie für eine Betriebsbereitschaft des Systems auf 98 % beschränke, wobei wiederum eine Kopplung an die Inanspruchnahme des Wartungsprogramms deutlich werde.

Auch insoweit sei das Ersturteil nicht haltbar, als es davon ausgehe, dass es der Beklagten nicht gelungen sei, einen relevanten Preisvergleich mit geeignetem und ausreichend sicheren Vergleichsmaterial herbeizuführen. Soweit das Landgericht das Gutachten von Dr. Chemnitius als im Urkundenprozess unzulässiges Beweismittel bezeichne, sei dies eine nicht zulässige rechtliche Würdigung.

Die Beklagte beantragt:

1. Das Urteil des Landgerichtes Nürnberg vom 20.12.2002 - 4 HK O 4303/02 - wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin hält den Urkundenprozess im Streitfall für zulässig. Die Beklagte habe einen Vertrag unterschrieben, der bestimmte konkrete Zahlungsansprüche der Klägerin vorsehe. Diese seien Gegenstand des Verfahrens. Die erwähnten Schreiben der Kommission zögen die durch den Vertrag dokumentierten Zahlungsansprüche nicht in Zweifel.

Die von der Beklagten erhobenen kartellrechtlichen Einwendungen seien im gegenwärtigen Stand des Verfahrens schon deshalb unbeachtlich, weil sie nicht urkundlich nachgewiesen seien. Die Einreden griffen auch inhaltlich nicht durch. Das Landgericht habe den Vortrag der Beklagten zur angeblichen Kartellrechtswidrigkeit des I.-Vertrages umfassend und zutreffend gewürdigt. Insbesondere habe sich das Landgericht detailliert mit dem zentralen Vortrag der Beklagten auseinandergesetzt, wonach die vertraglich vereinbarten Zahlungen ausbeuterisch seien, da sie den Marktpreis bei weitem überstiegen. Das Landgericht habe festgestellt, dass die von der Beklagten angestellten Preisvergleiche deshalb ungeeignet seien, weil es an einer Vergleichbarkeit des jeweiligen Produkts fehle. In der Tat vergleiche die Beklagte Äpfel mit Birnen. Aus Sicht der Klägerin sei zu den Ausführungen in dem angefochtenen Urteil allerdings hinzuzufügen, dass die I.-Markenlizenz neben der Zur-Verfügung-Stellung des Projektionssystems nicht der einzige zusätzliche Vertragsinhalt sei. Bei dem I.-Vertrag handele es sich um einen Vertrag sui generis mit Elementen u.a. des Miet-, Lizenz- und Dienstleistungsvertrags. Gemäß dem Vertrag überlasse die Klägerin der Beklagte ein high tech-Projektionssystem und lizenziere die I.-Marke sowie das mit dem Projektionssystem bzw. dessen Betrieb verbundene technische und kommerzielle Know How, gebe eine 98%ige Betriebsgarantie und erbringe Wartungsdienstleistungen sowie weitere Zusatzleistungen, die auch vertraglich erwähnt seien. Die von der Beklagten angestellten Preisvergleiche seien über die von der Beklagten nicht einbezogene und bewertete Markenlizenz hinaus auch wegen dieser zusätzlichen vielfältigen Leistungen in keiner Weise als Vergleichsbasis für die unter dem I.-Vertrag vereinbarte Vergütung geeignet.

Die von der Beklagten herangezogenen Angebote von Wettbewerbern seien auch aus anderen Gründen als Vergleichsbasis für die Beurteilung der kartellrechtlichen Zulässigkeit der unter dem I.-Vertrag vereinbarten Vergütung ungeeignet.

Der vorliegende Sachverhalt sei mit dem der Tetra Pak II-Entscheidung in keiner Weise vergleichbar. Weder die Vereinbarung über die Wartungsleistungen noch der vereinbarte Bezug der Brillenwaschanlage stelle eine unzulässige Koppelung dar. Der Vortrag der Beklagten zur Vertragsdauer bleibe unsubstantiiert.

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 12.02.2003 auf Antrag beider Parteien an das für Kartellsachen in 2. Instanz zuständige Oberlandesgericht München verwiesen.

Ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll des Termins vom 10.07.2003 Bezug genommen.

II.

A.

1. Die Berufung der Klägerin ist unbeschadet der Einlegung beim Oberlandesgericht Nürnberg zulässig. Die Berufung in einer Kartell-Berufungssache kann fristwahrend auch bei dem nach § 119 GVG allgemein zuständigen Oberlandesgericht eingelegt werden; dieses hat die Sache auf Antrag an das Kartell-Oberlandesgericht (Kartellsenat) zu verweisen (vgl. Karsten Schmidt: in Immenga/Mestmäcker, 3. Aufl. § 93 GWB, Rdn. 7), wie das hier geschehen ist. Die Berufungsbegründung der Klägerin genügt auch den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO; die Berufungsbegründung lässt erkennen, in welchen Punkten und warum das angefochtene Urteil nach Ansicht der Klägerin unrichtig ist und welche Gründe sie dem entgegensetzt.

2. Die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz, mit der die Klägerin die Klageforderung erhöht hat, ist zulässig (§ 525 Satz 1, § 264 Nr. 2 ZPO).

3. Die Berufung der Klägerin gemäß der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz ist bis auf einen Betrag von ... US-Dollar begründet; allerdings ist der Beklagten die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorzubehalten (§ 599 Abs. 1 ZPO).

a) Der Urkundenprozess ist im Streitfall, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, zulässig. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche haben die Zahlung bestimmter Geldsummen zum Gegenstand. Die von der Beklagten gegen die Zulässigkeit des Urkundenprozesses geltend gemachten Einwände greifen nicht durch. Gegen den Urkundenprozess bestehen grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt der Einschränkung des Beklagten in seiner Verteidigung keine verfassungsrechtlichen Bedenken, da diese Einschränkung nur vorläufig ist (vgl. Musielak/Voit, ZPO, 3. Aufl., § 592, Rdn. 1; vgl. auch Fischer in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Kap. VIII, Rdn. 41 zur generellen Zulässigkeit des Urkundenprozesses in Mietsachen). Der Streitfall ist mit dem dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 12.07.2001 - IX ZR 380/98 = NJW 2001, 3549, 3550 zugrunde liegenden Fall nicht vergleichbar. Dort hatten die Parteien in einer Sicherungsabrede zu einem Generalunternehmervertrag den Urkundenprozess für einen Rückforderungsprozess aus der Inanspruchnahme einer Bürgschaft auf erstes Anfordern wirksam abbedungen (vgl. BGH aaO 3550 f). Eine vergleichbare Abrede ist den vertraglichen Vereinbarungen im Streitfall nicht zu entnehmen.

b) Nach den Feststellungen des Landgerichts, die von der Beklagten in der Berufungsinstanz nicht in Frage gestellt werden, ist die Klägerin für die geltend gemachten Zahlungsansprüche aktivlegitimiert. Durch die Anlagenkonvolute K 13, K 16 hat die Klägerin belegt, dass die I. Ltd., die Vertragspartei des Systemmietvertrags vom 24.03.2000 (Anlage K 1), auf die Klägerin, die I. Corporation, verschmolzen wurde.

c) Die in der Berufungsinstanz geltend gemachten Zahlungsansprüche gemäß der Aufstellung in der Berufungsbegründung der Klägerin vom 28.02.2003, S. 8 sind, bis auf einen Betrag von ... US-Dollar, urkundlich belegt; gegen das betreffende Zahlenwerk als solches hat die Beklagte, von den grundsätzlichen (kartellrechtlichen) Einwendungen gegen das ganze Vertragswerk abgesehen, konkrete Einwendungen nicht erhoben.

Der Betrag von ... € ergibt sich aus der Nachtragsvereinbarung vom 26.10./12.11.2001 (Anlage K 3) unter Umrechnung der in dem darin enthaltenen Zahlungsplan aufgeführten DM-Beträge (vgl. Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 03.05.1998 über die Einführung des Euro (ABl. EG Nr. L 139, S. 1)) und unter Berücksichtigung der von der Beklagten unstreitig geleisteten Zahlungen in Höhe von ... DM. Es kann im Streitfall dahinstehen, ob die mit Anwaltsschreiben vom 13.05.2002 (Anlage K 5) erklärte Kündigung der Vereinbarung vom 26.10./12.11.2001 (Anlage K 3) nach dem insoweit anwendbaren Recht (vgl. Art. 27 Abs. 1, Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB i.V.m. Anlage K 1, Anhang B, Allgemeine Vertragsbedingungen, Nr. 14, Buchst. k) wirksam ist. Der Klägervertreter hat im Termin vom 08.11.2002 unstreitig gestellt, dass die Nachträge (Anlagen K 2 und K 3) nach wie vor wirksam sind; dies entspricht der Auffassung der Beklagten in der Klageerwiderung vom 12.08.2002, S. 5 sowie im Schriftsatz vom 17.05.2003, S. 2. Bezüglich des Zahlenwerks in der Nachtragsvereinbarung vom 26.10./12.11.2001 (Anlage K 3) besteht insoweit zwischen den Parteien - von den grundsätzlichen (kartellrechtlichen) Einwendungen der Beklagten gegen die Wirksamkeit des ganzen Vertragswerks abgesehen - Konsens.

Die Mindestmiete für die Zeit von September 2001 bis einschließlich Februar 2003 in Höhe von ... US-Dollar, die die Klägerin in der Berufungsinstanz geltend macht (vgl. Berufungsbegründung vom 28.02.2003, S. 8), ergibt sich aus dem Systemmietvertrag vom 24.03.2000 (Anlage K 1; vgl. Anhang A, Teil II, Zusatzmiete).

Die Wartungsgebühren für die drei Quartale ab 15.06.2002, 15.10.2002 und 15.01.2003 à ... US-Dollar pro Quartal, die die Klägerin in der Berufungsinstanz geltend macht (vgl. Berufungsbegründung aaO), ergeben sich ebenfalls aus dem Systemmietvertrag vom 24.03.2000 (Anlage K 1; vgl. Anhang A, Teil III, Wartungsgebühr). Aus dem Schreiben vom 17.10.2001 (Anlage K 15), auf das in der Nachtragsvereinbarung vom 26.10./12.11.2001 (Anlage K 3) Bezug genommen wird, ergibt sich, dass in den Zahlungsplan gemäß dieser Nachtragsvereinbarung nur per 31.08.2001 fällige Beträge Eingang gefunden haben.

Die Filmgebühren für S. & R., T. M. B. und T. I. N. (jeweils ... US Dollar) und die Versioning Fee für I. t. D. (... US Dollar), die die Klägerin in der Berufungsinstanz geltend macht (vgl. Berufungsbegründung aaO), sind urkundlich belegt (vgl. Anlagen K 11, K 12, K 9); allerdings beträgt die Summe dieser drei Positionen nur ... US-Dollar und nicht, wie von der Klägerin errechnet (Berufungsbegründung aaO), ... US-Dollar. In Höhe von ... US-Dollar ist die Klage deshalb abzuweisen.

d) Mit ihren kartellrechtlichen Einwendungen hat die Beklagte im vorliegenden Urkundenprozess keinen Erfolg. Mit den von der Beklagten angeführten Beweismitteln, soweit diese im Urkundenprozess zulässig sind (§ 595 Abs. 2 ZPO), lässt sich ein Ausbeutungsmissbrauch (§ 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB) oder ein sonstiger Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gemäß § 19 GWB mit der etwaigen Folge einer Nichtigkeit des Systemmietvertrags vom 24.03.2000 (Anlage K 1) und der damit zusammenhängenden Vereinbarungen nicht belegen. Für einen Verstoß gegen Art. 82 EG gilt Entsprechendes.

aa) Allerdings ist das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen im Streitfall unbeschadet der im Systemmietvertrag vom 24.03.2000 enthaltenen Klausel zugunsten des Rechts von Ontario (Anlage K 1, Anhang B, Nr. 14 Buchst. k) anwendbar, der eine Rechtswahl (Art. 27 Abs. 1 EGBGB) zugunsten dieses Rechts zu entnehmen ist. Denn die von der Beklagten geltend gemachten Wettbewerbsbeschränkungen wirken sich im Inland aus, wo die Beklagte ihren Sitz hat (§ 130 Abs. 2 GWB).

bb) Es kann im Hinblick auf die nachstehenden Ausführungen offen bleiben, ob, wofür allerdings viel spricht, I. Ltd. bzw. die Klägerin Normadressatin des § 19 GWB ist (vgl. KG ZUM-RD 1998, 55, 59).

cc) Für die Entscheidung der Frage, ob Preise oder Geschäftsbedingungen eines marktbeherrschenden Unternehmens als missbräuchlich anzusehen sind, ist eine Gesamtbetrachtung dahin erforderlich, ob Leistung und Gegenleistung, die ein Unternehmen insgesamt gesehen erbringt und nimmt, zum Nachteil der Abnehmer erheblich davon abweichen, was auf dem Vergleichsmarkt festzustellen ist (vgl. BGH NJW 1986, 846, 847 - Favorit); der Vergleich setzt voraus, dass es sich bei dem Vergleichsmaterial um geeignetes und ausreichend sicheres Material handelt (vgl. BGH WRP 1987, 311, 312 - Glockenheide). Durch die von der Beklagten vorgelegten Urkunden wird ein Preis- bzw. Konditionenmissbrauch, der die geltend gemachten Zahlungsansprüche zu Fall brächte, nicht hinreichend belegt.

(1) Das von der Beklagten vorgelegte Schreiben der PC Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 07.08.2000 (Anlage B 3) betreffend die Zollwertfeststellung für das I.-Projektions- und Soundsystem sowie die von der I. Ltd. erstellen Proforma-Rechnungen vom 23.06.2000 und vom 13.10.2000 (Anlagen B 12a bis B 12c) belegen eine missbräuchliche Preisgestaltung nicht hinreichend. Allerdings heißt es in dem Schreiben vom 07.08.2000 (Anlage B 3), die vereinbarten Teilzahlungen der "Initial Rent" stellten den eigentlichen Warenwert der Projektions- und Soundanlage dar. Indes ist der Beweiswert des Schreibens vom 07.08.2000 (Anlage B 3), das für Zwecke eines Zollverfahrens verfasst worden ist, im vorliegenden Zusammenhang begrenzt; der Warenwert im Rahmen eines Zollverfahrens ist nicht notwendig identisch mit dem Marktwert eines Produktes im Kartellrecht. Außerdem ist der Sachverhalt im Streitfall anders gelagert als derjenige in der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung der Kommission vom 24.07.1991 in der Sache IV/31.043 - Tetra Pak II (ABl. EG Nr. L 72, S. 1), in der die Kommission beanstandet hat (aaO S. 30, Rdn. 137), dass der dortige Mieter bei Übernahme der Anlage im voraus fast die gesamte künftige Miete zahlen musste. Die Kommission hat in ihren Schreiben vom 01.07.2002 (Anlage K 17) und vom 05.06.2001 (Anlage K 18) zur Beschwerde der E. A. gegen bestimmte Handlungsweisen der I. Corporation erhebliche Unterschiede zwischen dem genannten Tetra Pak II -Fall und einer Gestaltung wie der streitgegenständlichen herausgearbeitet; das Verhältnis der Anfangsmiete zu den Gesamtzahlungen der Beklagten unter Berücksichtigung der Zusatzmiete und der Lebensdauer der Systemgegenstände stellt sich im Streitfall anders dar als im Tetra Pak II - Fall.

(2) Zu Recht ist das Landgericht im Übrigen zu dem Ergebnis gelangt, dass die von der Beklagten vorgelegten Angebote von Wettbewerbern (Anlagen B 6a, B 6b, B 7, Anlagen zur Stellungnahme von Dr.-Ing. Ch. vom 06.11.2002 [Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 07.11.2002]) eine missbräuchliche Preisüberhöhung nicht hinreichend belegen. Bei diesem Material handelt es sich insbesondere unter Berücksichtigung des andersartigen Leistungsspektrums nicht um ausreichend sicheres, geeignetes Vergleichsmaterial im vorstehend genannten Sinn. Die genannte Angebote haben im Wesentlichen Anlagenkäufe nebst Installation zum Gegenstand. Bei dem Systemmietvertrag vom 24.03.2000 (Anlage K 1) handelt es sich dagegen um einen gemischten Vertrag, in dem sich I. nicht nur zur Gebrauchsüberlassung der Systemgegenstände, sondern auch zu verschiedenen weiteren Leistungen verpflichtet hat, insbesondere zur Erteilung einer Markenlizenz (Anhang B, Allgemeine Vertragsbedingungen, Nr. 6), zur Erteilung einer 98%igen-Betriebsgarantie bei Befolgung des Wartungsprogramms (vgl. Anhang A, Teil III, Wartung, Wartung und Garantie), zur Beratung hinsichtlich des besten filmischen und akustischen Designs und einer entsprechenden Konstruktion des Theaters (vgl. Anhang B, Allgemeine Vertragsbedingungen, Nr. 4, Buchst. c) sowie zur technischen Unterstützung (vgl. Anhang C, Specifications of System, Installation, Testing and Training Services). Soweit sich die Beklagte auf das von ihr vorgelegte Gutachten von Dr.-Ing. Ch. vom 06.11.2002 (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 07.11.2002) als Urkundenbeweis bezogen hat (Schriftsatz vom 07.11.2002, S. 2), ist dieser Beweisantrag im Urkundenprozess nicht zulässig; die gutachtliche Äußerung eines Sachverständigen kann im Urkundenprozess nicht auf dem Umweg über eine Urkunde eingeführt werden, in der diese gutachtliche Äußerung niedergelegt ist (vgl. BGHZ 1, 218, 220 f).

(3) Soweit die Beklagte die Koppelung des Systemmietvertrags vom 24.03.2000 (Anlage K 1) mit der Wartung des Systems beanstandet, greift dieser Einwand nicht durch. Diese Koppelung ist im Hinblick darauf, dass I. Eigentümerin des Systems bleibt, gerechtfertigt (vgl. Schreiben der Kommission vom 05.06.2001 (Anlage K 18)). Soweit die Beklagte darüber hinaus die Koppelung des Systemmietvertrags mit den Brillen und der Brillenwaschanlage beanstandet, kann dahinstehen, ob diese Koppelungen unbeschadet der von der Klägerin zur Rechtfertigung angeführten Gründe (Schriftsatz vom 09.05.2003, S. 9) einen kartellrechtlichen Verstoß begründen. Die Beklagte hat, worauf die Klägerin mit Schriftsatz vom 09.05.2003, S. 8 hingewiesen hat, jedenfalls nicht hinreichend dargetan, dass ein etwaiger diesbezüglicher Verstoß die geltend gemachten streitgegenständlichen Zahlungsansprüche tangieren würde.

(4) Im Streitfall kann offen bleiben, ob, wofür allerdings einiges spricht, ein Konditionenmissbrauch in der langen Mindestvertragslaufzeit von 20 Jahren (Systemmietvertrag vom 24.03.2000 (Anlage K 1), Anhang A, Vertragsdauer) liegt. Ein diesbezüglicher Verstoß hätte zur Folge, dass die Vertragsdauer auf eine angemessene Dauer zurückzuführen wäre (vgl. BGH NJW 1992, 2145 zur Reduzierung der Laufzeit eines Getränkelieferungsvertrags; vgl. auch Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 20.05.2003 zum Verfahren KZR 12/02); diese Dauer ist im Streitfall (Vertragsschluss 24.03.2000) noch nicht überschritten. Durch die von der Beklagten vorgelegten Urkunden ist nicht hinreichend belegt, dass die etwa gebotene Laufzeitverkürzung bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung derart berührt, dass die vereinbarten Preise als missbräuchlich anzusehen sind, auch wenn nicht zu verkennen ist, dass die Anfangsmiete (initial rent) unter Preismissbrauchsgesichtspunkten um so problematischer sein kann, je kürzer die Laufzeit des Vertrags ist (vgl. Entscheidung der Kommission vom 24.07.1991 - Sache IV/31.043 - Tetra Pak II (ABl. EG Nr. L 72, S. 1, 31, Rdn. 141, Fn. 1)).

(5) Die Voraussetzungen für die von der Beklagten mehrfach beantragte Vernehmung der Chief Executive Officers der Klägerin als Partei liegen nicht vor. Soweit diese Beweisanträge erstmals in der Berufungsinstanz gestellt worden sind, aber schon in erster Instanz hätten gestellt werden können (vgl. Berufungsbegründung vom 24.03.2003, S. 4, 11, 12, 14, 15), sind sie nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nicht zu berücksichtigen; die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die unterbliebene Geltendmachung in erster Instanz nicht auf Nachlässigkeit beruht. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für eine Vernehmung der Chief Executive Officers der Klägerin als Partei (§§ 445, 447 ZPO) nicht vor, weil sich die behaupteten Tatsachen zum Teil aus den vorgelegten Urkunden ergeben oder entscheidungsunerheblich sind. Soweit die Beklagte die genannte Vernehmung insbesondere zum Beweis dafür beantragt hat (Schriftsatz vom 23.10.2002, S. 24), dass die Ausführungen des Sachverständigen Dr. Ch. zur Vergleichbarkeit der drei Angebote der Firmen K. GmbH, M. und Iw. mit dem I.-Projektionssystem stimmen, zielt dieser Antrag auf eine Wertung; die beantragte Beweiserhebung läuft zudem auf eine Umgehung der Unzulässigkeit des Sachverständigenbeweises im Urkundenprozess hinaus.

e) Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 03.07.2003 unter Bezugnahme auf einen Artikel der Berliner Morgenpost vom 13.06.2003 geltend macht, der Systemmietvertrag sei im Hinblick darauf, dass das I.-System von Anfang an auf Schwindel aufgebaut gewesen sei, sittenwidrig und kartellrechtlich missbräuchlich, greift dieser Einwand nicht durch. Durch den genannten Artikel, dem die Klägerin mit Schreiben vom 25.06.2003 (Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 07.07.2003) entgegengetreten ist, wird nicht belegt, dass der Systemmietvertrag vom 24.03.2000 (Anlage K 1) von der I. Ltd. wissentlich auf der Grundlage eines Schwindelsystems abgeschlossen wurde. Deshalb braucht auch dem Antrag der Beklagten, die Chief Executive Officers der Klägerin als Partei zu den im Schriftsatz vom 03.07.2003 genannten Behauptungen zu vernehmen, nicht entsprochen werden (§ 445, § 447 ZPO). Im Übrigen ist § 138 BGB im Streitfall im Hinblick auf die getroffene Rechtswahl zugunsten des Rechts von Ontario nicht anwendbar; bei § 138 BGB handelt es sich nicht um eine zwingende Norm im Sinne des Art. 34 EGBGB, die unabhängig vom Schuldvertragsstatut anwendbar wäre (vgl. Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 5. Aufl., Rdn. 228). Denn die Sittenwidrigkeit wegen Missbrauchs der Privatautonomie betrifft in erster Linie das Verhältnis der Vertragsparteien zueinander (vgl. Martiny aaO). Für eine Nichtigkeit des Systemmietvertrags vom 24.03.2000 (Anlage K 1) nach dem Recht von Ontario fehlen hinreichende Anhaltspunkte.

B.

Die Berufung der Beklagten, die ebenso wie diejenige der Klägerin zulässig ist, ist, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, nicht begründet; allerdings ist der Beklagten die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorzubehalten (§ 599 Abs. 1 ZPO).

C.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2, § 97 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Die in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageerweiterung ist nicht nur durch den Zeitlablauf seit dem Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in erster Instanz (08.11.2002) bedingt; 17 % der nunmehr verlangten Gesamtsumme hat die Klägerin erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemacht, obwohl sie das auch schon in erster Instanz hätte tun können; deshalb sind ihr anteilig die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen (§ 97 Abs. 2 ZPO).

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, § 712 Abs. 2 Satz 2, § 711 ZPO. Der Beklagten ist Vollstreckungsschutz entsprechend ihrem Hilfsantrag zu bewilligen. Die Beklagte hat glaubhaft gemacht (§ 714 Abs. 2 ZPO), dass ihr die Vollstreckung seitens der Klägerin einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde (vgl. Putzo in: Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 712, Rdn. 12). Die Beklagte hat durch Vorlage der Bestätigung ihres Steuerberaters vom 07.11.2002 (Anlage B 27) i.V.m. der Übersicht (Anlage B 28) glaubhaft gemacht, dass ihre Liquiditätslage derart angespannt ist, dass sie einer Zahlungsverpflichtung von ... US-Dollar sowie darüber hinaus nicht nachkommen kann und dass auch eine Sicherheit in entsprechender Höhe von ihr nicht erbracht werden kann. Die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 10.07.2003 zu den Geschäftsaktivitäten der Beklagten entkräften dies nichts. Anordnungen zugunsten der Beklagten nach § 712 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 ZPO kommen indes im Hinblick auf das Vollstreckungsinteresse der Klägerin als Gläubigerin, das nach dem Verfahrensverlauf überwiegt, nicht in Betracht; in Ausübung des nach § 712 Abs. 2 Satz 2 ZPO eingeräumten Ermessens ist anzuordnen, dass das Urteil für die Klägerin nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar ist.

3. Die Revision war nicht zuzulassen, weil der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zukommt und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht gegeben sind (vgl. dazu BGH NJW 2003, 65).

Ende der Entscheidung

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